Ad Massurium Sabinum libri
Ex libro XII
Ulp. lib. XII. ad Sabin. Untestirte werden eigentlich diejenigen genannt, welche kein Testament errichtet haben, obwohl sie ein solches hätten errichten können. Nicht uneigentlich wird aber auch derjenige untestirt genannt werden, der ein Testament errichtet hat, wenn seine Erbschaft nicht angetreten, oder sein Testament umgestossen oder ungültig geworden ist. Wer freilich nicht hat testiren können, der ist nicht eigentlich untestirt, z. B. ein Unmündiger, ein Wahnsinniger, oder wem die Verwaltung seines Vermögens Gerichtswegen untersagt worden ist, aber man muss auch diese für Untestirte erachten. Ingleichen denjenigen, der vom Feinde gefangen genommen worden ist, weil denen, welchen [nach dessen Testamente] die Erbfolge anfallen würde, wenn er im Staate gestorben wäre, dieselbe nach dem Cornelischen Gesetze anfällt, denn rücksichtlich seiner wird auch der Begriff von Erbschaft als vorhanden angenommen. 1Es wird die Frage aufgeworfen werden können, ob das von einer Weibsperson, die in Betreff der ihr fideicommissweise ertheilten Freiheit einen Verzug erlitten hat, empfangene und geborene Kind Notherbe seines Vaters werde, und da man annehmen müsse, dass er als Freigeborener geboren werde, wie vom Kaiser Marcus und Verus und unserm Kaiser Antoninus Augustus rescribirt worden, warum man sie nicht ganz und gar für eine Freigelassene erachten solle, so dass sie als wirkliche Ehefrau einen Notherben gebäre? Wobei es übrigens kein Wunder ist, dass von einer Sclavin ein Freigeborener geboren wird, da, wie rescribirt worden, auch von einer Gefangenen ein Freigeborener geboren wird. Ich möchte daher wohl behaupten, dass, wenn sogar der Vater dieses Kindes ganz in derselben Lage gewesen, dessen Mutter in Ansehung der fideicommissweise ertheilten Freiheit einen Verzug erlitten hat, [d. h.] wenn ihm selbst ein solcher widerfahren ist, dennoch das Kind als Notherbe seiner Eltern nach Art dessen geboren werde, der mit seinen gefangenen Eltern aus der Gefangenschaft zurückgekehrt ist. Ist daher sein Vater nach dem Eintritt des Verzugs freigelassen worden, so wird er ihn in der Gewalt behalten, ist er aber vorher gestorben, so wird er als Notherbe bezeichnet werden. 2Unter Notherbe versteht man Söhne und Töchter, gleichviel ob natürliche oder angenommene. 3Zuweilen wird auch ein Sohn, der Notherbe ist, ausgeschlossen, so dass der Fiscus vorgeht; z. B. wenn der Vater nach seinem Tode des Hochverraths für schuldig verurtheilt worden ist; wie weit reicht dies? so weit, dass der Sohn nicht einmal die Begräbnissrechte erhält. 4Wenn der Sohn aufgehört hat, Notherbe zu sein, so folgen in seinen Antheil alle von ihm geborenen Enkel und Enkelinnen nach, die sich in seiner Gewalt befinden; dies ist Folge der natürlichen Billigkeit. Der Sohn hört auf, Notherbe zu sein, wenn er durch die grosse oder kleinere Standesrechtsveränderung aus der väterlichen Gewalt getreten ist. Befindet sich der Sohn in feindlicher Gefangenschaft, so folgen ihm die Enkel, so lange er lebt, nicht nach; wenn er daher auch losgekauft11Nämlich von einem Andern zu dem Ende, um sich selbst einzulösen; hierdurch wurde ein pfandweises Sclavenverhältniss begründet; s. Brisson. h. v. redemtus. worden, so folgen sie ihm vor der Einlösung nicht nach; ist er aber inzwischen verstorben, so wird er den Enkeln entgegenstehen, weil man dann annimmt, dass er mit Wiedereinnehmung seines persönlichen Standesrechts gestorben sei. 5Hat aber Jemand nicht aufgehört, sich in der väterlichen Gewalt zu befinden, sondern es niemals angefangen, z. B. wenn mein Sohn bei Lebzeiten meines Vaters vom Feinde gefangen genommen worden, und kurz darnach, nachdem ich Hausvater geworden, gestorben ist, so werden die Enkel an seine Stelle nachfolgen. 6Ebensowohl, wie die Enkel, folgen aber die Enkelinnen an die Stelle der Eltern nach. 7Zuweilen sagen wir, dass, wenn auch Jemandes Vater nicht aufgehört hat, in väterlicher Gewalt zu stehen, es aber auch nicht angefangen hat, dennoch seine Kinder als seine Nachfolger auftreten werden, z. B. ich habe denjenigen adrogirt, dessen Sohn vom Feinde gefangen genommen worden, dessen Enkel aber im Staat geblieben ist; wenn der adrogirte Sohn hier mit Tode abgegangen, und der Gefangene in feindlicher Gewalt gestorben ist, so wird jener Grossenkel mein Notherbe sein. 8Es ist aber zu bemerken, dass zuweilen der Enkel und die fernern Nachkommen, wenn ihnen auch ihre Eltern vorangestorben sind, dennoch Notherben werden können, obgleich der Erbgang die Notherben nicht [in der Reihenfolge] trifft; dies trägt sich dann zu, wenn ein Hausvater mit Hinterlassung eines Testaments gestorben ist, worin er seinen Sohn enterbt hat, dieser bald darnach, während der eingesetzte Erbe sich [den Erbschaftsantritt] noch überlegte, gestorben ist, und darauf der letztere die Erbschaft ausgeschlagen hat, dann wird der Enkel Notherbe sein können, wie auch Marcellus im zehnten Buche geschrieben hat, weil hier nämlich dem Sohn die Erbschaft gar nicht angefallen ist. Dasselbe wird der Fall sein, wenn der Sohn unter einer Bedingung, die in seinem Belieben stand, zum Universalerben oder der Enkel unter jeder eingesetzt worden, und dann einer oder der andere, ohne die Bedingung erfüllt zu haben, mit Tode abgegangen ist; denn hier muss man dahin entscheiden, dass die Notherben nachfolgen können, sobald sie nur zur Zeit des Todes des Testators entweder am Leben, oder wenigstens schon empfangen gewesen sind; dieser Ansicht sind auch Julianus und Marcellus. 9Nach den Notherben werden zunächst die Blutsverwandten berufen. 10Unter Blutsverwandschaft versteht Cassius diejenigen, welche durch die Bande des Blutes verwandt sind. Und es ist richtig, dass sie Blutsverwandte sind, wenn sie auch, wie z. B. die Enterbten, nicht Notherben ihres Vaters geworden sind; sie bleiben auch, wenn ihr Vater deportirt worden, nichts desto weniger unter einander Blutsverwandte, wenn sie auch nicht Erben ihres Vaters geworden sein würden. Auch diejenigen sind Blutsverwandte, die sich niemals in der Gewalt befunden haben, z. B. die nach eingetretener Gefangennehmung des Vaters geboren worden sind, oder nach seinem Tode. 11Nicht blos natürliche, sondern auch angenommene Kinder haben mit denjenigen Blutsverwandschaftsrechte, die sich [mit ihnen] in einer Familie, oder noch im Mutterleibe befinden, oder nach des Vaters Tode geboren sind.
Ulp. lib. XII. ad Sabin. Nach dem Orphitianischen Senatsbeschluss werden die Kinder zur Beerbung ihrer Mütter zugelassen, diese mögen Freigeborene oder Freigelassene sein. 1Wenn über das persönliche Standesrecht einer Mutter Zweifel insofern obwaltet, ob sie eine Hausmutter oder Haustochter sei, z. B. weil ihr Vater vom Feinde gefangen genommen worden ist, so werden ihre Kinder dazugelassen, sobald es zur Gewissheit wird, dass sie Hausmutter sei. Hieraus kann die Frage entstehen, ob ihnen in der Zwischenzeit, während deren [die Frage über das Standesrecht noch obschwebend ist, durch den Prätor geholfen werden müsse, damit nicht, wenn sie in der Zwischenzeit gestorben sind, das Uebertragungsrecht verloren gehe? Und es spricht mehr für die Bejahung, wie man in vielen Fällen angenommen hat. 2Auch Kinder gemeiner Abkunft werden zur gesetzmässigen Erbschaft der Mutter gelassen. 3Zuweilen muss auch dem von der Mutter noch als Sclavin geborenen Kinde die gesetzmässige Erbschaft zugestanden werden, z. B. wenn dasselbe nach einem in Bezug auf die seiner Mutter fideicommissweise ertheilte Freiheit eingetretenen Verzuge geboren worden ist. Ist dasselbe nach der Freilassung seiner Mutter geboren, obwohl noch während sie Sclavin war, empfangen worden, so wird es zu deren gesetzmässige Erbschaft zugelassen werden. Auch aber wenn es bei den Feinden empfangen, von seiner gefangenen Muttern geboren, und nachher mit derselben zurückgekehrt ist, wird dasselbe dem Rescripte unseres Kaisers und seines kaiserlichen Vaters an den Ovinius Tertullus zufolge, in Gemässheit dieses Senatsbeschlusses als ein Kind gemeiner Abkunft zugelassen werden. 4Dem Sohne, der zur Zeit des Todes seiner Mutter römischer Bürger gewesen ist, wird, wenn er vor dem Erbschaftsantritt Sclav geworden ist, die gesetzmässige Erbschaft nicht gebühren, wenn er auch nachher wieder frei geworden ist, er müsste denn zur Strafe Sclav geworden, und durch die Gnade des Kaisers wieder in den vorigen Stand eingesetzt worden sein. 5Ist er aber aus Mutterleibe mittelst des Kaiserschnitts herausgenommen worden, so muss er zu deren gesetzmässiger Erbschaft gelassen werden; denn wenn er zum Erben eingesetzt worden ist, so kann er auch den Nachlassbesitz zufolge Testamentsinhalts und testamentslos, wonach die Verwandten, und um so mehr den, wonach die gesetzmäs sigen Erben, fordern; zum Beweise dient der Umstand, dass die Leibesfrucht nach allen Theilen des Edicts in den Besitz gesetzt werden kann. 6Wer seinen Dienst zum Kampf mit den wilden Thieren verdungen hat, und eines Capitalverbrechens wegen verurtheilt nicht wieder in den vorigen Stand eingesetzt worden ist, der wird nach dem Orphitianischen Senatsbeschluss nicht zur mütterlichen Erbschaft gelassen; allein ein Grund der Billigkeit liess ihn dazu gelangen. Dasselbe, nämlich Zulassung nach dem Orphitianischen Senatsbeschluss, findet auch dann Statt, wenn sich der in [des Erblassers] Gewalt stehende Sohn in einem der vorgedachten Verhältnisse befindet. 7Wenn aber die Mutter ein Testament errichtet, und darin einen Sohn unter einer Bedingung zum Erben eingesetzt hat, während sie deren mehrere hatte, so ist es, wenn dieser während des Obschwebens der Bedingung den Nachlassbesitz gefordert hat, und nachher die Bedingung ausgeblieben ist, billig, dass auch den übrigen Söhnen die gesetzmässige Erbschaft nicht entzogen werde; dies hat auch Papinianus im sechzehnten Buche seiner Quästionen geschrieben. 8Die ohne Anfechtung des persönlichen Standesrechts geschehende Standesrechtsveränderung22S. Noodt Obs. II. 21. ist den Kindern in Bezug auf die gesetzmässige Erbschaft von keinem Nachtheil, denn einzig und allein die alte Erbfolge, welche nach dem Zwölftafelgesetze zusteht, ist es, welche durch die Standesrechtsveränderung untergeht; die neuern entweder aus einem Gesetze oder einem Senatsbeschluss anfallenden Arten aber, gehen durch die Standesrechtsveränderung nicht verloren. Die Standesrechtsveränderung mag daher Jemanden vor oder nach dem Erbschaftsanfall betroffen haben, er wird stets zur gesetzmässigen Erbschaft zugelassen werden, es müsste denn die grosse Standesrechtsveränderung eingetreten sein, die das Bürgerrecht verloren gehen macht, z. B. wenn er deportirt wird. 9Wenn von den Söhnen und denen, welchen die gesetzmässige Erbschaft zugleich mit ihnen anfällt, Niemand dieselbe wird haben wollen, so soll das alte Recht Statt haben. Dies darum, weil so lange auch nur ein einziger Sohn noch die gesetzmässige Erbschaft haben will, das alte Recht nicht Platz ergreift, und wenn daher Einer von Zweien die Erbschaft angetreten und der Andere sie ausgeschlagen hat, ihm sowohl die Portion anwachsen wird, als, wenn es z. B. ein Sohn und ein Freilasser ist, wenn ersterer sie auschlägt, sie dem letztern anfällt. 10Wenn sich Jemand, nachdem er die Erbschaft seiner Mutter angetreten hat, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, von derselben wieder losgesagt hat, kann da das alte Recht Statt haben? Die Worte lassen es zu: wenn er die Erbschaft wird haben wollen, heisst es, denn auch hier will er sie nicht, wenn er sie auch einstmals gewollt hat; und darum sage ich, kann das alte Recht Statt haben. 11Ob aber die Erbfolge dem anfällt, der dann33Wenn der Sohn nicht will. als gesetzmässiger Erbe befunden wird, oder dem, der es dann ist, wenn sie dem Sohne anfällt, also z. B. wenn man annimmt, dass ein Blutsverwandter der Erblasserin, und ein Sohn derselben vorhanden gewesen, und während letzterer sich noch bedenkt, der Blutsverwandte gestorben sei, kurz darauf der Sohn die Erbschaft der Mutter ausgeschlagen hat, der Sohn des Blutsverwandten zugelassen werden könne, ist die Frage. Julianus meint rücksichtlich des Tertullianischen Senatsbeschlusses ganz richtig, dass der nachfolgende Seitenverwandte zur Erbfolge gelange. 12Wenn der Senat sagt: was rechtlich erkannt, verglichen und beendet worden ist, soll bestehen bleiben, ist so zu verstehen, dass von demjenigen erkannt worden, dem ein Recht dazu zustand, der Vergleich im guten Glauben getroffen, so dass er gültig sei, und die Endigung durch gegenseitige Einwilligung, oder durch langes Stillschweigen ein Erlöschen erfolgt sei.
Übersetzung nicht erfasst.