Regularum libri
Ex libro IV
Marcian. lib. IV. Regul. Geweiht (sanctum) ist dasjenige, was gegen die Widerrechtlichkeiten der Menschen gesichert und geschützt ist. 1Sanctum kommt her von sagmen; so heisst nämlich ein gewisses Kraut, welches die Gesandten des Römischen Volkes zu tragen pflegen, damit sie Niemand verletze, sowie die Gesandten der Griechen sogenannte Heroldstäbe tragen. 2Dass auch die Mauern der Municipalstädte geweiht seien, sagt Cassius, habe Sabinus mit Recht gelehrt, und es müsse verboten werden, sich an denselben dadurch, dass auf dieselben etwas gesetzt wird, zu vergreifen11S. die Note zur Göttinger Corp. Jur.-Ausgabe..
Marcian. lib. IV. Regular. Bei dinglichen Klagen, und bei Klagen auf Auslieferung, und guten Glaubens wird der Würderungseid geschworen. 1Aber der Richter kann eine bestimmte Summe, bis auf welche geschworen werden solle, vorausbestimmen; denn es war [ihm] ja erlaubt, [den Eid] auch vom Anfang an gar nicht anzutragen. 2Ingleichen ist es, auch wenn geschworen sein sollte, dem Richter erlaubt, entweder freizusprechen, oder in ein Geringeres zu verurtheilen. 3Aber in allen diesen Fällen wird blos wegen böser Absicht, nicht auch wegen eines [geringen] Verschuldens22S. Anm. 44. geschworen; denn so etwas schätzt der Richter. 4Freilich ist bisweilen auch bei einer Klage strengen Gerichts der Würderungseid zu schwören, wie wenn der Versprecher des Stichus Verzug begangen haben und Stichus gestorben sein sollte; weil der Richter ohne Eidesantrag33Relatione. Relatio und delatio, referre und deferre werden bisweilen verwechselt. So hier; dasselbe soll nach v. Glück a. a. O. S. 425. Anm. 47. auch in L. 24. de jurejur. Statt finden, obgleich dort auch referre einen passenden Sinn gibt. eine Sache, welche nicht vorhanden ist, nicht schätzen kann.
Ad Dig. 18,1,45ROHGE, Bd. 10 (1874), S. 355: Der Verkäufer ist nicht bloß zur Vertretung der heimlichen, sondern schlechthin aller nicht angezeigten, nicht unerheblichen Mängel verbunden, sofern er nicht beweist, daß der Käufer sie gekannt hat oder kennen mußte.ROHGE, Bd. 22 (1878), Nr. 44, S. 200: Interesse eines Aktienzeichners, der durch Täuschung des Kommittes zu Einzahlungen veranlaßt worden.Idem lib. IV. Regul. Labeo schreibt im Buche seiner nachgelassenen Schriften, wenn Jemand aufgeputzte Kleidungsstücke für neue gekauft habe, so müsse nach der Meinung des Trebatius dem Käufer in dem Falle das Interesse vergütet werden, wenn er ohne zu wissen, dass sie aufgeputzt seien, gekauft habe; diese Meinung billigt auch Pomponius, und auch Julianus theilt solche, indem er sagt: wenn der Verkäufer es selbst nicht wusste, so hafte er [blos] für die Sache selbst, wusste er es, [so haftet er] auch für den daraus entspringenden Schaden; so wie er, wenn er ein Gefäss von Messing, ohne es zu wissen, für Gold verkauft hat, dafür haftet, dass das Gold, welches er verkauft hat, abgeliefert werde.
Marcian. lib. IV. Regul. Wenn ein Sclav seinen Herrn bestohlen haben wird, so ist es nicht nöthig, dies bei dem Verkauf des Sclaven anzugeben, auch findet aus diesem Grunde keine Nöthigung zur Zurückgabe Statt; aber wenn er gesagt haben wird, dass dieser kein Dieb sei, so wird er aus jenem Theile [des Edicts] gehalten sein: wenn er Etwas gesagt oder versprochen hat.
Marcian. lib. IV. Regul. Ad Dig. 22,1,32 pr.ROHGE, Bd. 10 (1874), S. 263: Voraussetzung der mora, wenn zur Erfüllung der Verbindlichkeit die Mitwirkung des Gläubigers erforderlich ist. Durch Mittheilung der Klage wird der Schuldner noch nicht unbedingt in Verzug gesetzt.ROHGE, Bd. 10 (1874), S. 274: Der Verkäufer muß sich nicht nur zur Lieferung der Waare bereit erklärt haben, sondern auch wirklich dazu bereit gewesen sein, um den Käufer in Verzug zu setzen.ROHGE, Bd. 15 (1875), Nr. 102, S. 363, 371: Feststellung des Zeitpunkts des Verzugs mit Rücksicht auf die subjective Auffassung des Säumigen über die Sachlage.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 279, Note 4.Der Verzug wird nicht als von selbst, sondern als durch eine persönliche Handlung entstehend angesehen44Mora fieri intelligitur non ex re, sed ex persona. Mora ex re oder in re oder in rem heisst der Verzug, welcher von selbst, auch ohne Aufforderung von Seiten des Gläubigers eintritt, z. B. in L. 23. §. 1. u. L. 38. pr. h. t. Mora ex persona aber ist der Verzug, welcher dadurch eintritt, dass der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit gemahnt wird. S. L. 38. cit. Die erstere Art tritt nur ausnahmsweise ein. S. Mühlenbruch doctr. Pand. §. 192. Diese Eintheilung bezieht sich natürlich nur auf den Verzug des Schuldners., das heisst, wenn [der Schuldner], nachdem er an einem passenden Orte gemahnt worden ist, nicht gezahlt hat; und dies wird beim Richter untersucht werden. Denn, wie auch Pomponius im zwölften Buch der Epistolae (Briefe) geschrieben hat, die Bestimmung dieser Sache ist schwer. Auch der höchstselige Pius hat an den Tullius Balbus rescribirt, dass [die Frage], ob man annehmen könne, dass ein Verzug Statt gefunden habe, weder durch irgend eine Constitution, noch durch eine Untersuchung der Rechtsgelehrten entschieden werden könne, da dies mehr auf einer Thatsache, als auf einem Rechtssatze beruhe. 1Ad Dig. 22,1,32,1ROHGE, Bd. 15 (1875), Nr. 102, S. 363, 371: Feststellung des Zeitpunkts des Verzugs mit Rücksicht auf die subjective Auffassung des Säumigen über die Sachlage.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 281, Note 4.Und es genügt nicht zum Beweis des Verzugs, wenn an den Sclaven eines abwesenden Schuldners von dem Gläubiger oder dem Geschäftsbesorger desselben eine Aufforderung [zur Zahlung] ergangen ist, da es auch, wenn an den Herrn selbst, sagt er, eine Aufforderung ergangen ist, übrigens [aber] nachher, da derselbe sich stellte, die anhaltende Zurückforderung der Schuld unterlassen worden war, nicht sofort so angesehen wird, als habe sich der Schuldner einen Verzug zu Schulden kommen lassen. 2Bei Contracten guten Glaubens werden wegen des Verzugs Zinsen geschuldet. 3Wie also, wenn sowohl ein Haussohn, als der Vater wegen der Person desselben gehalten ist, sei es weil auf Befehl desselben contrahirt worden ist, oder weil [Etwas] in den Nutzen des Vaters oder in das Sondergut verwendet worden ist, auf wessen Person wird in Betreff des Verzugs gesehen werden? Und wenn nur der Vater belangt werden wird, so ist er wegen seines Verzugs nicht gehalten, gegen den Sohn wird aber eine Klage darauf gegeben werden, dass der Sohn das leiste, was der Kläger zu wenig vom Vater erlangt hat; wenn aber der Sohn sich einen Verzug wird haben zu Schulden kommen lassen, dann wird der Kläger entweder gegen ihn selbst aufs Ganze, oder gegen den Vater nur soweit das Sondergut reicht, [eine Klage] haben. 4Aber wenn zwei Correalschuldner vorhanden sein sollten, so schadet der Verzug des einen dem andern nicht. 5Ingleichen wenn ein Bürge allein sich hat einen Verzug zu Schulden kommen lassen, so ist er nicht gehalten, ebenso wie wenn er den versprochenen Sclaven getödtet haben wird; aber es wird eine analoge Klage gegen ihn gegeben werden.
Idem lib. IV. Regul. Vom höchstseligen Pius ist rescribirt worden, dass, wenn eine Freigelassene einen Senator getäuscht habe, gleich als wäre sie eine Freigeborene, und ihn geheirathet hat, gegen sie eine Klage nach dem Muster des Edicts des Prätors zu geben sei, weil sie aus einem Heirathsgut, welches nichtig ist, keinen Gewinn haben darf.
Übersetzung nicht erfasst.
Marcian. lib. IV. Regular. Es ist mehr für Frauen passend, Pflegekinder freizulassen, aber auch bei Männern hat man es angenommen, und es ist genug, dass erlaubt werde, den freizulassen, zu dessen Ernährung sie geneigt gewesen sind. 1Manche glauben, dass auch Frauen um der Ehe willen freilassen können, aber nur dann, wenn einer solchen etwa ihr [ehemaliger] Mitsclave zu diesem Zweck vermacht worden ist. Auch wenn ein Zeugungsunfähiger um der Ehe willen freilassen will, so kann er es thun. Bei einem Castraten findet dasselbe nicht Statt.
Marcian. lib. IV. Regul. Es ist verordnet worden, dass, wenn Jemand, der gebeten worden ist, eine Sclavin freizulassen, sich dabei einen Verzug habe zu Schulden kommen lassen, und sie unterdessen geboren habe, ein solches Kind als ein freies geboren werde, und zwar als ein freigebornes. Aber es sind Constitutionen vorhanden, durch welche verordnet wird, dass ein Kind sogleich von der Zeit an, seit welcher die Freiheit zuständig zu sein angefangen habe, als ein freigeborenes geboren werde; und das ist ohne Zweifel mehr zu befolgen, weil die Freiheit keine Privat-, sondern eine öffentliche Angelegenheit ist, so dass Der, welcher sie gewähren muss, sie von selbst darbringen muss. 1Wenn aber die Sclavin niedergekommen ist, als die fideicommissarische Freiheit noch nicht gebührte, es jedoch durch die Bemühung des Erben bewirkt worden ist, dass die Freiheit noch nicht zuständig war, z. B. weil er die Erbschaft später angetreten hat, damit die, welche von der Sclavin geboren sind, seine Sclaven würden, so nimmt man an, dass sie freizulassen seien, aber der Mutter übergeben werden müssten, damit sie von derselben freigelassen, und vielmehr Freigelassene der Mutter würden; denn wenn der Erbe unwürdig ist, sie als Sclaven zu haben, so wird er sie nicht einmal als Freigelassene haben.
Marcian. lib. IV. Regul. Auch wenn [der Erbe] nicht mit Fleiss später angetreten, sondern während er sich den Antritt der Erbschaft überlegt, [die Sclavin ein Kind geboren hat,] ist dasselbe gesagt worden. Auch wenn er erst nachher, nachdem die Sclavin geboren, erfahren hat, dass er zum Erben eingesetzt sei, so nimmt man an, dass man dem Kinde auch in diesem Falle zu Hülfe kommen müsse; in diesem Falle wird jedoch er selbst freilassen, nicht das Kind der Mutter übergeben müssen. 1Aber wenn einer Sclavin die Freiheit unmittelbar ertheilt worden, und etwas der Art eingetreten ist, wie wird man den von ihr geborenen Kindern zu Hülfe kommen? Denn in jenen Fällen wird die fideicommissarische Freiheit gefordert, und der Prätor kommt den kleinen Kindern zur Hülfe; wenn aber die Freiheit unmittelbar ertheilt wird, so wird sie nicht gefordert. Aber ich glaube, dass auch in diesem Falle dem von einer solchen Sclavin gebornen Kinde zu helfen sei, so dass der Prätor, auf vorheriges Ansuchen, der Mutter nach Maassgabe der fideicommissarischen Freiheit, eine dingliche Klage ertheile. So hat denn auch Marcellus im sechszehnten Buche der Digesta geschrieben, dass auch den vor angetretener Erbschaft ersessenen Sclaven, welche in dem Testamente freigelassen worden sind, schlechterdings durch den Prätor geholfen werden müsse, damit ihnen die Freiheit erhalten werde, obwohl es auch diesen selbst Schuld gegeben werden könne, dass sie ersessen worden sind; bei kleinen Kindern aber lässt sich kein Verschulden wahrnehmen.
Marcian. lib. IV. Regul. Wenn in Bezug auf einen Mündel, welchem ohne Ermächtigung des Vormunds gezahlt worden ist, gefragt werden sollte, zu welcher Zeit er reicher sei, so wird auf die Zeit gesehen, wo geklagt wird, und damit demselben die vorgeschützte Einrede der Arglist schaden könne, wird die Zeit berücksichtigt, wo geklagt wird. 1Ad Dig. 46,3,47,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 365, Note 14.Freilich wird es, wie Scaevola sagte, auch wenn die Sache vor der Litiscontestation zu Grunde gegangen ist, zuweilen so angesehen, als wenn [der Mündel] reicher geworden wäre, das heisst, wenn er [mit dem ihm gezahlten Gelde] eine ihm nöthige Sache gekauft hat, welche er nothwendig von dem Seinigen hätte kaufen müssen; denn eben dadurch, dass er nicht ärmer ist, ist er reicher. So glaubte er auch, dass bei einem Haussohn der Macedonianische [Senatsschluss] wegfalle, wenn der Sohn für nothwendige Fälle Geld zum Darlehn erhalten, und die [mit diesem Gelde angeschaffte Sache55S. v. Glück a. a. O. XIV. S. 339. fg.] verloren habe.
Übersetzung nicht erfasst.