Ad Massurium Sabinum libri
Ex libro XXVI
Id. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ein Vater wahnsinnig wird, so befinden sich die Kinder nichts desto weniger in ihres Vaters Gewalt. Dasselbe gilt in Ansehung aller Eltern [jeden Grades], welche Kinder in ihrer Gewalt haben; denn da das Recht der [väterlichen] Gewalt durch das Herkommen angenommen worden ist, und Niemand aufhören kann, seine Kinder in der Gewalt zu haben, als wenn sie auf den gewöhnlichen Wegen daraus treten, so unterliegt es keinem Zweifel, dass dieselben in der Gewalt bleiben. Er behält daher nicht nur diejenigen Kinder in seiner Gewalt, welche er vor dem Wahnsinn erzeugt hat, sondern auch diejenigen, welche vor dessen Anfang empfangen und während desselben geboren worden sind; nun fragt es sich nur, ob, wenn der Mann im Wahnsinn handelt und die Frau schwanger wird, das geboren werdende Kind in die Gewalt [des Vaters] fällt; denn der Wahnsinnige kann zwar keine Frau heirathen, wohl aber die Ehe fortsetzen. Wenn sich nun dies aber so verhält, so wird er auch dasselbe als Sohn in seiner Gewalt haben. Deshalb wird auch, wenn die Frau wahnsinnig ist, das vorher von ihr empfangene Kind als der Gewalt [des Vaters] unterworfen geboren; auch das im Wahnsinn [der Mutter] von einem Nichtwahnsinnigen empfangene Kind befindet sich, wenn es geboren ist, ohne Zweifel in der Gewalt [des Vaters], weil die Ehe fortbesteht. Auch wenn beide im Wahnsinn handeln, der Mann wie die Frau, und die Frau empfängt, befindet sich das geboren werdende Kind in des Vaters Gewalt, wie wenn noch ein Ueberbleibsel des Willens in den Wahnsinnigen geblieben wäre; denn wenn die Ehe fortbesteht, wenn einer der Ehegatten wahnsinnig ist, so muss sie auch fortbestehen, wenn sie beide wahnsinnig sind. 1Dass der wahnsinnige Vater das Recht der Gewalt behält, geht sogar soweit, dass ihm auch der Nutzen daran erworben wird, was sein Sohn erworben hat.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ein Familienvater an Kindes Statt angenommen worden ist, so geht alles, was sein war und erworben werden kann, stillschweigend auf den über, welcher ihn an Kindes Statt angenommen hat; ja, es folgen ihm selbst die Kinder, welche er in seiner Gewalt hat; auch diejenigen, welche vermöge des Heimkerrechts zurückkehren, oder die noch ungeborenen kommen, wenn er adrogirt worden worden, auf ähnliche Weise in die Gewalt des Adrogirenden. 1Wer zwei Söhne, und von dem einen derselben einen Enkel hat, der kann, wenn er den Enkel als gleichsam vom andern erzeugt an Kindes Statt11Das hier eingeschobene sic dürfte wohl herauszuwerfen sein; s. die Note in der Götting. Corp. Jur.-Ausgabe. annehmen will, dies auf die Weise bewirken, dass er ihn [erst] aus der Gewalt etnlässt und [dann] als vom andern erzeugt an Kindes Statt annimmt; denn er thut dies dann ganz wie jeder Andere, und nicht als Grossvater, und aus dem Grunde, wie er Jemanden als den Sohn eines Andern an Kindes Statt annehmen kann, kann er es auch, als [wäre jener] vom andern Sohne [erzeugt]. 2Bei Adrogationen erstreckt sich die Untersuchung darauf, ob der, welcher adrogiren will, nicht unter sechzig Jahre alt sei, weil er sich dann vielmerh der Erzeugung [eigener] Kinder befleissigen muss, es wäre denn Krankheit oder Ungesundheit als Ursache, oder ein anderer rechtmässiger Grund des Adrogirens vorhanden, z. B. wenn er eine ihm nahestehende Person an Kindes Statt annehmen will. 3Ebensowenig darf Jemand Mehrere [auf einmal] adrogiren, wenn kein rechtmässiger Grund vorhanden ist, jedoch weder einen fremden Freigelassenen, noch ein Jüngerer einen Aeltern.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wer Jemands Vormundschaft oder Curatel verwaltet hat, der darf [diesen] nicht adrogiren, wenn er unter fünfundzwanzig Jahre als ist, damit er ihn nicht deswegen adrogire, um keine Rechtnung abzulegen zu brauchen. Ebenso ist darauf zu achten, dass nicht etwa eine schlechte Ursache der Adrogation zum Grunde liege. 1Die Adrogation solcher Unmündigen ist nur denjenigen zu gestatten, die entweder durch natürliche Verwandschaft oder durch die reinste Zuneigung bewogen dazu schreiten, übrigens aber zu verbieten, damit es nicht in der Gewalt der Vormünder stehe, sowohl die Vormundschaft zu endigen, als auch die vom Vater [des Unmündigen] getroffene Substitution zu vereiteln. 2Zuerst ist aber zu ermitteln, welches das Vermögen des Unmündigen und welches dessen sei, der ihn an Kindes Statt annehmen will, damit aus der Vergleichung beider abgenommen werden kann, ob die Annahme an Kindes Statt dem Unmündigen als vortheilhaft betrachtet werden könne; nachher, wie der Lebenswandel dessen sei, der einen Unmündigen in seine Familie aufnehmen will; drittens, welchen Alters derselbe sei, um zu ermitteln, obe er nicht vielmehr selbst noch auf Erzeugung von Kinder zu denken habe, als aus einer fremden Familie Jemanden in seine Gewalt bringen zu wollen. 3Ueberdies ist auch darauf zu achten, ob demjenigen, der ein oder mehrere Kinder hat, gestattet werden dürfe, noch ein anderes anzunehmen, damit nicht entweder die Hoffnung derjenigen, welche er in rechtmässiger Ehe erzeugt hat, vermindert werde, welche sich jedes derselben durch Gehorsam bereitet, oder der an Kindes Statt Angenommene werniger erhalte, als er hätte bekommen müssen. 4Zuweilen wird auch einem Aermern gestattet, einen Reichern an Kindes Statt anzunehmen, wenn sein Lebenswandel unbescholten ist, oder [er zu demselben] eine ehrbare und nicht unbekannte Zuneigung [hegt]. 5Es pflegt aber in diesen Fällen eine Bürgschaft bestellt zu werden.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Dass mit den Worten der Bürgschaft, welche vom Adrogirenden geleister werden muss: wem das Vermögen zukommt, auch die [vom Vater des Adrogirten] im zweiten [Theil des] Testament[s] verfügten Freiheitsertheilungen, und um so mehr der substituirte Sclav und die Vermächtnissinhaber gesichert werden, wird Niemand bezweifeln. 1Wenn diese Bürgschaftsstellung unterlassen worden ist, so wird eine analoge Klage wider den Adrogirenden ertheilt.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn der Adrogirende mit Hinterlassung eines unmündigen angenommenen Sohne gestorben ist, und bald darauf auch der Unmündige stirbt, haften da die Erben des erstern? — Es müssen dieselben allerdings sowohl das Vermögen des Adrogirten, als ausserdem den vierten Theil [vin Vermögen des verstorbenen Erblassers] herausgeben. 1Es fragt sich aber, ob der Adrogirende dem Unmündigen substituiren dürfe? — Ich halte die Substitution für unzulässig, ausser auf den Viertheil allein, den [der Unmündige] von seinem Vermögen erhält, und insofern sich dieselbe nur bis zu seiner Mündigkeit seiner Treue überlässt, so ist das Fideicommiss unzulässig, weil dasselbe nicht zufolge seines freien Willens an den [Unmündigen] gelangt, sondern durch die Vorschrift des Kaisers. 2Dieses alles kommt zur Anwendung, es mag Jemand einen Unmündigen an Sohnes, oder an Enkels Statt adrogirt haben.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Vor einem Familiensohn, der Prätor ist, kann dessen Vater [Sclaven] freilassen.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. noch an Kindes Statt annehmen; denn er hat überhaupt keine Gewalt zur Leitung rechtlicher Verhandlungen.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Der Präsident kann vor sich an Kindes Statt annehmen, sowie auch seinen eigenen Sohn aus der Gewalt entlassen, und Sclaven freilassen.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Vor dem Gerichtsverwalter kann man an Kindes Statt annehmen, weil ihm die Leitung rechtlicher Verhandlungen verliehen worden ist.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Der Curator eines Wahnsinnigen kann die Verwaltung des Sondergutes sowohl geben als auch verweigern dem Sclaven des Wahnsinnigen, sowie dem Sohne.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ein Enkel eine Ehefrau nehmen will und sein Grossvater rasend ist, so wird jeden Falls die Ermächtigung seines Vaters nothwendig sein, aber wenn der Vater rasend, der Grossvater bei Verstand sein sollte, so genügt der Wille des Grossvaters. 1Der, dessen Vater von den Feinden gefangen worden ist, kann, wenn [der Vater] nicht innerhalb dreier Jahre zurückkehrt, eine Frau nehmen.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ich irgend eine zur Ehefrau gehabt habe, dieselbe sodann, nachdem sie von mir verstossen war, den Sejus geheirathet hat, welchen ich nachher adrogirt habe, so ist die Ehe nicht blutschänderisch. 1Zwischen mir und der Verlobten meines Vaters kann keine Ehe eingegangen werden, obgleich sie nicht eigentlich meine Stiefmutter genannt wird. 2Aber auch umgekehrt wird meine Verlobte meinen Vater nicht heirathen können, obwohl sie nicht eigentlich seine Schwiegertochter genannt wird. 3Julianus glaubt, dass wenn meine Ehefrau nach der Scheidung einen Anderen geheirathet und eine Tochter geboren habe, diese zwar meine Stieftochter nicht sei, ich mich aber doch der Ehe mit derselben zu enthalten habe. 4Die Tochter meiner Adoptivschwester kann ich zur Frau nehmen, denn die Tochter derselben ist nicht meine Verwandte, weil Niemand durch Adoption Oheim von mütterlicher Seite wird und nur solche Verwandschaften durch die Adoptionen begründet werden, welche gesetzlich22D. h. civilrechtlich. Vgl. Gaj. III. 10. Der Sinn dieser Stelle ist der, dass in der Adoptivfamilie nur die agnatio (d. h. die durch Mannspersonen, welche zur Familie gehören, gesetzmässig begründete Verwandschaft), nicht auch die cognatio im engern Sinne ein Ehehinderniss ist, weil letztere stets auf natürlicher Verwandschaft beruht. sind, das heisst, welche das Recht der Agnaten haben; auf gleiche Art kann ich auch die Schwester meines Adoptivvaters heirathen, wenn sie nicht von demselben Vater erzeugt worden ist.
Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Julianus fragt im achtzehnten Buche der Digesta, ob eine Rasende eine Kündigung ergehen lassen, oder ihr gekündigt werden könne; und er schreibt, dass einer Rasenden gekündigt werden könne, weil sie wie eine, die Nichts weiss, angesehen wird, dass sie aber nicht kündigen könne, weder sie selbst, wegen ihrer Unvernünftigkeit, noch ihr Curator; ihr Vater könne jedoch eine Kündigung ergehen lassen. [Julianus] würde dies aber nicht in Betreff der Kündigung erörtert haben, wenn es nicht bekannt wäre, dass die Ehe [mit einer Rasenden] fortbestehe; und diese Meinung scheint mir wahr zu sein.
Übersetzung nicht erfasst.