Ad edictum praetoris libri
Ex libro LIX
Idem lib. LIX. ad Ed. Der Prätor sagt: Welcher in der Sache die Gerichtsbarkeit hat. Richtiger hätte er geschrieben: Welchem die Untersuchung (notio) der Sache zusteht; denn der Ausdruck Untersuchung würde auch Die umfassen, die keine Gerichtsbarkeit, aber doch in irgend einer andern Sache die Untersuchung haben. 1Wenn ein Richter Jemanden dahin verurtheilt: Das, was er nach dem Testamente oder Codicill des Mävius besitze, dem Titius zu erstatten: so gilt das eben so viel, als wenn er die Summe, die im Testamente oder Codicill ausgesetzt ist, benannt hätte. Auch wenn das Fideicommiss ohne Schrift11Also mündlich; aber auch durch Zeichen. Fr. 21. de leg. III. (XXXII.) const. 22. de fideicomm. (VI. 42.) ausgesprochen ist, ist dasselbe Rechtens.
Idem lib. LIX. ad Ed. Wer sein Vermögen abgetreten hat, wird, wenn er nachmals Etwas erwirbt, auf so viel, als er zu leisten vermag, belangt22§. ult. I. de act. IV. 6. Ausser, wenn der Bankerott betrüglich war, fr. 51. pr. de re jud. 42. 1.. 1Sabinus und Cassius halten dafür, dass, wer sein Vermögen abgetreten hat, nicht einmal von Andern, denen er schuldig ist33Die ihn aber nicht zur Abtretung gedrängt haben., beunruhigt werden dürfe44Fr. 17. pr. de recept. IV. 8..
Idem lib. LIX. ad Ed. Beim Julian wird die Frage aufgeworfen: wenn der Vater eines Unmündigen eine Sache gemeinschaftlich mit dem Titius gehabt hat, und der Unmündige gegen angestellte Gemeingutstheilungsklage nicht vertreten wird55Nemlich nach Endigung der väterlichen Gewalt durch den Tod des Vaters, und nachdem der Unmündige dessen Erbe geworden ist. S. u. §. 3., auch nichts vorhanden ist66Keine individuelle Sache, als z. B. erhobene und noch in Natur vorhandene Früchte., worauf eine Verurtheilung in Ansehung des Vaters gerichtet werden müsste: ob dann das Vermögen des Vaters zur Gant zu bringen sei, oder wegen Erhaltung der Sache die Besitzeinsetzung in dasselbe verfügt werde? Und Julianus sagt: Wenn der Vater einige Nutzungen gezogen, oder die Sache verschlechtert hat, so kann sein Vermögen vergantet werden; wäre aber kein Grund vorhanden, des Vaters Vermögen zu verganten, so wird in das des Unmündigen die Besitzeinsetzung77Blos zur Erhaltung der Sache, so dass also nicht zur Vergantung geschritten werden kann. S. u. fr. 6. §. 1. h. t. verfügt. Marcellus bemerkt aber: es sei höchst unbillig, dass Einer, der mit dem Unmündigen gar kein Geschäft eingegangen ist, auf dessen Mündigkeit warten sollte. Diese Ansicht hat Grund; daher muss man, da die Verpflichtung von Seiten des Vaters eingegangen ist, sagen, es sei die Mündigkeit des Unmündigen nicht zu erwarten88Sondern sogleich mit der Gant in sein Vermögen zu verfahren; weil die Handlungen des Vaters für seinen Erben, den Unmündigen, verbindlich sind.. 1Dass mit dem Unmündigen ein Vertrag geschlossen sei, kann man auch dann sagen, wenn dies mit seinem Sclaven geschehen ist; denn es findet gegen ihn die Sondergutsklage statt. Daher ist es zu billigen, dass in allen Fällen, in welchen wider den Unmündigen eine Klage stattfindet, dies ebenso gehalten werde. Und noch leichter wird dies gebilligt werden können bei einem Sclaven, der [den Gegenstand des Vertrags] für den Herrn nützlich verwendet, oder auf dessen Befehl contrahirt hat, oder wo die Factorklage zulässig ist. 2Ich halte dafür: auch wenn mit seinem Vormunde contrahirt worden ist, dergestalt, dass daraus eine Klage gegen den Mündel stattfindet, so ist mehr dafür, dass das Edict anwendbar sei, weil gleichsam mit ihm selbst contrahirt worden ist. 3Wenn ein Unmündiger Jemandes Erbe wird, und deshalb Vermächtnisse zu entrichten hat, so ist die Frage, ob dieses Edict anwendbar sei? und es ist mehr dafür, dass, wie Marcellus schreibt, auch in das Vermögen des Unmündigen die Besitzeinsetzung stattfinden könne, und es in der Willkür der Erbschaftsgläubiger beruhe, was sie lieber erwählen wollen: denn indem der Unmündige die Erbschaft angetreten hat, hat er gleichsam contrahirt.
Ulp. lib. LIX. ad Ed. Dieses Alles aber tritt [nur dann] ein, wenn der Unmündige nicht von irgend Jemandem, einem Vormunde oder Curator, vertreten ist; er mag nun einen Vormund haben oder nicht. Ist aber Jemand vorhanden, der ihn zu vertreten bereit ist, so fällt die Besitzeinsetzung wegen Erhaltung der Sache weg99Also um so mehr auch die Vergantung des Nachlasses.. 1Dass der Unmündige nicht vertreten sei, muss gewiss, und der Prätor davon überzeugt sein, um so den Vermögensbesitz zu gestatten. Dies muss aber auf folgende Weise in Gewissheit gesetzt werden: die Vormünder des Unmündigen sind vor den Prätor zu bescheiden, um ihn zu vertreten; hat er keine Vormünder, so ist nach seinen Verwandten und Verschwägerten zu fragen, oder wer sonst vorhanden ist, von dem es wahrscheinlich ist, dass er der Vertretung des Unmündigen oder der Unmündigen sich nicht entbrechen werde, es sei aus Rücksicht auf nahe Verhältnisse, oder aus Liebe, oder aus irgend einer andern Ursache; auch die Freigelassenen, wenn sie dazu tüchtig sind, müssen aufgefordert und zur Vertretung veranlasst werden. Wenn sie aber die Vertretung abschlagen, oder zwar nicht abschlagen, aber schweigen, so ertheilt der Prätor den Besitz; auf so lange nemlich, als der Unmündige unvertreten bleibt. Sobald als für den Unmündigen oder die Unmündige ein Vertreter auftritt, hört der Besitz auf. Dasselbe gilt auch von einem Wahnsinnigen1010S. u. fr. 7. §. 10.. 2Der Prätor sagt: wenn ein solcher Unmündiger zur eignen Mundschaft gelangt, oder eine solche Unmündige mannbar wird, und gebührend vertreten ist (recte defendatur), so werde ich Denjenigen, die sich im Besitz des Vermögens befinden, auferlegen, aus dem Besitz abzutreten. 3Es fragt sich nun, was heisst gebührend vertreten sein? heisst es blos sich finden lassen und zur Antwort auf die Klage bereit sein, oder auch in jeder Beziehung1111Nemlich judicio sisti und judicatum sovi, auch nach Befinden ratam rem haberi. bürgschaftliche Sicherheit leisten? Und zwar ist dieses Edict nicht blos zum Besten Derjenigen, die sich selbst vertreten wollen, gegeben, sondern zum Besten der Sache selbst1212Es mag sie nun vertheidigen, wer da will., und so heisst: „gebührend vertreten“ entweder durch sich selbst oder von irgend Jemand Andern. Tritt aber ein Anderer als Vertreter auf, so ist die bürgschaftliche Sicherheit erforderlich; kommt die Partei selbst, so halte ich die Sicherheitsbestellung nicht für nothwendig. Also kann auf das blosse Erbieten zur Vertretung die Entsetzung aus dem Besitz durch ein Gegen-Interdict (interdicto reddito) verfügt werden.
Ulp. lib. LIX. ad Ed. Fulcinius hält dafür, dass Gläubiger, die wegen Erhaltung einer Sache in Besitz gesetzt sind, nicht aus derselben ihren Unterhalt ziehen dürfen. 1Der Prätor sagt: Wer in betrügerischer Absicht sich versteckt hält (latitirt), zu dessen Vermögen werde ich, wenn er nicht nach unparteiischem Ermessen (boni viri arbitratu) vertreten wird, Besitzeinsetzung und Vergantung verfügen1313S. Savigny Recht des Besitzes §. 23. S. 283. Note 2 d. 5. A. Zimmern Gesch. d. R. Pr. R. Th. III. S. 251.. 2Wenn dieses Edict stattfinden soll, so ist es nicht genug, dass Jemand sich verborgen halte, sondern es muss dies auch in betrügerischer Absicht geschehen. Auch wenn Etwas in betrügerischer Absicht, ohne Verborgenhaltung, geschieht, reicht dies zur Besitzüberlassung und Gantverfügung noch nicht hin; sondern es wird erfordert, dass man in betrüglicher Absicht sich verborgen halte. Und dieser Grund des Besitzes ist sehr häufig; denn gewöhnlicherweise wird das Vermögen Derer, die sich verstecken, in Besitz [der Gläubiger] gegeben. 3Wenn Jemand das Vermögen eines Andern, wegen vermeinten Verstecktseins desselben, in Besitz hat und verkauft, da derselbe doch nicht versteckt war; so ist folgerecht zu behaupten, dass der bewirkte Verkauf ungültig sei. 4Sehen wir nun, was sich versteckt halten heisse. „Sich versteckt halten“ bezeichnet nicht, wie Cicero1414Pro Quinctio c. 19 sq. den Begriff bestimmt, eine schändliche Verbergung seiner selbst; denn es kann Jemand aus einer für ihn nicht schändlichen Ursache sich verborgen halten, z. B. wer die Grausamkeit eines Tyrannen, oder die Gewalt der Feinde, oder Aufstände in seiner Vaterstadt fürchtet. 5Aber auch wer in betrüglicher Absicht sich verbirgt, jedoch nicht seiner Gläubiger wegen, der ist, wenngleich dieses Verborgenhalten die Gläubiger täuscht, doch in solcher Lage, dass sein Vermögen deshalb nicht in Besitz genommen werden kann; weil er nicht in der Absicht sich verbirgt, um die Gläubiger zu täuschen. Denn auf die Absicht des Verborgenen wird gesehen; in welcher Absicht er sich verborgen; ob um die Gläubiger zu betrügen, oder aus einer andern Ursache. 6Wie nun, wenn er zwei oder mehrere Gründe hatte, sich zu verbergen; darunter aber auch den, dass er seine Gläubiger betrügen wollte? ist dann die Gant rechtmässig zu verfügen? Ich halte für richtig, dass, wo mehrere Ursachen des Verborgenhaltens vorliegen, unter welchen die Absicht des Betrugs ist, dies [dem Schuldner] nachtheilig sein müsse und sein Vermögen vergantet werden könne. 7Wie nun, wenn er nur die Absicht hat, sich vor Einigen zu verbergen, vor Andern aber nicht? Was ist dann zu sagen? Pomponius schreibt sehr richtig, man dürfe nicht fordern, dass er vor Allen sich verberge, sondern nur vor Dem, den er durch die Verbergung zu hintergehen und zu betrügen beabsichtigt. Können nun also, wenn Einer verborgen ist, alle [Gläubiger], das heisst, auch diejenigen, vor denen er sich nicht verbirgt, sein Vermögen zur Gant bringen, da er in der That versteckt ist; oder kann es nur derjenige, vor welchem er sich verbirgt? Nun ist es zwar richtig, dass er versteckt ist, und in betrüglicher Absicht versteckt ist, wenngleich er sich nicht vor mir versteckt. Allein Pomponius glaubt, es sei zu untersuchen, ob er vor Allen sich verberge, und nur der könne die Gant auswirken, vor dem er sich verborgen halte. 8Latitiren heisst aber einen längern Zeitraum verborgen sein, sowie factitare öfters thun. 9Das Verborgenhalten (latitatio) erfordert aber so wesentlich die Gesinnung und Absicht des sich Verbergenden, dass man richtig behauptet, einen Wahnsinnigen könne aus diesem Grunde die Vergantung seines Vermögens nicht betreffen; weil Jemand, der nicht bei sich ist, sich nicht [absichtlich] verbergen kann. 10Freilich muss, wenn der Wahnsinnige nicht vertreten wird, ihm ein Curator gegeben werden, oder namentlich der Besitz1515D. h. der blosse Besitz, ohne dass jemals das Recht, zum Verkauf der ganzen Masse zu schreiten, aus diesem Grunde hinzutreten könnte. Cujac. Obs. l. X c. 31. fr. 5. 9. de curat. fur. 27. 10. Cic. pro Quinctio c. 27. an seinem Vermögen verstattet werden. Labeo aber schreibt, wenn kein Curator oder Vertheidiger des Wahnsinnigen vorhanden sei, wie auch wenn der bestellte Curator ihn nicht vertheidige, so müsse dieser abgesetzt werden, und der Prätor einen der Gläubiger zum Curator bestellen, so, dass nicht mehr, als nöthig, vom Vermögen des Wahnsinnigen verkauft werde. Es müsse, sagt Labeo, dabei ebenso verfahren werden, als wenn wegen einer Leibesfrucht der Besitz eingeräumt wird. 11Freilich wird mitunter, nach Erörterung der Sache, mit der Gant zu dem Vermögen eines Wahnsinnigen verfahren werden müssen, wenn es von Schulden bedrängt ist und Aufschub den Gläubigern Schaden bringen würde. Die Vergantung (der Verkauf) ist aber so zu bewirken, dass der Ueberschuss dem Wahnsinnigen erstattet werde1616Nachdem diejenigen Gläubiger, welche ihn drängten, befriedigt sind, sodass auf andere keine Rücksicht genommen wird., weil eines solchen Menschen Zustand und Verhältniss von der Lage eines Unmündigen nicht viel abweicht. Dies ist auch nicht ohne Grund. 12Dasselbe gilt auch von einem Verschwender und Andern, denen Curatoren beigegeben sind; denn man kann von solchen nicht eigentlich sagen, dass sie sich verborgen halten. 13Wohl zu merken ist, dass man in derselben Stadt und doch versteckt, und in einer andern Stadt, gleichwohl aber nicht versteckt sein kann. Denn es fragt sich, ob, wer in einer andern Stadt ist, dort aber öffentlich sich sehen lässt und erscheint, doch als versteckt gelten könne? Und dies ist heut zu Tage angenommenen Rechtens, dass Jeder, er mag nun an diesem oder einem andern Orte oder auswärtig sich aufhalten, als ein sich Verbergender gilt, sobald er vermeidet, einem Gläubiger zu begegnen. Endlich haben auch die Alten begutachtet, dass, wer auf demselben Forum sich befindet, wenn er hinter den Säulen und Buden1717Stationes. Cujac. Obs. l. I. c. 13. will statuas lesen. Siehe aber Sueton. Nero c. 37. sich versteckt, als sich verbergend gelte, und dass Jemand vor dem Einen sich verborgen halten könne, vor dem Andern nicht. Gewiss ist aber, dass Derjenige, vor welchem er sich verbirgt, sein Vermögen zur Gant bringen kann. 14Wenn Einer, der von einer Frist an, oder unter einer Bedingung schuldig ist, sich verborgen hält, so kann, bevor die Frist oder die Bedingung eingetreten ist, die Gant zu seinem Vermögen nicht eröffnet werden. Denn was macht es für einen Unterschied, ob Jemand gar nicht Schuldner ist, oder ob er noch nicht belangt werden kann? Und wenn er nicht Schuldner ist, gilt ja solches auch. Eben das gilt, wenn Einer zwar eine Klage hat, aber so, dass ihr eine Ausflucht entgegensteht. 15Wenn Jemand mit der Sondergutsklage, seines Sohnes oder Sclaven wegen, belangt werden kann, und sich verborgen hält, so ist angenommenen Rechtens, dass zu seinem Vermögen Besitzeinsetzung und Gant verfügt werden kann, wenn auch kein Sondergut vorhanden ist; denn es kann doch ein solches vorhanden sein1818Und darüber hat eben der Vater oder Herr Rechenschaft abzulegen.. Bei der Frage: ob ein solches da ist oder nicht, und ob die Klage, wenngleich keines vorhanden ist, statthabe, sieht man auf die Zeit der rechtskräftigen Verurtheilung. 16Es fragt sich ferner: ob, wenn Jemand wegen einer ihm drohenden dinglichen Klage sich verborgen hält, mit Besitznahme und Vergantung seines Vermögens verfahren werden könne? Wir haben hierüber den Ausspruch des Neratius, welcher dafürhält, dass dies geschehen müsse, und dies enthält auch ein Rescript von Hadrian; es ist daher angenommenen Rechtens. 17Celsus hat aber dem Sextus dahin ein Gutachten ertheilt: Wenn Titius das Grundstück, auf welches ich klagen will, besitzt, aber abwesend und nicht vertreten ist, so halte er für angemessener, dass der Besitz des Grundstücks, als dass der des ganzen Vermögens verstattet werde. Hier ist nur zu bemerken, dass Celsus nicht über einen sich Verbergenden, sondern über einen Abwesenden befragt worden war. 18Derselbe Celsus hält dafür: wenn Der, welchen ich auf Herausgabe einer Erbschaft verklagen will, sich verbirgt, so sei es ganz angemessen, meine Besitzeinsetzung [nur] in diejenigen Gegenstände zu verfügen, die er als Erbe oder ohne Besitztitel (pro possessore) besitzt. Hat er sich aber böslicherweise des Besitzes entäussert, so muss mit Besitznahme und Vergantung seines Vermögens verfahren werden. 19Auch der Kaiser Pius hat in Betreff eines Menschen, der eine Erbschaft besass und sich nicht treffen liess, rescribirt, dass dem Gegner der Besitz der Erbschaftssachen eingeräumt werden solle. In demselben Rescripte hat er auch verordnet, dass Derjenige, welcher, wegen hartnäckigen Ungehorsams des Besitzers der Erbschaft, zu seinem Vortheile in den Besitz des erbschaftlichen Vermögens gesetzt worden ist, auch die Nutzungen davon ziehen solle.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.