Institutionum libri
Ex libro I
Gaj. lib. I. Instit. Alle Völker, welche nach Gesetz und Herkommen regiert werden, haben theils ein eigenes, theils ein allen Menschen gemeinschaftliches Recht. Denn das Recht, welches, sich jedes Volk selbst bildet, ist seinem Staate allein eigenthümlich und wird als solches bürgerliches Recht genannt; das Recht aber, welches eine natürliche Ursache unter allen Menschen begründet, wird auch bei allen gleichmässig beobachtet, und heisst Völkerrecht, weil dasselbe gleichsam alle Völker befolgen.
Gaj. lib. I. Instit. Es folgt nun eine andere Eintheilung des Personenrechts, dass nämlich einige Personen eigenen Rechtens, andere fremdem Rechte unterworfen sind. Wir wollen daher von denen handeln, die dem Rechte anderer unterworfen sind; denn wenn wir kennen gelernt haben, welche Personen dies sind, so werden wir zugleich auch wissen, wer eigenen Rechtens ist; wir wollen also sehen, wer sich in fremder Gewalt befindet. 1In der Gewalt der Herren befinden sich nun die Sclaven. Diese Gewalt ist völkerrechtlich, denn wir können bei allen Völkern ohne Unterschied die Beobachtung machen, dass der Herr Gewalt über Leben und Tod seiner Sclaven habe, und dass, was der Sclav erwirbt, für den Herrn erworben wird. 2In jetziger Zeit ist aber Niemandem, der sich unter Römischer Botmässigkeit befindet, erlaubt, über die Gebühr, und ohne einen in den Gesetzen anerkannten Grund, gegen seine Sclaven auszuschreiten. Denn nach der Constitution des Kaisers Antonin wird der nicht minder gestraft, wer seinen eigenen Sclaven ohne Grund tödtet, als wer einen fremden Sclaven umgebracht hat. Auch die grosse Strenge der Herren wird durch die Constitution desselben Kaisers im Zügel gehalten.
Gaj. lib. I. Institut. Die Annahme an Kindes Statt im allgemeinen Begriff geschieht auf zweifache Weise, entweder durch die Auctorität des Kaisers, oder vermöge der Gewalt eines Staatsbeamten. Durch die Auctorität des Kaisers nehmen wir diejenigen an Kindes Statt an, welche eigenen Rechtens sind; diese Art der Annahme an Kindes Statt heisst Adrogation, weil sowohl derjenige, welcher an Kindes Statt annimmt, gefragt wird (rogatur i. e. interrogatur), ob er wolle, dass derjenige, den er an Kindes Statt anzunehmen in Begriff steht, sein rechtmässiger Sohn sein solle, als auch derjenige, welcher an Kindes Statt angenommen wird, ob er zugebe, dass dies geschehe. Vermöge der Gewalt der Staatsbeamten nehmen wir diejenigen an Kindes Statt an, welche sich in Gewalt ihrer Väter befinden, mögen sie den ersten Grad von Kindern einnehmen, wie Sohn und Tochter, oder einen fernern, wie Enkel und Enkelin, Grossenkel und Grossenkelin. 1Das ist aber beiden Arten von Anname an Kindes Statt gemeinschaftlich, dass auch Zeugungsunfähige, wie Spadonen, an Kindes Statt annehmen können. 2Das hingegen ist der Annahme an Kindes Statt, welche durch den Kaiser geschieht, allein eigenthümlich, dass wenn sich Jemand, der Kinder in seiner Gewalt hat, adrogiren lässt, er nicht nur selbst der Gewalt des Adrogirenden unterworfen wird, sondern auch seine Kinder als Enkel in dessen Gewalt treten.
Gaj. lib. I. Inst. Wer einen Sohn und einen Enkel von demselben in seiner Gewalt hat, der hat die freie Wahl, den Sohn aus der Gewalt zu entlassen, und den Enkel darin zu behalten, oder umgekehrt, den Sohn in der Gewalt zu behalten, und den Enkel daraus zu entlassen, oder sie beide eigenen Rechtens zu machen. Dasselbe verstehen wir auch vom Grossenkel geltend.
Ex libro II
Gaj. lib. II. Institut. Ad Dig. 1,8,1 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 146, Note 16.Die oberste Eintheilung der Sachen zerfällt in zwei Abtheilungen, denn sie sind theils göttlichen, theils menschlichen Rechtens. Göttlichen Rechtens sind z. B. die heiligen und religiösen Sachen. Auch die geheiligten Sachen, wie Mauern und Thore, sind gewissermaassen göttlichen Rechtens. Was aber göttlichen Rechtens ist, gehört Niemandem; was menschlichen Rechtens ist, gehört meist Jemandem; doch kann es auch Niemandem gehören; denn Erbschaftssachen gehören, bevor Jemand als Erbe antritt, Niemandem. Diejenigen Sachen aber, welche menschlichen Rechtens sind, sind entweder öffentliche oder Privatsachen; die öffentlichen werden als Niemandem gehörig betrachtet, denn sie werden als der Gesammtheit gehörig angesehen. Privatsachen aber sind diejenigen, welche Einzelnen gehören. 1Ausserdem sind die Sachen theils körperliche, theils unkörperliche. Körperliche sind diejenigen, welche berührt werden können, wie ein Landgut, ein Sclav, ein Kleid, Gold, Silber und unzählige andere. Unkörperliche Sachen sind solche, die nicht berührt werden können, wie diejenigen, welche in einer Recht[svorstellung] bestehen, wie eine Erbschaft, der Niessbrauch, und alle auf irgend eine Weise vollzogene Verbindlichkeiten. Auch thut es nichts zur Sache, dass in der Erbschaft körperliche Sachen begriffen sind; denn auch die von einem Grundstück gewonnenen Früchte sind körperlich, sowie das, was uns aus einer Verbindlichkeit geschuldet wird, meistentheils körperlich ist, wie z. B. Landgüter, Sclaven, Geld; denn das Recht der Erbfolge selbst, das Recht des Niessbrauchs selbst, und das Recht der Verbindlichkeit selbst, ist unkörperlich. Zu derselben Zahl gehören die Rechte städtischer und ländlicher Grundstücke, welche aus Dienstbarkeiten genannt werden.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Gaj. lib. II. Inst. Wir erwerben nicht nur durch uns selbst, sondern auch durch Diejenigen, welche wir in unserer Gewalt haben, ingleichen durch die Sclaven, an denen wir den Niessbrauch haben, so wie durch diejenigen freien Menschen und fremden Sclaven, welche wir im guten Glauben besitzen; wir wollen diese einzeln betrachten. 1Was also unsere Sclaven durch Uebergabe erwerben, oder was sie stipuliren, oder aus irgend einem andern Grunde erlangen, wird für uns erworben; denn der Sclave, der sich selbst in der Gewalt eines Andern befindet, kann nichts Eigenes besitzen. Ist daher ein solcher zum Erben eingesetzt worden, so kann er ohne unsern Befehl die Erbschaft nicht antreten, und wenn er sie auf unsern Befehl angetreten hat, so wird dieselbe für uns erworben, wie wenn wir selbst zu Erben eingesetzt worden wären. Diesem gemäss wird uns durch einen solchen auch ein Vermächtniss erworben. 2Durch Diejenigen, welche wir in unserer Gewalt haben, erwerben wir nicht blos das Eigenthum, sondern auch den Besitz; denn von welchem Gegenstande immer sie den Besitz erlangt haben mögen, es wird stets angenommen, dass wir denselben besitzen. Wir erwerben das Eigenthum daher auch durch den ihrerseits lange Zeit fortgesetzten Besitz. 3In Betreff derjenigen Sclaven, an denen wir nur den Niessbrauch haben, hat man angenommen, dass, was sie von unserm Vermögen, oder durch ihren Dienst erwerben, für uns erworben wird, wenn sie aber ausser diesen Fällen Etwas erworben haben, dies dem Eigenheitsherrn gebührt. Ist daher ein solcher Sclave zum Erben eingesetzt, oder ihm Etwas vermacht oder geschenkt worden, so wird dies nicht für mich, sondern für den Eigenheitsherrn erworben. 4Dasselbe gilt von Dem, den wir im guten Glauben besitzen, er mag ein Freier sein, oder ein fremder Sclave, denn was vom Niessbraucher gilt, das gilt auch vom Besitzer im guten Glauben. Was daher aus andern als jenen beiden Gründen erworben wird, das gebührt ihm entweder selbst, wenn er ein Freier ist, oder seinem Herrn, wenn er ein Sclave ist. 5Der Besitzer im guten Glauben kann aber, wenn er den Sclaven ersessen hat, weil er auf diese Weise Eigenthümer wird, durch denselben aus allen Gründen erwerben; der Niessbraucher kann aber den Sclaven nicht ersitzen, erstens weil er ihn nicht besitzt, sondern das Niessbrauchsrecht hat, sodann weil er weiss, dass es ein fremder Sclave ist.
Idem lib. II. Inst. so begeht er keinen Diebstahl; denn ein Diebstahl kann ohne die Absicht zu Stehlen nicht begangen werden. 1Auch an einem fremden Landgute kann Jemand den Besitz ohne Gewaltthätigkeit erlangen, wenn derselbe entweder durch Nachlässigkeit des Eigenthümers unbesetzt, oder der Eigenthümer ohne Nachfolger gestorben, oder lange Zeit über abwesend gewesen ist.
Ex libro III
Gaj. lib. III. Inst. Durch Einwilligung entsteht eine Verbindlichkeit beim Kauf, beim Pacht, bei der Gesellschaft, beim Auftrag. 1Dass die Verbindlichkeit in diesen Fällen durch Einwilligung contrahirt werde, sagen wir darum, weil dabei gar keine besondere Eigenthümlichkeit der Worte oder einer Schrift erfodert wird, sondern es genügt die Einwilligung Derer, die das Geschäft vollziehen. 2Daher können auch zwischen Abwesenden solche Geschäfte contrahirt werden, z. B. durch einen Brief, oder durch einen Boten. 3Es wird auch bei Contracten dieser Klasse Jeder dem Andern zu Dem verpflichtet, was er dem Andern nach Recht und Billigkeit leisten muss.