Ad Massurium Sabinum libri
Ex libro XLVI
Ulp. lib. XLVI. ad Sabinum. Die Aquilianische Stipulation bewirkt ohne Zweifel in allen ihr vorangegangenen Forderungen eine Neuerung, und zerstört sie, und sie selbst wird durch Acceptilation zerstört: und dies ist als Recht bei und im Gebrauch. Eben deshalb pflegt auch bei bedingungsweise hinterlassenen Legaten die Aquilianische Stipulation in Anwendung gebracht zu werden.
Idem lib. XLVI. ad Sabin. Wenn derjenige, welcher sich mit einer immerwährenden Einrede schützen konnte, da er wusste, dass ihm die Einrede nützen werde, Etwas versprochen haben sollte, damit er befreit würde, so kann er nicht condiciren.
Ulp. lib. XLVI. ad Sabin. Es ist nichts Neues, dass zwei Verbindlichkeiten in derselben Person in Betreff derselben Sache zusammentreffen; denn wenn derjenige, dem Jemand als Verkäufer verpflichtet ist, Erbe eines Andern geworden ist, dem derselbe Verkäufer verpflichtet ist, so ist klar, dass zwei in derselben Person zusammentreffende Klagen vorhanden seien, eine eigene, und eine erbschaftliche, und es muss der eingesetzte Erbe, wenn er des Vortheils beider Klagen getrennt geniessen will, den eigenen Schuldner vor dem Erbantritt belangen, und nachher nach geschehenem Erbantritt den Erbschaftsschuldner; hat er die Erbschaft früher angetreten, so kann er zwar eine Klage anstellen, jedoch so, dass er durch dieselbe den Nutzen aus beiden Contracten zieht. Im umgekehrten Fall, wenn ein Verkäufer Erbe des andern geworden ist, ist es gleichfalls klar, dass er beide Entwährungen zu vertreten habe.
Idem lib. XLVI. ad Sabin. Weil man sagt, dass, so oft mehrere Sachen in eine Stipulation gebracht werden, mehrere Stipulationen vorhanden seien, so wollen wir sehen, ob auch bei der Stipulation des Doppelten eben dies der Fall sei; wenn Jemand stipulirt, dass [der Sclav] kein Flüchtling sei, kein Herumstreicher sei, und was sonst noch dem Edict der curulischen Aedilen gemäss versprochen wird, ist dann eine einzige Stipulation vorhanden, oder [sind es] mehrere? Und ein vernünftiger Grund bewirkt, dass es mehrere seien. 1Ad Dig. 21,2,32,1ROHGE, Bd. 15 (1875), Nr. 93, S. 328: Berechnung des Minderwerths im Falle der exceptio quanti minoris.Also geht auch das an, was Julianus im funfzehnten Buch der Digesten schreibt; es hat, sagt er, [ein Käufer] mit der Minderungsklage wegen der Flucht des [gekauften] Sclaven geklagt, hernach klagt er wegen einer Krankheit [desselben]; man muss so verfahren, sagt er, dass der Käufer keinen Gewinn mache, und nicht zweimal wegen desselben Fehlers die durch Abschätzung bestimmte Vergütung erlange. Wir wollen uns denken, [ein Sclav] sei um Zehn gekauft worden, der Käufer würde ihn aber um Zwei weniger gekauft haben, wenn er nur gewusst hätte, dass er ein Flüchtling sei; diese [Zwei] habe er wegen der Flucht erlangt; bald darauf habe er erfahren, dass [der Sclav] nicht gesund sei; er würde ihn auf gleiche Weise um Zwei weniger gekauft haben, wenn er mit der Krankheit nicht unbekannt gewesen wäre; er wird wiederum Zwei erlangen müssen; denn auch wenn er wegen beider [Mängel] zugleich geklagt hätte, so würde er Vier erlangt haben, weil er vielleicht einen solchen, der sowohl nicht gesund als auch ein Flüchtling war, nur für Sechs würde gekauft haben. Diesem gemäss wird öfter aus der Stipulation geklagt werden können, denn es wird ja nicht aus einer einzigen Stipulation, sondern aus mehreren geklagt.
Ulp. lib. XLVI. ad Sabin. Ad Dig. 45,1,29 pr.ROHGE, Bd. 14 (1875), Nr. 40, S. 103: Erwerb des Pfandbesitzes an einer Quantität vertretbarer Sachen.ROHGE, Bd. 16 (1875), Nr. 44, S. 155: Mehrheit von Gegenständen. Mehrheit von Rechtsgeschäften.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 252, Note 9; Bd. II, § 464, Note 4.Man muss wissen, dass in Stipulationen wieder soviel Stipulationen enthalten sind, als Summen stipulirt werden, und soviel Stipulationen als einzelne Gegenstände, woraus sich ergiebt, dass durch Hinzufügung einer in der vorhergehenden Stipulation nicht enthaltenen Summe oder [einzelnen] Gegenstandes keine Erneuerung geschieht, sondern vielmehr bewirkt wird, dass zwei Stipulationen vorhanden sind11S. besonders Bynkersh. Obs. VIII. 10. u. Charond. l. l. (p. 820.).. Obgleich aber angenommen worden ist, dass soviel Stipulationen sind, als Summen oder einzelne Gegenstände, so sind, wenn sich Jemand das Geld stipulirt hat, was er im Angesicht hat, oder einen Haufen Geldes, dies doch nicht soviel Stipulationen, als einzelne Münzstücke, sondern nur eine Stipulation. Denn es würde abgeschmackt sein, wenn man annehmen wollte, dass die einzelnen Denare Gegenstand soviel einzelner Stipulationen wären. Auch ist bekanntlich die Stipulation der Vermächtnisse nur eine Stipulation, obgleich sie mehrere einzelne Gegenstände oder mehrere Vermächtnisse begreift. Aber auch eine Stipulation über das Gesinde oder über alle Sclaven ist nur eine Stipulation. Desgleichen die Stipulation eines Viergespannes oder der Sänftenträger ist ebenfalls nur eine Stipulation. Wenn sich aber Jemand dieses und jenes stipulirt hat, so sind dies soviel Stipulationen, als Gegenstände. 1Wenn ich mir von dem Diebe [meinen] Sclaven stipulirt habe, so ist die Frage aufgeworfen worden, ob diese Stipulation gelte22S. hiezu Donelli Comment. ad h. tit. et leg.? Die Frage wird dadurch angeregt, dass ich anscheinend einen mir meistentheils gehörigen Sclaven mir stipulirt habe, eine solche Stipulation aber, wo sich Jemand seine eigene Sache stipulirt hat, keine Gültigkeit hat. Nun steht es aber fest, dass, wenn ich mir so stipulirt habe: Was er in Gemässheit der Condiction geben oder leisten muss, die Stipulation gilt; wenn ich mir aber nur stipulirt habe, dass mir der Sclave gegeben werde, die Stipulation von keiner Wirkung ist. Wird also ein Sclave vorausgesetzt, welcher nachher ohne einen Verzug gestorben ist, so wird, wie Marcellus sagt, der Dieb aus der Condiction nicht gehalten werden: denn nur so lange er lebte, konnte die Condiction angestellt werden; ist derselbe aber, wie vorausgesetzt wird, gestorben, so wird die Sache dadurch in die Lage versetzt, dass wegen der Stipulation auch die Condiction erlischt33Die Glosse sagt, in Ansehung der Condictio furtiva ist durch die Stipulation eine Neuerung eingetreten, und wegen dieser Novation kann er mit der Condictio furtiva nicht mehr belangt werden; mit der Klage aus der Stipulation aber auch nicht wegen Untergangs der Sache. [S. Charond. a. a. O.].
Idem lib. XLVI. ad Sabin. Im Allgemeinen sagt Julianus, dass Der, welcher Erbe Desjenigen geworden sei, für welchen er eingetreten war, rücksichtlich der Nebenverpflichtung befreit werde, und nur noch als Erbe des Schuldners gehalten sei. Demgemäss hat er geschrieben, dass, wenn ein Bürge Erbe Desjenigen geworden sei, für welchen er sich verbürgt hat, er als Schuldner verbindlich sei, rücksichtlich der Bürgschaft [aber] befreit werde. Ein Schuldner aber, welcher Nachfolger eines Schuldners sei, sei aus zwei Gründen verbindlich. Denn es lässt sich nicht ausfindig machen, welche Verbindlichkeit die andere vernichte; aber bei einem Bürgen und Schuldner lässt es sich ausfindig machen, weil die Verbindlichkeit des Schuldners umfassender ist. Denn wo irgend eine Verschiedeuheit der Verbindlichkeiten stattfindet, da lässt sich annehmen, dass die eine durch die andere vernichtet werde; wenn aber zwei von derselben Kraft vorhanden sind, so lässt sich nicht ausfindig machen, warum die eine lieber als die andere aufgehoben werden sollte. Er bezieht dies aber auf einen Fall, bei welchem er zeigen will, dass es nichts Neues sei, dass zwei Verbindlichkeiten in der Person eines Einzigen zusammentreffen; der Fall ist aber folgender: wenn ein Correalschuldner44S. die Bem. zu l. S. §. 11. D. ad SC. Vellej. 16. 1. Erbe eines Correalschuldners geworden sein wird, so vertritt er zwei Verbindlichkeiten. Desgleichen wenn ein Correalgläubiger4 Erbe eines Correalgläubigers geworden sein wird, so wird er zwei Fälle der Forderung vertreten; freilich, wenn er aus der einen von beiden geklagt haben wird, so wird er beide aufheben, weil nemlich die Natur der zwei Forderungen, welche er hatte, so beschaffen war, dass dadurch, dass die eine von ihnen klagbar gemacht wurde, die andere aufgehoben wurde.
Ulp. lib. XLVI. ad Sabin. Novation ist die Uebertragung und Verwandlung einer früheren Schuld in ein anderes, entweder civilrechtliches oder natürliches Verhältniss, dass heisst, wenn aus einer vorhandenen Rechtsverbindlichkeit eine neue so gebildet wird, dass die frühere zu Grunde geht. Die Novation hat nemlich ihren Namen von dem Neuen (a novo) und von dem neuen Obligationsverhältniss (a nova obligatione) erhalten. 1Das macht keinen Unterschied, welche Verbindlichkeit vorhergegangen ist, ob eine natürliche oder eine civilrechtliche, oder eine honorarische und ob sie auf Worten, oder einer Sache, oder der Einwilligung beruhte. Von welcher Art also auch immer die Verbindlichkeit ist, welche vorausgegangen ist, sie kann durch Worte novirt werden, wenn nur die darauf folgende entweder nach dem Civilrecht, oder nach dem natürlichen Recht verpflichtet, z. B. wenn ein Mündel Etwas ohne Ermächtigung des Vormunds versprochen hat.
Idem lib. XLVI. ad Sabin. Wenn ich so stipulirt haben werde: Verbürgst du dich für so viel, als ich vom Schuldner Titius weniger werde habe einfodern können? so wird keine Novation vorgenommen, weil das nicht beabsichtigt wird, dass novirt werden solle. 1Wenn Jemand ein Gelddarlehn ohne Stipulation gegeben hat, und sogleich darauf eine Stipulation eingegangen ist, so ist ein einziger Contract vorhanden. Dasselbe wird auch dann zu sagen sein, wenn zuerst die Stipulation eingegangen, bald darauf das Geld gezahlt worden ist.
Ulp. lib. XLVI. ad Sabin. Wenn ich stipulirt habe, dass Stichus gegeben werde sollte, und ich, als der Versprecher sich in Verzug befand, sodass er ihn nicht gab, wiederum denselben stipulirt haben werde, so hört die Gefahr auf, den Versprecher zu treffen, gleich als ob der Verzug wieder gut gemacht wäre. 1Ad Dig. 46,2,8,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 355, Note 3.Wenn Legate oder Fideicommisse in eine Stipulation gebracht worden sind, und dies beabsichtigt worden ist, dass novirt werden solle, so wird eine Novation stattfinden, und zwar wenn sie unbedingt oder auf einen Termin hinterlassen sein werden, sogleich, wenn aber unter einer Bedingung, nicht sogleich, sondern dann, wenn die Bedingung eingetreten sein wird. Denn auch sonst novirt, wenn dies beabsichtigt worden ist, Der, welcher auf eine Zeit stipulirt, sogleich, wenn es gewiss ist, dass der Termin einst kommen werde; aber wer unter einer Bedingung stipulirt, der novirt nicht sogleich, wenn nicht die Bedingung eingetreten sein wird. 2Wenn Jemand so vom Sejus stipulirt haben sollte: Gelobst du zu geben, was ich vom Titius stipulirt haben werde? wird dann wohl, wenn er nachher vom Titius Etwas stipulirt hat, eine Novation stattfinden, und ist dann Sejus allein gehalten? Und Celsus sagt: es finde eine Novation statt, wenn nur das beabsichtigt worden sei, dass novirt werden solle, das heisst, dass Sejus schulden solle, was Titius versprochen hat; denn er sagt, dass zu derselben Zeit sowohl die Bedingung der früheren Stipulation erfüllt, als auch novirt werde, und das befolgen wir als Recht. 3Derselbe Celsus sagt: durch die Stipulation, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, werde nicht novirt, mit Recht, weil blos das mit jener Stipulation beabsichtigt wird, dass mit Bürgen Sicherheit geleistet sei, nicht dass von der durch das Urtheil begründeten Verbindlichkeit zurückgetreten werde. 4Wenn ich Zehn, welche mir Titius schuldet, oder Zehn, welche Sejus schuldet, von einem Dritten stipulirt haben werde, so glaubt Marcellus, dass keiner von beiden befreit werde, aber der Dritte wählen könne, für welchen er die Zehn zahlen wolle. 5Man nimmt an, dass, wenn ein Ehemann das ihm von einem Andern versprochene Heirathsgut von seiner Ehefrau als Heirathsgut stipulirt habe, das Heirathsgut nicht verdoppelt, sondern eine Novation bewirkt werde, wenn dies beabsichtigt worden ist; denn welcher Unterschied ist, ob sie selbst, oder irgend ein Anderer verspreche? Denn wenn ein Anderer Das, was ich schulde, verspricht, so kann er mich befreien, wenn dies in der Absicht einer Novation geschieht; wenn dies aber nicht in der Absicht zu noviren geschieht, so sind zwar Beide gehalten; aber wenn der Eine bezahlt, so wird der Andere befreit. Jedoch entzieht Der, welcher stipulirt, was mir geschuldet wird, mir nicht die Klage, wenn er nicht mit meinem Willen stipulirt; es befreit mich aber Der, welcher verspricht, was ich schulde, auch wenn ich es nicht will.