Ad Massurium Sabinum libri
Ex libro XXXVII
Ulp. lib. XXXVII. ad Sabin. Haben Mündel beiderlei Geschlechts einmal einen Vormund, und gerathen sodann in Wahnsinn, so verbleiben sie dieses Umstandes ungeachtet eben so, wie vorher, unter derselben Vormundschaft. Dieser Meinung war auch Quintus Mucius, auch Julianus gibt ihr seinen Beifall; bei uns ist es ein aufgenommener Rechtssatz, dass die Curatel nicht eintrete, wenn das Alter noch einen Vormund bedarf. Haben nun Unmündige Vormünder, so werden sie bei eintretendem Wahnsinn nicht unter eine Curatel gebracht, haben sie aber noch keine Vormünder zur Zeit, da sie die Raserei überfällt, so kann man ihnen auch in diesem Fall Vormünder geben, weil man die Bestimmungen des Zwölftafelgesetzes [hinsichtlich der Curatoren] durchaus nicht auf Unmündige bezogen wissen will. 1Weil aber bei uns für Unmündige keine Agnaten Curatoren werden dürfen, so sind wir der Meinung, dass auch einem Menschen, der noch nicht das fünfundzwanzigste Jahr vollendet hat, im Zustande der Raserei zwar ein Curator gegeben werden soll, jedoch dies nicht aus dem Grunde, weil er in Raserei verfiel, sondern weil er ein Mensch ist, dem noch seine Minderjährigkeit Hindernisse macht. Wir werden also uns dahin erklären, wenn einen Menschen sein Alter noch der Tutel oder Curatel unterwirft, so sei es nicht nothwendig für diesen aus dem Grunde, weil er wahnsinnig ist, um einen Curator nachzusuchen11Ueber diese Stelle verdient verglichen zu werden Anton Schulting ad Gaji Institut. lib. I. tit. 8 not. 7. (in jurispr. vet. Antejust. p. 67.) und die daselbst angeführte Stelle aus den Basiliken.. So verfügte auch der Kaiser Antoninus Augustus22Dieser Kaiser Antontinus ist der Kaiser Caracalla., indem man hierbei mehr auf das Alter, als auf den Wahnsinn, seine Aufmerksamkeit richten müsse. 2Wenn ein unmündiges Kind mit seinem rechtlich bestellten Vormunde, oder der Vormund mit einem seiner Pflegbefohlenen, einen Process führen will, [so entsteht die Frage,] ob auf Verlangen der Pflegbefohlenen oder des Gegners ein Curator bewilligt wird? Hierbei ist zu bemerken, dass, mögen die Mündel den Vormund belangen, oder selbst belangt werden, zwar immer ein Curator bestellt werden könne, aber dies nicht anders, als wenn der, welcher desselben bedarf, selbst darum anhält. Noch schrieb Cassius im sechsten Buche: ein solcher Curator muss immer bei seiner Bestellung gegenwärtig sein, sowie auch die Gegenwart und das Gesuch dessen nöthig ist, dem er gegeben wird. Deshalb kann er nicht für ein Kind [unter sieben Jahren] bestellt werden. Derselbe Cassius sagt: wenn ein Mündel aus dem Grunde um keinen Curator nachsuchen will, damit er in keinen Rechtsstreit verwickelt werde, so soll er von dem Prätor dazu gezwungen werden können. 3Pomponius schrieb im sechsten Buche an den Sabinus, ein solcher Curator könne an jedem Orte und zu jeder Zeit bestellt werden33Erst durch die C. 5. C. de in litem dando tutore (5. 44.) wurde für den Mündel ein Curator zur Processführung verordnet, früher war es der tutor praetorius. Daher nahm auch schon Schulting (fragm. Ulp. XI. 24. n. 73.) hier eine Interpolation an, wie auch neuerdings v. Löhr. im Magazin für Rechtsw. und Gesetzg. Bd. 3. S. 66. Zu vergleichen ist auch Corn. v. Bynkersh. Observ. V. II. p. 230.. 4Bittet nun der Mündel um einen solchen Curator und fügt den Grund wozu? nicht bei, [so fragt sich’s, ob dieser Curator, für alle Streitfälle bestellt sei? Celsus sagt: Servius habe bestimmt, er solle als für alle Fälle gegeben gelten.
Ulp. lib. XXXVII. ad Sabin. Wurden Unmündige adrogirt, oder Pflegbefohlene verwiesen, so hören sie auf, unter der Vormundschaft zu stehen. 1Ebenso beendigt sich die Vormundschaft, wenn der Mündel in Sclaverei verfällt. 2Die Vormundschaft endigt sich auch auf andere Arten, wenn z. B. der Vormund oder der Mündel in feindliche Gefangenschaft kamen. 3Wenn aber auch bis zu einer gewissen Zeit hin ein Vormund gegeben wurde, so endigt sich nach Ablauf dieser Zeit sein Amt. 4Ueberdies nimmt die Vormundschaft ein Ende, wenn der Vormund als verdächtig entfernt wurde. 5Wenn aber auch ein Vormund bis zum Eintritte einer bestimmten Bedingung gegeben wurde, so hört gleichfalls die Vormundschaft auf, wenn die Bedingung eintritt.
Idem lib. XXXVII. ad Sabin. Wenn Jemand bedingungsweise, oder von einer bestimmten Zeit an, einen Vormund gab, so muss für die Zwischenzeit, auch wenn der Mündel einen gesetzlichen Vormund hat, doch ein anderer Vormund bestellt werden. Dies muss man sich ja einprägen, dass, so lange noch eine testamentarische Vormundschaft zu erwarten steht, die gesetzliche zurücktrete. 1Wurde nun einmal die testamentarische Vormundschaft übertragen, der Vormund aber lehnte diese ab, so sagen wir, auch in diesem Falle müsse an die Stelle des ablehnenden Vormundes ein von der Obrigkeit bestellter, nicht aber der gesetzliche Vormund kommen. 2Dasselbe sagen wir auch dann, wenn er (der Vormund) von diesem Amte entfernt wurde; denn auch die Entfernung dieses hat die Wirkung, dass ein Anderer bestellt wird. 3Starb aber der testamentarische Vormund, so kommt die Vormundschaft an den gesetzlichen; weil auf diesen Fall der Senatsschluss sich nicht erstreckt. 4Wurden aber zwei oder mehrere testamentarische Vormünder bestellt, so kann allerdings an die Stelle des verstorbenen oder verbannten Vormundes ein anderer gegeben werden. Wenn übrigens Keiner mehr am Leben ist oder im Staate sich befindet, so rückt die gesetzliche Bevormundung nach.
Idem lib. XXXVII. ad Sabin. Ohne Zweifel geht die gesetzliche Vormundschaft durch eine Veränderung des bürgerlichen Zustandes von Seiten des Mündels verloren, auch wenn dies ohne Verlust des Bürgerrechts geschieht.