Ad edictum praetoris libri
Ex libro LXXXI
Idem lib. LXXXI. ad Ed. Man muss wissen, dass es keinen Unterschied mache, damit die Stipulation des Doppelten verfallen könne, wegen welchen Verhältnisses, aus welchem Grund sie eingegangen sei, ob wegen eines Kaufverhältnisses, oder wegen eines anderen.
Idem lib. LXXXI. ad Ed. Die öffentlichen Flüsse dienen zum allgemeinen Gebrauche, wie auch die öffentlichen Wege und die Ufer. Es darf daher an denselben Jedermann ohne Unterschied bauen und niederreissen, wenn es nur ohne Nachtheil eines Andern geschieht. Deshalb wird nur des Bauwerks wegen Sicherheit durch Bürgschaft geleistet: (wegen Schadhaftigkeit des Platzes wird keine Sicherheit geleistet) d. h. wegen des Bauwerks, das Jemand errichtet; wenn übrigens von der Schadhaftigkeit des Platzes ein Schaden zu besorgen ist, so lässt sich durchaus nicht sagen, dass eine Stipulation wegen drohenden Schadens getroffen werden müsse: denn wer zweifelt, dass Niemand vorhanden sei, von dem stipulirt werden sollte, indem, ohne irgend Jemandes Zuthun, der öffentliche Platz selbst durch seine Beschaffenheit den Schaden verursacht? 1Ad Dig. 39,2,24,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 459, Note 21.Die Stipulation hat also auf solche Werke Bezug, welche von Privaten errichtet werden. Was ist also zu thun, wenn auf Veranstaltung des Staats ein Werk errichtet wird? Was soll man thun, wenn es schadhaft ist? Entweder muss der Kaiser angegangen werden, oder wenn solches in der Provinz Statt findet, der Provinzial-Präsident. Der Ausdruck „durch Schadhaftigkeit des Bauwerks“ muss aber so genommen werden, dass man ihn sowohl auf die Zeit bezieht, wo das Werk errichtet wird, als auch auf die Zukunft, wenn später sich ein Schaden ereignet: denn wie, wenn darum, weil schlecht gebaut worden ist, der Einsturz erfolgt ist? 1aBei dieser Stipulation wird auch der Name der Erben, oder Nachfolger, und Derjenigen, welchen die Sache gehört, beigesetzt: unter diesen Worten sind aber nicht nur die Nachfolger in das Gesammtvermögen, sondern auch Jene begriffen, welche blos in das Eigenthumsrecht der Sache nachfolgen. 2Dafür aber, dass durch Schadhaftigkeit des Hauses, des Platzes, oder Werkes kein Schaden verursacht werde, wird eine Stipulation ohne Bürgschaft eingegangen, die nicht blos auf das ganze Haus, sondern auch auf jeden Theil des Hauses Bezug hat. Unter Schadhaftigkeit des Hauses und Platzes aber, sagt Labeo, ist zu verstehen, was diese durch äussere Veranlassung weniger haltbar macht; daher fällt es Niemandem ein, dass wegen eines sumpfigen oder sandigen, als eines schadhaften Platzes, die Stipulation verfalle: weil dies ein natürlicher Fehler ist, und deshalb weder eine Stipulation dafür getroffen wird, noch, wenn dies geschehen ist, die Stipulation verfallen wird. 3Umfasst diese Stipulation blos jenen Schaden, der widerrechtlich veranlasst wird, oder allen Schaden, der durch äussere Veranlassung eintritt? Labeo wenigstens schreibt, es könne wegen solchen Schadens keine Klage erhoben werden, der etwa durch Erdbeben, oder durch die Gewalt eines Stromes, oder einen andern Zufall eingetreten sei. 4Auch Servius ist der Meinung, dass, wenn durch den Wind Dachziegel vom Hause des Versprechers heruntergeworfen worden und dem Nachbar Schaden verursacht haben, derselbe alsdann zu haften habe, wenn es durch Schadhaftigkeit des Gebäudes geschehen ist, nicht aber, wenn durch die Gewalt der Winde, oder auf eine andere Weise, die übermenschliche Kraft hat. Labeo fügt auch den Grund bei: wollte man diese Ausnahme nicht zulassen, so würde es unbillig sein; denn welches Gebäude ist so fest, dass es der Macht eines Stromes, oder des Meeres, oder des Sturmes, oder des Einsturzes, oder einer Feuersbrunst, oder eines Erdbebens widerstehen könnte? 5Derselbe Servius ist der Meinung, wenn die Gewalt des Wassers das Haus [des Versprechers] umgerissen habe, und hierauf das Gebäude des Stipulirenden eingefallen sei, so werde derselbe durch die Stipulation nichts bezwecken: weil dieses weder durch Schadhaftigkeit des Werks, noch des Platzes veranlasst worden sei. Wenn aber das Wasser das Fundament untergraben hat, und das Gebäude auf diese Weise eingestürzt ist, so verfalle, sagt er, die Stipulation: denn es sei ein grosser Unterschied, ob, was sonst fest gewesen, sogleich durch die Macht des Stroms eingefallen, oder ob es zuvor schadhaft gewesen, und später in diesem Zustande zusammengestürzt sei; dem schliesst sich auch Labeo an: denn es ist [ebenso] nach dem Aquilinischen Gesetze ein grosser Unterschied, ob Jemand einen gesunden oder kranken Sclaven tödte. 6Obgleich aber die Stipulation verfällt, wenn durch Schadhaftigkeit eines Werks ein Schaden verursacht worden ist, so verfällt sie dennoch nicht, wenn das Werk von Jemandem errichtet worden, den der Versprecher nicht daran verhindern konnte. Allerdings wird dieselbe verfallen, wenn er ihn zu verhindern vermocht. Hat aber Jemand im Namen des Versprechers, oder Dessen, für welchen versprochen worden ist, oder ein Anderer, der verhindert werden konnte, [das Werk] errichtet, so wird die Stipulation verfallen. 7Ferner, wenn wegen eines Backofens wegen drohenden Schadens Sicherheit geleistet, und hierauf durch Verschulden des Bäckers ein Schaden verursacht worden ist, so erachten die Meisten, dass solcher nicht in dieser Stipulation einbegriffen sei. 8Auch Cassius schreibt, hinsichtlich eines solchen Schadens, dem durch keine Macht hätte begegnet werden können, begründe die Stipulation keine Verbindlichkeit. 9Auf gleiche Weise findet sich bei Vivianus erörtert, wenn Bäume, die auf dem Acker meines Nachbarn durch die Gewalt des Sturmes entwurzelt wurden, auf meinen Acker gefallen sind und dadurch meinen Weinstöcken oder Saaten Schaden zufügen, oder meine Gebäude niederreissen, so fruchte jene Stipulation nichts, welche die Bestimmung enthalte: Wenn durch Schadhaftigkeit der Bäume oder des Platzes ein Schaden sich ereignen sollte: weil nicht durch Schadhaftigkeit der Bäume, sondern durch die Macht der Winde, mir ein Schaden verursacht worden ist. Wenn solches aber durch das Alter der Bäume veranlasst worden, so können wir behaupten, dass mir durch Schadhaftigkeit der Bäume ein Schaden zugegangen ist. 10Derselbe sagt: Wenn ich Dir wegen meines Hauses für drohenden Schaden Sicherheit geleistet habe, hierauf dieses Haus durch die Gewalt des Sturmes auf Deine Gebäude gefallen ist und dieselben zerstört hat, so brauche nichts aus jener Stipulation geleistet zu werden, weil Dir kein Schaden durch Baufälligkeit meines Hauses entstanden ist, wenn nicht etwa mein Haus so schadhaft gewesen, dass es bei jedem, selbst dem geringsten Sturm zusammengestürzt ist. Dies ist Alles richtig. 11Aber auch Labeo’s Meinung ist richtig, es komme darauf an, ob das Gebäude durch den Andrang des Stroms zusammengestürzt, oder ob solches vorher sich schon in schlechtem Zustand befunden und hernach eingefallen sei. 12Ferner wollen wir untersuchen, wenn eher Schadenzufügung anzunehmen sei: denn diese Stipulation umfasst den Schaden, der durch Schadhaftigkeit eines Hauses, eines Platzes, oder Werkes verursacht wird. Z. B. ich grabe in meinem Hause einen Brunnen, durch welchen Deinem Brunnen die Quelle abgeschnitten wird: kann ich belangt werden? Trebatius sagt, ich könne nicht [aus der Stipulation] wegen drohenden Schadens belangt werden; denn es werde in einem solchen Falle, wo ich mich meines Rechts bedient habe, nicht angenommen, dass Dir durch Schadhaftigkeit meines Werkes ein Schaden veranlasst worden sei. Wenn ich jedoch auf meinem Eigenthum so tief grabe, dass Deine Wand einstürzen muss, so wird die Stipulation wegen drohenden Schadens verfallen.
Ulp. lib. LXXXI. ad Ed. Proculus sagt, wenn Jemand, vermöge seines Rechts, etwas auf seinem Eigenthume unternehme, so könne derselbe, obgleich er dem Nachbar wegen drohenden Schadens Sicherheit geleistet, dennoch aus jener Stipulation nicht belangt werden: wie wenn Du ein Gebäude neben meinem Gebäude besitzest und dasselbe, in Gemässheit des Dir zustehenden Rechts, höher bauest: oder wenn Du auf Deinem benachbarten Acker durch einen unterirdischen Gang oder einen Graben mein Wasser ableitest: denn obgleich Du mir hier das Wasser entziehst, dort die Hellung verbaust, so stehe mir dennoch keine Klage aus jener Stipulation zu: weil Derjenige, welcher nur jenen Vortheil, den er bisher genossen, verliert, nicht so zu betrachten ist, als erleide er einen Schaden: und es sei ein grosser Unterschied, ob Jemand einen Schaden erleidet, oder einen seither gehabten Vortheil verliert: die Meinung des Proculus scheint mir die richtige.
Ulp. lib. LXXXI. ad Ed. Bei dieser Stipulation kommt das Interesse11Quanti ea res est ist hier gleichbedeutend mit quanti interest. Conf. l. 37. h. t. Brisson. de V. S. voce: „Quanti.“ in Anschlag. Deshalb schreibt auch Cassius, Derjenige, welcher wegen drohenden Schadens stipulirt habe, könne, wenn er aus Furcht vor dem Einsturze jene Gebäude, um deren willen er sich Sicherheit leisten liess, gestützt habe, die hierfür bestrittenen Kosten mit der Klage aus der Stipulation ersetzt verlangen. Dasselbe sei auch Rechtens, wenn Derjenige, welcher sich wegen der Baufälligkeit einer gemeinschaftlichen Wand wegen drohenden Schadens Sicherheit leisten liess, seine Gebäude gestützt habe, um die auf der Wand ruhenden Lasten zu erleichtern. Eben so verhält es sich mit dem durch den Auszug der Miethleute herbeigeführten Nachtheil, wenn er aus gegründeter Furcht erfolgt ist. Aristo aber bemerkt sehr gut, gleichwie Cassius hier fordere, dass die Veranlassung zum Auszuge in gegründeter Furcht gelegen haben müsse, ebenso hätte er auch hinsichtlich Desjenigen, der die Gebäude gestützt habe, sagen sollen, wenn derselbe aus gegründeter Furcht vor dem Einsturze zum Stützen genöthigt worden sei.
Ulp. lib. LXXXI. ad Ed. Die Stipulation wegen drohenden Schadens erstreckt sich auch auf den Fall, wenn mir durch Schadhaftigkeit eines Werks, das zum Behufe einer Wasserleitung auf meinem Landgute errichtet wird, ein Schaden widerfährt: auf fremdem Eigenthum aber pflegt ein Werk errichtet zu werden, wenn Jemand in Folge einer Dienstbarkeit, die er auf ein fremdes Grundstück erworben hat, ein Werk auf dem fremden Eigenthum aufführt. 1Ob derselbe aber wegen dieses Werkes Sicherheit durch ein blosses Versprechen, oder durch Bürgschaft leisten müsse, wollen wir nun untersuchen. Entscheidend scheint zwar, dass er auf fremdem Eigenthume baut: wer aber für fremdes Eigenthum Sicherheit leistet, muss durch Bürgschaft, wer für sein Eigenthum, durch ein blosses Versprechen Sicherheit bestellen. Deshalb meinte Labeo, Derjenige, welcher, um eine Wasserleitung oder einen Wassergang anzulegen, ein Werk errichte, müsse Bürgschaft stellen, weil er solches auf fremdem Eigenthume thue. Da aber wegen des Werkes, das er unternimmt, eine Stipulation verlangt wird, so wird es folgerecht sein zu sagen, dass ein blosses Versprechen hinreiche: denn er leistet gewissermassen wegen seiner eigenen Sache Sicherheit. 2Was von der Wasserleitung gesagt worden, ist beispielsweise angeführt: übrigens wird die Stipulation auf alle Werke auszudehnen sein.
Ulp. lib. LXXXI. ad Ed. Wenn ein Unmündiger anwesend ist, aber keinen Vormund hat, so ist er als abwesend zu behandeln.