Ad edictum praetoris libri
Ex libro LXXIV
Ulp. lib. LXXIV. ad Edictum. Wir erheischen nicht, dass sich der Beklagte vor Gericht stelle, wenn das Geschäft, weshalb er sich vor Gericht zu stellen versprochen, durch Vergleich beseitigt worden; aber dies nur unter der Bedingung, wenn früher das Geschäft beseitigt worden, als er sich vor Gericht stellen konnte. Uebrigens wenn erst nachher der Vergleich abgeschlossen worden, muss die Einrede des bösen Vorsatzes vorgeschützt werden. Denn wer bekümmert sich nach Vergleich über das Geschäft um die versprochene Strafsumme, da man ja annehmen kann, dass schon die Einrede des geschlossenen Vergleichs schade, als ob man nämlich zugleich auch über die Strafsumme sich verglichen habe, es müsste denn das Gegentheil von den Parteien besonders ausgemacht worden sein. 1Wenn Jemand durch ein Amt, welches ihm als Bürger einer Municipalstadt zukommt, ohne eigne böse Absicht verhindert, sich seinem Versprechen gemäss nicht vor Gericht gestellt hat, so scheint es am billigsten, ihm eine Einrede zu gestatten. 2Auf ähnliche Weise wird dem, welcher zu Ablegung eines Zeugnisses gerufen, nicht beim Gerichte gegenwärtig sein konnte, geholfen werden müssen. 3Wenn Jemand versprochen, sich vor Gericht zu stellen, und durch Krankheit oder schlechtes Wetter oder Gewalt des Flusses verhindert, sich nicht stellen kann, so wird er mit einer Einrede unterstützt; und nicht mit Unrecht. Denn da bei einem solchen Versprechen die Gegenwart nothwendig ist, wie hätte der sich stellen können, der durch Krankheit verhindert worden? Und deshalb sagt auch das Gesetz der zwölf Tafeln, dass, wenn der Richter oder die eine von den streitenden Parteien durch gefährliche Krankheit verhindert werde, der gerichtliche Termin aufgehoben sein solle. 4Wenn sich eine Frau nicht wegen Krankheit, sondern weil sie schwanger war, nicht gestellt hat, so sagt Labeo, dass ihr eine Exception gegeben werden müsse; wenn sie nach der Niederkunft sich gelegt hat, so ist es so zu nehmen, als wäre sie durch Krankheit verhindert worden. 5Dasselbe findet Statt, wenn Jemand wahnsinnig zu sein angefangen hat. Denn wer durch Wahnsinn verhindert wird, wird durch Krankheit verhindert. 6Was wir gesagt haben, dass man auch dem Hülfe gewähre, der durch schlechtes Wetter oder Gewalt des Flusses verhindert, nicht gekommen sei, anbelangend, so müssen wir schlechtes Wetter von dem zu Lande oder zur See verstehen, welches von der Art ist, dass es Landreisen oder der Schifffahrt hinderlich sei. 7Unter Gewalt des Flusses muss man aber auch schlechtes Wetter verstehen; wir nehmen an, dass sie vorhanden, auch wenn des Flusses Grösse hinderlich ist, sei es, dass die Brücke zerstört sei, oder das Schiff mit fortgerissen worden. 8Wenn Einer jedoch schlechtes Wetter oder Gewalt des Flusses hätte vermeiden können, wenn er früher fortgereist wäre, oder sich zu einer bequemern Zeit eingeschifft hätte, und sich so selbst in die Enge getrieben, soll ihm dann wohl die Einrede nichts helfen? Darüber nun muss nach vorläufiger Untersuchung der Sache geurtheilt werden: denn man darf ihn wohl nicht so einengen, dass ihm gesagt werden könne, warum er nicht lange vorher gereist sei, als er Tag des Versprechens gekommen; und ihm ebenfalls nicht erlauben, die Schuld auf schlechtes Wetter und Gewalt des Flusses zu schieben, wenn Grund vorhanden ist, es ihm auf seine Rechnung zu setzen. Denn wie, wenn Jemand, welcher zu Rom war, zur Zeit, wo das Versprechen sich zu stellen, abgelegt worden, in Rom war, und nachher, ohne dass es die Nothwendigkeit erheischte, nur des Vergnügens halber sich in eine Municipalstadt begab: ist der nicht unwürdig, dass die Einrede für ihn spreche? Oder wie, wenn schlecht Wetter zu Wasser war, und er zu Lande kommen oder die Gewalt des Flusses umgehen konnte? Man muss sagen, dass ihm nicht immer die Einrede helfe, es müsste denn sein, dass die Engpässe ihn nicht zu Lande reisen oder den Fluss umgehen liessen. Wenn jedoch der Fluss so ausgetreten ist, dass er den ganzen Ort, wo er sich stellen sollte, anfüllt, oder irgend ein zufälliges Unglück denselben Ort zerstört hat, oder dem Kommenden es gefährlich gemacht, sich zu nähern, so muss ihm hier aus Milde und Billigkeit die Einrede verstattet werden. 9Auf ähnliche Weise wird die Einrede dem gestattet, welcher, als er vor Gericht kommen wollte, von der Obrigkeit zurückgehalten worden ist, und zwar ohne seinen eigenen bösen Vorsatz; denn wenn er sich selbst darum bemüht oder die Ursache dazu an die Hand gegeben hat, wird ihm die Einrede nichts helfen, sondern sein böser Vorsatz ihm Schaden bringen; nicht aber der der übrigen, die in demselben so gehandelt haben, dass er zurückgehalten wurde. Aber wenn ein Privatmann ihn abgehalten hat, wird ihm diese Einrede nicht zu Statten kommen,
Ulp. lib. LXXIV. ad Edict. Aber auch wenn Jemand, weil er vorher zu hoher Strafe (res capitalis) verurtheilt worden, sich vor Gericht nicht stellen konnte, so wird diesem mit Recht verziehen. Zu hoher Strafe verurtheilt muss man von dem verstehen, welcher mit dem Tode oder mit Verbannung bestraft worden ist. Es möchte Jemand sagen: wozu also diese Ausflucht für den Verurtheilten? Aber man wird antworten, dass sie seinen Bürgen nothwendig sei, oder wenn er vielleicht ohne Verlust des Bürgerrechts in die Verbannung sich begeben hat, in welchem Falle seinem Vertheidiger vor Gericht diese Einrede helfen wird. 1Das muss man wissen, dass der, welcher sich deshalb nicht gestellt hat, weil er nur eines mit hoher Strafe belegten Verbrechens angeklagt worden, sich in den Umständen befinde, dass er von der Einrede keinen Gebrauch machen kann; denn nur dem Verurtheilten wird sie gestattet. Allerdings, wenn er durch Bande oder militärische Bewachung verhindert, sich deshalb nicht gestellt hat, wird er in den Umständen sein, dass er von der Einrede Gebrauch machen kann. 2Ausserdem wenn Jemand, durch einen sein Haus betreffenden Todesfall verhindert, nicht gekommen ist, so muss ihm die Einrede verstattet werden. 3Ebenfalls wenn er in der Sclaverei der Feinde war, und deshalb sich vor Gericht nicht gestellt, muss er mit der Einrede unterstützt werden. 4Man hat die Frage aufgeworfen, ob man darüber übereinkommen könne, dass im Fall der Verletzung des Versprechens, sich vor Gericht zu stellen, gar keine Einrede entgegengesetzt werde? Und Atilicinus sagt, dass diese Uebereinkunft nicht von Kraft sei. Aber ich glaube doch, dass diese Uebereinkunft unter der Bedingung von Kraft sei, wenn die Gründe der Einrede besonders angegeben werden, welchen der versprechende Theil freiwillig entsagt hat. 5Ebenfalls fragt es sich, ob, wenn Jemand ohne für das sich vor Gerichtstellen Sicherheit machen zu müssen, unter Stellung von Sicherheit versprochen hat, seinen Bürgen die Einrede gestattet werde? Ich glaube, es sei ein Unterschied, ob er aus Irrthum oder Uebereinkunft, unter Stellung von Sicherheit, das Versprechen geleistet. Wenn aus Irrthum, so müsse wohl seinen Bürgen die Einrede verstattet werden; wenn aus Uebereinkunft, gar nicht. Denn auch Julian schreibt, dass, wenn Jemand des vor Gericht sich Stellens halber mehr als bestimmt ist, aus Unwissenheit versprochen habe, ihm die Einrede zu gestatten sei, wenn aber aus Uebereinkunft das Versprechen auf eine so hohe Summe geleistet worden, so sagt Julian, dass die Einrede durch die Gegenrede der getroffenen Uebereinkunft entkräftet werden müsse.
Idem lib. LXXXIV. ad Edict. Vergleich kann man aber nicht allein davon verstehen, wenn eine Aquilianische Stipulation, sondern auch davon, wenn ein Vertrag errichtet worden ist.
Idem lib. LXXIV. ad Ed. Wer einen Geschäftsbesorger bestellt, damit [dieser] auf der Stelle klage, der ist so anzusehen, als erlaube er dem Geschäftsbesorger, auch nachher den Streit durchzuführen. 1Wenn Jemand die Einrede wegen des Geschäftsbesorgers [vorzuschützen] unterlassen hat, so wird er sie nicht aus Reue [später noch] entgegenstellen können.
Ulp. lib. LXXIV. ad Ed. Wenn sich der verkaufte Sclav in einem solchen Zustand befindet, dass er auf Nöthigung zurückgenommen werden muss, so ist es unbillig, dass der Verkäufer den Preis für die auf Nöthigung zurückzunehmende Sache erlange11Hat also der Käufer einer dem Edict zuwider verkauften Sache den Preis noch nicht bezahlt, so kann er sich gegen den Verkäufer, der auf Zahlung dringt, mit der Einrede schützen: dass er den Verkäufer zur Zurücknahme der Sache nöthigen wolle.. 1Wenn Jemand zwei Menschen für einen einzigen Preis gekauft haben wird und der eine sich in einem solchen Zustand befindet, dass zur Zurücknahme [desselben] genöthigt wird, sodann [von dem Verkäufer] der ganze Preis gefordert werden sollte, so wird eine Einrede entgegenzustellen sein; wenn jedoch ein Theil des Preises gefordert werden sollte, so wird man vielmehr sagen, dass die Einrede [dem Verkäufer] nicht schade, wenn nicht etwa ein solches Verhältniss vorhanden sein sollte, in welchem wegen des Fehlers des einen beide Sclaven auf Nöthigung zurückzunehmen sind.
Idem lib. LXXIV. ad Ed. Wenn mit einem, der noch Vormund ist, oder gegen die, welche für ihn [als Bürgen] eingetreten sind, aus der Stipulation geklagt werden sollte, so wird der Zweifel Statt finden, ob, weil nicht mit der Vormundschaft[sklage] geklagt werden kann, auch nicht aus der Stipulation geklagt werden könne; und die Meisten glauben, dass auch diese Klage wegen desselben Billigkeitsgrundes zu verschieben sei. 1Gegen den Curator eines Mündels oder eines Minderjährigen wird geklagt werden können, auch wenn die Curatel noch immer fortdauern sollte.
Idem lib. LXXIV. ad Ed. EXCEPTIO (Ausnahme) heisst eigentlich gewissermaassen eine Ausschliessung, die einer Klage auf irgend einen Gegenstand entgegengesetzt zu werden pflegt, um Dasjenige auszuschliessen, was Gegenstand der klägerischen Foderung und der Verurtheilung22Condemnatio. Die neuere Glosse will, wohl unfehlbar ganz falsch, die Klagebitte hier verstehen — Mir scheinen die Einreden hier mitgemeint zu sein, welche post sententiam vorgeschützt werden können. ist. 1Repliken sind auch nichts Anderes als Einreden und kommen von Seiten des Klägers, und sind zu dem Ende nothwendig, um die Einreden auszuschliessen, denn die Replik wird stets zu dem Ende vorgeschützt, um die Einrede zu bekämpfen. 2Das ist jedoch festzuhalten, dass jede Einrede oder Replik ausschliessend ist; die Einrede schliesst den Kläger aus, die Replik den Beklagten. 3Es pflegt aber auch wider die Replik eine Duplik und wider letztere eine Triplik, und wiederum gegen diese eine Quadruplik ertheilt zu werden, und so werden ferner die Namen [der Zahl nach] vervielfacht, je nachdem sie der Beklagte oder Kläger vorschützt. 4Einige Einreden sind aufschiebende, andere zerstörliche; eine aufschiebende Einrede ist diejenige, welche die Klage aufschiebt, z. B. die den Geschäftsbesorger angehende, denn wer da behauptet, es sei Jemandem nicht gestattet, als Geschäftsbesorger zu handeln, der stellt nicht geradezu den ganzen Streit in Abrede, sondern er will sich nur mit einer gewissen Person nicht einlassen.
Ad Dig. 44,2,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 130, Note 2.Idem lib. LXXIV. ad Ed. Wegen desselben Gegenstandes scheint auch Derjenige zu klagen, der nicht dieselbe Klage erhebt, deren er sich zuerst bediente, sondern auch wenn einer andern, jedoch in derselben Angelegenheit. So z. B. klagt Derjenige über denselben Gegenstand, der im Begriff steht, die Auftragsklage zu erheben, und dem sein Gegner versprochen, sich vor Gericht zu stellen, wenn er wegen desselben Gegenstandes die Geschäftsführungsklage erheben, oder eine Condiction anstellen will. Der Begriff wird richtig so bestimmt werden, dass nur Derjenige nicht über denselben Gegenstand Klage erhebe, wer einen Gegenstand nicht selbst [von Neuem] rechtlich in Anspruch nimmt; wenn übrigens Jemand eine Klage verändert, und dann fortstreitet, vorausgesetzt, dass es denselben Gegenstand betrifft, wenn auch in einer verschiedenen Art der Klage von der, welche er [zuerst] angestellt hatte, so scheint er über denselben Gegenstand zu klagen.
Ulp. lib. LXXIV. ad Ed. Da sehr oft über die zur Rechtsverfolgung geeigneten Tage Frage erhoben wird, so wollen wir untersuchen, was es heisse, die Fähigkeit zur Rechtsverfolgung haben. Vor allen Dingen ist ein Haupterforderniss, die Möglichkeit, Klage zu erheben; denn es ist nicht hinreichend für den Beklagten, die Möglichkeit darzubieten, ihn in Anspruch zu nehmen, oder Jemanden zu haben, der einen geeigneten Vertheidiger abgiebt, wenn nicht auch der Kläger durch keine genügende Ursache an der Klagenerhebung gehindert wird. Wenn er sich daher in feindlicher Gewalt, oder in Staatsgeschäften abwesend, oder im Gefangniss befindet, oder durch ein Unwetter an einem Orte, oder in einer Gegend festgehalten wird, sodass er weder selbst ein Recht verfolgen, noch Jemandem dazu Auftrag ertheilen kann, so hat er keine Fähigkeit zur Rechtsverfolgung. Wer freilich nur durch Krankheit verhindert wird, sodass er Auftrag ertheilen kann, der befindet sich in einer solchen Lage, dass er allerdings die Fähigkeit zur Rechtsverfolgung besitzt. Das braucht übrigens nicht erwähnt zu werden, dass Der, wem es nicht möglich ist, den Prätor anzugehen, nicht die Fähigkeit der Rechtsverfolgung hat; es werden mithin nur diejenigen Tage gerechnet, an denen der Prätor Recht spricht.
Idem lib. LXXIV. ad Ed. So oft bei Stipulationen zweifelhafte Ausdrücke vorkommen, ist es am angemessensten Das anzunehmen, wonach die Sache, worüber verhandelt wird, am besten bestehen kann.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.