Quaestionum libri
Ex libro II
Scaevola lib. II. Quaest. Wer eine Lieblosigkeitsklage erheben will, darf, wenn auch geleugnet wird, dass er ein Sohn [des Testators] sei, den Carbonianischen Nachlassbesitz nicht empfangen; denn derselbe darf nur allemal dann bewilligt werden, wenn er, dafern er wirklich Sohn wäre, Erbe oder Nachlassbesitzer werden würde, damit er einstweilen sowohl im Besitz sei, als auch ernährt werde, und durch Klagen ihm kein Nachtheil entstehe. Wer aber ein Testament als lieblos anfechtet, darf weder Klagen erheben, noch eine andere als die Erbschaftsklage anstellen, noch [aus dem Nachlass] Alimente verlangen, damit er nie besser daran sei, als wenn der Gegner gesteht.
Scaevola lib. II. Quaest. Wer mehrere Grundstücke hinterlässt, und den Niessbrauch an allen getrennt vermacht hat, kann in einem derselben beigesetzt werden; die Auswahl steht dem Erben zu, und es findet Entschädigung Statt; dem Niessbraucher ist aber wider den Erben eine Klage zur Erlangung dessen zu ertheilen, um wieviel der Niessbrauch durch diese Wahl verringert worden ist. 1Wenn der Erbe einer Frau deren Leiche auf einem erbschaftlichen Grundstück beigesetzt hat, so wird er vom Ehemann, der zu den Leichenkosten beitragen muss, nach Maassgabe der Abschätzung des Platzes [einen Ersatz] erhalten. 2Demjenigen, dem Kleider vermacht worden sind, muss, der Annahme nach, wenn sie auf Leichenkosten verwendet worden, wider den Erben eine analoge Klage ertheilt werden, und das Privilegium der Leichenkosten.
Scaevol. lib. II. Quaest. Klagt ein Sclav aus dem Sondergute auf das, was ihm unabhängige Personen schuldig sind, so ist der Herr nicht schlechterdings bis zur Grösse der Schuld zu verurtheilen, da sowohl der Aufwand bei der Klagführung als auch der Erfolg der Beitreibung ungewiss sein kann, und der Verzug der Zeit zu bedenken ist, welche richterlichen Erkenntnissen zugestanden wird, oder des Verkaufs der Güter, wenn dieses thunlicher wäre; also wenn er bereit ist, die Klagen führen zu lassen, so kann er losgesprochen werden. Denn was man sagt, dass, wenn mit einem von [mehrern] Genossen rechtlich verfahren wird, das ganze Sondergut zusammenzunehmen sei, weil die Klage gegen Gesellschaftsglied gerichtet sei, das zeigt auf dasselbe zurück, wenn er bereit ist, die Klagforderungen zu gewähren, und bei allen, welche wir deshalb verbindlich nennen, weil sie eine Klage haben, dürfte eine Anweisung für ordentliche Leistung gelten.
Scaevola lib. II. Quaest. Wer das Verhältniss der Freiheit bei dem Verkaufe ausgenommen hat11D. h. wer gesagt hat, dass er nicht dafür stehe, wenn der verkaufte Sclav frei und dadurch entwährt werde.; wird [wegen der Freiheit des verkauften Sclaven], mag [derselbe] schon damals, als er übergeben wurde, ein freier Mensch gewesen sein, oder mag er nach Erfüllung einer Bedingung, welche in einem Testament aufgestellt gewesen ist, zur Freiheit gelangt sein, Namens der Entwährung nicht gehalten sein. 1Wer aber bei der Uebergabe [des verkauften Sclaven] denselben einen bedingt Freien nennt, der wird so angesehen werden, als nehme er nur diese Art der Freiheit aus, welche aus einem Testament nach erfüllter Bedingung aus [einem Grunde] der Vergangenheit eintreten kann; und darum ist der Verkäufer wegen der Entwährung gehalten, wenn die Freiheit ohne Nebenbestimmung durch ein Testament gegeben sein wird und er angegeben hat, dass [der Sclav] ein bedingt Freier sei. 2Umgekehrt wird der, welcher einem bedingt Freien übergibt, wenn er eine bestimmte Bedingung angegeben haben wird, unter welcher demselben, wie er sagt, die Freiheit gegeben ist, so angesehen werden, als habe er seine Lage verschlechtert, weil er nicht jeden Grund der bedingten Freiheit, sondern nur den, welchen er angegeben haben wird, ausgenommen zu haben scheinen wird; z. B. wenn Jemand gesagt haben wird, dass dem [zu verkaufenden] Menschen befohlen worden sei, Zehn zu geben und derselbe nach einem Jahre zur Freiheit gelangt sein wird, weil die Freiheit auf diese Weise gegeben worden ist: Stichus soll nach einem Jahre frei sein, so wird er aus der Verbindlichkeit zum Schadensersatz wegen der Entwährung gehalten sein. 3Wie also, täuscht der, welcher angibt, dass der, welchem Zehn zu geben befohlen worden ist, Zwanzig geben müsse, nicht in Bezug auf die Bedingung? Es ist wahr, dass mich dieser in Bezug auf die Bedingung täuscht, und darum haben Einige geglaubt, dass auch in diesem Fall [der Verfall der] Stipulation wegen der Entwährung begründet werde. Aber es hat das Ansehen des Servius mehr gegolten, der da meinte, in diesem Falle finde die Klage aus dem Kaufe Statt, weil er nämlich glaubte, dass der, welcher angegeben hätte, dass dem Sclaven, zehn zu geben, befohlen worden sei, [doch jeden Falls] eine Bedingung ausgenommen habe, welche in einem Geben bestände. 4Es ist [in einem Testament] verordnet worden, dass ein Sclav nach abgelegter Rechnung frei sein solle; diesen hat der Erbe übergeben und gesagt, es sei demselben befohlen, Hundert zu geben; wenn nichts rückständig ist, was der Sclav etwa geben müsste, und er deshalb nach angetretener Erbschaft frei geworden ist, so wird die Verbindlichkeit zum Schadensersatz wegen der Entwährung dadurch begründet, dass ein freier Mensch wie ein bedingt Freier übergeben wird. Wenn er mit Hundert im Rückstand ist, so kann der Erbe so angesehen werden, als habe er nicht getäuscht, weil, wenn Jemandem befohlen worden ist, Rechnung abzulegen, es so verstanden wird, als sei ihm befohlen, die Summe Geldes, welche aus den rückständigen Posten zusammengerechnet wird, zu geben; und dem ist es entsprechend, dass, wenn er mit weniger, als Hundert, im Rückstand ist, z. B. blos mit Funfzig, und22Das et bei Haloander und in der Vulg. entspricht dem Zusammenhang besser, als das ut der Florent., da er dies Geld gegeben hat, zur Freiheit gelangt ist, wegen der übrigen Funfzig die Klage aus dem Kaufe zusteht. 5Aber auch wenn Jemand beim Verkaufe [den Sclaven] nur obenhin einen bedingt Freien genannt, die Bedingung der Freiheit aber verschwiegen haben wird, so wird er auf die Kaufklage gehalten sein, wenn dies (die Bedingung) der Käufer nicht gewusst haben wird; denn in diesem Falle findet das Anwendung, dass der, welcher [den Sclaven] einen bedingt Freien genannt, und keine Bedingung angegeben hat, zwar wegen der Entwährung nicht gehalten ist, wenn der Sclav nach erfüllter Bedingung zur Freiheit gelangt sein wird, aber auf die Kaufklage gehalten ist, wenn er nur die Bedingung, von welcher er wusste, dass sie vorgeschrieben worden sei, verschwiegen hat; ebenso wie der, welcher ein Grundstück übergibt, und, da er weiss, dass eine bestimmte Dienstbarkeit darauf hafte, nur obenhin gesagt haben wird: die Fusssteigsgerechtigkeiten, die Viehtriftsgerechtigkeiten anlangend, so wird [das Grundstück] in Bezug auf die, welchen sie zustehen, und in dem Zustand, in welchem sie sich befinden, gehörig übernommen, zwar wegen der Entwährung befreit, aber, weil er den Käufer hintergangen hat, auf die Kaufklage gehalten ist. 6Wenn bei einem verkauften Grundstück der angegebene Flächeninhalt nicht vorhanden ist, so wird ein Theil von dem Preis [dem Verkäufer] genommen, und der ganze [Preis] wird aus [den Preisen] aller angegebenen Morgen zusammengerechnet33Z. B. es war ein Grundstück von 100 Morgen, ein jeder zu dem Preis von 2, verkauft worden. Das Grundstück enthält aber nur 80 Morgen. Es wird also von dem Gesammtpreis von 200, soviel weggenommen, als auf die fehlenden 20 Morgen kommt, d. h. 40. S. v. Glück Th. 16. S. 87..
Scaevola lib. II. Quaest. Wenn der Ehemann auf das, was er leisten kann, verurtheilt worden sein sollte, und Schuldforderungen [in seinem Vermögen] vorhanden sein sollten, so wird er die Klage nothwendig bis zum Betrag des Heirathsguts, aber nicht weiter [an die Frau] abtreten müssen44Dies scheint der richtige Sinn dieser bestrittenen Stelle zu sein, mit welchem auch die Basil. XXVIII. 8. 41. T. IV. p. 357. u. das Schol. q. dazu p. 399. vollkommen übereinstimmen. Es ist dabei die von Fabrot, Bynkershök und And. vorgeschlagene und in unseren Text aufgenommene Lesart: necesse habebit, statt neque hab. befolgt worden. Die Erklärung, welche v. Glück XXVII. S. 353. ff. gibt, widerspricht dem wahren Sinn (s. Zimmern a. a. O. Bd. 3. §. 141. Anm. 2.) der condemnatio in id, quod facere potest..