Opinionum libri
Ex libro I
Id. lib. I. Opin. Der Provincialpräsident soll unerlaubte und gewaltsame Erpressungen, durch Gewalt abgezwungene Käufe und ohne empfangene Zahlung ausgestellte Quittungen hintertreiben. Nicht minder soll derselbe Vorkehrungen treffen, dass Niemand einen unbilligen Gewinn oder Schaden habe. 1Die Wahrheit von etwas Geschehenem wird durch Irrthum nicht vermindert, und darum soll der Provincialpräsident sich darnach richten, was er nach der Glaubwürdigkeit dessen, was bewiesen worden sein wird, für angemessen erachtet. 2Es ist Pflicht des Provincialpräsidenten, [darauf zu achten,] dass sich Mächtige gegen Niedere keine Widerrechtlichkeiten erlauben, und deren Stellvertreter nicht Unschuldige mit verbrecherischen Verläumdungen verfolgen. 3Der Provincialpräsident soll unerlaubte Bedienten, die unter dem Vorwande, dass sie den Militärbeamten Hülfe leisten, darauf ausgehen, die Einwohner zu plagen, nicht zulassen, und wenn sie ergriffen worden, sie bestrafen; auch soll er unerlaubte, unter dem Vorgeben, es seien Steuern, geschehene Erpressungen verhindern. 4Der Provincialpräsident möge es sich auch angelegen sein lassen, weder Jemanden in erlaubten Beschäftigungen zu stören, noch unerlaubte zuzulassen, noch Unschuldige zu bestrafen. 5Er soll ferner dafür Sorge tragen, dass nicht unbemittelte Leute, unter dem Vorwande der Ankunft von Beamten oder Soldaten, widerrechtliche Weise beunruhigt und ihres einzigen Zimmers und geringen Hausgeräthes zum Bedarf Anderer beraubt werden. 6Er soll auch dafür sorgen, dass nichts, angeblich für Soldaten, was zu deren Bedarf im Allgemeinen nicht gehört, von solchen geschehe, die dabei unredlicher Weise ihren eigenen Vortheil suchen. 7Sowenig dem Arzt der tödtliche Ausgang einer Krankheit zugerechnet werden darf, so sehr muss ihm dass, was er aus Unerfahrenheit begangen hat, zugerechnet werden; denn das Verbrechen desjenigen, der die Leute, wenn Gefahr vorhanden ist, betrügt, darf unter dem Vorwande menschlicher Gebrechlichkeit nicht ungestraft bleiben. 8Wer ganze Provinzen verwaltet, hat das Recht über Leben und Tod, und es ist ihnen auch Gewalt gegeben, zu Bergwerksarbeit zur verurtheilen. 9Wenn der Provincialpräsident einsihet, dass Geldstrafen, welche er auferlegt hat, aus dem vorhandenen Vermögen derer, wider welche er sie verhängt hat, nicht eingezogen werden können, so muss die Nothwendigkeit11Necessitate. Diese Lesart möchte schwerlich beizubehalten und daher entweder das Brencmannsche necessitati oder das Haloandrische necessitatem (was Ed. Frad. sowie Baudoza auch haben) anzunehmen sein; beides giebt denselben Sinn. deren Zahlung ermässigt werden, und es ist unerlaubte Habsucht der Hülfsvollstrecker zu tadeln. Eine von den Vorstehern der Provinzen wegen Armut erlassene Geldstrafe darf nicht eingetrieben werden.
Id. lib. I. Opinionum. Der Prätor kann, so wie er die ganze Gerichtsbarkeit einem Andern übertragen darf, sie auch gegen gewisse Personen und für einen Fall übertragen, besonders wenn er gerechte Ursache gehabt hatte, vor Antretung seiner obrigkeitlichen Stelle die Advocatur für die eine Partei zu übernehmen.
Idem lib. I. Opinion. Ein Schreiben, worin ich Jemand als meinen Miterben bezeichnet habe, wird kein Klagrecht gegen die Besitzer von Erbschaftssachen hervorbringen. 1Wenn zwischen dem Schuldner und dem, welcher ein verpfändetes Grundstück vom Gläubiger, als ob er die Geschäfte des Schuldners führte, gekauft hat, dahin abgeschlossen worden, dass das Grundstück dem Schuldner wiederzugestellt werde, nach Abzug der Früchte und Bezahlung dessen, was noch als Rest von der Schuld da sei, so muss auch der Erbe dem vom Erblasser geschlossenen Vertrage Folge leisten. 2Gerecht und deshalb in Obacht zu nehmen ist der Vertrag, dass der Gläubiger vom Schuldner das Geld wieder erhalte, was ersterer für Abgaben eines ihm verpfändeten Grundstückes gezahlt habe, und dass der Schuldner die Abgaben desselben Grundstückes zahlen solle. 3Es wollten Einige sich über das Testament ihres Vaters, als wäre es pflichtwidrig, beschweren: man hat nun dahin abgeschlossen, dass diesen eine bestimmte Summe Geldes erlegt werde, so lange der Erbe lebe. Als man verlangte, dass dieser Vertrag auf eine stets fortdauernde Leistung ausgedehnt werde, so wurde rescribirt, dies Verlangen werde weder durch Recht noch Billigkeit unterstützt.
Idem lib. I. Opin. Wer mit seinen Vormündern über einen Theil blosser Verwaltung der Vormundschaft Process gehabt, und sich darüber verglichen hat, wird, wenn er gegen dieselben Vormünder für seinen Bruder, dessen Erbe er geworden, klagt, nicht durch die Ausflucht des geschlossenen Vergleichs abgewiesen. 1Es mag ein Vergleich geschehen, wie er nur wolle, immer nimmt man an, dass er nur darüber abgeschlossen worden sei, worüber die Interessenten übereinkamen. 2Wer, durch List des Miterben verhindert, nicht den wirklichen Betrag der Erbmasse kannte, und eine Vergleichsurkunde ohne Aquilianische Stipulation errichtet hat, scheint nicht sowohl sich zu vergleichen, als betrogen zu werden. 3Wer noch nicht gewiss weiss, ob ihm eine klage gegen das väterliche Testament zustehe, und sich mit seinen Gegnern über andere Angelegenheiten verglichen hat, wird durch Errichtung des Vertrags nur in den Angelegenheiten Schaden erleiden, über welche er mit ihnen erweislichermaassen verhandelt hat. Ueberhaupt kann ein Vergleich, sollte ihn auch Jemand, der das 25. Lebensjahr bereits überschritt, abgeschlossen haben, nur in Beziehung auf diejenigen Gegenstände, über welche wirklich verhandelt worden ist, nachtheilig sein. Denn in Betreff derjenigen Angelegenheiten, rücksichtlich welcher man erst nach der Zeit von seinem Klagrechte Kenntniss erhielt, ist es unbillig, dass durch den Vergleich das aufgehoben werde, woran nicht erweislich gedacht worden ist.
Idem lib. I. Opin. Wenn die Gebeine eines Menschen in einem unvollendeten Grabmal beigesetzt worden sind, so steht nichts im Wege, dasselbe zu vollenden. 1Wenn aber der Ort bereits religiös geworden ist, so müssen die Priester darüber bestimmen, inwieweit, ohne der Religion zu nahe zu treten, dem Mangel an dem herzustellenden Gebäude abgeholfen werden kann.
Idem lib. I. Opin. Der Freilasser muss auch als Vormund seines Freigelassenen seine Treue verbürgen, und würde etwas Nachtheiliges unternommen, so darf nach dem gemeinen Rechte, obgleich es sich um einen freigelassenen Pflegebefohlenen handelt, doch auf Aufhebung [eines solchen Geschäfts] angetragen werden.
Ad Dig. 26,9,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 174, Note 9.Ulp. lib. I. Opin. Wenn ein Vormund oder Curator, der mit dem Gelde seines Pflegbefohlenen ein Darlehn bestellt hatte, sich selbst [die Zurückgabe desselben] stipulirte, oder Grundstücke in seinem Namen kaufte, so wird dem Eigenthümer des Geldes eine (utilis actio) analoge Klage zur eigenthümlichen Forderung der Sache, oder zur Eintreibung des Darlehns gegeben.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Idem lib. I. Opinion. Wenn Jemand in einer dem Kaiser überreichten Bittschrift erklärt hat, dass er einen Anderen zum Procurator bestellt habe, so hat dies den Nutzen, dass die Bürgschaftsbestellung darüber, dass der Geschäftsherr die Sache genehmigen werde, bei Dem, was [der Procurator] im Namen desselben thut, nicht gefordert wird22Ueber diese Stelle, deren Sinn ganz klar, deren Construction aber verwickelt ist, und die daher mehrere überflüssige Emendationsversuche veranlasst hat, (s. Schulting u. Smallenburg l. l. p. 152. sq.) sehe man Keller a. a. O. S. 318.. Wenn aber von einem solchen Procurator Bürgschaft darüber verlangt wird, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, so ist es nothwendig, dass der offenbaren Rechtsvorschrift gehorcht werde.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Ex libro II
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Ex libro III
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Ex libro IV
Idem lib. IV. Opinion. Was mit Nutzen für Jemands Geschäfte ausgegeben wird, wozu auch der auf anständige Weise zur [Erlangung von] stufenweise aufsteigenden Ehrenstellen gemachte Aufwand gehört, kann mit der Geschäftsführungsklage gefordert werden. 1Die, welche unbedingt durch ein Testament die Freiheit erhalten haben, werden nicht genöthigt, von einer Handlung, die sie bei Lebzeiten ihrer Herren verrichtet haben, Rechenschaft zu geben. 2Titius hat den erbschaftlichen Gläubigern Geld gezahlt, in der Meinung, dass seine Schwester Testamentserbin des Verstorbenen geworden sei; obgleich er dies in der Absicht, die Geschäfte seiner Schwester zu führen, gethan, in der That jedoch [die Geschäfte] der Söhne des Verstorbenen, die nach Aufhebung des Testaments Notherben ihres Vaters waren, geführt hatte, so hat man, weil es billig ist, dass er sich nicht in Schaden befinde, angenommen, dass er das, [was er gezahlt hat,] mit der Geschäftsführungsklage fordere.
Ulp. lib. IV. Opin. Wenn der, welcher hierüber die Untersuchung33Cujus de ea re notio est. Notio heisst das Recht, wegen gewisser Fälle Untersuchung zu veranstalten, das sowohl dem Magistratus zusteht, als denen zustehen kann, die keine Gerichtsbarkeit haben. Vgl. Zimmern a. a. O. Bd. 3. §. 2. S. 8. hat, unterrichtet sein sollte, dass von dem, der unschuldig war, unter dem Vorgeben irgend eines Verbrechens, das, als von ihm begangen (in eo), nicht bewiesen worden ist, Geld empfangen worden, so befehle er, dass das, was unerlaubt erpresst worden ist, der Fassung (formam) des Edicts gemäss, welches von denen handelt, die Geld, damit sie [Jemandem] eine Verdriesslichkeit bereiten oder nicht bereiten, empfangen haben sollten, zurückerstattet werde, und lege dem, der dies begangen hat, nach Beschaffenheit des Verbrechens eine Strafe auf.
Ulp. lib. IV. Opinion. Es hat der Gegner rücksichtlich einer Sache, welche ihr Besitzer feil bot, einen Rechtsstreit über die [ihm zukommende] Proprietät derselben zu erregen angefangen, und nachdem er den vortheilhaftesten Käufer, dem die Sache verkauft werden konnte, verdrängt hat, denselben aufgegeben; es findet die Ansicht Statt, dass dem Besitzer deshalb eine Klage in factum zu seiner Schadloshaltung zukomme.
Übersetzung nicht erfasst.
Ex libro V
Id. lib. V. Opinion. Nach dem Tode seiner Tochter, welche als Familienmutter, gleichsam den Rechtsvorschriften gemäss aus der Gewalt entlassen, gelebt hatte und mit Hinterlassung von, in einem Testament eingesetzten, Erben gestorben war, darf der Vater gegen seine eigene Handlung, als habe er sie nicht den Rechtsvorschriften gemäss, noch in Gegenwart von Zeugen, aus der Gewalt entlassen, keinen Streit erheben. 1Ein Abwesender kann weder eine Person fremden, noch eigenen Rechtens an Kindes Statt annehmen, noch durch einen Andern eine solche feierliche Handlung verrichten lassen.
Ulpian. lib. V. Opinion. Es ist wahrscheinlich44Oder: nicht wohl annehmbar., dass derjenige, welcher eine ansehnliche Würde55Clara dignitas bezeichnet insgemein die Würde eines Senators. zu haben behauptete, in Rom durch Gewalt genöthigt ungerechter Weise eine Nichtschuld (indebitum) bezahlt habe, da er ja das öffentliche Recht [um Beistand] anrufen und an einen mit obrigkeitlicher Gewalt Bekleideten sich wenden konnte, der gewiss die Gewalt von ihm abgewehrt hätte, vielmehr muss er dieser Voraussetzung66Dass er nämlich durch Berufung der Obrigkeit die Gewalt von sich habe abwehren können. die offenbarsten Beweisthümer der [erlittenen] Gewaltthätigkeit entgegenstellen. 1Wenn Jemand aus gegründeter Furcht77Justus metus ist in diesem Zusammenhange eine solche Furcht, von welcher auch ein sonst standhafter und unerschrockener Mann befallen werden kann. und Scheu vor einer Untersuchung, zu welcher er nach der Drohung eines mächtigen Gegners gefesselt gehen sollte, das, was ihm eigentlich als Eigenthum zu haben zustand, gezwungen verkauft hat, so wird die Sache nach der bei ihr eintretenden Berücksichtigung der Billigkeit durch den Vorsteher der Provinz in ihre frühere Lage zurückversetzt. 2Wenn ein Wucherer einen Wettkämpfer [als seinen Schuldner] dadurch, dass er ihn gegen alle Sitte gefangen hielt und an den Kämpfen verhinderte, genöthigt haben sollte, für mehr als den eigentlichen Betrag des schuldigen Geldes Gewähr zu leisten, so möge nach der Erweisung dieses Umstandes der competente Richter den Bescheid geben, dass die Sache nach der bei ihr eintretenden Billigkeitsrücksicht, wieder in die frühere Lage gesetzt88Also der Schuldner nur zur Bezahlung dessen, was er wirklich schuldig ist, verurtheilt werde. werde. 3Wenn Jemand das, was er seinem Gegner [in der That] nicht schuldig war, nach der von diesem geschehenen Anweisung [an eine andere Person, um dieser die Zahlung zu leisten] durch Gewalt unter Dazwischenkunft der Untergebenen des Vorstehers [der Provinz], ohne Untersuchung von Seiten des Richters, zu bezahlen gezwungen worden ist, so möge der Richter den Befehl geben, dass das gegen die Gebühr Erpresste von demjenigen, der diesen Vermögensverlust veranlasst haben sollte, zurückerstattet werde. Wenn [der Schuldner] seine Schulden auf einfachen Befehl [des Vorstehers der Provinz] und ohne vorgängige Untersuchung bezahlt hat, so ist es, obwohl eigentlich die Eintreibung der Schuld nicht auf ausserordentliche Weise, sondern nach Vorschrift der Gesetze (civiliter) geschehen musste, doch unziemlich (incivile) dasjenige, wodurch die Bezahlung der wirklich von des Schuldners Seite schuldigen Summe bewirkt wurde, nachher [als ungültig] zu widerrufen.
Idem lib. V. Opinion. Ein gewisser Schuldner wollte es durch das Vorgeben, als ob seinem Gläubiger vom Titius ein Brief99Worin nämlich Titius erklärt, dass er die Leistung der Schuld auf sich nehmen wolle. geschickt werde, dahin bringen, dass er [von seiner Verbindlichkeit] befreit würde; der Gläubiger hat auch, durch diesen Brief hintergangen, den Schuldner vermöge einer Aquilianischen Stipulation und Acceptilation [seiner Verpflichtung] entlassen; wenn nun später der Brief als falsch oder ungültig erfunden wird, so wird der Gläubiger, wenn er über 25 Jahre alt ist, die Klage de dolo haben, wenn er aber noch minderjährig ist, in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden.
Ulp. lib. V. Opinion. Jemand unter dem Alter von fünfundzwanzig Jahren, dem nach richterlichem Ausspruche ein Fideicommiss ausgezahlt werden sollte, hatte in einem schriftlichen Bekenntnisse erklärt (caverat), dass er es bekommen habe, und der Schuldner hatte sich das Bekenntniss als über ein empfangenes Darlehn ausstellen lassen; [dieser Minderjährige] kann in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden, weil er die aus einem rechtskräftig gewordenen Urtheile erlangte [Befugniss zur] Rechtsverfolgung durch einen neuen Contract in den Anfang eines rechtlichen Anspruchs anderer Art verwandelt hat1010D. h. weil er in eine schlimmere Lage gekommen, denn früher konnte er die ihm schuldige Leistung durch actio ex judicato s. judicati verlangen, jetzt blos durch condictio certi ex mutuo. Cujacius sagt in dieser Beziehung: judicatum litium finis es, creditum vero initium et origo.. 1Es hat Jemand unter dem Alter von fünfundzwanzig Jahren die Grundstücke seines Vaters wegen Schulden aus einer Vormundschaft über Andere, welche sein Vater verwaltet hatte, unbesonnener Weise an Zahlungsstatt gegeben; die Sache ist durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Grundsätzen der Billigkeit zu gestalten, so dass die Interessen des Geldes, welches erweislichermaassen aus der Vormundschaft her geschuldet wird, berechnet und mit dem Betrage der [aus den Grundstücken vom Gläubiger] bezogenen Früchte compensirt werden.
Ad Dig. 4,4,44ROHGE, Bd. 6 (1872), S. 356: In integrum restitutio Minderjähriger nach gemeinem Rechte insbesondere gegen wechselrechtliche Verpflichtungen. Selbstständige Vermögensvertretung.Ulp. lib. V. Opinion. Nicht alles, was solche, die noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt sind, thun, ist ungültig, sondern nur das, was nach untersuchter Sachlage als von der Beschaffenheit sich zeigt [dass es nicht gültig sein kann], z. B. wenn die [Minderjährigen] von Andern hintergangen oder durch ihre Leichtgläubigkeit getäuscht, entweder das, was sie hatten, verloren, oder den Vortheil, den sie erlangen konnten, unbeachtet gelassen, oder sich einer Last, die sie nicht übernehmen sollten, unterzogen haben.
Ulp. lib. V. Opinion. Wenn einem Soldaten irgend eine öffentliche Anklage zustehen sollte, so wird dieselbe während der Zeit, wo er dem Staate Dienste leistete, nicht [durch Verjährung] aufgehoben. 1Alles, was während der Zeit, wo Jemand in Folge einer ihm zuerkannten Strafe, gegen welche er nachher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangte, auf einer Insel1111Dies ist nach Anton Faber sowohl vom deportatus als vom relegatus zu verstehen. sich aufgehalten hat; als ihm von seinen Gütern, die ihm nicht [zur Strafe] entzogen worden waren, durch einen Andern auf dem Wege der Verjährung abgenommen dargethan worden sein sollte, muss wieder in die vorige Lage zurückgebracht werden.
Idem lib. V. Opinion. Als eine Soldat verlangte, in eigenem Namen den Process über Besitzungen, welche er geschenkt bekommen zu haben behauptete, führen zu dürfen, wurde ihm der Bescheid gegeben, dass, wenn die Schenkung in der Absicht einer Veränderung des Gerichtsstandes gemacht worden wäre, der frühere Eigenthümer [der geschenkten Sache] den Process führen müsse, so dass man [folglich] der Ansicht ist, er habe mehr die Sache als den Rechtsstreit wegen ihr auf den Soldaten übertragen.
Ulp. lib. V. Opin. Wenn die Vermächtnissinhaber ein Durchstechen der eingesetzten Erben mit dem, der wegen Lieblosigkeit eines Testaments klagt, muthmaassen, so ist festgesetzt worden, dass auch die Vermächtnissinhaber hinzutreten und den letzten Willen des Verstorbenen vertheidigen können, und es steht ihnen auch frei, wenn gegen das Testament erkannt worden, zu apelliren. 1Wegen eines lieblosen Testaments der Mutter können auch uneheliche Söhne Klage erheben. 2Wenn gleich nach Erhebung der Lieblosigkeitsklage die Sache durch Vergleich beseitigt ist, so bleibt das Testament doch in seiner Rechtskraft, und daher haben die in demselben geschehenen Freiheitsertheilungen und Vermächtnisse Gültigkeit. 3Weil eine Frau ohne Bestätigung des Kaisers keinen Sohn an Kindes Statt annehmen kann, so kann auch Niemand wegen des Testaments derjenigen, die er fälschlich für seine Adoptivmutter hielt, Klage erheben. 4Wegen lieblosen Testaments muss in der Provinz Klage erhoben werden, wo die eingesetzten Erben ihren Wohnsitz haben.
Idem lib. V. Opinion. Wenn das Geld eines Soldaten der Geschäftsbesorger desselben [Jemandem] als Darlehn gegeben und einen Bürgen erhalten hat, so hat man angenommen, dass nach dem Muster [des Falles,] wenn der Vormund eines Unmündigen oder der Curator eines Jünglings das dargeliehene Geld des Einen oder Andern stipulirt haben sollte, dem Soldaten, dem das Geld gehört habe, eine Klage gegeben werde.
Idem lib. V. Opinion. Obwohl der Vorgänger des Präses decretirt hatte, dass die Grundstücke verkauft werden sollten, welche der Vormund des Mündels, indem er den Namen eines anderen Käufers unterschob, für sich selbst anschaffte, so wird doch der Nachfolger desselben, wenn er einen Betrug und eine böse Absicht gegengen die Verfügung des Senatsschlusses und das in den Vormund gesetzte Vertrauen entdeckt haben wird, erwägen, inwieweit er eine so listige Erdichtung auch zum [warnenden] Beispiel [für Andere] bestrafen müsse.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Ex libro VI
Idem lib. VI. Opin. Wenn nach Anstellung der Lieblosigkeitsklage der Streit durch einen Vertrag verglichen worden ist, und der Erbe dem Vergleich nicht treu bleibt, so soll die Klage wegen Lieblosigkeit wirksam bleiben. 1Demjenigen, welcher ein Sohn dessen zu sein versichert, der dies in seinem Testament geleugnet, ihn dennoch aber enterbt hat, steht frei, die Lieblosigkeitsklage zu ergreifen. 2Das Testament eines Soldaten kann nicht einmal ein Soldat als lieblos anfechten. 3Ein Enkel hatte wegen lieblosen Testaments gegen seinen Vatersbruder oder einen andern darin eingesetzten Erben auf seinen Antheil geklagt und gewonnen, der eingesetzte Erbe aber appellirt; hier werden unterdessen dem Unmündigen wegen seiner Dürftigkeit, nach Maassgabe des Vermögens, welches durch die Lieblosigkeitsklage zum Theil von ihm in Anspruch genommen ward, Alimente zugesprochen, und der Gegner muss ihm dieselben bis zum Ausgang des Processes verabreichen. 4Wegen eines Testaments der Mutter, die in dem Glauben, ihr Sohn sei todt, einen Andern zum Erben eingesetzt hat, kann die Lieblosigkeitsklage erhoben werden.
Ulp. lib. VI. Opin. Der Schwester, welche mit vier Brüdern1212Welche nämlich die Erbschaft besitzen. Miterbin zum Vermögen der Mutter geworden ist, wird der fünfte Theil von jedem Antheile, der an jene fiel, zukommen, so dass jeder Einzelne auf das Viertheil [eingesetzte], welches er vorher zu haben angenommen ward, ihr [davon] nicht mehr als das Fünftheil abzutreten braucht. 1Die Kosten, welche auf die Lasten der ganzen Erbschaft rechtmässig verwendet worden sind, werden demjenigen, der auf den Grund des Rechts eines Freilassers seinen Antheil entwährt hat, verhältnissmässig angerechnet.
Ulp. lib. VI. Opin. Zwischen der Pflicht der Rechtsanwaltschaft und der Vertheidigung einer eigenen Sache ist ein grosser Unterschied, und wenn Jemand eine Sache als ihm gehörig späterhin erkennt, so hat er dadurch, dass er einem Andern, sie eigenthümlich verlangenden, früher, ohne zu wissen, dass sie ihm selbst gehöre, beigestanden, sein Eigenthum nicht verloren.
Ulp. lib. VI. Opin. Der Verkäufer des Geronianischen Landgutes hatte für das Botrianische, welches er zurückbehalten hatte, die Bedingung gestellt, dass längs desselben die Seefischerei nicht betrieben werden solle. Wiewohl nun dem Meere, welches der Natur nach Jedem offensteht, durch ein Privatabkommen keine Dienstbarkeit auferlegt werden kann, so werden dennoch die Besitzer, oder die Nachfolger in deren Recht, durch eine [solche] Stipulations- oder Verkaufsbedingung verbindlich, weil der gute Glaube eines Contracts die Aufrechterhaltung der Verkaufsbedingungen erfordert. 1Wenn auf deinem Acker Steinbrüche sind, so darf wider deinen Willen Niemand, der dazu kein Recht hat, weder zu einem öffentlichen noch zu einem Privatzweck, daselbst Steine brechen, ausser wenn in jenen Steinbrüchen eine Gewohnheit in der Art besteht, dass, wenn Jemand daraus brechen will, er es, gegen Zahlung des dafür üblichen Bruchgeldes an den Eigenthümer, thun dürfe. Auch nach dessen Entrichtung an den letztern darf er jedoch die Steine nur in der Art brechen, dass weder der Bedarf nothwendiger Steine dadurch geschmälert, noch die Bequemlichkeit der Sache dem Eigenthümer durch jene Gewohnheit1313Jure. Die Glosse interpretirt: jure i. occasione juris consuetudinarii. entzogen werde.
Ulp. lib. VI. Opin. Jemand bewirkt durch Erhöhung seiner Gebäude, dass die Hellung des einem Minderjährigen oder Unmündigen gehörigen Hauses, dessen Curator oder Vormund er war, geschmälert wird. Wiewohl nun derselbe und seine Erben aus diesem Grunde auch durch die [Vormundschafts-] Klage haften, weil er etwas, das er selbst, wenn ein Anderer es gethan hätte, seiner Pflicht nach hätte verhindern müssen, nicht selbst thun durfte, so ist doch dem Unmündigen oder Minderjährigen auch gegen den Besitzer jener Gebäude die Klage auf Wiederhinwegnahme des widerrechtlich Hingebauten zu ertheilen.
Idem lib. VI. Opin. Wer ein fremdes Haus wider den Willen des Eigenthümers eingerissen, und auf dessen Stelle ein Bad angelegt hat, der unterliegt, ausserdem, dass die natürliche Rechtsregel, wonach das Aufgebaute dem Eigenthümer des Bodens zugehört, [wider ihn zur Anwendung kommt], auch der Klage wegen [widerrechtlichen] Schadens.
Ulp. lib. VI. Opin. Wenn eine Ueberschwemmung durch einen Durchbruch eines Flusses die Grenzen eines Ackers zerstört, und dadurch diesem oder jenem Gelegenheit gegeben hat, sich Ländereien zu bemächtigen, an denen ihnen kein Recht zukommt, so befiehlt ihnen der Provincialpräsident, sich fremden Eigenthums zu enthalten und dem Eigenthümer das Seine zurückzuerstatten, und die Grenzen durch einen Feldmesser zu bestimmen. 1Zur Amtspflicht dessen, dem die rechtliche Erörterung über die Grenzen obliegt, gehört auch die Absendung von Feldmessern, um durch dieselben die Frage wegen der Grenzen selbst lösen zu lassen, wie es billig ist; wenn es die Sache erfordert, auch die [streitigen] Stellen selbst in Augenschein zu nehmen.
Idem lib. VI. Opin. Was der Vater dem aus der Gewalt entlassenen und seiner Studien halber auswärts sich aufhaltenden Sohn hat zufliessen lassen, das gestattet, wenn dargethan wird, dass es der Vater nicht in der Absicht, einen Vorschuss zu machen, sondern aus väterlicher Liebe veranlasst gethan habe, die Billigkeit nicht, auf das dem Sohn aus des Erblassers Nachlass zugefallenen Erbantheil einzurechnen.
Idem lib. VI. Opinion. Einem Gläubiger, welcher geliehenes Geld forderte, hat der Schuldner, da er keins bei der Hand hatte, Stücken Gold gegeben, damit [der Gläubiger dieselben] bei einem andern Gläubiger zum Pfand setzte. Wenn nun der, welcher [sie von dem Schuldner] erhalten hatte, sie, nachdem sie [von ihm] durch Zahlung befreit und zurückgenommen sind, behält, so ist ihm zu befehlen, dass er sie ausliefere. Wenn sie aber auch jetzt noch bei dem Gläubiger des Gläubigers sich befinden, so scheinen sie mit dem Willen des Eigenthümers [zum Pfand] verbindlich gemacht zu sein; aber damit sie, nachdem sie befreit sind, übergeben werden, steht dem Eigenthümer derselben gegen seinen Gläubiger eine eigene Klage1414Nämlich eine actio praescriptis verbis. Denn da der Schuldner weder mit seinem Gläubiger, noch mit dem Gläubiger seines Gläubigers einen Pfandvertrag geschlossen hat, so kann die Pfandklage nicht Statt finden (s. v. Glück a. a. O. S. 157), sondern se tritt jene Ergänzungsklage (s. Anmerk. 38.) ein. zu.
Idem lib. VI. Opinion. Wenn, nachdem ein Grundstück eines Mündels oder Minderjährigen nach dem Senatsschluss unerlaubter Weise verkauft worden ist, deshalb auf die Vormundschafts- oder die analoge [Vormundschafts-]Klage eine Schätzung vorgenommen, und der durch dieselbe bestimmte Werth [dem Pflegbefohlenen] bezahlt worden ist, so wird die Vindication des Grundstücks aus Billigkeit behindert.