Ad edictum monitorium libri
Ex libro II
Callistrat. lib. II. ed. monitor. Dieses Edict, welches auf diejenigen sich bezieht, welche darin [namentlich] erwähnt sind, kommt weniger in Gebrauch; denn solchen Personen wird [insgemein] auf ausserordentliche Weise nach Senatsbeschlüssen und kaiserlichen Verordnungen Recht gesprochen. 1Durch diesen Abschnitt [des Edicts] aber werden insbesondere diejenigen unterstützt, die etwa aus Furcht entfernt gewesen sind, vorausgesetzt, dass sie nicht, durch unnöthige Furcht in Angst gesetzt, abwesend waren.
Callistrat. lib. II. edicti monitor. Desgleichen11[Sollen diejenigen durch den Prätor ein Klagrecht erhalten oder in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden] diejenigen, welche zum Besten des Staats ohne bösen Vorsatz auswärts gewesen sind. Ich folge der Ansicht, die Erwähnung des bösen Vorsatzes sei hier so zu nehmen, dass demjenigen, der zurückkehren kann, und nicht zurückgekehrt ist, rücksichtlich dessen, was während der Zeit [seiner längeren Abwesenheit] gegen ihn geschehen ist, kein Beistand geleistet werde; z. B. wenn er, um irgend einen andern grossen Vortheil zu erlangen, es dahin gebracht hat, dass er des Staats wegen abwesend sein konnte, und nun [von dem Genusse] dieser Begünstigung zurückberufen wird;
Callistrat. lib. II. edicti monitor. Es wird auch demjenigen [durch das Edict] beigestanden, welcher etwa in Fesseln sich befunden hat. Was sich nicht blos auf den bezieht, welcher im öffentlichen Gefängnisse eingeschlossen ist, sondern auch auf denjenigen, der von Räubern oder Banditen, oder von irgend einem Mächtigeren gewaltsam unterdrückt, in Fesseln gelegt worden ist. Der Ausdruck Fesseln aber wird in einem weitern Sinne genommen; denn man nimmt an, dass auch die Eingeschlossenen, z. B. in Steinbrüchen22Lautumiae sind Steinbrüche, in welche Sclaven zur Strafe geschickt wurden, aber auch steinerne Gefängnisse in Rom. Cf. Liv. XXVI. 27. XXXII. 26. XXXVII. 3., unter die Zahl der Gefesselten gehören, weil es doch keinen Unterschied mache, ob man durch Wände oder Fesseln festgehalten werde. Das Gefängniss aber, meint Labeo, sei blos von einem öffentlichen zu verstehen.
Callistrat. lib. II. edicti monitor. Auch dem wird Hülfe geleistet, welcher in Sclaverei gerathen sein sollte, er mag nun in der Meinung, ein Sclave zu sein, dienen, obwohl er ein freier Mensch ist, oder [widerrechtlich] festgehalten werden.
Callistrat. lib. II. edicti monitor. Desgleichen wird demjenigen geholfen, welcher in die Gewalt der Feinde gerathen, d. h. von den Feinden gefangen worden ist; denn von Ueberläufern darf man nicht annehmen, dass ihnen eine Rechtswohlthat zu Theil werde, da ihnen ja die Rückkehr in ihr früheres Verhältniss (postliminium) versagt ist. Es hätten jedoch33Dies ist, wie leicht zu ersehen, ein Tadel, welchen Callistratus gegen diesen Theil des prätorischen Edicts ausspricht. diejenigen, welche in feindliche Gewalt gerathen sind, in jenem Theile des Edicts, welcher von denen spricht, die in Sclaverei verfallen sind, auch mit begriffen werden können.
Callistrat. lib. II. Ed. monitorii. Wenn Jemandem Acker auf den Grund eines Kaufes gehört, so kann er rechtlichermaassen die dingliche Klage nicht eher erheben, als ihm der Acker übergeben und dann der Besitz verloren gegangen ist. 1Der Erbe kann aber dessenwegen, was zur Erbschaft gehört, mit Recht Klage erheben, wenn er auch dessen Besitz noch nicht erhalten hat.
Callistrat. lib. II. Ed. monit. Wenn derjenige, welcher sich in fremder Gewalt befindet, und von dem behauptet wird, dass er ein Vergehen begangen habe, nicht vertheidigt wird, so wird er [vom Kläger] abgeführt; ist der Herr gegenwärtig, so muss er ihn übergeben, und wegen Arglist zu haften versprechen.
Callistrat. lib. II. Ed. mon. Der Erbe muss vor Gericht allemal dann befragt werden, zu welchem Antheil er Erbe sei, wenn eine Klage wider ihn erhoben werden soll, und der Kläger ungewiss ist, zum wievielten Theile derjenige, den er belangen will, Erbe sei. Die Frage ist dann nothwendig, wenn die Klage eine persönliche ist, und zwar wenn der Gegenstand der Klage ein bestimmter ist, damit nicht der Kläger, während er nicht weiss, zu welchem Antheile sein Gegner Erbe des Verstorbenen geworden, zuweilen durch Zuvielforderung in Schaden gerathe. 1Frageklagen sind jetzt nicht mehr im Gebrauch44Die Erklärung dieser höchst bestrittenen Stelle s. bei Glück XI. p. 288. ff. Glücks Ansicht, dass hier die auf aussergerichtliche Fragen begründeten Klagen, und die ehemaligen Frageklagen, wie sie vor dem Edict, welches der Prätor darüber erlassen hat, in Gebrauch gewesen, gemeint seien, ist wahrscheinlich die richtige. — Die Uebersetzung selbst bietet gar keine Schwierigkeiten dar., weil Niemand mehr genöthigt wird, vor dem Beginn des Verfahrens über sein Recht Antwort zu geben; daher sind sie seltener geworden und [fast ganz] ausser Gebrauch gekommen; es ist vielmehr für die Parteien zum Beweise blos dasjenige dienlich, was vom Gegner vor dem Richter ausdrücklich erklärt worden ist, mag in Betreff von Erbschaften oder andern Angelegenheiten, wo es auf einen Rechtsstreit55Quae in caussis vertuntur. Glück XI. p. 256. n. 43. ankommt.