Digestorum libri
Ex libro XXI
Julian. lib. XXI. Digest. Ein Vormund, der vom Vater in einem ungültigen Testamente, oder nicht nach gesetzlicher Vorschrift bestellt wurde, muss zur Vormundschaftsführung erst bestätigt werden, und dies hat dieselbe Wirkung, als wenn er Vormund aus dem Testamente wäre, d. h. es wird ihm die Sicherheitsleistung erlassen.
Jul. lib. XXI. Dig. Ein Vormund, der die Geschäfte des Mündels führte, ist ohne allen Zweifel der Vormundschaftsklage unterworfen, wenn er auch gleich den Pupillen [zu keinem Geschäft] ermächtigte. Ist es denn etwa unmöglich, dass das Vermögen des Mündels so beschaffen sei, dass gar kein Geschäft darin vorfalle, welches die Ermächtigung des Vormundes bedürfe? 1Wenn zwei Vormünder sind, und der eine ausgeklagt wurde, so wird dadurch der andere nicht befreit werden.
Jul. lib. XXI. Dig. Wenn ein Sclav, welcher dir und dem Titius gemeinschaftlich gehört, unter deiner Ermächtigung etwas von deiner Pflegbefohlenen durch Uebergabe erhielt, so wird dies ganz dem Titius gehören. Denn nach einer Bemerkung des Marcellus stellten die alten Juristen den Satz auf, dass Alles, was nicht allen Eigenthümern [eines Sclaven] gehören11Beck leist hier pertinere, Andere pervenire. kann, dem ungetheilt erworben werde, welcher Eigenthümer davon werden kann.
Idem lib. XXI. Dig. Unmündige werden durch die Ermächtigung ihres Vormundes, selbst wenn sie dazu schweigen, verbindlich gemacht. Denn wenn sie ein Darlehn in Folge vormündlicher Ermächtigung empfingen, so sind sie [zur Rückgabe] verbindlich, wenn sie auch kein Wort dabei sprechen. Würde ihnen daher ein Geld als Nichtschuld gezahlt, so ist, wenn sie auch darüber sich nicht aussprachen, doch die Ermächtigung des Vormundes zu einer Condiction (indebiti) gegen sie hinreichend.
Julian. lib. XXI. Dig. Jemand, der seinen Sohn zum Erben eingesetzt hatte, hatte seiner Tochter als Heirathsgut, wenn sie sich in der Familie verheirathet haben würde, Zweihundert, und Nichts weiter legirt, und ihnen den Sempronius zum Vormund ernannt; diesem ist, als er von den Verwandten und von den Angehörigen der Mündelin zur Obrigkeit geführt worden war, befohlen worden, der Mündelin Unterhalt und für die Mündelin ihren Lehrern Besoldungen zu geben, damit sie in den edlen Wissenschaften unterrichtet würde; als der Mündel mündig geworden ist, hat er seiner schon mündig gewordenen Schwester die Zweihundert in Folge des Legats gezahlt; man hat gefragt: ob er mit der Vormundschaftsklage das, was für den Unterhalt der Mündelin und für die Besoldungen vom Vormund aus dem Mündelvermögen geleistet sei, erlangen könne? Ich habe das Gutachten ertheilt: Ich bin der Meinung, dass, wenn auch ohne ein Decret der Obrigkeit der Vormund die Schwester seines Mündels ernährt und in den edlen Wissenschaften habe unterrichten lassen, da ihr das anders nicht hätte zu Theil werden können, doch deshalb auch die Vormundschaftsklage dem Mündel oder den Substituten des Mündels Nichts geleistet werden müsse.
Julian. lib. XXI. Dig. Ein von der Vormundschaft Abgesetzter muss als in derselben Lage befindlich angesehen werden, in welcher er sich befinden würde, wenn die Vormundschaft beendigt wäre; und sowie er sich die Klagen [gegen sich] ebenso gefallen lassen muss, als wenn der Mündel mündig geworden wäre, so wird er mit der Gegenklage das, was ihm etwa fehlen wird, verfolgen dürfen; denn obwohl er Mehreres auf das Vermögen des Mündels verwendet hat, was er nicht verlieren muss, so verhindert das doch nicht, dass er ein verdächtiger Vormund sei.
Julian. lib. XXI. Dig. Zwei Vormünder haben unter sich die Verwaltung der Vormundschaft getheilt, der eine ist ohne Erben verstorben; man hat gefragt, ob dem Mündel gegen die Obrigkeit, welche nicht dafür gesorgt hätte, dass Sicherheit gegeben wurde, oder gegen den anderen Vormund eine Klage gegeben werden müsste? Ich habe das Gutachten ertheilt, es sei billiger, dass sie gegen den anderen Vormund, als dass sie gegen die Obrigkeit gegeben werde; denn es hätte derselbe, da er wusste, dass dem Mündel keine Sicherheit gegeben sei, die gesammten Geschäfte besorgen sollen, und in Bezug auf den Theil derselben, welchen er dem anderen Vormunde anvertraut hätte, sei er dem gleich, welcher die Verwaltung einiger Geschäfte des Mündels gar nicht angetreten hätte; denn wenn er auch einen Theil der Geschäfte des Mündels verwaltet habe, so ist er [doch] auch wegen der Angelegenheiten gehalten, welche er nicht geführt hat, da er sie hätte führen sollen.
Julian. lib. XXI. Dig. Durch den Rath und die Bemühung des Curators muss nicht blos das Vermögen, sondern auch der Körper und die Wohlfahrt des Rasenden geschützt werden22Tueri ist hier als Passiv gebraucht. Vgl. v. Glück XXXIII. S. 235. Anm. 60.. 1Der einem Wahnsinnigen gegebene Curator hat auf das ertheilte Decret, dass er Bürgschaft bestellen sollte, keine Sicherheit gegeben, und doch einige Sachen aus dem Vermögen desselben auf gesetzliche Weise veräussert; wenn die Erben des Wahnsinnigen eben diese Sachen, welche der Curator veräussert hat, vindiciren sollten, und die Einrede entgegengesetzt werden wird: wenn der Curator nicht verkauft haben wird33Vgl. über diese negativ bedingte Form der Einrede die Bem. zu L. 22. D. de pact. dot. 23. 4. Ueber die gleich darauf folgende affirmative Fassung der Replik vgl. v. Glück a. a. O. S. 215. Anm. 7., so muss die Gegeneinrede gegeben werden: oder wenn er nach bestellter Bürgschaft einem Decret gemäss verkauft haben wird; wenn aber der Curator den Preis erhalten und die Gläubiger des Rasenden abgefunden hat, so wird die Triplik der bösen Absicht die Besitzer sichern. 2Wenn der Proconsul den Curator eines Wahnsinnigen, weil er keine Bürgschaft bestellt hatte, und das Vermögen schlecht verwaltete, von der Vermögens[-Verwaltung] entfernt, und einen anderen Curator an die Stelle desselben gesetzt haben wird, und dieser spätere, da auch er keine Bürgschaft bestellt hatte, gegen den abgesetzten mit der Geschäftsführungsklage geklagt haben sollte, und nachher die Erben des Wahnsinnigen gegen denselben mit der Geschäftsführungsklage klagen sollten, und derselbe sich der Einrede der zwischen ihm und dem Curator entschiedenen Sache bedienen sollte, so wird den Erben die Gegeneinrede zu geben sein: oder wenn der, welcher geklagt hat, Bürgschaft bestellt hatte. Aber ob dem Curator eine Triplik von Nutzen sein wird, wird der Richter bestimmen; denn wenn der zweite Curator das Geld, welches er aus der Verurtheilung erlangt hatte, zum Besten des Rasenden verwendet hatte, so wird die Triplik der bösen Absicht entgegenstehen44Vgl. über diese Stelle Keller über Litiscontestation. S. 335. ff. v Glück a. a. O. S. 216. ff.. 3Man hat gefragt, ob dem einen von zwei Curatoren eines Rasenden richtig gezahlt werden, oder ob einer allein eine Sache des Rasenden veräussern könne; ich habe das Gutachten ertheilt, es könne richtig gezahlt werden; auch der, welcher von dem einen der Curatoren ein Grundstück des Mündels gesetzmässig erkaufte, werde es ersitzen, weil Zahlung, Verkauf, Uebergabe mehr etwas Thatsächliches als Rechtliches sind. Und darum genügt die Person eines einzigen von den Curatoren, weil man annimmt, dass der andere einstimme; sonach wird, wenn er gegenwärtig sein und verbieten sollte, dass gezahlt, verbieten sollte, dass verkauft, oder übergeben werde, weder der Schuldner befreit werden, noch der Käufer ersitzen.