Opinionum libri
Ex libro V
Id. lib. V. Opinion. Nach dem Tode seiner Tochter, welche als Familienmutter, gleichsam den Rechtsvorschriften gemäss aus der Gewalt entlassen, gelebt hatte und mit Hinterlassung von, in einem Testament eingesetzten, Erben gestorben war, darf der Vater gegen seine eigene Handlung, als habe er sie nicht den Rechtsvorschriften gemäss, noch in Gegenwart von Zeugen, aus der Gewalt entlassen, keinen Streit erheben. 1Ein Abwesender kann weder eine Person fremden, noch eigenen Rechtens an Kindes Statt annehmen, noch durch einen Andern eine solche feierliche Handlung verrichten lassen.
Ulpian. lib. V. Opinion. Es ist wahrscheinlich11Oder: nicht wohl annehmbar., dass derjenige, welcher eine ansehnliche Würde22Clara dignitas bezeichnet insgemein die Würde eines Senators. zu haben behauptete, in Rom durch Gewalt genöthigt ungerechter Weise eine Nichtschuld (indebitum) bezahlt habe, da er ja das öffentliche Recht [um Beistand] anrufen und an einen mit obrigkeitlicher Gewalt Bekleideten sich wenden konnte, der gewiss die Gewalt von ihm abgewehrt hätte, vielmehr muss er dieser Voraussetzung33Dass er nämlich durch Berufung der Obrigkeit die Gewalt von sich habe abwehren können. die offenbarsten Beweisthümer der [erlittenen] Gewaltthätigkeit entgegenstellen. 1Wenn Jemand aus gegründeter Furcht44Justus metus ist in diesem Zusammenhange eine solche Furcht, von welcher auch ein sonst standhafter und unerschrockener Mann befallen werden kann. und Scheu vor einer Untersuchung, zu welcher er nach der Drohung eines mächtigen Gegners gefesselt gehen sollte, das, was ihm eigentlich als Eigenthum zu haben zustand, gezwungen verkauft hat, so wird die Sache nach der bei ihr eintretenden Berücksichtigung der Billigkeit durch den Vorsteher der Provinz in ihre frühere Lage zurückversetzt. 2Wenn ein Wucherer einen Wettkämpfer [als seinen Schuldner] dadurch, dass er ihn gegen alle Sitte gefangen hielt und an den Kämpfen verhinderte, genöthigt haben sollte, für mehr als den eigentlichen Betrag des schuldigen Geldes Gewähr zu leisten, so möge nach der Erweisung dieses Umstandes der competente Richter den Bescheid geben, dass die Sache nach der bei ihr eintretenden Billigkeitsrücksicht, wieder in die frühere Lage gesetzt55Also der Schuldner nur zur Bezahlung dessen, was er wirklich schuldig ist, verurtheilt werde. werde. 3Wenn Jemand das, was er seinem Gegner [in der That] nicht schuldig war, nach der von diesem geschehenen Anweisung [an eine andere Person, um dieser die Zahlung zu leisten] durch Gewalt unter Dazwischenkunft der Untergebenen des Vorstehers [der Provinz], ohne Untersuchung von Seiten des Richters, zu bezahlen gezwungen worden ist, so möge der Richter den Befehl geben, dass das gegen die Gebühr Erpresste von demjenigen, der diesen Vermögensverlust veranlasst haben sollte, zurückerstattet werde. Wenn [der Schuldner] seine Schulden auf einfachen Befehl [des Vorstehers der Provinz] und ohne vorgängige Untersuchung bezahlt hat, so ist es, obwohl eigentlich die Eintreibung der Schuld nicht auf ausserordentliche Weise, sondern nach Vorschrift der Gesetze (civiliter) geschehen musste, doch unziemlich (incivile) dasjenige, wodurch die Bezahlung der wirklich von des Schuldners Seite schuldigen Summe bewirkt wurde, nachher [als ungültig] zu widerrufen.
Idem lib. V. Opinion. Ein gewisser Schuldner wollte es durch das Vorgeben, als ob seinem Gläubiger vom Titius ein Brief66Worin nämlich Titius erklärt, dass er die Leistung der Schuld auf sich nehmen wolle. geschickt werde, dahin bringen, dass er [von seiner Verbindlichkeit] befreit würde; der Gläubiger hat auch, durch diesen Brief hintergangen, den Schuldner vermöge einer Aquilianischen Stipulation und Acceptilation [seiner Verpflichtung] entlassen; wenn nun später der Brief als falsch oder ungültig erfunden wird, so wird der Gläubiger, wenn er über 25 Jahre alt ist, die Klage de dolo haben, wenn er aber noch minderjährig ist, in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden.
Ulp. lib. V. Opinion. Jemand unter dem Alter von fünfundzwanzig Jahren, dem nach richterlichem Ausspruche ein Fideicommiss ausgezahlt werden sollte, hatte in einem schriftlichen Bekenntnisse erklärt (caverat), dass er es bekommen habe, und der Schuldner hatte sich das Bekenntniss als über ein empfangenes Darlehn ausstellen lassen; [dieser Minderjährige] kann in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden, weil er die aus einem rechtskräftig gewordenen Urtheile erlangte [Befugniss zur] Rechtsverfolgung durch einen neuen Contract in den Anfang eines rechtlichen Anspruchs anderer Art verwandelt hat77D. h. weil er in eine schlimmere Lage gekommen, denn früher konnte er die ihm schuldige Leistung durch actio ex judicato s. judicati verlangen, jetzt blos durch condictio certi ex mutuo. Cujacius sagt in dieser Beziehung: judicatum litium finis es, creditum vero initium et origo.. 1Es hat Jemand unter dem Alter von fünfundzwanzig Jahren die Grundstücke seines Vaters wegen Schulden aus einer Vormundschaft über Andere, welche sein Vater verwaltet hatte, unbesonnener Weise an Zahlungsstatt gegeben; die Sache ist durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Grundsätzen der Billigkeit zu gestalten, so dass die Interessen des Geldes, welches erweislichermaassen aus der Vormundschaft her geschuldet wird, berechnet und mit dem Betrage der [aus den Grundstücken vom Gläubiger] bezogenen Früchte compensirt werden.
Ad Dig. 4,4,44ROHGE, Bd. 6 (1872), S. 356: In integrum restitutio Minderjähriger nach gemeinem Rechte insbesondere gegen wechselrechtliche Verpflichtungen. Selbstständige Vermögensvertretung.Ulp. lib. V. Opinion. Nicht alles, was solche, die noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt sind, thun, ist ungültig, sondern nur das, was nach untersuchter Sachlage als von der Beschaffenheit sich zeigt [dass es nicht gültig sein kann], z. B. wenn die [Minderjährigen] von Andern hintergangen oder durch ihre Leichtgläubigkeit getäuscht, entweder das, was sie hatten, verloren, oder den Vortheil, den sie erlangen konnten, unbeachtet gelassen, oder sich einer Last, die sie nicht übernehmen sollten, unterzogen haben.
Ulp. lib. V. Opinion. Wenn einem Soldaten irgend eine öffentliche Anklage zustehen sollte, so wird dieselbe während der Zeit, wo er dem Staate Dienste leistete, nicht [durch Verjährung] aufgehoben. 1Alles, was während der Zeit, wo Jemand in Folge einer ihm zuerkannten Strafe, gegen welche er nachher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangte, auf einer Insel88Dies ist nach Anton Faber sowohl vom deportatus als vom relegatus zu verstehen. sich aufgehalten hat; als ihm von seinen Gütern, die ihm nicht [zur Strafe] entzogen worden waren, durch einen Andern auf dem Wege der Verjährung abgenommen dargethan worden sein sollte, muss wieder in die vorige Lage zurückgebracht werden.
Idem lib. V. Opinion. Als eine Soldat verlangte, in eigenem Namen den Process über Besitzungen, welche er geschenkt bekommen zu haben behauptete, führen zu dürfen, wurde ihm der Bescheid gegeben, dass, wenn die Schenkung in der Absicht einer Veränderung des Gerichtsstandes gemacht worden wäre, der frühere Eigenthümer [der geschenkten Sache] den Process führen müsse, so dass man [folglich] der Ansicht ist, er habe mehr die Sache als den Rechtsstreit wegen ihr auf den Soldaten übertragen.
Ulp. lib. V. Opin. Wenn die Vermächtnissinhaber ein Durchstechen der eingesetzten Erben mit dem, der wegen Lieblosigkeit eines Testaments klagt, muthmaassen, so ist festgesetzt worden, dass auch die Vermächtnissinhaber hinzutreten und den letzten Willen des Verstorbenen vertheidigen können, und es steht ihnen auch frei, wenn gegen das Testament erkannt worden, zu apelliren. 1Wegen eines lieblosen Testaments der Mutter können auch uneheliche Söhne Klage erheben. 2Wenn gleich nach Erhebung der Lieblosigkeitsklage die Sache durch Vergleich beseitigt ist, so bleibt das Testament doch in seiner Rechtskraft, und daher haben die in demselben geschehenen Freiheitsertheilungen und Vermächtnisse Gültigkeit. 3Weil eine Frau ohne Bestätigung des Kaisers keinen Sohn an Kindes Statt annehmen kann, so kann auch Niemand wegen des Testaments derjenigen, die er fälschlich für seine Adoptivmutter hielt, Klage erheben. 4Wegen lieblosen Testaments muss in der Provinz Klage erhoben werden, wo die eingesetzten Erben ihren Wohnsitz haben.
Idem lib. V. Opinion. Wenn das Geld eines Soldaten der Geschäftsbesorger desselben [Jemandem] als Darlehn gegeben und einen Bürgen erhalten hat, so hat man angenommen, dass nach dem Muster [des Falles,] wenn der Vormund eines Unmündigen oder der Curator eines Jünglings das dargeliehene Geld des Einen oder Andern stipulirt haben sollte, dem Soldaten, dem das Geld gehört habe, eine Klage gegeben werde.
Idem lib. V. Opinion. Obwohl der Vorgänger des Präses decretirt hatte, dass die Grundstücke verkauft werden sollten, welche der Vormund des Mündels, indem er den Namen eines anderen Käufers unterschob, für sich selbst anschaffte, so wird doch der Nachfolger desselben, wenn er einen Betrug und eine böse Absicht gegengen die Verfügung des Senatsschlusses und das in den Vormund gesetzte Vertrauen entdeckt haben wird, erwägen, inwieweit er eine so listige Erdichtung auch zum [warnenden] Beispiel [für Andere] bestrafen müsse.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.