Digestorum libri
Ex libro LXXXIV
Julian lib. XCIV. Dig. Ueber diejenigen Angelegenheiten, wo wir keine geschriebenen Gesetze haben, muss das befolgt werden, was durch Sitte und Gewohnheit eingeführt worden, und wenn dergleichen über einen Gegenstand nicht vorhanden ist, dasjenige, was zunächst liegt und die Analogie von ähnlichen Fällen [ergiebt]; lässt sich auch hieraus nichts entnehmen, so muss die Gewohnheit11Jus = consuetudo, Glosse. der Stadt Rom befolgt werden. 1Alte eingewurzelte Gewohnheit wird mit Recht als Gesetz befolgt, und was durch das Herkommen begründet ist, das ist Recht. Denn wenn uns die Gesetze selbst aus keinem andern Grunde binden, als weil sie durch den ausgesprochenen Willen des Volkes angenommen worden sind, so bindet auch mit Recht dasjenige einen Jeden, was das Volk ohne alle Schrift gut geheissen hat; denn was liegt daran, ob das Volk seinen Willen durch Abstimmung erklärt, oder durch die Sache und durch die That selbst? — Mit vollem Recht ist daher auch als Regel angenommen worden, dass Gesetze nicht blos durch den ausgesprochenen Willen des Gesetzgebers, sondern auch in Folge einer allgemeinen stillschweigenden Uebereinstimmung durch Nichtgebrauch aufgehoben werden können.