Digestorum libri
Ex libro VII
Julian. lib. VII. Dig. Wer den ihm auf den Grund eines Fideicommisses übergebenen Niessbrauch einen so langen Zeitraum hindurch nicht benutzt, wo er, wenn derselbe gesetzmässig sein eigen gewesen wäre, ihn verloren haben würde, der kann keine Klage auf dessen Ersatz haben. Denn es wäre widersinnig, dass diejenigen mehr Recht haben sollen, welche blos den Besitz des Niessbrauchs und nicht auch das Eigenthum erlangt haben.
Julian. lib. VII. Dig. Wenn mein Gebäude, dem des Lucius Titius und dem des Publius Mävius insofern dienstbar ist, dass mir nicht erlaubt ist, höher zu bauen, und ich vom Titius bittweise es erlangt habe, höher bauen zu dürfen, und die gesetzmässige Zeit hindurch mein Gebäude dann so erhöht gehabt habe, so werde ich gegen den Publius Mävius die Befreiung [von der Dienstbarkeit] ersitzen; denn die dem Titius und Mävius zukommende Dienstbarkeit war nicht eine, sondern zwei. Ein Beweis dafür ist der Umstand, dass wenn mir der eine von beiden die Dienstbarkeit erlassen hätte, ich nur von ihm befreiet, dem andern aber nichts desto weniger zur Dienstbarkeit verpflichtet geblieben sein würde. 1Ad Dig. 8,2,32,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 216, Note 11.Befreiung von der Dienstbarkeit wird ersessen, wenn die Gebäude besessen werden; wenn daher derjenige, welcher höher gebauet hatte, vor der erforderlichen Zeit den Besitz des Gebäudes verloren hat, so ist die Ersitzung gestört; derjenige aber, welcher nachher den Besitz dieser Gebäude erhält, wird [erst] durch [den Ablauf] des ganzen erforderlichen Zeitraums die Befreiung [von der Dienstbarkeit] ersitzen; denn die Natur der Dienstbarkeiten ist von der Art, dass sie nicht besessen werden können, sondern es wird von demjenigen, der das Gebäude besitzt, [blos] angenommen, als habe er deren Besitz.
Julian. lib. VII. Dig. Wenn einem mir und dir gehörigen Landgute das Sempronianische Landgut dienstbar ist, und wir dasselbe gemeinschaftlich kaufen, so erlischt die Dienstbarkeit, weil das Recht beider Eigenthümer an beiden Grundstücken dann gleich wird. Wenn dasselbe aber sowohl einem mir allein gehörigen, als einem dir allein gehörigen [Landgute] dienstbar ist, so bleibt die Dienstbarkeit fortbestehend, weil ein gemeinschaftliches Landgut allerdings einem eigenen zu einer Dienstbarkeit verpflichtet sein kann.
Julian. lib. VII. Dig. Wenn ich von dir die Erlaubniss erkauft habe, von meinem Gebäude auf das deine die Traufe zu leiten, und nachher mit deinem Wissen auf den Grund des Kaufes mich im Besitz des Rechts befinde, muss ich da aus diesem Grunde mit einer Klage oder Einrede geschützt werden? Ich habe geantwortet, man könne sich beider Rechtsmittel bedienen.
Julian. lib. VII. Digest. Wenn der Verkäufer in Betreff der Beschaffenheit eines Landgutes falsche Angaben gemacht hat, und nicht in Ansehung dessen Flächeninhalts, so haftet er dennoch dem Käufer; denn man setze den Fall, er habe angegeben, es seien funfzig Morgen Weinberge und funfzig Morgen Wiesewachs vorhanden, und dass es zwar im Ganzen hundert Morgen, jedoch in Wiesen mehr [als funfzig] sind.
Julian. lib. VII. Digestor. Der, welcher weiss, dass er ein Grundstück mit einem Anderen gemeinschaftlich habe, macht die Früchte, welche er aus demselben gezogen haben wird, wider Willen oder Wissen des Gesellschafters (Miteigenthümers) nicht zu einem grösseren Theil zu den seinigen, als zu dem, zu welchem er Eigenthümer des Grundstücks ist. Auch macht es keinen Unterschied, ob er selbst, oder der Gesellschafter, oder Beide dieselben gesäet haben, weil alle Frucht nicht vermöge des Rechts an dem Saamen, sondern vermöge des Rechts an dem Boden gezogen wird; und auf eben die Weise, auf welche Jemand, wenn er wissentlich ein ganzes Grundstück, als ein fremdes, besitzt, die Früchte zu keinem Theil zu den seinigen machen wird, so wird der, welcher ein gemeinschaftliches Grundstück besitzt, die Früchte zu dem Theil nicht zu den seinigen machen, zu welchem das Grundstück seinem Gesellschafter gehören wird. 1Ad Dig. 22,1,25,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 186, Note 12.Ich habe auf einem fremden Grundstück, welches Titius in gutem Glauben gekauft hatte, Getreide gesäet, ob Titius, der Käufer guten Glaubens, die gezogenen22D. h. die, welche durch irgend einen zur Ergreifung des Besitzes geeigneten Act in den Besitz des zur Fruchterwerbung berechtigten gekommen sind. Diesen Früchten werden im Folgenden die separati entgegengesetzt, d. h. die, welche auf irgend eine Art von der fruchtbringenden Sache getrennt sind. Durch diese Trennung erwirbt der bonae fidei possessor, durch jene Ergreifung des Besitzes der usufructuarius die Früchte. Früchte wohl zu den seinigen macht? Ich habe zum Bescheid gegeben: was die Früchte betrifft, welche aus einem Grundstück gezogen werden, so muss man daran denken, dass [dieselben] demjenigen sehr ähnlich sind, was Sclaven durch ihre Dienste erwerben, weil bei der Fruchtziehung mehr auf das Recht an dem Körper, aus welchem sie gezogen werden, als [auf das Recht] an dem Saamen, aus welchem sie entstehen, gesehen wird; und darum hat noch Niemand gezweifelt, dass, wenn ich auf meinem Grundstück dein Getreide gesäet habe, die Saat und was durch die Ernte zusammengebracht sein wird, mein würde. Ferner hat ein Besitzer guten Glaubens in der Fruchtziehung dasselbe Recht, welches den Eigenthümern der Grundstücke ertheilt worden ist. Ueberdies da die Früchte, seien sie gesäet, von wem sie wollen, dem Niessbraucher gehören, um wie viel mehr muss man dies bei den Besitzern guten Glaubens annehmen, welche noch mehr Recht bei der Fruchtziehung haben, da sie ja nicht eher Eigenthum des Niessbrauchers werden, als bis sie von ihm gezogen werden, dem Besitzer guten Glaubens aber gehören, wenn sie auf irgend eine Art von dem Boden getrennt worden sind, ebenso wie die Früchte Eigenthum desjenigen, welcher ein erbpachtliches Grundstück inne hat, sogleich werden, sowie sie vom Boden getrennt worden sind. 2Ein Käufer guten Glaubens hat gesäet und, ehe er die Früchte zog, erfahren, dass das Grundstück ein fremdes sei; es fragt sich, ob er die Früchte durch die Ziehung [derselben] zu den seinigen mache? Ich habe zum Bescheid gegeben: ein Käufer guten Glaubens muss, was die Fruchtziehung anlangt, so lange so angesehen werden, als das Grundstück nicht entwährt sein wird; denn auch ein fremder Sclav, welchen ich in gutem Glauben gekauft haben werde, wird für mich so lange mit meinem Vermögen, oder aus seinen Diensten erwerben, als er mir noch nicht entwährt sein wird.