Ad Massurium Sabinum libri
Ex libro XLIX
Ulp. lib. XLIX. ad Sabin. Der Erbschaftsverkäufer braucht keine Bürgschaft für Entwährung zu stellen, weil der Käufer und Verkäufer blos beabsichtigt haben, dass der Käufer weder mehr noch weniger Rechte erhalten solle, als der Erbe selbst gehabt haben würde; wohl aber kann derselbe angehalten werden, für seine eigenen Handlungen Bürgschaft zu stellen. 1Beim Erbschaftsverkauf ist zu untersuchen, ob deren Grösse zur Zeit des Absterbens des Erblassers, oder zur Zeit des Erbschaftsantritts, oder zur Zeit des Erbschaftsverkaufs in Betracht komme? Die richtigere Meinung ist, es komme auf die Absicht der Contrahenten an; in den meisten Fällen aber scheint die Absicht derselben dahin zu gehen, dass alles als verkauft gelten solle, was bis zur Zeit des Verkaufsabschlusses zu der Erbschaft gelangt ist11Ex hered. pervenit in id tempus; nach Cujacius, Obs. H. 30. und Glück XVI. p. 324. A. d. R.. 2Die Frage lässt sich noch aufstellen, ob, wenn derjenige, welcher die Erbschaft des Testators verkauft hat, auch einem Unmündigen substituirt ist, auch hinsichtlich dessen, was von der Erbschaft des Unmündigen an den Erbschaftsverkäufer gelangt ist, die Klage aus dem Kaufe Platz ergreife? Es sprechen mehr Gründe dafür, dass dies nicht in den Verkauf einbegriffen sei, weil solches eine andere Erbschaft ist, denn liegt auch nur ein Testament vor, so sind doch zwei gesonderte Erbschaften vorhanden. Ist indessen die Absicht der Parteien darauf gegangen, so kann man nicht umhin, zu behaupten, dass auch die Erbschaft des Unmündigen in den Verkauf mit eingeschlossen sei, zumal wenn die Erbschaft nach bereits erfolgtem Anfalle der Erbschaft des Unmündigen verkauft worden ist22Zum richtigen Verständniss dieses §. verweise ich auf Glück XVI. p. 310. A. d. R.. 3Es fragt sich, was unter dem Gelangen an den Erbschaftsverkäufer zu verstehen sei? Ich bin der Meinung, bevor der Verkäufer den Besitz der zur Erbschaft gehörigen Gegenstände erlangt hat, gelten solche insoweit für an ihn gelangt, als er zu deren gerichtlicher Verfolgung Auftrag ertheilen, und die [desfallsigen] Klagen abtreten kann; hat er jedoch den Besitz schon ergriffen oder die Schulden eingezogen, dann sind sie als im vollen Sinne des Worts an ihn gelangt zu betrachten. Aber auch wenn er die Kaufgelder für vor dem Erbschaftsverkaufe verkaufte Gegenstände eingenommen hat, so gelten offenbar auch diese Kaufgelder für an ihn gelangt. Hierbei ist nicht ausser Acht zu lassen, dass das an ihn gelangt sein als in der That geschehen zu verstehen sei, und nicht blos dem Anscheine nach33Prima ratione = facie oder specie, Glück XVI. p. 327. n. 87.; was Jemand daher als Vermächtniss entrichtet hat, gilt nicht als an ihn gelangt; auch von Erbschaftsschulden oder sonstigen andern Erbschaftslasten muss solches mit Recht verneint werden. Dass aber auch der Werth der vor dem Erbschaftsverkaufe verschenkten Gegenstände dem Käufer ersetzt werde, erfordert die Billigkeit. 4Nicht blos aber, was an den Erbschaftsverkäufer, sondern auch dasjenige, was an dessen Erben von der Erbschaft gelangt ist, muss dem Käufer herausgegeben werden; und nicht nur dasjenige, was schon an sie gelangt ist, sondern auch das, was wenn immer erst an sie gelangen wird. 5Ad Dig. 18,4,2,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 331, Note 8.Auch dasjenige muss dem Käufer ersetzt werden, was arglistiger Weise von ihnen verhindert worden ist, dass es an sie gelange; dies wird dann als geschehen angenommen, wenn der Verkäufer etwas veräussert, oder Jemanden durch Annahme an Zahlungsstatt Befreiung ertheilt, oder arglistiger Weise den Erwerb eines Erbschafts-Stückes hintertrieben, oder eine ihm mögliche Erlangung des Besitzes verhindert hat. Aber auch wenn er nicht arglistiger Weise, sondern durch grobes Verschulden dergleichen verübt hat, muss er schlechthin dafür haften; was hingegen ohne Arglist des Verkäufers verloren gegangen oder vermindert44Deminutum; hierunter ist nach Glück XVI. 328. n. 90. Verlust durch Ersitzung zu verstehen. worden ist, braucht nicht ersetzt zu werden. 6Es wurde die Anfrage gestellt, ob der Erbschaftsverkäufer dasjenige, was sein in seiner Gewalt noch stehender Sohn oder Sclav dem Erblasser, dessen Nachlass er verkauft habe, geschuldet, dem Käufer erstatten müsse? Man nahm als richtig an, er brauche nur, insoweit ein Sondergut des Sohnes oder Sclaven vorhanden, oder eine Verwendung in seinen Nutzen erfolgt sei, Ersatz zu leisten. 7Es pflegt die Frage aufgestellt zu werden, ob der Verkäufer auch den Gewinnst, welchen er durch die Erbschaft gehabt, dem Käufer zurückerstatten müsse? Diese Frage findet sich bei Julianus im sechsten Buche der Digesten abgehandelt, und ist derselbe der Meinung, es sei dem Erben erlaubt, eine vereinnahmte Nichtschuld zu behalten, und eine von ihm bezahlte Nichtschuld dürfe er nicht in Rechnung bringen; denn so werde es gehalten, dass der Erbe eine eingehobene Nichtschuld dem Käufer nicht herauszugeben brauche, aber auch von ihm eine bezahlte Nichtschuld nicht ersetzt verlangen könne. Hat er jedoch nach vorgängiger Verurtheilung gezahlt, so genügt es schon [für die Ersatzansprüche] des Erben, dass er, ohne dass ihn dabei der Vorwurf der Arglist trifft, verurtheilt worden, und sollte auch derjenige, zu dessen Gunsten er verurtheilt worden ist, durchaus keine Forderung gehabt haben; diese Meinung scheint mir die richtige. 8Dem Käufer müssen aber nicht blos die ererbten Klagen, sondern auch diejenigen Verbindlichkeiten55Obligatio. Ich kann bei dieser Gelegenheit eine nachträgliche Bemerkung machen, die zwar schon in der Uebersetzung der Institutionen hätte stehen können, indessen von mir damals für überflüssig gehalten ward. Um jedoch nicht missverstanden zu werden, erkläre ich hiermit ausdrücklich, dass ich das Wort obligatio (s. Hugo Magaz. I. Bd. S. 68. III. Bd. S. 389. und V. Bd. S. 99 ff.) überall, um consequent in der Uebersetzung und im Ausdruck zu bleiben, mit Verbindlichkeit übersetzt habe. Denn mir scheint unserer Sprache keine Gewalt darin angethan zu werden, Verbindlichkeit auch als Resultat für den Gläubiger zu verstehen, d. h. die Verbindlichkeit eines Andern gegen ihn. A. d. R. abgetreten werden, welche der Erbe selbst erworben hat. Hat er mithin von einem Erbschaftsschuldner einen Bürgen gestellt erhalten, so muss der Erbe auch diese ihm zustehende Klage dem Käufer abtreten. Ist er aber eine Erneuerung der Verbindlichkeit eingegangen, oder hat er die Klage schon anhängig gemacht, so muss er die Klage, welche er erhalten hat66Dies verstehe ich von der impetratio actionis. A. d. R., gleichfalls abtreten. 9Sowie aller Gewinn dem Erbschaftskäufer gebührt, so muss derselbe auch den Schaden tragen. 10Auch wenn der Erbe eine zur Erbschaft gehörige Sache [an einen Dritten] verkauft hat und deshalb77Die Glosse erklärt dies von versprochender Sicherheit wegen des Doppelten auf den Fall der Entwährung. A. d. R. verurtheilt worden ist, so steht ihm desfalls keine Klage wider den Käufer zu; denn er wird nicht in seiner Eigenschaft als Erbe, sondern als Verkaufer verurtheilt. Hat er aber den Preis der veräusserten Sache dem Erbschaftskäufer eingehändigt, so ist die Frage, ob die Klage aus dem Verkauf Platz ergreife. Ich sollte glauben, dass dem so sei. 11Hat der Verkäufer selbst, oder sein Geschäftsbesorger, oder sonst Jemand statt seiner, als sein Geschäftsführer, eine Ausgabe für die Erbschaft bestritten, so findet die Klage aus dem Verkauf Statt, wenn nur dem Erbschaftsverkäufer dadurch etwas entgeht; entgeht dem Verkäufer aber nichts, so muss man folgerecht behaupten, dass ihm eine Klage nicht zustehe. 12Bei Julianus findet sich die Behauptung, wenn der Erbschaftsverkäufer sich einen Sclaven ohne dessen Sondergut vorbehalten habe, und wegen einer Schuld desselben wider ihn die Klage wegen des Sonderguts oder der Verwendung in seinen Nutzen angestellt worden sei, so könne er blos dasjenige ersetzt verlangen, was er in Bezug auf das Sondergut gezahlt, wofür der Käufer zu haften habe, oder was zum Besten des Erblassers verwendet worden sei; denn in diesen Fällen berichtigt er eine Schuld des Käufers, in den übrigen wird er in seinem eigenen Namen verurtheilt. 13Wie nun, wenn der Erbschaftsverkäufer sich einen Sclaven sammt dessen Sondergut ausbedungen, mit der Klage wegen des Sonderguts belangt worden ist und Zahlung geleistet hat? Marcellus schreibt im sechsten Buche der Digesten, es stehe ihm desfalls keine Klage auf Ersatz zu, wenn anders bestimmt worden sei, dass er, was von dem Sondergute übrig bleibe, behalten solle. Bei einer entgegengesetzten Verabredung aber, behauptet er, könne derselbe mit Recht Ersatz [seiner geleisteten Zahlung] verlangen; ist aber keine ausdrückliche Uebereinkunft deshalb zu Stande gekommen, sondern nur des Sonderguts Erwähnung geschehen, so findet offenbar die Klage aus dem Verkaufe nicht Statt. 14Hat sich der Erbschaftsverkäufer ein Haus vorbehalten, in Bezug auf welches ein Versprechen wegen drohenden Schadens [dem Nachbar] gemacht worden war, so kommt es auf die Absicht der Betheiligten an: denn hat sich der Verkäufer dasselbe in der Art ausbedungen, dass er auch die aus der Stipulation wegen drohenden Schadens entstehende Verbindlichkeit übernehmen wolle, so würde er keinen Ersatz vom Käufer fordern können; ist hingegen ausgemacht worden, dass der Käufer diese Schuld berichtigen solle, so fällt diesem die Verbindlichkeit aus der Stipulation zur Last; lässt sich die Absicht der Parteien nicht ausmitteln, so ist solche wahrscheinlich dahin gegangen, dass für den bereits vor dem Verkauf eingetretenen Schaden der Käufer, für den in der Folge aber der Erbe haften solle. 15Wenn Titius die Erbschaft des Mävius an Sejus verkauft hat, hierauf von Sejus als Erbe eingesetzt worden ist und dessen Erbschaft an Attius verkauft hat, kann er da aus dem erstern Erbschaftsverkaufe wider Attius Klage erheben? Julianus sagt: was der Erbschaftsverkäufer von jedem andern Erben zu fordern befugt gewesen, das könne er auch vom Erbschaftskäufer ansprechen; wäre nämlich Sejus von einem Andern beerbt worden, so hätte der Verkäufer sicherlich alle für die Mävianische Erbschaft bestrittenen Leistungen mit der Klage aus dem Verkaufe von dem Erben ersetzt verlangen können; denn wenn ich mir von Sejus den doppelten Werth eines Sclaven, auf den Fall der Entwährung desselben, stipulirt, ihn beerbt, und die Erbschaft an Titius verkauft hätte, so würde ich auch, falls der Sclav entwährt worden, von Titius den versprochenen Ersatz fordern können. 16Hat der Erbschaftsverkäufer für Staatsabgaben eine Zahlung geleistet, so muss man folgerecht behaupten, dass der Käufer dieselbe über sich nehmen müsse; denn es gehören solche auch zu den Erbschaftslasten; hat er etwa eine Ausgabe an Steuern bestritten, so gilt ein Gleiches. 17Kann der Erbe, wenn er nach dem Leichenbegängniss die Erbschaft verkauft hat, die Leichenkosten vom Käufer ersetzt verlangen? Labeo behauptet, der Käufer müsse die Leichenkosten erstatten, weil solche, wie er sagt, auch eine Erbschaftsausgabe seien; diese Meinung hält auch Javolenus für wahr, und ich bin gleicher Ansicht. 18Wenn Jemand seinen Schuldner beerbt hat, so erlischt seine Forderung durch die Vereinigung; hat er jedoch die Erbschaft verkauft, so erscheint es höchst billig, dass der Erbschaftskäufer die Stelle des Erben vertrete; er muss deshalb auch dem Erbschaftsverkäufer haften, es mag nun die Schuld des Erblassers zur Zeit seines Todes schon verfallen gewesen sein, und ungeachtet dessen, dass nach seinem Ableben und erfolgtem Erbschaftsantritte von Seiten des Verkäufers die Forderung erloschen ist, oder es mag eine an einem bestimmten Termine erst fällig werdende, oder eine bedingte Schuld gewesen und später die Bedingung in Erfüllung gegangen sein; jedoch nur insofern, als wegen jener Schuld eine Klage wider den Erben [überhaupt] Statt findet, ohne dass aus solchen Rechtsverhältnissen, welche keine Klage gegen den Erben begründen, der Käufer belangt werden kann. 19Hat der eingesetzte Erbe durch den Erbschaftsantritt Dienstbarkeiten [, die einem ihm gehörigen Grundstück wider ein erbschaftliches zustehen,] verloren, so kann er auch mit der Klage aus dem Verkaufe den Käufer auf deren Wiedereinräumung belangen. 20Es kann aber der Verkäufer, wenn er auch noch nicht Zahlung geleistet, sondern unter irgend einer Benennung sich in Betreff der Erbschaft verbindlich gemacht hat, nichts desto weniger wider den Käufer Klage anstellen.
Ulp. lib. XLIX. ad Sabin. Ebendasselbe ist auch bei dieser Stipulation Rechtens: gelobst du mir und meinen Erben den ungestörten Besitz?88Habere licere, qui promittit hoc praestare debet, ut ne alius rem evincat, utque sine controversia et interpellatione cujusquam rem sibi habere et possidere liceat. Briss. 1Diese Verschiedenheit aber gründet sich darauf, dass, wo nur einer der Erben verhindert wird, derjenige Erbe nicht aus der Stipulation klagen kann, welcher kein Interesse dabei hat, insofern nicht eine Strafe darauf gesetzt worden; denn eine darauf gesetzte Strafe bewirkt, dass sie allen verwirkt wird99Donellus sagt in seinem Commentar zu diesem Titel über committi poena und committi stipulatio Folgendes ad l. 4 §. 1. Ohne Unterschied sagt man committi poena, wo die Verbindlichkeit zu ihrer Entrichtung beginnt. Warum aber sagt man committi stipulatio, wenn aus derselben bei der Existenz der Bedingung die Verpflichtung zur Entrichtung der Schuld beginnt oder gebrauchen wir committere stipulationem für committere in stipulationem? Keineswegs: denn wenn wir sagen, committere in stipulationem, so bezeichnet committere dasselbe, was peccare bezeichnet, also gegen die Stipulation handeln oder fehlen. Man sagt daher nicht peccamus stipulationem, sondern in stipulationem, wenn gegen Das, was sie vorschreibt, verstossen wird. Committi stipulatio und committi poena sagt man aber in derselben Redeweise, wie man committi merces gebraucht. Man sagt aber merces committi, welche dem Fiscus wegen eines Verbrechens anheimfallen, welche gleichsam in die Hände des Fiscus gegeben werden, um frei darüber verfügen zu können. Denn committere alicui rem ist ebendasselbe, was: eine Sache der Willkür und Gewalt Jemands unterwerfen. Fast ganz auf dieselbe Weise und aus demselben Grunde sagt man committi stipulatio, indem der Versprecher, welcher gegen die Stipulation handelt, die vorher noch obschwebende Stipulation gleichsam in die Hand des Stipulirenden giebt und sie seiner Gewalt unterwirft, und dies findet dann statt, wenn bei einer Stipulation der Fall eintritt, dass daraus dem Stipulator das Recht, zu klagen, zusteht., sodass wir hier nicht fragen, wer dabei interessirt ist. Dahingegen sind, wo von mehreren Erben einer es verbietet, alle Erben gehalten; denn es liegt im Interesse des Verhinderten, von Niemand verhindert zu werden.
Ulp. lib. XLIX. ad Sabin. Die Stipulation: Gelobst du den ungestörten Besitz? begreift in sich, dass uns der ruhige Besitz gewährt, und auch allerdings, dass von Niemandem Etwas vorgenommen werde, was uns im ruhigen Besitze hindert. Dieses Sachverhältniss bewirkt, dass der Verpflichtete das Versprechen geleistet zu haben scheint, dir gegen Alle und Jede den ungestörten Besitz zu sichern, mithin eine fremde Handlung. Niemand aber wird verpflichtet, indem er eine fremde Handlung verspricht; und so ist es auch bei uns Rechtens1010S. Glück IV. S. 206. fg. über diese Regel und ihre Ausnahmen.. Demungeachtet aber verpflichtet er sich, nichts selbst zu thun, wodurch wir im ruhigen Besitz gestört würden; er wird auch verpflichtet, dass sein Erbe oder Jemand seiner übrigen Nachfolger keine Besitzstörung vornehme. 1Sollte jedoch Jemand versprechen, dass es auch ausser seinen Erben durch keinen Andern geschehen solle, so ist dahin zu entscheiden: dass er auf eine rechtsungültige Weise eine fremde Handlung verspreche. 2Will jedoch Jemand eine fremde Handlung versprechen, so kann er nur eine Strafe oder den Betrag des Interesses versprechen. Aber inwieweit ist ein ungestörter Besitz anzunehmen? Wenn Niemand Streit darüber erregt, d. i. weder der Verpflichtete selbst noch seine Erben, noch die Nachfolger der Erben. 3Sollte Jemand aber etwa nicht über das Eigenthum, sondern nur über den blossen Besitz Streit erregen, oder über den Niessbrauch, oder den Gebrauch, oder über irgend ein anderes mitveräussertes Recht, so ist offenbar die Stipulation auch verfallen. Denn Der besitzt nicht ungestört, dem Etwas von seinem Rechte, was er besass, geschmälert wird. 4Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob Jemand nur den ungestörten Besitz seiner eigenen Sache oder auch einer fremden versprechen kann? Und mehr spricht dafür, dass er auch von einer fremden Sache versprochen werden kann. Doch wird solches nur in der Art von Wirkung sein, wenn sie in das Eigenthum des Versprechers gelangte. So lange sie aber eine fremde bleibt, muss entschieden werden, dass die Stipulation nicht verwirkt werde, sofern nicht eine Conventionalstrafe hinzugefügt worden, da weder von ihm, noch von einem seiner Nachfolger eine Störung erfolgt ist. 5Sowie aber auf der Seite des Verpflichteten seine Nachfolger mit ihm zugleich gehalten werden, so wird auch auf Seiten des Berechtigten die Stipulation dem Stipulator selbst und den Uebrigen, welche seine Nachfolger sind, verwirkt, nemlich wenn sie selbst im Besitze gestört werden, denn wenn ein Anderer im Besitze gestört worden ist, so ist mehr als gewiss, dass die Stipulation dadurch nicht verwirkt wird. Und es wird auch nichts darauf ankommen, ob ich den ungestörten Besitz oder mir den ungestörten Besitz stipuliren lasse. 6Diejenigen, welche in fremder Gewalt sind, können Denen, in deren Gewalt sie sind, in gleicher Weise den ungestörten Besitz stipuliren, wie sie ihnen alles Uebrige stipuliren können. Wenn aber ein Sclave sich selbst den ungestörten Besitz stipulirt hätte, so fragt sich, ob er sich rechtsgültig stipulirt hat? Und Julianus sagt im zweiundfunfzigsten Buche der Digesten: Wenn ein Sclave sich den ungestörten Besitz stipulirt, oder verspricht, dass durch ihn nichts vorgenommen werden solle, wodurch der Stipulator im ungestörten Besitze gehindert werde, so wird, wie er sagt, die Stipulation nicht verwirkt, obgleich die Sache ihm entzogen werden, oder er selbst sie entziehen könnte; denn nicht die Handlung, sondern das Recht1111Habere enim est rem jure dominii tenere. kommt bei dieser Stipulation in Betracht; stipulirt er sich jedoch: es solle durch den Versprecher nichts geschehen, wodurch er am Fahren gehindert werde, so handle es sich, spricht er, nicht von dem Rechte der Stipulation, sondern von einer Handlung. Mir scheint jedoch, man muss diese Stipulation, wenngleich sie nach den Worten auf das Recht sich bezieht, den Besitz zu gestatten, so verstehen, dass anzunehmen ist, es sei mit dem Sclaven oder Haussohne nur über die Zurückbehaltung oder Nichtentziehung des Besitzes1212Folglich über etwas Factisches. verhandelt worden, und dass also die Stipulation allerdings Gültigkeit habe. 7Auch diese Stipulation: Gelobst du mir den Besitz zu gestatten, ist rechtsgültig. Es fragt sich jedoch, ob auch ein Sclave in seiner Person eine solche Stipulation gültig eingehen kann? Wenn er nun gleich nach dem bürgerlichen Rechte nicht besitzen mag, so muss man dies doch blos auf den natürlichen Besitz beziehen, und deshalb darf man nicht daran zweifeln, dass auch ein Sclave auf diese Weise rechtsgültig stipuliren kann. 8Jedenfalls aber muss, wenn ein Sclave sich stipulirt hat, ungestört innezuhaben, die Stipulation als rechtsgültig angesehen werden; denn obgleich ein Sclave nicht bürgerlich besitzen kann, so bezweifelt doch Niemand, dass ihm ein blosses Innehaben verstattet ist. 9Das Wort besitzen (habere) wird auf eine doppelte Weise genommen; denn wir sagen sowohl von Dem, der Eigenthümer der Sache ist, dass er sie besitzt, als auch von Dem, welcher nicht der Eigenthümer ist, sondern sie nur innehat; wenigstens pflegen wir uns des Ausdrucks besitzen auch von einer bei uns niedergelegten Sache zu bedienen. 10Wenn sich Jemand stipulirt hat, ihm den Niessbrauch zu verstatten, so geht diese Stipulation nicht auf den Erben über. 11Sollte er aber auch das Wort: ihm nicht hinzugefügt haben, so glaube ich doch nicht, dass die Stipulation über den Niessbrauch auf den Erben übergeht, und so ist es auch bei uns Rechtens. 12Ad Dig. 45,1,38,12ROHGE, Bd. 12 (1874), Nr. 106, S. 360: Verträge zu Gunsten eines Contrahenten und eines weiteren noch unbestimmten Personenkreises. Aufführungsrecht für den Theaterdirector und dessen Nachfolger.Wenn sich Jemand aber hat stipuliren lassen, dass ihm und seinen Erben der Niessbrauch zustehen solle, so fragt es sich, ob der Erbe aus dieser Stipulation klagen kann? Ich möchte glauben, er könne es, weil hier ein doppelter Niessbrauch vorliegt1313Die Worte nemlich, diversi sunt fructus, sind nicht so zu nehmen, als wenn gleichsam der vom Stipulator erworbene Niessbrauch auf seine Erben überginge, denn dieser Niessbrauch wird durch den Tod des Stipulators geendigt (Glück Comm. IX. S. 313.), sondern man nimmt an, dass in dieser Stipulation wegen der verschiedenen Personen, welche darin aufgenommen worden, die Bestellung eines doppelten Niessbrauchs enthalten sei, nemlich für den Stipulator und sodann für seine Erben. Duareni Comment. ad h. tit. u. Glück IX. S. 314.; daher würden wir ebendasselbe annehmen, wenn er die Erlaubniss zu fahren sich und seinen Erben stipulirt hat. 13Will sich Jemand gegen die Arglist des Versprechers und seines Erben sichern, so reicht es hin, wenn er stipulirt, dass dieselbe stets fern sein und bleiben solle; will er sich aber gegen die Arglist Mehrerer sichern, so muss nothwendig die Formel hinzugefügt werden: wenn diese Sache gegen Arglist, nicht gesichert bleiben sollte, gelobst du mir, soviel als mein Interesse dabei betragen wird, in Gelde zu geben1414Folglich eine Conventionalstrafe.? 14Mit seiner Person kann ein Jeder die seines Erben verknüpfen? 15Aber auch die Person seines Adoptivvaters wird damit verknüpft werden können. 16Dass zwischen einem unbestimmten und einem bestimmten Termine ein Unterschied sei, erhellt auch daraus, dass das zu einem bestimmten Termine Versprochene auch sogleich gegeben werden kann, denn die ganze dazwischenliegende Zeit wird dem Versprecher zur Erfüllung freigelassen1515S. hierzu Glück Comment. XIII. S. 421.. Wer jedoch so verspricht: wenn Etwas geschehen sein wird, oder wann Etwas geschehen sein wird, von dem wird, wenn er es eher geben wollte, bevor dies geschehen sein würde, nicht anzunehmen sein, dass er gethan habe, was er versprochen hat. 17Ad Dig. 45,1,38,17ROHGE, Bd. 16 (1875), Nr. 101, S. 399: Zweck der Konventionalstrafe. Verstärkungsmittel der Vertragserfüllung.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 250, Note 3.Für einen Andern kann Niemand stipuliren, ausgenommen, wenn der Sclave für den Herrn, der Sohn für den Vater stipulirt; denn es sind diese Arten von Verbindlichmachung dazu erfunden worden, dass ein Jeder Dasjenige sich erwerbe, was sein Interesse betrifft; dass aber einem Andern Etwas gegeben werde, hat für mich kein Interesse. Wollte ich jedoch dies thun, so würde ich mir eine Strafe stipuliren lassen müssen; sodass, wenn Das nicht geschieht, was in die Stipulation aufgenommen worden ist, die Stipulation auch für Den verfällt, welcher weiter kein Interesse dabei hat. Denn wenn sich Jemand eine Strafe stipulirt, so wird nicht auf das Interesse gesehen, sondern auf die Quantität und die Bedingung der Stipulation. 18Ad Dig. 45,1,38,18ROHGE, Bd. 7 (1873), S. 1: Auslegung von Verträgen zu Gunsten des Verpflichteten.Wenn bei Stipulationen Zweifel entstehen, was beabsichtigt worden, so müssen die Worte gegen den Stipulator ausgelegt werden. 19Von Demjenigen, welcher sagt, mir zehn und dem Titius zehn1616Charondas in seinen Scholien. Otto Thes. Tom. V. liest mihi Decem et Titio., muss man annehmen, dass er von denselben Zehn, nicht von anderen Zehn spreche1717Die Folge also ist, dass er nur fünf bekommt, denn indem er sich un dem Titius zehn stipuliert, die Stipulation in Ansehung des Titius aber nicht gilt, gleichwohl aber nicht zwanzig, sondern immer nur zehn in die Stipulation kommen, so erwirbt er sich nur fünf von den zehn.. 20Wenn ich einem Andern stipulire, während es mein Interesse betrifft, so fragt es sich, ob mir solche Stipulation verwirkt wird? Und Marcellus sagt, die Stipulation gelte in einem Falle von dieser Art: Jemand, welcher die Vormundschaft über einen Pflegebefohlenen zu verwalten angefangen hatte, trat die Verwaltung seinem Mitvormunde ab, und stipulirte, dass das Vermögen des Pflegebefohlenen unverkürzt bleiben solle. Nach Marcellus Ansicht kann die Gültigkeit der Stipulation vertheidigt werden. Denn es sei im Interesse des Stipulators, dass Das geschehe, was er sich stipulirt habe, indem er dem Pupillen künftig verpflichtet bleibt, wenn die Sache schlecht ablaufen sollte. 21Wenn Jemand versprochen hat, ein Gehöfte zu errichten, oder es in Entreprise genommen hätte, darauf von irgend Jemand sich stipulirt hat, dem Stipulator das Gebäude zu errichten; oder wenn Jemand, nachdem er dem Titius versprochen, dass Maevius ihm sein Landgut geben, oder im Fall dieser es nicht hergäbe, er eine Strafe zahlen wolle, hierauf von dem Maevius stipulirt hat, dass er dem Titius das Landgut geben wolle; oder wenn endlich Jemand das Unternehmen, was er selbst übernommen, wieder weiter verdungen hätte: so steht ihm bekanntlich aus der Vermiethung eine analoge Klage zu. 22Wenn Jemand daher stipulirt hat, dass [einem Dritten], wo sein Interesse es erfordert, gegeben werde, so wird daraus folgen, dass die Stipulation gültig ist. 23Daher wird auch die Stipulation gültig sein, wenn ich mir stipulirt habe, dass meinem Geschäftsbesorger oder meinem Gläubiger gegeben werden solle; weil es mein Interesse betrifft, dass entweder die Strafe nicht verwirkt, oder die zum Pfande gegebenen Grundstücke nicht verkauft werden. 24Wenn daher Jemand stipulirt hat, dass du jenen stellest, so liegt kein Grund vor, weshalb hier keine Verbindlichkeit vorhanden sein sollte. 25Wir können uns versprechen lassen, dass ein heiliges Gebäude oder ein geweihter Ort erbauet werde; indem wir sonst auch nicht einmal aus einer Vermiethung würden klagen können.
Übersetzung nicht erfasst.