Digestorum libri
Ex libro LVI
Julian. lib. LVI. Dig. Wenn ein Procurator11Welcher de rato cavirt hatte. ohne Dazwischenkunft des Richters nicht geschuldetes Geld gefordert, und der Geschäftsherr die Zahlung nicht genehmigt, sondern dasselbe Geld zu fordern angefangen haben wird, so sind die Bürgen gehalten, und die Condiction, auf welche der Procurator gehalten sein würde, wenn die Stipulation nicht eingegangen gewesen wäre, geht zu Grunde. Denn so oft dem Procurator Geld gezahlt wird, und der Geschäftsherr diese Zahlung nicht genehmigt, glaube ich, dass dies bewirkt wird, dass die Condiction zu Grunde geht, und Dem, welcher die Nichtschuld gezahlt hat, blos die Klage aus der Stipulation gegen den Procurator zusteht. Ferner leisten die Bürgen die Kosten, welche auf den Process verwendet worden sind. Wenn aber der Geschäftsherr genehmigt hatte, so werden zwar die Bürgen befreit, aber vom Geschäftsherrn selbst kann eben dasselbe [ungeschuldet gezahlte] Geld durch die Condiction gefordert werden. 1Wenn aber ein Procurator Geld, welches dem Geschäftsherrn geschuldet wurde, ohne Dazwischenkunft des Richters eingefordert hatte, so ist dasselbe Rechtens; nur das ist anders, dass, wenn der Geschäftsherr die Sache genehmigt hatte, keine Zurückforderung dieses Geldes stattfinden wird. 2Wenn aber ein Procurator durch die Hülfe des Richters nicht geschuldetes Geld eingefordert hatte, so könnte man sagen, dass die Bürgen nicht gehalten seien, möge nun der Geschäftsherr die Sache genehmigt haben, oder nicht, entweder weil keine Sache vorhanden ist, welche der Geschäftsherr genehmigen könnte22Weil eine unter der Auctorität des Richters erfolgte Zahlung keiner Genehmigung bedarf. S. Cujac. Observatt. XXV. 21., oder weil dem Stipulator nichts daran gelegen ist, dass genehmigt werde33Weil nicht zu fürchten ist, dass der dominus das Geld, welches unter Auctorität des Richters gezahlt worden ist, und nicht zurückgefordert werden kann, noch ein Mal fordern werde. S. Cujac. l. l.; es wird also Dem, welcher dem Procurator gezahlt hat, ein Unrecht zugefügt. Es ist jedoch mehr dafür, dass, wenn der Geschäftsherr es nicht genehmigt hat, die Bürgen gehalten seien. 3Wenn ein Procurator, welchem nichts aufgetragen gewesen ist, geschuldetes Geld durch die Hülfe des Richters gefordert haben wird, so ist mehr dafür, dass die Bürgen aufs Ganze gehalten seien, wenn der Geschäftsherr es nicht genehmigt haben wird. 4Ad Dig. 46,8,22,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 285, Note 18.Wenn aber der Procurator richtig, der Geschäftsherr unrechtmässig klagt, so braucht der Procurator nicht dafür zu stehen, dass der Geschäftsherr Nichts durch eine Ungerechtigkeit des Richters erlange, denn niemals werden die Bürgen durch eine Ungerechtigkeit des Richters verbindlich; es ist jedoch richtiger, dass in diesem Falle die Bürgen nur auf die Processkosten gehalten sind44Wenn der procurator in Folge eines Mandats unter Bestellung der cautio geklagt und gesiegt hat, und der Geschäftsherr nichtsdestoweniger noch ein Mal klagt, und durch eine Ungerechtigkeit des Richters siegt, so haften doch die Bürgen aus der cautio nur wegen der in dem letztern Process vom Schuldner verwendeten Processkosten.. 5Marcellus [sagt:]55Diese Stelle ist von den Compilatoren eingeschoben, indem der Urheber dieser l. 22., Julianus, vor dem Marcellus lebte, ihn also nicht citirt haben kann. Oder vielleicht rührt diese ganze l. nicht von Julianus her, da statt desselben Ulpianus von der Rehd. Hdsch. in der Inscr. genannt ist. wenn der Geschäftsherr die Sache nicht genehmigt, aber nach erhobenem Process seine Sache verloren haben wird, so wird Nichts als die [Process-]Kosten in die Stipulation, dass es genehmigt werde, gebracht66D. h. der vom dominus noch ein Mal belangte Schuldner, welcher dem Procurator schon gezahlt hatte, kann wegen des nochmaligen Processes, welchen der dominus verloren hat, nur die Processkosten von dem Procurator oder dessen Bürgen verlangen.. 6Julianus [sagt:] wenn dem Procurator eines Solchen, welcher gestorben war, ohne die Hülfe des Richters Vermächtnisse gezahlt worden sind, so wird die Stipulation verfallen, wenn der Erbe es nicht genehmigt haben wird, jeden Falls, wenn sie geschuldet gewesen sind; denn dann ist dem Stipulator ohne Zweifel daran gelegen, dass die Zahlung vom Erben genehmigt werde, damit er nicht zwei Mal dasselbe leiste. 7Wenn in der Stipulation, dass die Sache genehmigt werde, nur soviel aufgenommen sein sollte: dass Lucius Titius es genehmigen werde? da man das offenbar beabsichtigte, dass die Person des Erben, und der Uebrigen, welche diese Sache angehen würde, ausgelassen werden sollten; so würde man schwerlich glauben können, dass [deshalb] die Clausel wegen böser Absicht verfalle. Freilich wenn jene Personen aus Unvorsichtigkeit ausgelassen werden sollten, so steht die Klage aus der Clausel der bösen Absicht zu. 8Wenn der Procurator die Klage wegen einer Erbschaft angestellt (ediderit), sodann der Geschäftsherr ein Grundstück aus dieser Erbschaft gefordert haben wird, so wird die Stipulation, dass die Sache genehmigt werde, verfallen, weil, wenn jener ein wahrer Procurator77Dass in diesen beiden Stellen ursprünglich statt verus procurator wohl cognitor gestanden habe, darüber s. Keller a. a. O. S. 346. ff. u. Bethmann-Hollw. a. a. O. S. 174. Für das justin. Recht muss unter dem im Anfang der Stelle genannten procurator ein falsus procurator verstanden werden. gewesen wäre, die Einrede der durch das Urtheil entschiedenen Sache den Geschäftsherrn zurückweisen würde. Gewöhnlich wird aber die Stipulation, dass die Sache genehmigt werde, in den Fällen verfallen, in welchen, wenn ein wahrer Procurator7 geklagt hätte, die Klage für den Geschäftsherrn entweder von Rechtswegen oder wegen einer Einrede unwirksam wäre. 9Wer im Namen eines Vaters die Injurienklage deshalb anstellt, weil der Sohn desselben geprügelt oder geschlagen88Verberatus pulsatusve, s. l. 5. pr. u. §. 1. D. de injur. 47. 10. sei, so ist er zu zwingen, dass er in der Stipulation auch die Person des Sohnes bemerke, zumal da es geschehen kann, dass der Vater eher verstirbt, als er wusste, dass sein Procurator geklagt habe, und dann die Injurienklage auf den Sohn übergeht. 10Aber auch wenn einem Enkel eine Injurie zugefügt sein sollte, und der Procurator des Grossvaters wegen dieses Umstandes mit der Injurienklage klagen wird, so wird in der Stipulation nicht blos die Person des Sohnes, sondern auch die des Enkels bemerkt werden müssen. Denn ist es nicht möglich, dass sowohl der Vater, als der Sohn versterbe, ehe sie wussten, dass der Procurator geklagt habe? in welchem Falle es unbillig sein würde, dass die Bürgen nicht gehalten wären, wenn der Enkel die Injurienklage anstellen würde.