De officio proconsulis libri
Ex libro I
Ulp. lib. I. de officio Procons. Langjährige Gewohnheit pflegt in denjenigen Fällen als Recht und Gesetz beobachtet zu werden, worüber nichts Geschriebenes vorhanden ist.
Id. lib. I. de off. Procons. Der Proconsul hat darauf zu sehen, dass er seine Provinz nicht durch Einquartierung von Truppen beschwere, wie unser Kaiser mit seinem Vater Aufidius Severianus verordnet hat. 1Kein Proconsul darf eine eigene Leibwache halten, sondern es versehen an deren Statt in den Provinzen Soldaten diesen Dienst. 2Es ist zwar besser, dass der Proconsul ohne seine Gattin [in seine Provinz] reise, doch kann er sie auch mitnehmen, nur möge er dann wissen, dass der Senat unter den Consulen Cotta und Messala sich dahin ausgesprochen habe, dass wenn die Gattinnen derer, welche zu ihrem Posten reisen, etwas verbrochen haben, von ihnen selbst Rechenschaft und Ersatz gefordert werde. 3Bevor der Proconsul aber die Grenzen der ihm angewiesenen Provinz betritt, muss er ein Edict über seine Ankunft erlassen, enthaltend eine Art Empfehlung seiner selbst, wenn er etwa mit den Einwohnern der Provinz in Bekanntschaft oder Verbindung steht, besonders aber es ablehnen, dass man ihm öffentlich oder aus eigenem Antrieb entgegenkomme; denn es sei angemessener, dass Jeder ihn in seiner Heimath empfange. 4Der Ordnung nach gehört es sich auch, dass er das Edict seinem Vorgänger mittheile, und ihm anzeige, an welchem Tage er die grenzen betreten werde; denn wenn dies unbestimmt ist, und unerwartet geschieht, so setzt es die Provinzialeinwohner meistens in Unruhe und stört die Beschäftigungen. 5Wenn er nun daselbst eintrifft, so muss er auch darauf Acht haben, dass er durch den Theil in der Provinz anlange, wo dies Sitte ist, und, wie es die Griechen nennen, ἐπιδημίας (die Straße zur Provinz) oder κατάπλουν (die Landung) beobachte, in welche Stadt er zuerst eintreffen, oder wo er landen müsse; denn die Provicialeinwohner machen viel daraus, dass diese Gewohnheit und Vorrechte dieser Art aufrecht erhalten werden. Mehrere Provinzen sind so gelegen, dass der Proconsul in der Provinz zur See ankommt, wie Asien, so dass, wie unser Kaiser Antoninus Augustus auf das Ansuchen der Asianer rescribirte, dem Proconsul die Nothwendigkeit obliegt, zur See nach Asien zu gehen, καὶ τῶν μητροπόλεων Ἔφεσον (und unter den Hauptstädten Ephesus) zuerst zu betreten. 6Eingetroffen in die Provinz muss er darauf seinen Legaten mit der Gerichtsbarkeit beauftragen, darf es aber nicht eher thun, als bis er die Provinz betreten hat. Denn es wäre ganz widersinnig, die Gerichtsbarkeit, ehe er sie selbst überkommen hat (denn sie steht ihm nicht eher zu, als bis er in die Provinz gekommen ist), einem Andern zu übertragen, da er sie selbst [noch] nicht hat; wenn er es aber vorher gethan hat, und angelangt in der Provinz bei seinem Willen beharrt, so ist anzunehmen, dass der Legat die Gerichtsbarkeit nicht [schon] von da an habe, wo er damit beauftragt worden, sondern erst von da an, wo der Proconsul in der Provinz angelangt ist.
Ulp. lib. I. de off. Procons. Gewöhnlich beauftragt er die Legaten auch mit dem Verhör der Verhafteten, so dass sie dieselben nach dem Verhör übergeben, um die Unschuldigen selbst freizusprechen. Diese Art der Beauftragung ist aber eine ausserordentliche; denn Niemand darf die ihm verliehene Gewalt über Leben und Tod, oder irgend einer andern Strafmaassregel, auf einen Andern übertragen, also auch nicht das Recht, die Angeklagten freizusprechen, da sie bei demselben nicht angeklagt werden können. 1Sowie es aber in dem Belieben des Proconsuls beruhet, mit der Gerichtsbarkeit Jemanden zu beauftragen, oder nicht, so steht es ihm zwar auch frei, einen ertheilten Auftrag dieser Art zurückzunehmen, doch darf er es nicht thun, ohne bei dem Kaiser deshalb angefragt zu haben. 2Die Legaten müssen nicht den Kaiser um Rath fragen, sondern ihren Proconsul, und dieser muss auf die Anfragen der Legaten Antwort ertheilen. 3Der Proconsul braucht Geschenke nicht gänzlich auszuschlagen, sondern nur darin Maass zu halten, so dass er sich auf der einen Seite weder mürrischer Weise ganz und gar weigern soll, sie anzunehmen, noch auf der andern, aus Habsucht, in den Geschenken alles Maas überschreiten darf. Der Kaiser Severus und der Kaiser Antonin haben sich in einem Schreiben hierüber vortrefflich ausgesprochen; die Worte dieses Schreiben lauten so: Was Geschenke betrifft, so höre, wie Wir darüber denken. Es ist ein altes Sprichwort: οὔτε πάντα οὔτε πάντοτε οὔτε παρὰ πάντων (weder alles, noch zu jeder Zeit, noch von allen); denn es ist sehr abstossend, von Niemand etwas annehmen zu wollen, aber schlecht, ohne Auswahl, und habsüchtig, alles zu nehmen. Wenn es nun in den Verhaltungsbefehlen heisst, dass der Proconsul selbst, oder wer in einem [öffentlichen] Amt stehe, keine Gabe oder Geschenk annehmen und nichts kaufen solle, als zum täglichen Bedarf an Nahrungsmitteln, so erstreckt sich dies doch nicht auf unbedeutende Geschenke, sondern auf solche, welche die Bestimmung, zur Speise zu dienen, überschreiten. Solche unbedeutende Geschenke kann man auch gar nicht zu der Eigenschaft von [eigentlichen] Geschenken emporheben.
Id. lib. I. de off. Procons. Es ist überhaupt nichts in der Provinz, was nicht durch ihn besorgt wird. Wenn es jedoch eine fiscalische Geldangelegenheit ist, welche dem Procurator des Kaisers zukommt, so thut er besser, sich derselben nicht zu unterziehen. 1Wo ein Decret nöthig ist, da kann der Proconsul dies nicht durch einfache Anordnung abthun; denn alles, was eine Erörterung und Entscheidung der Sache erfordert, kann durch eine einfache Anordnung nicht besorgt werden. 2Gegen die Advocaten muss der Proconsul gefällig sein, aber mit Vorsicht, damit er ihnen nicht verächtlich erscheine; auch darf er ihnen nicht durch die Finger sehen, wenn er welche als Aufhetzer oder Aufkäufer von Processen ertappt, und nur solche zum Handeln vor Gericht zulassen, denen dies durch sein Edict gestattet worden ist. 3Ueberall und auf der Stelle kann aber der Prconsul folgende Angelegenheiten beseitigen: [den Kindern und Freigelassenen] anbefehlen, den Eltern und Freilassern und Kindern der Freilasser Folgsamkeit zu leisten; auch Söhne, welche sich schlecht aufführen und von ihren Vätern vorgeführt werden, bedrohen und sie in Furcht setzen; ebenso kann er auch überall und auf der Stelle und auf der Stelle unfolgsame Freigelassene mit Worten ermahnen, oder sie ausprügeln lassen. 4Er muss daher darauf achten, dass bei allen Verhandlungen vor Gericht Ordnung herrsche, und dass eines Jeden Antrag gehört werde, damit nicht, während in Rücksicht auf den Rang derer, welche Anträge gemacht haben, denselben gefügt, oder Unredlichkeiten zugelassen werden, das Verlangen der Armen überhört werde, welche entweder gar keine Advocaten angenommen haben, oder weniger thätige11Frequens. s. Brisson h. v., und solche, die keine Würde weiter bekleiden. 5Auch muss er denen, die darum bitten, Advocaten bestellen, besonders Frauen und Unmündigen, oder anderen hülflosen Personen, oder solchen, die ihres Verstandes nicht mächtig sind, wenn Jemand für diese sie [deshalb] ersucht, oder wenn Niemand vorhanden ist, der darauf anträgt, von selbst ihnen solche zuordnen. Wenn aber Jemand behauptet, dass er wegen des grossen Einflusses seines Gegners keinen Advocaten finden könne, so muss er ihm ebenfalls einen Advocaten bestellen. Uebrigens darf Niemand durch den grossen Einfluss seines Gegners unterdrückt werden; denn das gereicht auch dem Vorsteher der Provinz zum schlechten Ruhm, wenn sich Jemand so hochmüthig beträgt, dass Jeder fürchtet, gegen ihn eine Advocatur zu übernehmen. 6Dies alles gilt auch in Ansehung der Präsidenten, und muss von denselben ebenfalls beobachtet werden.
Übersetzung nicht erfasst.