Digestorum libri
Ex libro XXIV
Scaevola. lib. XXIV. Dig. Jemand hat in seinem Testamente so verordnet: Ich will, dass dem Eudo tausend Geldstücke gegeben werden sollen, weil er zuerst geboren worden ist, nachdem seine Mutter frei geworden war. Ich frage, ob, wenn Eudo nicht beweise, dass er nach der Freilassung seiner Mutter geboren sei, er in Folge dieser Worte des Testaments die Freiheit erlangen könne? [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, dass ein solcher Fall [der Freiheit] keinen Nachtheil bringen dürfe.
Scaevola lib. XXIV. Dig. Eine Frau hat, indem sie ihren Ehemann zum Erben eingesetzt hatte, fideicommissweise Sclaven die Freiheit ertheilt, und unter ihnen auch dem Stichus, dem Geschäftsführer ihres Ehemannes. Man hat gefragt, ob, da Jener in Abwesenheit seines Herrn den Präsidenten der Provinz angegangen sei, damit ihm die Freiheit gewährt würde, gleich als ob der Erbe aus einem rechtmässigen Grunde abwesend wäre, und da der Präsident der Provinz ausgesprochen habe, dass dem Sclaven die Freiheit gebühre, gegen den Stichus geklagt werden könne, damit er angetrieben werde, Rechnung über die von ihm geführten Geschäfte abzulegen? [Scävola] hat das Gutachten ertheilt, dass das nicht [geschehen könne. 1Jemand hat seiner Ehefrau das Heirathsgut und mehrere andere Sachen vermacht, und ihr das Fideicommiss auferlegt, dass sie den Aquilinus, ihren eigenen Sclaven, vor dem Rathe freilassen möchte; sie hat behauptet, dass sie das nicht zu thun brauche, da es ihr eigener Sclave wäre. Ich frage: ob ihm die Freiheit gebühre? [Scävola] hat das Gutachten ertheilt, dass die Ehefrau, wenn sie in Folge des Testaments nicht blos das Heirathsgut, sondern auch die übrigen Vermächtnisse sich entrichtet wissen wollte, angehalten werden müsste, den Aquilinus aus dem Grunde des Fideicommisses freizulassen, und dass derselbe, wenn er frei sein wird, das, was ihm [etwa sonst] vermacht worden ist, fordern könne.
Scaevola lib. XXIV. Dig. Dem Stichus ist die Freiheit [so] gegeben worden: Meine Erben bitte ich, und ich lege ihnen das Fideicommiss auf, dass sie den Stichus, wenn er Rechnung abgelegt haben wird, freilassen mögen. Man hat gefragt, ob dem [Sclaven,] — da er sich mit einer bedeutenden Geldsumme, welche [von ihm] nach dem Tode des Testators eingefordert und [ihm] anvertraut worden sei, in Rückstand befinde, auch einige von den Pächtern eingeforderte Summen nicht in die Rechnungen eingetragen, und die Erbschaft beraubt habe, indem er heimlich die Magazine geöffnet, und Hausgeräth und Kleidung weggenommen, und die Keller ausgeleert hat — die fideicommissarische Freiheit nicht eher gebühre, als bis er Das, womit er sich unredlicher Weise in Rückstand befinde, und was er gestohlen hat, zurückgestellt habe? [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, dass demselben die fideicommissarische Freiheit nicht eher gewährt zu werden brauche, als bis er sowohl den Rückstand, als auch Alles, was durch ihn fehlte, ausgeantwortet hätte. 1Pamphilus soll frei sein, wenn er sein Sondergut den Erben richtig gegeben hat. Man hat gefragt, ob, — da er mehr schulde, als er an Sondergut habe, und alle Sachen, welche er im Sondergut hatte, den Erben in gutem Glauben gegeben habe, — [ihm] in Folge des Testaments die Freiheit zustehe? [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, es liege nichts vor, warum sie ihm nicht zustehen sollte. 2[Jemand] hatte seinem Freigelassenen Pamphilus, welchen er zum Erben auf einen Theil eingesetzt hatte, den Sclaven Stichus zum Voraus vermacht, und diesem die Freiheit mit folgenden Worten gegeben: so dass du ihn dann, wenn er dir seit meinem Todestag fünf ununterbrochene Jahre hindurch monatlich je Sechzig gegeben haben wird, freilassen mögest. Pamphilus hat, da er vor den fünf Jahren starb, nachdem er seinen Sohn und seine Ehefrau zu Erben eingesetzt hatte, wegen eben desselben Stichus so verordnet: Ich befehle, dass der Sclave Stichus, welcher mir durch das Testament meines Patrons unter einer gewissen Bedingung hinterlassen worden ist, meinem Sohn und meiner Ehefrau ohne alle Widerrede geben [und] leisten solle, und dass sie ihn, wenn die Zeit abgelaufen ist, freilassen mögen. Man hat gefragt, ob dem Stichus, wenn er die monatlich je sechszig Geldstücke nicht geleistet habe, nach erfüllten fünf Jahren die fideicommissarische Freiheit gebühre. [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, wenn er sie nicht geleistet hätte, so gebühre [ihm] die fideicommissarische Freiheit nicht. 3Ein Sclave ist in einem Testament so freigelassen worden: Der Sclave Stichus, mein Geschäftsführer, soll, wenn er meinem Erben die ganze Rechnung über seine Geschäftsführung abgelegt, und deshalb Genüge geleistet haben wird, frei sein, und ich will, dass ihm, wenn er frei sein wird, Zwanzig und sein Sondergut gegeben werden solle. Man hat gefragt, ob er, wenn er die Rechnungen, welche er viele Jahre lang geführt hat, ohne die Unterschrift des Testators dem Erben abzulegen bereit sei, in Folge des Testaments frei werde, da der Testator wegen einer schweren Krankheit die Rechnungen nicht hat unterschreiben können, das Testament jedoch unterschrieben hat. [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, dass er frei sein werde, wenn die Rechnung der Redlichkeit gemäss abgelegt und der Rückstand gezahlt würde. 4Desgleichen frage ich, ob Das, was durch seine Gehilfen eingefordert, jedoch nicht in das Rechnungsbuch eingetragen, oder betrügerisch betrieben worden ist, ihm zugeschrieben werden könne, da er jenen vorgesetzt war. [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, dass, wenn es von der Beschaffenheit wäre, dass es einem Verschulden desselben zugerechnet werden müsste, es zur Nothwendigkeit, Rechnung abzulegen, gehöre. 5Desgleichen frage ich, ob auch darauf Rücksicht genommen werden müsse, dass er weder von den Pächtern der Landgüter, noch von den Verwaltern den Zins gefordert, und überdies denselben auch einen Vorschuss geleistet habe? [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, dass schon oben darüber die Antwort ertheilt worden sei. 6Desgleichen frage ich, ob er deswegen gehalten sei, dass er sein ganzes Vermögen, das heisst sein Sondergut fortgeschafft hat, ehe er Rechnung ablegte? [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, dass dieser Umstand die Bedingung nicht verhindere, wenn nur Rechnung abgelegt würde. 7Titius hat in seinem Testament einzelne Sclaven, welche Geschäftsführer waren, verschiedenen Personen vermacht, mit dem Zusatz: wenn sie meinem Erben Rechnung abgelegt haben werden; sodann hat er in einem eignen Abschnitt so verordnet: Ich will, dass alle Geschäftsführer, welche ich vermacht habe, oder freigelassen haben werde, innerhalb vier Monaten seit meinem Tod Rechnung ablegen sollen, und dass diese den Herren, welchen [die Sclaven] von mir vermacht sind, abgelegt werden sollen; weiter unten hat er sodann andere Geschäftsführer für frei erklärt, gleichfalls mit diesem Zusatz: wenn sie dem Erben Rechnung abgelegt haben werden. Ich frage, ob sie, wenn es am Erben liege, dass [die Rechnung] nicht abgelegt wird, Bedingtfreie zu sein aufhören, oder nichtsdestoweniger einst, nach abgelegter Rechnung und bezahltem Rückstand, die Freiheit in Folge des Testaments erlangen können? [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt: dass Vermächtnisse und Freiheiten zwar nicht anders zuständen, als wenn Rechnung abgelegt wäre, oder es an dem Erben läge, dass sie nicht abgelegt würde, dass aber Der, welcher [über diese Sache] richten werde, ermessen müsse, ob der Bedingung der Vermächtnisse und Freiheiten eine Zeitbestimmung hinzugefügt zu sein scheine, oder ob [für die Sclaven,] wenn sie in einer willkührlichen Zeit den Erben den Rückstand herausgeben wollten, vier Monate hinzugesetzt seien, indem der besorgte Testator die Zögerung und den Verzug derselben verhindern wollte. Es ist aber billiger, dass die Vermuthung für die Bedingtfreien streite. 8Der Einnehmer eines Wechslers11Argentarius coactor, s. Brisson. s. h. v., welcher folgende Erklärung eines alten Interpreten zu Horat. I. Sat. 6. 88. anführt: coactores mercenarii erant eorum, qui argentariam habebant. Im Schol. b. ad Basil. XLVIII. 5. 41. T. VI. p. 435. steht: ἀργυροπράτης., welcher fast sein ganzes Vermögen in Schuldforderungen hatte, hat den Sclaven, welche seine Geschäftsführer waren, die Freiheit so ertheilt: Wenn mein Sclave Damas meinem Erben, wer es auch immer sein wird, Rechnung über seine Geschäftsführung, welche auf seinen und des Pamphilus, seines Mitsclaven, Namen geführt wird, abgelegt und innerhalb sechs Monaten von meinem Todestag an die Rechnung abgeschlossen haben wird22S. die Bem. zu L. ult. §. 3. D. de cond. ind. 12. 6., so soll er frei sein. Man hat gefragt, ob diese Worte: und die Rechnung abgeschlossen haben wird, sich auf alle Schuldforderungen beziehen, ausgenommen die verloren gegangenen, so dass sie also sagen wollen: wenn er alles Geld von Allen eingefordert, und dem Erben gezahlt, oder deswegen Genüge geleistet haben wird, und [so dass,] wenn er innerhalb sechs Monaten mit der Einforderung der Schuldforderungen gesäumt hat, die Freiheit jenen nicht zusteht? [Scaevola] hat das Gutachten ertheilt, augenscheinlich sei in den obengeschriebenen Worten des Testators eine Bedingung gestellt; daher würden sie nur dann frei sein, wenn entweder er ihr Folge leiste, oder es an dem Erben liege, dass er ihr nicht Folge leiste.