Ad edictum praetoris libri
Ex libro LIV
Ulp. lib. LIV. ad Ed. Wenn etwa Jemand, der sich im Zustande der Sclaverei befindet, über seine Lage zu streiten nicht gestattet, weil er vielleicht will, dass ihm und seinem Geschlechte ein Unrecht zugefügt werde, so ist es in diesem Falle billig, dass gewissen Personen die Erlaubniss gegeben werde, für ihn zu streiten, z. B. seinem Vater, welcher behauptete, dass sein Sohn sich in seiner Gewalt befinde; denn auch, wenn der Sohn nicht will, so wird [der Vater doch] für ihn streiten. Aber auch, wenn er in Niemandes Gewalt steht, so wird doch dem Vater dieses Recht gegeben werden, weil immer dem Vater daran gelegen ist, dass sein Sohn die Sclaverei nicht erleide. 1Auch umgekehrt werden wir sagen, dass den Kindern [solcher] Eltern, auch wenn diese es nicht wollen, dieselbe Befugniss gegeben werde; denn es ist ja keine unbedeutende Schande für einen Sohn, wenn er einen Sclaven zum Vater hat. 2Darum hat man angenommen, dass auch den Verwandten das Recht gegeben werden müsse,
Ulp. lib. LIV. ad Ed. Ferner glaube ich, dass auch natürlichen Verwandten eben dieses [Recht] zu gewähren sei, so dass ein Vater seinen in der Sclaverei erzeugten und freigelassenen Sohn in die Freiheit fordern könne. 1Einem Soldaten wird es erlaubt, auch für ihm nahe verwandte Personen für die Freiheit zu streiten. 2Wenn aber sonst Niemand vorhanden ist, welcher für ihn streiten kann, dann ist es nothwendig, dass auch der Mutter, oder den Töchtern, oder den Schwestern desselben, und den übrigen Frauenspersonen, welche zur Verwandtschaft gehören, oder auch seiner Ehefrau die Befugniss gegeben werde, den Prätor anzugehen, und dies anzuzeigen, damit nach Untersuchung der Sache demselben auch wider Willen geholfen werde. 3Aber auch, wenn ich behaupte, dass Jemand mein Freigelassener oder meine Freigelassene sei, wird dasselbe zu sagen sein.
Ulp. lib. LIV. ad Ed. Denn es liegt uns daran, Freigelassene zu haben. 1Wenn aber mehrere von den erwähnten Personen auftreten sollten, welche für solche [Personen] streiten wollen, so muss der Prätor sich ins Mittel legen, um Den zu wählen, welchen er für diesen Zweck für den vorzüglichsten hält. Und dies muss auch bei mehreren Patronen beobachtet werden.
Ulp. lib. LIV. ad Ed. Auch freien Menschen, vorzüglich, wenn sie, älter als zwanzig Jahre, sich haben verkaufen, oder auf irgend eine Weise in die Sclaverei bringen lassen, steht nichts im Wege, dass sie nicht die Freiheit in Anspruch nehmen können, ausser wenn sie sich haben verkaufen lassen, um des Kaufpreises theilhaft zu werden. 1Wer jünger als zwanzig Jahre, sich, um des Kaufpreises theilhaft zu werden, hat verkaufen lassen, dem wird das nach dem zwanzigsten Jahre nichts schaden. Aber wenn er sich zwar vorher verkauft hat, nach dem zwanzigsten Jahre aber des Kaufpreises theilhaft geworden ist, so wird ihm die Freiheit versagt werden können. 2Wenn Jemand wissentlich einen Freien gekauft hat, so wird dem Verkauften die Berufung auf die Freiheit gegen Den, welcher ihn erworben hat, von welchem Alter Der, welcher gekauft worden ist, auch sein möge, nicht versagt, weil Der keiner Nachsicht würdig ist, welcher [einen Freien] gekauft hat, auch wenn der Gekaufte wusste und damit bekannt war, dass er ein Freier sei. Aber wenn nachher ein Anderer ihn von Dem, welcher es gewusst hat, unwissentlich gekauft hat, so muss ihm die Freiheit versagt werden. 3Wenn Zwei zugleich Theile [eines freien Menschen] gekauft haben, der Eine wissentlich, der Andere unwissentlich, so wird zu untersuchen sein, ob Der, welcher es wusste, dem Nichtswissenden nicht schaden dürfe. Und dafür spricht mehr. Aber es wird die Frage Statt finden: wird Der, welcher es nicht gewusst hat, blos einen Theil, oder den ganzen [Menschen] haben? und was soll man von dem anderen Theile sagen? gehört er etwa Dem, welcher es weiss? Aber Der ist unwürdig, Etwas zu haben, welcher wissentlich gekauft hat; auf der andern Seite kann Der, welcher es nicht gewusst hat, keinen grösseren Theil der Herrschaft haben, als er gekauft hat; es tritt also der Fall ein, dass es Dem, welcher ihn wissentlich erworben hat, nützt, dass der Andere es nicht gewusst hat. 4Es giebt auch andere Gründe, aus welchen die Berufung auf die Freiheit versagt wird, z. B. wenn behauptet wird, dass Jemand in Folge eines solchen Testaments frei sei, dessen Eröffnung der Prätor verbietet, weil der Testator von seiner Sclavenfamilie getödtet sein soll; denn da Jener sich in der Lage befindet, dass ihn vielleicht eine Strafe treffen muss, so darf ihm kein rechtliches Verfahren über die Freiheit gestattet werden. Aber auch wenn [die Freiheit] ertheilt worden ist, wird, weil es ungewiss ist, ob er schuldig oder unschuldig sei, das Verfahren über die Freiheit verschoben, bis man über den Tod des Ermordeten Gewissheit hat; dann wird sich nemlich ergeben, ob er mit einer Strafe zu belegen sei, oder nicht. 5Wenn Jemand aus der Sclaverei auf die Freiheit Anspruch erhebt, so hat er die Rolle des Klägers zu übernehmen; wenn er aber aus der Freiheit in die Sclaverei gefordert wird, so hat Der die Rolle des Klägers, welcher behauptet, dass [der Andere] sein Sclave sei. Wenn daher hierüber Ungewissheit herrscht, so wird dies, damit das rechtliche Verfahren seine gehörige Ordnung11Ueber die ordinatio liberalis causae s. Cujac. Observ. XVIII. c. 23. u. Zimmern a. a. O. Bd. 3. §. 66. S. 203. erhalten könne, vorher bei Dem, welcher über die Freiheit erkennen wird, erörtert, ob aus der Freiheit in die Sclaverei, oder umgekehrt geklagt werde. Und wenn sich etwa ergeben haben sollte, dass Der, welcher wegen seiner Freiheit streitet, sich ohne Arglist in der Freiheit befunden habe, so wird Der, welcher behauptet, dass er der Herr [des Andern] sei, die Rolle des Klägers auf sich haben, und nothwendig beweisen müssen, dass [der Andere] sein Sclave sei. Wenn aber erkannt worden ist, dass er zu der Zeit, zu welcher der Rechtsstreit vorbereitet wurde, sich nicht in der Freiheit befunden habe, oder mit Arglist sich darin befunden habe, so muss Der selbst, welcher wegen seiner Freiheit streitet, beweisen, dass er frei sei.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.