Ad Massurium Sabinum libri
Ex libro XXXVIII
Ulp. lib. XXXVIII. ad Sabin. Wer wahnsinnig wird, behält sowohl seinen persönlichen Zustand, als die Würde, welche er bekleidet hat, als sein Amt und seine Gewalt, wie er das Eigenthum seines Vermögens behält.
Ulp. lib. XXXVIII. ad Sabin. Ein Sclav, Barbarius Philippus, der flüchtig geworden war, bewarb sich in Rom um die Prätur, und wurde zum Prätor bestimmt; hier, sagt Pomponius, steht ihm sein Sclavenverhältniss nicht entgegen, als wäre er nicht Prätor gewesen11Dies ist die ebenso wörtliche als richtige Uebersetzung; es will dies soviel sagen, dass trotz des Umstandes, dass er Sclav sei, er dennoch als Prätor angesehen werden müsse. Man sehe zur Erklärung Cujacii Obs. XVIII. 33. und die Marginalnote bei Russardus.. Nun ist und bleibt es zwar wahr, dass er die Prätur bekleidet habe; wenn aber ein Sclav, so lange er sich nicht entdeckte, die prätorische Würde bekleidet hat, wie soll es da gehalten werden? Soll das, was er öffentlich bekannt gemacht und beschlossen hat, ungültig sein, oder zum Besten derjenigen, welche vor ihm rechtliche Verhandlungen oder ausserordentliche [Streitsachen] gepflogen haben, Gültigkeit haben? — Ich halte für richtiger, dass nichts von allem umgestossen werde. Denn dies ist der Billigkeit angemessener, indem ja das Römische Volk [, wenn es gewollt hätte,] auch einem Sclaven diese Gewalt hätte zugestehen können, wenn es aber gewusst hätte, dass derselbe ein Sclave sei, ihn zum Freien gemacht haben würde. Diese Befugniss ist um so mehr rücksichtlich des Kaisers zu beobachten.
Ulp. lib. XXXVIII. ad Sabin. Dass stummen unmündigen Kindern ein Vormund gegeben werden könne, ist ein wahrer Satz, ob aber für dieselben ein Vollwort ertheilt werden könne, unterliegt einigem Zweifel. Wenn nun [eine Ermächtigung] bei einem, der schweigt, Statt finden kann, so ist dies auch bei einem Stummen zulässig. Dass aber für Personen, die schweigen, ein Vollwort ertheilt werden könne, ist die richtigere Annahme, wofür sich auch Julianus im einundzwanzigsten Buche der Digesten erklärte. 1Bedingungsweise darf von den Statthaltern der Provinzen kein Vormund gegeben werden, geschah dies aber doch, so ist es eine ganz ungültige Handlung. Dies ist auch die Meinung des Pomponius. Machen aber die Statthalter der Provinzen noch den Zusatz: Diesen bestelle ich zum Vormund, wenn er Sicherheit geleistet hat; so soll hierin keine Bedingung, sondern vielmehr eine Erinnerung, enthalten sein, nämlich dass diesem nicht anders die Vormundschaft anvertraut werde, als wenn er Sicherheit geleistet habe, das ist, es werde ihm nicht anders die Verwaltung übertragen, als wenn er dem Mündel dahin sicher gestellt, dass dessen Vermögen in einem guten Zustande verbleiben solle. 2Die Bestellung eines Vormundes ist weder Ausfluss einer Amtsgewalt22Imperium ist die Gewalt, welche jedem Magistratus von Amts wegen zusteht., noch der Rechtsprechung, sondern kommt blos dem zu, welchem dies namentlich ein Gesetz oder ein Senatsbeschluss oder der Kaiser verstattete. 3Einem Unmündigen, der taub ist, kann ein Vormund bestellt werden. 4Bekanntlich kann einem Kinde, dessen Vater in feindlicher Gefangenschaft sich befindet, kein Vormund bestellt werden. Es kann aber die Frage entstehen, ob, wenn [diesem dennoch] ein Vormund bestellt wurde, die Gültigkeit [oder Ungültigkeit] dieser Bestellung erst von der Zukunft abhänge? Nach meiner Meinung ist diese Bevormundung ungültig. Denn kehrt der Vater zurück, so fällt das Kind so in seine Gewalt zurück, als ob er niemals in feindlicher Gefangenschaft gewesen wäre. Man muss [hier] über die Vermögensmasse einen Curator setzen, damit diese nicht mittlerer Weile zu Grunde gehe.
Idem lib. XXXVIII. ad Sabin. Wurde ein Vormund zwar nicht von den Feinden gefangen genommen, sondern zu diesen als ein Gesandter abgeschickt, oder auch von diesen aufgenommen, oder er entfloh zu diesen, so bleibt er Vormund, weil er kein Sclav wird, aber inzwischen wird von den Statthaltern ein anderer Vormund bestellt werden.
Idem lib. XXXVIII. ad Sabin. Für bestimmte Gegenstände oder Geschäfte kann ebenso wenig in einem Testamente ein Vormund bestellt werden, als blos für eine Person, ohne Einfluss auf deren Vermögen.
Ulp. lib. XXXVIII. ad Sabin. Wird jedoch ein Vormund für das Vermögen [des Mündels], das in Afrika oder in Syrien liegt, gegeben, so ist dies zulässig; denn es ist dies ein bei uns aufgenommener Rechtssatz.
Idem lib. XXXVIII. ad Sabin. Ueber die gesetzliche Vormundschaft, welche nach dem Zwölftafelgesetze den Freilassern zugewiesen wird, findet sich daselbst zwar keine eigenthümliche und ausdrückliche Bestimmung, allein man richtete sich nach den Beerbungen, welche nach diesem Gesetze den Patronen gestattet sind. 1Es ist daher der Freilasser nach dem Zwölftafelgesetze Vormund, mag nun diese Freilassung freiwillig oder nothwendig aus Veranlassung eines Fideicommisses geschehen sein. 2Wenn aber auch unter der Bedingung ein Kauf geschlossen wurde, dass er (der Käufer) [den Sclaven] freilasse, und dieser (Sclav), nach der Verfügung des göttlichen Marcus an den Aufidius Victorinus, die Freiheit erlangte, so soll er (der Käufer) doch Vormund sein. 3Wenn aber freilich der Sclav etwa nach dem Rubrianischen Senatsschlusse33Die Worte dieses Senatsschlusses befinden sich im Fr. 26. §. 7. D. de fideicomm. libert. (40. 5.) zur Freiheit gelangte, dann soll der, welcher [um die Freilassung] ersucht wurde, nicht Vormund werden, sondern dieser Sclav als Freigelassener des Orkus zur Familie des Erblassers gehören44Weil er nunmehr als direct von seinem Herrn freigelassen angesehen wird. Dieser befindet sich aber in der Unterwelt, folglich ist der freigewordene Sclav ein Freigelassener seines in dem Orkus sich aufhaltenden Freilassers.. In diesem Falle fängt nun die Vormundschaft [zu]erst bei den Kindern des Freilassers an, indem sie nie an die Freilasser selbst gelangt war. Dies aber findet bei allen Freigelassenen des Verstorbenen, die durch testamentarische Verfügung frei wurden, Statt. 4Sind der Freilasser zwei oder mehrere, so sind sie alle Vormünder. Befindet sich aber eine Frau unter ihnen, so sollen blos die Männer die Vormundschaft übernehmen. 5Starb einer von den Freilassern, so bleibt, obgleich [der Verstorbene] einen Sohn hinterliess, die Vormundschaft doch bei den noch Uebrigen. Wurde ein Freilasser von den Feinden gefangen genommen, so führen inzwischen die Mitfreilasser allein die Vormundschaft. Auf ähnliche Weise ergibt sich, dass die Uebrigen die Vormundschaft führen, wenn einer von ihnen Sclav wurde. 6Starben aber alle Freilasser, dann erst gelangt die Vormundschaft an ihre Kinder. 7Wenn nun einer von den Freilassern einen Sohn, der andere einen Enkel hinterliess, [so fragt es sich,] ob blos an den Sohn, oder auch an den Enkel die Vormundschaft komme, weil ja auch der Enkel der nächste Verwandte seines Vaters in der Familie ist? Dies wird aus den gesetzlichen Beerbungen deutlich werden. Da heisst es nämlich: die gesetzliche Erbschaft kommt blos an den Sohn. Deshalb fällt auch blos auf den Sohn die Vormundschaft; nach dem Sohn dann auf den Enkel. 8Man kann fragen, ob, wenn des Freilassers Sohn von der Vormundschaft entfernt wurde, oder sich dagegen entschuldigte, diese nun auf den Enkel falle? Marcellus ist, nach seinem Schreiben, der Meinung, dass hier kein Nachrücken Statt finde. Denn die Entfernung jener von der Vormundschaft soll kein Nachrücken [entfernterer Agnaten], sondern Bestellung anderer Vormünder an ihrer Statt [durch die Obrigkeit] bewirken. 9Es tritt aber bei der gesetzlichen Vormundschaft ein Nachrücken nicht nur durch den Tod, sondern auch durch die Verschmälerung des bürgerlichen Zustandes [des Vormundes] ein. Wird daher der bürgerliche Zustand des nächsten Verwandten verändert, so rückt in der Verwaltung der Vormundschaft der ihm Nächstfolgende nach. 10Wenn ein Gewalthaber seinen Sohn, oder seine Tochter, oder seinen Enkel, oder seine Enkelin, oder fernere Abkömmlinge im Zustande der Unmündigkeit aus seiner Gewalt entlässt, so verliert er die Stelle eines gesetzlichen Vormundes.
Idem lib. XXXVIII. ad Sabin. Die Curatel über eine rasende Mutter gehört für den Sohn; denn man ist den Eltern, obgleich ihre Gewalt ungleich ist, doch eine gleiche kindliche Liebe schuldig.
Übersetzung nicht erfasst.