Opinionum libri
Ex libro I
Id. lib. I. Opin. Der Provincialpräsident soll unerlaubte und gewaltsame Erpressungen, durch Gewalt abgezwungene Käufe und ohne empfangene Zahlung ausgestellte Quittungen hintertreiben. Nicht minder soll derselbe Vorkehrungen treffen, dass Niemand einen unbilligen Gewinn oder Schaden habe. 1Die Wahrheit von etwas Geschehenem wird durch Irrthum nicht vermindert, und darum soll der Provincialpräsident sich darnach richten, was er nach der Glaubwürdigkeit dessen, was bewiesen worden sein wird, für angemessen erachtet. 2Es ist Pflicht des Provincialpräsidenten, [darauf zu achten,] dass sich Mächtige gegen Niedere keine Widerrechtlichkeiten erlauben, und deren Stellvertreter nicht Unschuldige mit verbrecherischen Verläumdungen verfolgen. 3Der Provincialpräsident soll unerlaubte Bedienten, die unter dem Vorwande, dass sie den Militärbeamten Hülfe leisten, darauf ausgehen, die Einwohner zu plagen, nicht zulassen, und wenn sie ergriffen worden, sie bestrafen; auch soll er unerlaubte, unter dem Vorgeben, es seien Steuern, geschehene Erpressungen verhindern. 4Der Provincialpräsident möge es sich auch angelegen sein lassen, weder Jemanden in erlaubten Beschäftigungen zu stören, noch unerlaubte zuzulassen, noch Unschuldige zu bestrafen. 5Er soll ferner dafür Sorge tragen, dass nicht unbemittelte Leute, unter dem Vorwande der Ankunft von Beamten oder Soldaten, widerrechtliche Weise beunruhigt und ihres einzigen Zimmers und geringen Hausgeräthes zum Bedarf Anderer beraubt werden. 6Er soll auch dafür sorgen, dass nichts, angeblich für Soldaten, was zu deren Bedarf im Allgemeinen nicht gehört, von solchen geschehe, die dabei unredlicher Weise ihren eigenen Vortheil suchen. 7Sowenig dem Arzt der tödtliche Ausgang einer Krankheit zugerechnet werden darf, so sehr muss ihm dass, was er aus Unerfahrenheit begangen hat, zugerechnet werden; denn das Verbrechen desjenigen, der die Leute, wenn Gefahr vorhanden ist, betrügt, darf unter dem Vorwande menschlicher Gebrechlichkeit nicht ungestraft bleiben. 8Wer ganze Provinzen verwaltet, hat das Recht über Leben und Tod, und es ist ihnen auch Gewalt gegeben, zu Bergwerksarbeit zur verurtheilen. 9Wenn der Provincialpräsident einsihet, dass Geldstrafen, welche er auferlegt hat, aus dem vorhandenen Vermögen derer, wider welche er sie verhängt hat, nicht eingezogen werden können, so muss die Nothwendigkeit11Necessitate. Diese Lesart möchte schwerlich beizubehalten und daher entweder das Brencmannsche necessitati oder das Haloandrische necessitatem (was Ed. Frad. sowie Baudoza auch haben) anzunehmen sein; beides giebt denselben Sinn. deren Zahlung ermässigt werden, und es ist unerlaubte Habsucht der Hülfsvollstrecker zu tadeln. Eine von den Vorstehern der Provinzen wegen Armut erlassene Geldstrafe darf nicht eingetrieben werden.
Id. lib. I. Opinionum. Der Prätor kann, so wie er die ganze Gerichtsbarkeit einem Andern übertragen darf, sie auch gegen gewisse Personen und für einen Fall übertragen, besonders wenn er gerechte Ursache gehabt hatte, vor Antretung seiner obrigkeitlichen Stelle die Advocatur für die eine Partei zu übernehmen.
Idem lib. I. Opinion. Ein Schreiben, worin ich Jemand als meinen Miterben bezeichnet habe, wird kein Klagrecht gegen die Besitzer von Erbschaftssachen hervorbringen. 1Wenn zwischen dem Schuldner und dem, welcher ein verpfändetes Grundstück vom Gläubiger, als ob er die Geschäfte des Schuldners führte, gekauft hat, dahin abgeschlossen worden, dass das Grundstück dem Schuldner wiederzugestellt werde, nach Abzug der Früchte und Bezahlung dessen, was noch als Rest von der Schuld da sei, so muss auch der Erbe dem vom Erblasser geschlossenen Vertrage Folge leisten. 2Gerecht und deshalb in Obacht zu nehmen ist der Vertrag, dass der Gläubiger vom Schuldner das Geld wieder erhalte, was ersterer für Abgaben eines ihm verpfändeten Grundstückes gezahlt habe, und dass der Schuldner die Abgaben desselben Grundstückes zahlen solle. 3Es wollten Einige sich über das Testament ihres Vaters, als wäre es pflichtwidrig, beschweren: man hat nun dahin abgeschlossen, dass diesen eine bestimmte Summe Geldes erlegt werde, so lange der Erbe lebe. Als man verlangte, dass dieser Vertrag auf eine stets fortdauernde Leistung ausgedehnt werde, so wurde rescribirt, dies Verlangen werde weder durch Recht noch Billigkeit unterstützt.
Idem lib. I. Opin. Wer mit seinen Vormündern über einen Theil blosser Verwaltung der Vormundschaft Process gehabt, und sich darüber verglichen hat, wird, wenn er gegen dieselben Vormünder für seinen Bruder, dessen Erbe er geworden, klagt, nicht durch die Ausflucht des geschlossenen Vergleichs abgewiesen. 1Es mag ein Vergleich geschehen, wie er nur wolle, immer nimmt man an, dass er nur darüber abgeschlossen worden sei, worüber die Interessenten übereinkamen. 2Wer, durch List des Miterben verhindert, nicht den wirklichen Betrag der Erbmasse kannte, und eine Vergleichsurkunde ohne Aquilianische Stipulation errichtet hat, scheint nicht sowohl sich zu vergleichen, als betrogen zu werden. 3Wer noch nicht gewiss weiss, ob ihm eine klage gegen das väterliche Testament zustehe, und sich mit seinen Gegnern über andere Angelegenheiten verglichen hat, wird durch Errichtung des Vertrags nur in den Angelegenheiten Schaden erleiden, über welche er mit ihnen erweislichermaassen verhandelt hat. Ueberhaupt kann ein Vergleich, sollte ihn auch Jemand, der das 25. Lebensjahr bereits überschritt, abgeschlossen haben, nur in Beziehung auf diejenigen Gegenstände, über welche wirklich verhandelt worden ist, nachtheilig sein. Denn in Betreff derjenigen Angelegenheiten, rücksichtlich welcher man erst nach der Zeit von seinem Klagrechte Kenntniss erhielt, ist es unbillig, dass durch den Vergleich das aufgehoben werde, woran nicht erweislich gedacht worden ist.
Idem lib. I. Opin. Wenn die Gebeine eines Menschen in einem unvollendeten Grabmal beigesetzt worden sind, so steht nichts im Wege, dasselbe zu vollenden. 1Wenn aber der Ort bereits religiös geworden ist, so müssen die Priester darüber bestimmen, inwieweit, ohne der Religion zu nahe zu treten, dem Mangel an dem herzustellenden Gebäude abgeholfen werden kann.
Idem lib. I. Opin. Der Freilasser muss auch als Vormund seines Freigelassenen seine Treue verbürgen, und würde etwas Nachtheiliges unternommen, so darf nach dem gemeinen Rechte, obgleich es sich um einen freigelassenen Pflegebefohlenen handelt, doch auf Aufhebung [eines solchen Geschäfts] angetragen werden.
Ad Dig. 26,9,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 174, Note 9.Ulp. lib. I. Opin. Wenn ein Vormund oder Curator, der mit dem Gelde seines Pflegbefohlenen ein Darlehn bestellt hatte, sich selbst [die Zurückgabe desselben] stipulirte, oder Grundstücke in seinem Namen kaufte, so wird dem Eigenthümer des Geldes eine (utilis actio) analoge Klage zur eigenthümlichen Forderung der Sache, oder zur Eintreibung des Darlehns gegeben.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Idem lib. I. Opinion. Wenn Jemand in einer dem Kaiser überreichten Bittschrift erklärt hat, dass er einen Anderen zum Procurator bestellt habe, so hat dies den Nutzen, dass die Bürgschaftsbestellung darüber, dass der Geschäftsherr die Sache genehmigen werde, bei Dem, was [der Procurator] im Namen desselben thut, nicht gefordert wird22Ueber diese Stelle, deren Sinn ganz klar, deren Construction aber verwickelt ist, und die daher mehrere überflüssige Emendationsversuche veranlasst hat, (s. Schulting u. Smallenburg l. l. p. 152. sq.) sehe man Keller a. a. O. S. 318.. Wenn aber von einem solchen Procurator Bürgschaft darüber verlangt wird, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, so ist es nothwendig, dass der offenbaren Rechtsvorschrift gehorcht werde.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.