Ad edictum praetoris libri
Ex libro VIII
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Mit dem Schandfleck wird [die] bezeichnet, welche durch Chicane im Namen ihres noch ungebornen Kindes in [Nachlass-] Besitz gesetzt worden ist, indem sie versichert, sie sei schwanger,
Ulp. lib. VIII. ad Ed. es musste nämlich die bestraft werden, welche den Prätor hinterging. Aber eine solche nur wird mit dem Schandfleck bezeichnet, welche dies thut, da sie frei über sich verfügen konnte (quum suae potestatis esset).
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Eine andere wird aber nicht mit dem Schandfleck bezeichnet, als die, über welche erkannt ist, sie sei aus Chicane in den Besitz gesetzt gewesen. Und das wird auch beim Vater beobachtet, welcher aus Chicane geduldet hat, dass seine Tochter, die er in seiner Gewalt hatte, in den [Nachlass-] Besitz im Namen ihres noch ungebornen Kindes gesetzt wurde.
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Die Eltern und Kinder beiderlei Geschlechts, nicht weniger auch die übrigen Verwandten vom Vater oder der Mutter her sind nach Maassgabe der Liebe und nach dem Gemüthszustand (animi sui patientiam), so wie es nun ein Jeder will, zu betrauern; wer sie aber nicht betrauert hat, wird mit dem Schandfleck der Infamie nicht bezeichnet.
Idem lib. VIII. ad Ed. Ein Haussohn kann auch zur Anstellung einer Klage einen Geschäftsbesorger bestellt, wenn eine Klage vorliegen sollte, mit der er selbst rechtlich verfahren kann, nicht blos, wenn er ein bei Gelegenheit des Kriegsdienstes erworbenes Sondergut haben sollte, sondern auch ein jeder Haussohn, z. B. der eine Ehrenkränkung erlitten hat, wird zur Anstellung der Injurienklage [einen Geschäftsbesorger] bestellen, wenn etwa weder der Vater gegenwärtig ist, noch der Geschäftsbesorger des Vaters rechtlich verfahren will; und es wird [dann] dem Recht gemäss vom Haussohn selbst der Geschäftsbesorger bestellt sein. Noch mehr, Julianus schreibt, dass auch, wenn einem Vater, der Haussohn sei, in der Person (per) seines mit ihm in derselben Gewalt des [Grossvaters] befindlichen Sohnes eine Ehrenkränkung zugefügt werde, auch der Grossvater nicht gegenwärtig sei, der Vater einen Geschäftsbesorger bestellen könne, um die Ehrenkränkung zu rächen, welche der Enkel des Abwesenden erlitten habe. Auch zur Vertheidigung wird ein Haussohn einen Geschäftsbesorger zur Anstellung der Injurienklage bestellen können; denn dass sie zur Einforderung des Heirathsguts einen Geschäftsbesorger mit dem Vater zusammen bestellt, schreibt Valerius Severus, sei überflüssig, da es hinreiche, dass ihn der Vater nach dem Willen der Tochter bestelle. Doch glaube ich, dass, wenn etwa der Vater abwesend, oder von verdächtigem Lebenswandel sein sollte, in welchem Fall der Tochter die Klage wegen des Heirathsguts zuzustehen pflegt, sie den Geschäftsbesorger bestellen könne. Auch der Sohn selbst wird zum Geschäftsbesorger bestellt werden können, sowohl zur Anstellung einer Klage als zur Vertheidigung. 1Wider Willen pflegt ein Geschäftsbesorger nicht bestellt zu werden; als wider Willen [bestellt] müssen wir nicht blos den ansehen, der widerspricht, sondern auch den, von dem nicht bewiesen ist, dass er eingewilligt habe. 2Ausgediente Soldaten können Geschäftsbesorger werden. [Dienstthuende] Soldaten aber können nicht einmal, wenn der Gegner es wollte, zu Geschäftsbesorgern bestellt werden, wenn dies nicht zur Zeit, wo der Streit eingeleitet wurde, durch irgend einen Zufall übersehen worden ist; mit Ausnahme dessen, der zu seinem eigenen Besten zum Geschäftsbesorger bestellt worden ist, oder der den gemeinschaftlichen Process seiner ganzen Abtheilung führt oder übernimmt; denn diesen ist eine solche Geschäftsbesorgung gestattet worden. 3Einen zur Uebernahme eines Streites bestellten Geschäftsbesorger, für welchen, da er einwilligte, der Herr angelobt hat, dass das Erkannte geleistet werde, werde ich zwingen, sich in den Process einzulassen, sagt der Prätor. Jedoch aus Gründen (causa) wird er nicht genöthigt werden dürfen; z. B. es sind Todfeindschaften zwischen dem Geschäftsbesorger selbst und dem Herrn entstanden; [dann] schreibt Julianus, müsse die [Anstellung der] Klage gegen den Geschäftsbesorger versagt werden. Ingleichen wenn dem Geschäftsbesorger eine Würde zugefallen, oder er künftig von Staatswegen abwesend sein sollte,
Ulp. lib. VIII. ad Ed. oder wenn eine unvermuthet angefallene Erbschaft ihn beschäftigen sollte, oder aus einem andern gerechten Grund. Noch mehr, auch wenn er einen anwesenden Herrn haben sollte, dürfe er nicht genöthigt werden,
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Doch dies ist weder ohne Unterschied zuzulassen, noch streng zu versagen, sondern vom Prätor nach Untersuchung der Sache zu bestimmen.
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Wenn der Herr vor Einleitung des Stretis gestorben sein sollte, nachdem er die Stipulation (Sicherheit), dass das Erkannte geleistet werden, für seinen Geschäftsbesorger bestellt hatte, so ist der Geschäftsbesorger zu Einlassung in den Process zu nöthigen, so jedoch, wenn dies der Herr mit Wissen und ohne Widerspruch des Geschäftsbesorger gethan hat. Wenn aber anders zu Werke gegangen ist, so ist es zwar ziemlich unbillig (incivile), dass der nichts davon wissende Geschäftsbesorger gehalten sei, es verfällt aber wegen nicht vertheidigter Sache die Clausel der Stipulation11Es hatte nämlich die Sicherheitsbestellung, dass der Gegenstand der richterlichen Verurtheilung (das Erkannte) geleistet werde (judicatum solvi stipulatio) einen dreifachen Inhalt oder drei Clauseln: de re judicata oder de judicatio solvendo, wegen Leistung dessen, worein der Richter verutheilen würde, de re defendenda, wegen gehöriger Vertheidigung der Sache, und de dolo malo, wegen Abwesenheit der bösen Absicht. S. L. 6. D. judicatum solvi. 46. 7.. 1Wer zu einem Theilungsprocess zur Anstellung der Klage bestellt ist, wird auch zugleich so angesehen werden, als sei er zum Vertheidiger bestellt, so dass eine doppelte Sicherheit zu geben ist.
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Wenn Bürger eines Municipiums22Municipien waren Städte in Italien, denen das Römische Bürgerrecht geschenkt war, die jedoch ihre eigene Verfassung hatten, und nur bei freiwilliger Unterwerfung unter die Römischen Gesetze an diese gebunden waren. oder irgend eine Gemeinheit einen Vertreter zur Anstellung einer Klage bestellen sollte, so wird man nicht sagen dürfen, er werde so angesehen, gleichsam als sei er von Mehrern bestellt; denn er tritt für die Stadt oder die Gemeinheit ein, nicht für die Einzelnen.
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Das, sagt Pomponius sei zu bemerken, dass auch des Vaters Stimme dem Sohne, und [die] des Sohnes dem Vater nützen wird;
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Insgemein wird angenommen, dass ein Anderer, als der Herr des Streites, den Würderungseid nicht schwören dürfe; sonach sagt Papinianus, dass ein Anderer nicht schwören könne, als der, welcher den Streit auf seinen Namen eingeleitet hat.
Ulp. lib. VIII. ad Ed. Man kann seinen Schuldner durch eine Schrift, oder durch einen Wink delegiren33Hier wird der Ausdruck delegare in einem etwas uneigentlichen Sinne blos auf die Handlung des delegans bezogen. S. Keller a. a. O. S. 91. Anm. 6., wenn man nicht sprechen kann.