De officio praefecti urbi liber singularis
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Dig. 1,12,1Ulpianus libro singulari de officio praefecti urbi. Omnia omnino crimina praefectura urbis sibi vindicavit, nec tantum ea, quae intra urbem admittuntur, verum ea quoque, quae extra urbem intra Italiam, epistula divi Severi ad Fabium Cilonem praefectum urbi missa declaratur. 1Servos qui ad statuas confugerint, vel sua pecunia emptos ut manumittantur, de dominis querentes audiet. 2Sed et patronos egentes de suis libertis querentes audiet, maxime si aegros se esse dicant desiderentque a libertis exhiberi. 3Relegandi deportandique in insulam, quam imperator adsignaverit, licentiam habet. 4Initio eiusdem epistulae ita scriptum est: ‘cum urbem nostram fidei tuae commiserimus’: quidquid igitur intra urbem admittitur, ad praefectum urbi videtur pertinere. sed et si quid intra centensimum miliarium admissum sit, ad praefectum urbi pertinet: si ultra ipsum lapidem, egressum est praefecti urbi notionem. 5Si quis servum suum adulterium commisisse dicat in uxorem suam, apud praefectum urbi erit audiendus. 6Sed et ex interdictis quod vi aut clam aut interdicto unde vi audire potest. 7Solent ad praefecturam urbis remitti etiam tutores sive curatores, qui male in tutela sive cura versati graviore animadversione indigent, quam ut sufficiat eis suspectorum infamia: quos probari poterit vel nummis datis tutelam occupasse, vel praemio accepto operam dedisse ut non idoneus tutor alicui daretur, vel consulto circa edendum patrimonium quantitatem minuisse, vel evidenti fraude pupilli bona alienasse. 8Quod autem dictum est, ut servos de dominis querentes praefectus audiat, sic accipiemus non accusantes dominos (hoc enim nequaquam servo permittendum est nisi ex causis receptis) sed si verecunde expostulent, si saevitiam, si duritiam, si famem, qua eos premant, si obscenitatem, in qua eos compulerint vel compellant, apud praefectum urbi exponant. hoc quoque officium praefecto urbi a divo Severo datum est, ut mancipia tueatur ne prostituantur. 9Praeterea curare debebit praefectus urbi, ut nummularii probe se agant circa omne negotium suum et temperent his, quae sunt prohibita. 10Cum patronus contemni se a liberto dixerit vel contumeliosum sibi libertum queratur vel convicium se ab eo passum liberosque suos vel uxorem vel quid huic simile obicit: praefectus urbi adiri solet et pro modo querellae corrigere eum, aut comminari aut fustibus castigare aut ulterius procedere in poena eius solet: nam et puniendi plerumque sunt liberti. certe si se delatum a liberto vel conspirasse eum contra se cum inimicis doceat, etiam metalli poena in eum statui debet. 11Cura carnis omnis ut iusto pretio praebeatur ad curam praefecturae pertinet, et ideo et forum suarium sub ipsius cura est: sed et ceterorum pecorum sive armentorum quae ad huiusmodi praebitionem spectant ad ipsius curam pertinent. 12Quies quoque popularium et disciplina spectaculorum ad praefecti urbi curam pertinere videtur: et sane debet etiam dispositos milites stationarios habere ad tuendam popularium quietem et ad referendum sibi quid ubi agatur. 13Et urbe interdicere praefectus urbi et qua alia solitarum regionum potest, et negotiatione et professione et advocationibus et foro, et ad tempus et in perpetuum: interdicere poterit et spectaculis: et si quem releget ab Italia, summovere eum etiam a provincia sua. 14Divus Severus rescripsit eos etiam, qui illicitum collegium coisse dicuntur, apud praefectum urbi accusandos.
Ulp. lib. singul. de off. Praef. Urbi. Das Stadtvorsteheramt beschäftigt sich mit Verbrechen jeder Art, und nicht blos mit denen, welche innerhalb der Stadt, sondern auch denjenigen, welche ausserhalb der Stadt und innerhalb der Grenzen Italiens begangen werden, wie11Verum ea quoque quae extra Urbem intra Italiam Epistola D. S. ad F. C. P. U. missa declaratur; diese Lesart, welche unser Text mit der Göttinger C. J.-Ausgabe, und Russardus nach der Florentiner giebt, ist der Construction nach unverständlich, denn wie passt declaratur zum Plural quae? — Missa auf crimina zu ziehen, und das epistola — declaratur als hineingeschobenen Zusatz anzusehen, oder missa zwar auf epistola zu ziehen, und quae extra urbem etc. von admittuntur abhängen zu lassen (wo doch wenigstens hinter Italiam ein Comma folgen und vor Epistola ein quod oder ut stehen müsste), würde eine so gezwungene Construction geben, dass sie verwerflich erschiene. Ich sehe daher keinen Ausweg, als das Haloandrische ut von Epistola einzuschieben, wodurch die ganze Schwierigkeit gehoben ist; dies hat auch Baudoza, und Russard in der Note aus Mscrpten. Nicht minder liest das Dig. Vet. ex Ed. Fradini (Lugd. 1527) ebenso, die also älter als Haloander ist. Diese Fradinische Edition (es soll noch eine frühere von 1510 und 1516 geben s. Thibaut Vers. B. I. p. 248. n. 34.) hatt oft vortreffliche Lesarten, und stimmt häufig mit Haloanderüberein, das Exemplar, welches vor mir liegt, ist mit altdeutschen Buchstaben gedruckt, und zwar impensis Aimonis de Porta. in einem vom Kaiser Severus an den Stadtvorsteher Fabius Cilo erlassenen Schreiben erklärt wird. 1Derselbe untersucht die Beschwerden der Sclaven, gegen ihre Herren, welche zu Statuen entflohen, oder mit ihrem eigenen Gelde gekauft worden sind, um freigelassen zu werden. 2Auch hört derselbe die Beschwerden dürftiger Freilasser über ihre Freigelassenen, besonders wenn sie krank zu sein behaupten, und von denselben Alimente verlangen. 3Derselbe hat die Macht, zu verbannen und auf diejenige Insel zu deportiren, welche der Kaiser dazu angewiesen hat. 4Zu Anfang jenes Schreibens heisst es so: Da wir Unsere Stadt Deiner Treue anbefohlen haben. Was also nun innerhalb der Stadt verbrochen wird, das wird zwar als vor den Stadtvorsteher gehörig angesehen, es gehört jedoch vor denselben auch das, was innerhalb des hundertsten Meilensteins begangen wird; wenn jenseits dieses Steins, so liegt es ausserhalb des Bereichs der Untersuchung des Stadtvorstehers. 5Wer behauptet, dass sein Sclav mit seiner Gattin Ehebruch begangen habe, findet beim Stadtvorsteher rechtliches Gehör. 6Derselbe kann auch in Folge der Interdicte, Was mit Gewalt oder heimlich, oder dessen, Was mit Gewalt, rechtliches Gehör ertheilen. 7Dem Stadtvorsteheramt werden auch diejenigen Vormünder oder Curatoren überlassen, gegen welche, wegen schlechter Verwaltung der Vormundschaft oder Curatel, eine ernstlichere Ahndung nothwendig ist, als dass für sie die Schade der [Absetzung als] Verdächtige genügte, sowie diejenigen, welche überführt werden könne, entweder durch Bestechung sich die Vormundschaft verschafft, oder, durch empfangene Belohnungen veranlasst, sich bemüht zu haben, dass Jemandem ein untauglicher Vormund bestellt werde, oder in Betreff der Herausgabe des Vatererbes dessen Betrag vermindert, oder Güter des Mündels offenbar betrüglich veräussert zu haben. 8Wenn aber gesagt worden ist, dass der Präfect den über ihre Herren Beschwerden führende Sclaven rechtliches Gehör ertheile, so versteht man darunter nicht solche, die ihre Herren anklagen, denn dies ist einem Sclaven durchaus nicht erlaubt, ausser aus besondern hiervon ausgenommenen Gründen, sondern wenn sie ehrerbietig Klage anbringen22S. Brisson s. voce expostulare., wenn sie [Beschwerden wegen] Grausamkeit, Härte und Hunger, womit sie jene quälen, oder [wegen] Schändlichkeiten, wozu jene sie genöthigt haben, oder nöthigen wollen, dem Stadtvorsteher vortragen. Auch ist demselben vom Kaiser Severus das Amt übertragen worden, die Sclaven dawider zu schützen, dass sie nicht zur Unzucht gemissbraucht werden. 9Ueberdiess muss der Stadtvorsteher dafür sorgen, dass die Geldmäkler ihr gesammtes Geschäft redlich betreiben, und sich alles dessen, was verboten ist, enthalten. 10Wenn ein Freilasser von seinem Freigelassenen verächtlich behandelt worden zu sein behauptet, oder über böse Nachreden seines Freigelassenen wieder ihn Beschwerde führt, oder gegen denselben ihm selbst, seinen Kindern, oder seiner Gattin, zugefügte Beschimpfungen, oder etwas dem ähnliches rügt, so pflegt der Stadtvorsteher angegangen zu werden, und dieser lässt denselben dann, nach der Beschaffenheit der Beschwerde, ermahnen, oder drohen, oder ausprügeln, oder geht in der Strafe auch wohl noch weiter; denn meistentheils sind wider die Freigelassenen Strafen zu Anwendung zu bringen. Wenn aber Jemand von seinem Freigelassenen angeklagt worden zu sein, oder dass derselbe sich mit seinen Feinden wider ihn verschworen habe, darthut, so kann wider denselben auch die Strafe der Bergwerksarbeit ausgesprochen werden. 11Die Sorge für das Fleisch, und dass dasselbe zum rechtmässigen Preise verabfolgt werde, liegt ebenfalls dem Stadtvorsteheramt ob; darum steht auch der Schweinemarkt unter deren Aufsicht; es stehen aber auch die Märkte von anderem Vieh und Zugvieh, was zum Verkauf dieser Art gehört, unter dessen Obhut. 12Auch die Ruhe der öffentlichen Volksbelustigungen und die Aufsicht über die Schauspiele scheinen zum Amte des Stadtvorstehers zu gehören; und er darf auch in der That Soldaten als Wachen aufstellen lasse, um die Ruhe bei öffentlichen Volksbelustigungen aufrecht zu erhalten, und um ihm zu melden, was [und] wo [etwas] vorfalle. 13Es kann der Stadtvorsteher auch Jemandem die Stadt verbieten, oder sonst eine andere von den gewöhnlichen Provinzen [Italiens]33Solitarum regionum. s. Cujac. Obs. II. 14., oder eine Beschäftigung, ein Handwerk, die Advocatur, den Marktplatz, sowohl eine Zeitlang, als auf immer. Auch kann er Jemanden das Schauspiel verbieten, und wenn er aus Italien verweisen kann, so kann er auch Jemandem [ausdrücklich] seine Provinz verbieten. 14Der Kaiser Severus hat verordnet, dass auch diejenigen, welche eine unerlaubte Gesellschaft errichtet haben, beim Stadtvorsteher anzuklagen seien.
Dig. 1,15,4Ulpianus libro singulari de officio praefecti urbi. Imperatores Severus et Antoninus Iunio Rufino praefecto vigilum ita rescripserunt: ‘Insularios et eos, qui neglegenter ignes apud se habuerint, potes fustibus vel flagellis caedi iubere: eos autem, qui dolo fecisse incendium convincentur, ad Fabium Cilonem praefectum urbi amicum nostrum remittes: fugitivos conquirere eosque dominis reddere debes.’
Ulp. lib. singul. de off. Praef. Urbi. Die Kaiser Severus und Antoninus haben an den Wachtvorsteher Junius Rufinus folgendes verordnet: „die Miethsleute44Insularios. Die Glosse erklärt dominos aedium; Brisson hingegen inquilinos. und diejenigen, welche nachlässig mit dem Feuer umgegangen sind, kannst du mit Prügeln oder Peitschen aushauen lassen; diejenigen aber, welche absichtlich Feuer angelegt zu haben überführt werden übergieb dem Stadtvorsteher Fabius Cilo, unserem Freunde; den entflohenen Sclaven lass nachsetzen und überantworte sie ihren Herren.“