Ad Massurium Sabinum libri
Ex libro XLVII
Ulp. lib. XLVII. ad Sabinum. Hat Jemand versprochen, sich vor Gericht zu stellen, und auf den Fall, dass er sich nicht gestellt, keine Strafe hinzugefügt, so ist es wohl das richtigste, gegen ihn auf das Interesse vermöge der incerti condictio zu klagen; und so schreibt auch Celsus.
Ulp. lib. XLVII. ad Sabinum. Wenn Jemand versprochen hat, einen Sclaven unter denselben Umständen zu stellen, und dieser, nachdem er die Freiheit erlangt hat, gestellt wird, so ist er nicht richtig gestellt, wenn in Bezug auf ihn aus Klaggründen, welche Todesstrafe mit sich bringen, oder wegen Injurien ein Process obschwebt, weil die Genugthuung anders beim Sclaven, anders beim Freien ausfällt; bei jenem besteht sie in Todesstrafe, und in Betreff der Injurien in Peitschenhieben; diesen trifft eine andere Kühlung der Rache oder Verurtheilung auf Geldstrafe. Was aber die übrigen Gründe anbelangt, aus denen Noxalklagen entspringen, so scheint er sogar einen bessern Stand dabei gewonnen zu haben.
Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Wenn Jemand versprochen hat, es werde irgend einer sich vor Gericht stellen, so muss er ihn unter denselben Umständen stellen. Unter denselben Umständen stellen heisst, so stellen, dass dem Kläger sein Klagrecht nicht verschlechtert werde, wenn gleich vielleicht die Beitreibung der streitigen Sache schwerer gemacht sein könnte. Denn wenn gleich die Beitreibung schwerer ist, so muss man doch sagen, dass er ihn unter denselben Umständen gestellt zu haben scheine; hat er nämlich gleich neue Schulden gemacht, oder Geld durchgebracht, so scheint er doch unter denselben Umständen gestellt worden zu sein. Also scheint auch der, welcher einem Andern zu einer Leistung verurtheilt worden und gestellt wird, unter denselben Umständen gestellt zu werden.
Idem lib. XLVII. ad Sabin. Wenn aber [Etwas] unter einer solchen Bedingung geschuldet wird, welche jeden Falls eintreten wird, so kann das Gezahlte nicht zurückgefordert werden, obgleich es, [wenn es] unter einer andern Bedingung [geschuldet wird], von der es ungewiss ist, ob sie erfüllt werde, zurückgefordert werden kann, wenn es vorher gezahlt werden sollte.
Idem lib. XLVII. ad Sabin. Wenn zwei sich für einen Schuldner auf Zehn verbürgt hätten, hernach der Schuldner Drei gezahlt hätte, und nachher die Bürgen je Fünf, so hat man angenommen, dass der, welcher zuletzt gezahlt hat, Drei zurückfordern könne; dies [geschieht] mit Recht, weil nachdem Drei vom Schuldner gezahlt worden, allein noch Sieben als geschuldet übrig waren, und nachdem diese ganz bezahlt sind, Drei nichtgeschuldet bezahlt worden sind.
Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Da ich in Auftrag eines Andern für dich gebürgt habe, kann ich gegen dich nicht die Auftragsklage haben; gleichwie einer, der aus Rücksicht auf den Auftrag eines Andern ein Angelöbniss geleistet hat (spospondit); wenn ich aber nicht gerade aus Rücksicht auf des Einen, sondern auf beider Auftrag es gethan habe, so werde ich die Auftragsklage auch gegen dich haben, so wie, wenn Zwei mir aufgetragen hätten, dir zu leihen, beide mir verbindlich sein würden.
Idem lib. XLVII. ad Sabin. Wenn der Mann ein vom Vater oder von irgend einem Anderen versprochenes Heirathsgut, um zu erneuern, stipuliren sollte, so fängt die Gefahr an den Mann zu treffen, da sie vorher die Frau getroffen hatte.
Ad Dig. 44,7,10Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 288, Note 11.Idem lib. XLVII. ad Sabin. Die natürlichen Verbindlichkeiten werden nicht nur danach beurtheilt, ob Namens derselben eine Klage zuständig ist, sondern auch danach, ob gezahltes Geld nicht zurückgefodert werden kann.
Idem lib. XLVII. ad Sabin. Es ist ganz allgemein anzunehmen, dass, wenn Jemand schriftlich bekannt hat, sich verbürgt zu haben, dafür zu halten ist, dass alle Feierlichkeiten beobachtet werden.
Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Wenn bei dem Namen des Sclaven, dessen Ueberlassung wir uns stipulirt haben, ein Irrthum vorgefallen wäre, während über seine Person Uebereinstimmung stattgefunden, so wird die Stipulation für gültig gehalten.
Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Bei zwei durch ein Versprechen Verpflichteten befürchtet man ohne Grund eine Erneuerung der Verbindlichkeit. Denn hätte gleich der Erste früher geantwortet, und der Andere wäre erst nach einem Zwischenraume angenommen worden, so ist es doch folgerecht, zu entscheiden, dass die vorhergehende Verbindlichkeit fortdauere und die folgende hinzutrete, und es hat nichts auf sich, ob sie zugleich geloben oder jeder besonders das Versprechen leisten, sobald es Absicht gewesen, dass zwei Verpflichtete bestellt werden und auch keine Erneuerung geschehen solle. 1Wo zwei Verpflichtete bestellt worden sind, kann auch von einem derselben das Ganze gefodert werden. Denn das ist das Eigenthümliche bei zweien Verpflichteten, dass ein jeder derselben auf das Ganze verpflichtet ist, und dass es auch von jedem derselben gefodert werden kann; dass auch Antheile von dem Einzelnen gefodert werden können, ist aber durchaus unzweifelhaft; so wie es sowohl von dem Hauptverpflichteten als von dem Bürgen gefodert werden kann. Denn wo eine Verbindlichkeit vorhanden ist, existirt auch nur eine Zahlung derselben; sodass, wenn der Eine zahlt, Alle befreit werden, oder wenn von dem Andern die Zahlung geleistet wird, die Befreiung ebenfalls Allen zu Theil wird.
Idem lib. XLVII. ad Sabin. Ich habe mir von einem Schuldner [Etwas] stipulirt, aber keinen Bürgen erhalten; nachher will ich einen Bürgen hinzufügen; wenn ich ihn zugefügt haben werde, so ist der Bürge verbindlich gemacht. 1Und es macht wenig Unterschied, ob ich den Bürgen ohne Nebenbestimmung verbindlich mache, oder von einem Termin an, oder unter einer Bedingung. 2Es kann aber ein Bürge sowohl zu einer künftigen, als auch zu einer schon vorhandenen Verbindlichkeit genommen werden, wenn nur irgend eine wenigstens natürliche Verbindlichkeit künftig vorhanden sein wird.
Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Auf Griechisch wird ein Bürge auch so angenommen: τῇ ἐμῇ πίστει κελεύω, [ich befehle meiner Treue,] λέγω, [ich sage,] θέλω, [ich will,] oder βούλομαι, [ich beabsichtige;] aber auch wenn er φημι, [ich versichere,] gesagt haben wird, wird es ebenso gut sein, als wenn er λέγω, [ich sage,] gesagt haben würde. 1Ausserdem muss man wissen, dass ein Bürge zu jeder Verbindlichkeit genommen werden könne, möge sie durch eine Sache, oder durch Worte, oder durch Einwilligung [begründet sein.] 2Man muss wissen, dass auch für Denjenigen, welcher nach honorarischem Rechte verbindlich ist, ein Bürge angenommen werden könne. 3Auch nach der Litiscontestation kann ein Bürge angenommen werden, weil sowohl eine civilrechtliche, als eine natürliche Verbindlichkeit vorhanden ist, und das lässt auch Julianus zu, und das befolgen wir als Recht. Es fragt sich also, ob [der Bürge,] wenn der Beklagte verurtheilt worden ist, sich einer Einrede bedienen könne? Denn von Rechtswegen wird er nicht befreit. Ist er nun für die Klage aus dem Urtheile nicht angenommen worden, sondern nur für die Austellung des Rechtsstreits, so wird man ganz richtig sagen, dass er sich einer Einrede bedienen könne; wenn er aber auch für die ganze Rechtssache angenommen sein wird, so wird die Einrede wegfallen. 4Wenn von einem Vormund, welcher in einem Testament bestellt worden war, ein Bürge bestellt sein wird, so ist derselbe gehalten. 5Aber auch, wenn die Klage aus einem Vergehen entstehen sollte, so glauben wir mehr, dass der Bürge gehalten sei. 6Und dass im Allgemeinen für alle Verbindlichkeiten ein Bürge angenommen werden könne, ist Niemandem zweifelhaft. 7Das findet bei Allen insgesammt, welche für Andere verbindlich gemacht werden, statt, dass man angenommen hat, dass, wenn sie in ein härteres Verhältniss, [als das des Schuldners,] gebracht seien, sie durchaus nicht verbindlich werden. In ein leichteres Verhältniss können sie freilich angenommen werden, weshalb ein Bürge für eine geringere Summe richtig angenommen werden wird. Desgleichen kann, wenn man den Schuldner ohne Nebenbestimmung erhalten hat, [der Bürge] selbst von einem Termin an, oder unter einer Bedingung an genommen werden; wenn man aber den Schuldner unter einer Bedingung erhalten haben sollte, den Bürgen unbedingt, so wird dieser nicht verbindlich sein. 8Julianus sagt, wenn Jemand, welcher den Stichus sich stipulirt habe, einen Bürgen so angenommen habe: Verbürgst du dich für die Leistung des Stichus oder von Zehn? so sei der Bürge nicht verbindlich, weil die Lage desselben härter sei, da es ja geschehen werde, dass er [auch,] wenn Stichus gestorben sei, gehalten sei. Marcellus aber bemerkt, er werde nicht nur darum nicht verbindlich, weil er zu einer härteren Lage angenommen worden ist, sondern weil er vielmehr auch für eine andere Verbindlichkeit angenommen worden ist. Sonach wird auch für Denjenigen, welcher Zehn versprochen haben wird, ein Bürge nicht so angenommen werden können, dass er Zehn oder den Stichus verspreche, obwohl in diesem Falle die Lage desselben nicht härter wird. 9Derselbe Julianus sagt, wenn Jemand, welcher sich stipulirt hatte, dass ihm ein Sclave oder Zehn gegeben werden solle, einen Bürgen so angenommen habe: Einen Sclaven oder Zehn, welches von beiden ich will? so wird er denselben nicht verbindlich machen, weil die Lage desselben härter geworden ist. 10Umgekehrt wird aber Derjenige, welcher sich einen Sclaven oder Zehn, welches von beiden er, der Stipulator, selbst, wolle, stipulirt hat, einen Bürgen richtig so annehmen: Zehn oder einen Sclaven, welches von beiden du willst? Es wird nemlich, sagt [Julianus,] auf diese Weise die Lage des Bürgen besser. 11Aber auch wenn ich den Schuldner so gefragt haben werde: den Stichus und den Pamphilus? so frage ich den Bürgen richtig: den Stichus oder den Pamphilus? weil [dann] die Lage des Bürgen leichter ist. 12Es ist keineswegs zweifelhaft, dass ein Bürge für einen Bürgen angenommen werden [könne.]
Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Ad Dig. 46,2,9 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 355, Noten 4, 5.Wenn ein Mündel ohne Ermächtigung des Vormunds stipulirt hat, dass das Vermögen unversehrt sein werde, und nachdem er mündig geworden, die Stipulation, um zu noviren, genehmigt haben wird, so wird die Vormundschaftsklage aufgehoben. Wenn er es nicht genehmigt haben wird, so hat er, auch wenn er mit der Vormundschaftsklage geklagt hatte, doch noch die Klage aus der Stipulation, aber der Richter darf auf die Vormundschaftsklage nicht anders verurtheilen, als wenn eine Befreiung aus der Stipulation stattfand. 1Wer unter einer Bedingung, welche jedenfalls eintreten wird, stipulirt, scheint unbedingt zu stipuliren. 2Wer eine Viehtrifts-, sodann eine Fusssteigsgerechtigkeit stipulirt, richtet nichts aus. Eben so richtet Der, welcher den Niessbrauch stipulirt hat, nichts aus, wenn er das Gebrauchsrecht stipulirt. Aber wenn Der, welcher eine Fusssteigsgerechtigkeit stipulirt hat, nachher eine Viehtriftsgerechtigkeit stipulirt, so stipulirt er mehr etwas Anderes; denn die Fusssteigsgerechtigkeit ist etwas Anderes, als die Viehtriftsgerechtigkeit11Vergl. l. 58. D. de verb. obl. 45. 1..
Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Wenn ein Bürge sich für Zwei auf je Zehn verbürgt hat, so ist er auf Zwanzig verbindlich, und mag er nun Zwanzig, oder je Zehn gezahlt haben, er wird beide Schuldner befreien. Aber wenn er Fünf gezahlt haben wird, so wollen wir sehen, welchen von den Schuldnern er um Fünf erleichtere. Es wird der erleichtert sein, auf welchen die Absicht gerichtet gewesen ist, oder, wenn dies nicht erhellen sollte, so wird die ältere Schuld zu berücksichtigen sein. Dasselbe [findet] auch [dann statt,] wenn Funfzehn gezahlt sein sollten; wenn nämlich erhellen sollte, [auf welche Schuld] die Absicht gerichtet gewesen sei, [so wird diese] um Zehn erleichtert sein, und von der andern werden Fünf [abgehen;] wenn es aber nicht erhellt, so wird die ältere Contractsschuld um Zehn, die andere um Fünf erleichtert sein.
Idem lib. XLVII. ad Sabin. Wenn der Versprecher, da mehrere Stipulationen eingegangen waren, so um die Acceptilation gefragt hatte: Was ich dir verprochen habe, nimmst du das für empfangen an? so ist, wenn sich ergiebt, worauf die Absicht gerichtet war, blos dieses durch die Acceptilation aufgehoben; wenn es sich nicht ergiebt, so sind alle Stipulationen aufgelöst, nur muss man Das wissen, dass, wenn ich etwas Anderes durch Acceptilation erlassen habe, als weshalb du gefragt hast, die Acceptilation nicht gelte.
Übersetzung nicht erfasst.