Ad edictum praetoris libri
Ex libro IV
Ulp. lib. IV. ad Ed. Denn Umgehung des Gesetzes findet dann Statt, wenn etwas geschieht, was dasselbe nicht gewollt hat, dass es geschehen soll, ohne es aber verboten zu haben; ebenso wie ῥητὸν ἀπὸ διανοίας (die Rede vom Sinn) verschieden ist, so unterscheidet sich die Umgehung vom Entgegenhandeln des Gesetzes.
Ulp. lib. IV. ad Edict. Jeder muss die Klage vorzeigen, die er anstellen will. Denn es scheint sehr billig, dass der, welcher klagen will, die Klage angebe, damit der Beklagte weiss, ob er weichen oder weiter fortstreiten solle, und wenn er fortzustreiten gedenket, vorbereitet zur Verhandlung komme, nachdem er die Klage, welche gegen ihn angestellt wird, erfahren hat. 1Vorzeigen heisst auch, die Erlaubniss zur Abschrift ertheilen, oder in einem schriftlichen Aufsatze umfassen und denselben dem Andern geben oder dictiren. Auch der, sagt Labeo, zeige vor, welcher den Gegner zur weissen Tafel führt und ihm zeigt, was er dictiren werde oder mündlich angiebt, wovon er Gebrauch machen will. 2Die Vorzeigungen müssen ohne Bezeichnung des Tages und Consuls geschehen, damit, wenn Tag und Consul mit angegeben worden, nichts ausgeklügelt und vor dem benannten Tage vollbracht werde. Nur den Tag und den Consul hat der Prätor ausgenommen, an welchem die Zahlung vor sich gehen soll; denn der Zahlungstermin ist eben so, wie die zu zahlende Summe, ein Theil der Stipulation. Jedoch Rechnungen müssen mit Angabe des Tags und Consuls vorgezeigt werden, weil Einnahme und Ausgabe nicht im Klaren sein können, wenn Tag und Consul nicht angegeben worden. 3Vorgezeigt muss alles werden, was man dem Richter selbst vorzeigen will, doch so, dass Niemand gezwungen werde, Urkunden vorzuzeigen, von denen er keinen Gebrauch machen will. 4Wer nicht die ganze Stipulation vorzeigt, scheint gar nicht vorzuzeigen. 5Denen, welche wegen Jugend, schuldloser Unwissenheit oder des Geschlechts [d. i. als weibliche Personen] sich geirrt und nichts vorgezeigt, oder diess aus einer andern gerechten Ursache nicht gethan haben, wird Schonung ertheilt werden.
Ulp. lib. IV. ad Edict. Der Prätor sagt: die, welche einem Geldhändlertische vorstehen, sollen Rechnungen denen, welche sie betreffen, mit Angabe des Tages und des Consuls vorzeigen. 1Der Grund zur Aufstellung dieses Edicts ist sehr billig: denn da die Geldhändler (argentarii) die Rechnungen einzelner Individuen führen, so war es billig, dass die Urkunde, welche er meinetwegen ausgestellt, als mir gewissermaassen zugehörig ausgeantwortet werde. 2Aber auch ein Haussohn wird unter diesen Worten begriffen, so dass auch er selbst gezwungen werden kann, die Rechnungen vorzuzeigen; ob auch der Vater, ist die Frage. Labeo schreibt, dass der Vater nicht gezwungen werden dürfe, es müsste denn der Geldhandel mit seinem Wissen geführt werden: aber Sabinus hat mir Recht geantwortet, dies sei dann zuzulassen, wenn der aus dem Gelde gezogene Gewinn dem Vater gehöre. 3Aber wenn ein Sclave den Geldhandel betreibt — denn das kann er — so müsse, im Falle er dies mit Willen des Herrn gethan, dieser zum Vorzeigen gezwungen werden, und man müsse eben so gegen ihn die Klage gestatten, als ob er selbst den Handel getrieben; hat er es aber ohne Wissen des Herrn gethan, so reiche es hin, wenn der Herr schwöre, die Rechnungen besitze er nicht. Hat der Sclave mit seinem Sondergute den Geldhandel betrieben, so wird der Herr bis auf die Quantität des Sondergutes oder wegen des zu seinem Nutzen verwendeten Geldes verbindlich. Aber wenn der Herr die Rechnungen besitzt und nicht vorzeigt, so wird er für den ganzen Betrag verbindlich. 4Auch der, welcher aufgehört hat, Geldhandel zu treiben, wird zum Vorzeigen gezwungen. 5Man wird gezwungen, nur an dem Orte vorzuzeigen, wo man den Geldhandel getrieben hat, und das ist gesetzlich bestimmt. Hat Jemand die Urkunden für seinen Handel in einer andern Provinz, als wo er das Geschäft selbst geführt, so glaube ich, er müsse zum Vorzeigen an den Orte gezwungen, wo er den Geldhandel getrieben. Denn das ist zuerst seine eigene Schuld gewesen, dass er die Urkunden dazu wo andershin geschafft hat. Doch wenn er an einem andern Orte den Geldhandel betrieb, als wo er zum Vorzeigen angehalten werden wird, so wird er keineswegs dies zu thun gezwungen, du müsstest denn haben wollen, dass er an dem Orte, wo die Sache verhandelt wird, dir eine Abschrift gäbe, und das auf deine Kosten,
Ulp. lib. IV. ad Edict. Wenn einer von den Geldhändlern, so wie es sehr viele von ihnen thun, auf dem Landhause, oder in seiner Niederlage die Rechnungen haben sollte, so wird er dich entweder dahin führen, oder dir die Rechnungen in Abschrift geben. 1Auch die Nachfolger in die Güter des Geldhändlers werden gezwungen werden, die Rechnungen vorzuzeigen. Sind mehrere Erben vorhanden und hat nur Einer die Rechnungen, so wird er allein zum Vorzeigen gezwungen; wenn alle sie besitzen und nur ein Einziger sie vorgezeigt hat, so sind alle zum Vorzeigen zu zwingen. Denn wie, wenn ein armer Schlucker, der wenig Credit hat, sie vorgezeigt, so dass man an der Glaubhaftigkeit, mit der die Vorzeigung geschehen, mit Recht zweifeln könnte. Damit also die Rechnungen verglichen werden können, müssen die Uebrigen entweder sie auch vorzeigen, oder des Einen Angabe unterschreiben. Dasselbe wird Statt finden, wenn es auch mehrere Geldhändler gewesen, von denen die Vorzeigung erheischt wird; denn auch, wenn mehrere Vormünder zusammen eine Vormundschaft verwaltet haben, müssen sie entweder alle die Rechnungen vorzeigen, oder des Einen Angabe unterschreiben. 2Man verlangt aber vom Gegner des Geldhändlers einen Eid, dass er versichere, nicht aus Chicane Vorzeigung der Documente zu verlangen; damit er, um den Geldwechsler zu vexiren, nicht etwa die Vorzeigung entweder überflüssiger Rechnungen, oder solcher, die er selbst hat, verlange. 3Rechnung, sagt Labeo, sie die Aufzeichnung der durch Hin- und Wiedergeben, Einnehmen, Borgen, Sichverbindlichmachen und Bezahlen gemachten Geschäfte; und keine Rechnung fange von der Bezahlung einer Schuld allein an; auch sei man nicht zu zwingen, dass man vorzeige, wenn man eine Pfand oder einen Auftrag erhalten habe: denn das liege ausser dem Kreise der Rechnung. Auch was der Geldhändler zu bezahlen versprochen hat, muss er vorzeigen; denn auch das ist Folge des Geldhandels. 4Aus diesem Edicte steht die klage auf so viel zu, als das Interesse betrug. 5Daher ist es klar, dass es erst dann von Wirkung sein könne, wenn die Rechnung mich betrifft. Sie scheint mich aber zu betreffen, wenn du sie nur auf meinen Auftrag geführt hast; hat indess in meiner Abwesenheit mein Anwalt den Auftrag dazu gegeben, muss dann mir die Rechnung vorgezeigt werden, als ob sie mich betreffe? Und es ist mehr dafür vorhanden, dass sie mir vorgezeigt werde. Eine Rechnung, in der er mit mir steht, bezweifle ich nicht, müsse er auch meinem Anwalte vorzeigen, gleich als ob sie ihn betreffe, und dieser müsse Sicherheit für Genehmhaltung seiner Handlungen stellen, wenn es ihm nicht besonders aufgetragen worden. 6Wenn der Anfang der Tafeln, auf welchen die Rechnung des Titius geschrieben ist, den Tag enthält, gleich nachher aber meine Rechnung steht und keinen Tag oder Consul aufweist, so muss auch mir Tag und Consul vorgezeigt werden: denn Vorsetzung des Tages und Consuls ist allen Rechnungen gemeinschaftlich. 7Vorzeigen (edi) aber heisst entweder dictiren, oder schriftlich geben, oder das Rechnungsbuch aufschlagen. 8Der Prätor sagt: Einem Geldhändler oder dem, welcher das Vorzeigen zum andern Male verlangen wird, werde ich nach vorläufiger Untersuchung der Sache vorzuzeigen befehlen. 9Er hindert die Vorzeigung der Rechnung an den Geldhändler deshalb, weil dieser doch selbst mit Urkunden seines Gewerbes versehen sein kann, und es absurd ist, selbst in den Umständen zu sein, dass man sie vorzeigen müsse, und dennoch zu verlangen, dass Andere sie ihm vorzeigen. Sehen wir, ob auch dem Erben des Geldhändlers die Rechnung nicht vorgezeigt werden müsse? Allerdings muss dies nicht geschehen, wenn er selbst zum Besitze der Urkunden über den Geldhandel gekommen ist; wo nicht, so muss sie ihm aus triftigen gründen vorgezeigt werden; denn auch dem Geldhändler selbst muss eine Rechnung aus Gründen vorgezeigt werden, wenn er beweist, dass er sie durch Schiffbruch, Einsturz, Feuersbrunst oder durch einen heimlichen Unfall verloren, oder dass er sie an einem zu weit entfernten Orte habe, z. B. über dem Meere drüben. 10Auch einem, der zum zweiten Male um Vorzeigung bittet, gestattet der Prätor sein Suchen nicht anders, als aus triftigen Gründen,
Ulp. lib. IV. ad Edict. Wenn ein Geldhändler Rechnungen vorzuzeigen befehligt wird, so wird er dann bestraft, wenn er sie aus bösem Vorsatze nicht aushändigt. Aber Schuld wird er nicht büssen, ausser derjenigen, welche dem bösen Vorsatze sehr nahe kommt. Aus bösem Vorsatze zeigt eben so sehr derjenige nicht vor, welcher die Rechnungen nur aus Chicane vorzeigt, als wer sie gar nicht vorzeigt. 1Wer diesem Edicte verfällt, ersetzt soviel, als mein Interesse, die Vorzeigung der Rechnungen zu erhalten, damals betrug, als die Vorzeigung vom Prätor anbefohlen wurde; nicht soviel, als es jetzt beträgt. Und hat vielleicht das Interesse ganz aufgehört, oder hat es angefangen, geringer oder grösser zu sein, so wird doch die Klage weder auf mehr noch auf weniger gerichtet werden können.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Diese Klage wird weder nach Jahresfrist, noch gegen den Erben, ausser, wenn eine Handlung von ihm der Grund der Klage ist, wohl aber dem Erben, verstattet werden.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Die Billigkeit der Vorschrift dieses Theils vom Edicte ist im Naturrechte gegründet. Denn was ist mit menschlicher Treue und Glauben so übereinstimmend, als die Aufrechterhaltung dessen, worüber Menschen sich vereinigt haben? 1Pactum (Vertrag) wird von Pactio abgeleitet, daher auch das Wort Pax (Friede) stammt. 2Und pactio heisst die Uebereinstimmung Zweier oder Mehrerer zu einer und derselben Uebereinkunft. 3Der Ausdruck Conventio ist allgemein, und bezieht sich auf alles, worin die, welche, um ein Geschäft abzuschliessen oder sich zu vergleichen, unter einander verhandeln, übereinkommen. Denn gleich wie man convenire von denen sagt, welche aus verschiedenen Orten an einem sich versammeln, so sagt man es auch von denen, welche, von verschiedenen Affecten ihrer Seelenkräfte ausgehend, in Einem übertreffen, d. h. zu derselben Meinung gelangen. So allgemein ist der Ausdruck Convention, dass Pedius ganz consequent sagt, es gäbe keinen Contract, keine Verbindlichkeit, welche nicht in sich eine Convention enthalte, mag sie durch Handlung oder durch Worte entstehen; denn selbst die Stipulation, welche doch durch Worte entsteht, ist nichtig, wenn sie nicht Uebereinstimmung der Parteien voraussetzen darf. 4Aber sehr viele Conventionen gehen in eine andere Benennung über, z. B. in die von Kauf, von Vermiethung, von Pfandgeschäft, von Stipulation.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Es giebt drei Gattungen von Conventionen11Cf. Cujac., Obs. XV. 33. Drei Gattungen von Verträgen kommen nur heraus, wenn man die Haupt- und Untereintheilung verbindet; ausserdem giebt es, wie auch Ulpian in obiger Stelle weiterhin andeutet, nur zwei Hauptarten, nämlich öffentliche und Privatverträge, Harmenop. 9. J. 2. 11. Ecl. l. c. 5.; denn sie werden abgeschlossen entweder öffentlichen der Privatinteresses halber. Die letzern sind entweder gesetzliche oder dem Völkerrechte entlehnte. Eine öffentliche Convention ist, welche durch Abschluss eines Friedens hervorgebracht wird, so oft Anführer im Kriege über gewisse Gegenstände unter sich abschliessen.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Einige Verträge von den dem Völkerrechte entlehnten bringen Klagen hervor, einige nur Einreden. 1Die, welche Klagen hervorbringen, bleiben nicht bei ihrem Namen stehen, sondern gehen in die besondere Contractsbenennung über, z. B. von Kauf, Verkauf, Vermiethung, Miethe, Gesellschaft, Leihcontract, Depositum, und wie die übrigen ähnlichen Contracte heissen mögen. 2Ad Dig. 2,14,7,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 318, Note 6.Aber wenn der Vertrag in keinen Contract übergeht, wohl aber die wesentlichen Merkmale davon vorliegen, so hat Aristo ganz consequent geantwortet, dass eine Verbindlichkeit da sei, z. B. ich habe dir eine Sache gegeben, dass du mir eine andere gebest; ich habe gegeben, damit du etwas thuest, dies sei ein συνάλλαγμα (Contract) und daraus entstehe eine bürgerliche Verbindlichkeit. Und deshalb glaube ich, dass Julian vom Maurician mit Recht im folgendem Falle getadelt worden ist: ich habe dir den Stichus gegeben, damit du den Pamphilus freilassest; du hast ihn freigelassen; Stichus ist gerichtlich als eines Andern Eigenthum dir aberkannt worden. Julian schreibt, es müsse vom Prätor eine Klage in factum gestattet werden: jener sagt, es reiche die bürgerliche Klage incerti, d. h. die praescriptis verbis hin: denn es sei ein Contract vorhanden, den Aristo συνάλλαγμα nenne, woraus diese Klage entspringt. 3Wenn etwas versprochen worden, damit eine schlechte Handlung nicht begangen werde, so entsteht aus dieser Convention keine Verbindlichkeit. 4Ad Dig. 2,14,7,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 318, Note 6.Liegt aber das Wesen eines Contracts nicht vor, so ist es gewiss, dass in diesem Falle aus der Convention allein keine Verbindlichkeit erwachse. Also blosser Vertrag bringt keine Verbindlichkeit, nur eine Einrede, hervor. 5Indess giebt er manchmal der Klage selbst ihre Gestaltung, wie in den Klagen guten Glaubens; denn wir pflegen ja zu sagen, dass die Verträge in den Klagen guten Glaubens enthalten sind. Aber das muss man so verstehen, dass, sobald die Verträge gleich nach Eingehung des Geschäfts erfolgten, sie zwar auch von Seiten des Klägers darin enthalten sind; nicht, wenn sie eine Zeit nachher erfolgten, wo sie auch da von keiner Wirkung sein werden, wenn geklagt wird, damit nicht einem blossen Vertrage ein Klagrecht entspringe: z. B. nach der Ehescheidung ist man dahin übereingekommen, dass die Mitgift sogleich, und nicht zur gesetzlich bestimmten Zeit, zurückgegeben werde, wodurch dieses aufgeschoben sein würde, damit nicht einem blossen Vertrage eine Klage entspringe. Dasselbe schreibt Marcellus. Und wenn man in der Klage aus der Vormundschaft dahin übereingekommen ist, dass höhere Zinsen erlegt werden, als gesetzlich bestimmt ist, so wird die Uebereinkunft nicht am Platze sein: damit aus blossem Vertrage keine Klage entspringe; denn nur die Verträge sind in den genannten Klagen enthalten, welche die Contractsbestimmungen ausmachen, d. h. welche beim Eingange des Contracts gemacht worden sind. Ich weiss, dass das eben so vom Papinian ist geantwortet worden; nämlich dass, wenn man einige Zeit nach geschlossenem Kaufe über etwas, was ausser den Grenzen des Contracts liegt, übereingekommen ist, darauf nicht mit der Klage aus dem Verkaufe geklagt werden könne, wegen derselben Regel, damit aus simpeln Verträgen keine Klage entstehe, was überhaupt in allen Klagen guten Glaubens zu sagen sein wird. Aber von Seiten des Beklagten wird ein Vergleich am Platze sein, weil auch die Verträge, welche nachher abgeschlossen werden, Einreden erzeugen. 6Aber in soweit sind nachher getroffene Aenderungen, die sich auf denselben Contract beziehen, in den Klagen guten Glaubens enthalten, dass es gewiss ist, man könne bei Kauf und den übrigen Klagen guten Glaubens vom Kaufe abgehen, wenn die andere Partei ihre Obliegenheit noch nicht erfüllt hat. Kann man aber völlig davon abgehen, warum soll nicht ein Theil desselben durch Vertrag geändert werden können? Und Pomponius schreibt Folgendes im 6. Buche zum Edicte: da dies so ist, so ist ein Vertrag auch für den Kläger gültig, und hilft ihm bei der Klage, wenn die andere Partei ihre Obliegenheit noch nicht erfüllt hat, ganz aus dem nämlichen Grunde; denn wenn das ganze Geschäft aufgehoben werden kann, warum soll es nicht auch umgebildet werden können, dass der Contract gewissermaassen erneut zu sein scheine? So kann man nicht ohne Scharfsinn sprechen. Und eben deshalb missbillige ich nicht, was Pomponius in seinen Büchern der Lectionen gutheisst, man könne zum Theil durch Vertrag vom Kaufe abgehen, als ob nämlich der Kauf dieses Theils wiederholt worden sei. Aber, wenn zwei dem Käufer Erben geworden, und mit einem von ihnen der Verkäufer ausgemacht hat, dass der Kauf aufgelöst werde, so sagt Julian: es gelte der Vertrag, und der Kauf werde zum Theil aufgelöst, weil ja auch bei einem andern Contracte der eine der Erben durch Vertrag sich habe die Einrede erwerben können. Beides gefällt mit Recht, sowohl was Julian, als was Pomponius geschrieben haben. 7Es sagt der Prätor: Verträge, welche weder mit bösem Vorsatze, noch gegen Schlüsse des ganzen Volkes, der Plebs, des Senats oder Edicte der Kaiser, noch so geschlossen worden sind, dass einer von ihnen umgangen werde, werde ich aufrecht erhalten. 8Einige Verträge beziehen sich auf die Sache, andere auf die Person. Auf eine Sache beziehen sie sich, so oft ich in allgemeinen Ausdrücken ausmache, ich wolle nicht klagen; auf die Person, so oft ich ausmache, ich wolle nicht gegen eine bestimmte Person, z. B. gegen Lucius Titius, klagen. Ob der abgeschlossene Vertrag sich auf die Sache oder die Person beziehe, muss man ebenso nach den Worten, als nach der Absicht der Contrahenten beurtheilen: denn gewöhnlich, wie auch Pedius sagt, wird eine Person im Vertrage genannt, nicht damit der Vertrag persönlich sei, sondern um anzuzeigen, mit wem der Vertrag sei abgeschlossen worden. 9Einen mit bösem Vorsatz geschlossenen Vertrag, sagt der Prätor, werde er nicht aufrecht erhalten. Böser Vorsatz zeigt sich in Hinterlist und Lust zu betrügen, und wie Pedius sagt, ein Vertrag wird mit bösem Vorsatze geschlossen, so oft den Andern zu betrügen etwas unter dem Scheine verhandelt wird, dass man über etwas Anderes verhandle. 10Aber für den Fall fügt der Prätor nichts hinzu, wenn der Vertrag abgeschlossen ist, um zu betrügen. Aber ganz consequent sagt Labeo, dass sei entweder unbillig oder überflüssig: unbillig, wenn der Gläubiger das, was er einmal seinem Schuldner auf Treu und Glauben erlassen, wieder ihm zu entreissen versuchen sollte; überflüssig, wenn er so gehandelt habe, weil er betrogen worden; denn der Begriff Betrug liegt im Ausdrucke böser Vorsatz. 11Es mag nun schon vom Anfange an der Vertrag mit bösem Vorsatze geschlossen, oder erst nach dessen Abschluss mit bösem Vorsatz gehandelt worden sein, immer wird die Einrede schaden, wegen der Worte des Edicts: noch so, dass umgangen werde. 12Betreffend die Worte: Titius hat gefragt und Mävius versprochen, welche man in dem letzten Theile der Verträge einzuschieben pflegt, so werden sie nicht allein für einen Vertrag, sondern auch für eine Stipulation genommen, und eben deshalb erzeugt sich die Klage aus der Stipulation, es müsste denn im Gegentheil besonders dargethan werden, dass dies nicht in der Absicht, eine Stipulation, sondern einen Vertrag abzuschliessen, geschehen sei. 13Wenn ich einen Vertrag abschliesse, dass man nicht auf Leistung des gerichtlich zuerkannten Gegenstandes, oder wegen Brandstiftung klage, so gilt dieser Vertrag. 14Schliesse ich darauf ab, eine operis novi nuntiatio nicht bis ans Ende zu verfolgen, so glauben Einige, der Vertrag gelte nicht, als käme dabei das Imperium des Prätors mit ins Spiel. Labeo aber unterscheidet so, dass, wenn die geschehene Nuntiation mein eignes Vermögen betrifft, man den Vertrag gültig abschliessen dürfe; diess aber nicht erlaubt sei, wenn sie auf eine öffentliche Sache Bezug hat. Und diese Unterscheidung ist richtig. Also darf man auch in allen übrigen Angelegenheiten, die das Edict des Prätors betreffen, und welche nicht auf eine Staatsverletzung, sondern auf die eines Privatvermögens abzielen, Verträge abschliessen. Denn auch über Diebstahl erlaubt das Gesetz abzuschliessen. 15Selbst wenn Jemand dahin abschliesst, von der Klage aus dem Depositum keinen Gebrauch machen zu wollen, so gilt der Vertrag nach Pomponius. Ebenfalls wenn man dahin abschliesst, dass man im Geschäfte des Depositi für jeden möglichen Unglücksfall stehen wolle, sagt Pomponius, es gelte der Vertrag, und er werde nicht aufgehoben, als wäre er gegen die Rechtsregeln abgeschlossen. 16Freilich, so oft ein Vertrag vom gemeinsamen Rechte abweicht, darf er nicht aufrecht erhalten werden, eben so wenig wie ein solches Legat: und ein deshalb geleisteter Eid, dass man nicht klagen wolle, darf, wie Marcellus im 2. Buche der Digesten schreibt, nicht beachtet werden. Und wenn eine Stipulation über das zu Stande gekommen ist, worüber man keinen Vertrag abschliessen kann, darf man sie nicht aufrecht erhalten, sondern man muss sie jedenfalls auflösen. 17Wenn vor Antritt der Erbschaft Jemand mit dem Gläubiger abschliesst, dass er weniger bezahle, wird der Vertrag gelten. 18Aber wenn der, welcher abschliesst, ein Sclave ist, und dies thut, bevor er die Freiheit und die Erbschaft erhalten, so sagt Vindius, es werde der Vertrag nicht gelten, weil er unter einer Bedingung zum Erben eingesetzt war; Marcellus jedoch im 18. Buche der Digesten glaubt, dass ein suus heres und ein Sclave, der als nothwendiger Erbe eingesetzt worden, wenn sie rein eingesetzt sind, gültig abschliessen, wenn sie dies thun, bevor sie sich in Erbschaftsangelegenheiten mischen. Und es ist wahr. Dasselbe finde auch bei einem Erben Statt, welcher nicht in der Gewalt des Erblassers stand; von dem er annimmt, dass, wenn er auf Auftrag der Gläubiger die Erbschaft angetreten, ihm auch die Klage aus dem Auftrage zustehen werde. Aber wenn einer, wie wir oben erzählt haben, noch als Sclave einen Vertrag geschlossen, so spricht diesem Marcellus die Gültigkeit ab, weil es ihm nach der Freilassung nicht zu Gute zu kommen pflegt, wenn er etwas noch als Sclave gethan hat; was man auch bei der Einrede eines abgeschlossenen Vertrags Statt finden lassen muss. Aber es ist die Frage, ob ihm wenigstens die Einrede des bösen Vorsatzes etwas helfe? Marcellus liess sie bei ähnlichen Fällen zu, ob er gleich vorher daran gezweifelt, z. B. wenn ein zum Erben eingesetzter Haussohn mit den Gläubigern einen Vertrag abschloss, und nachher, nachdem er emancipirt worden, die Erbschaft angetreten hat; hier glaubt er, könne dieser sich der Einrede des bösen Vorsatzes bedienen. Dasselbe hält er für Rechtens, wenn der Sohn bei Lebzeiten des Vaters mit den väterlichen Gläubigern accordirt hat; denn auch ihm werde die Einrede des bösen Vorsatzes zu Gute kommen. 19Heutzutage jedoch schadet ein solcher Vertrag den Gläubigern erst dann, wenn sie zusammengekommen sind, und mit Aller Zustimmung erklärt habe, mit welchem Theile der Schuld sie zufrieden sein wollen: wenn sie aber darüber verschiedener Meinung sind, dann ist die Entscheidung des Prätors nothwendig, welcher in seinem Ausspruche den Wunsch des grössern Theils [der Gläubiger] befolgen wird.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Aber das Rescript des höchstseligen Marcus spricht so, als. ob alle Gläubiger zusammenkommen müssen. Was nun, wenn einige abwesend sind? Müssen hier die Abwesenden dem Beispiele der Gegewärtigen folgen? Aber ob auch abwesenden privilegirten Gläubigern dieser Vergleich schade, kommt ganz consequenter Weise in Frage, wenn nur der Vergleich auch gegen die Abwesenden gilt. Und ich wiederhole es: vor der vom höchstseligen Marcus erlassenen Constitution hat der höchstselige Pius rescribirt, dass auch der Fiscus in den Fällen, wo ihm keine Hypothek zusteht, und die übrigen privilegirten Gläubiger das Beispiel der Anwesenden befolgen müssen. Alles dies ist nur bei Gläubigern, die keine Hypotheken haben, zu beobachten. 1Wenn einem Vertrage eine Stipulation auf Conventionalstrafe hinzugefügt ist, soll dann die Einrede des Vertrags oder die Klage aus der Stipulation Statt finden? Sabinus glaubt, und das ist auch richtiger, dass man beide Wege einschlagen könne, sowie der sie erwählt, welcher sich habe versprechen lassen. Wenn er jedoch aus Gründen von der Einrede des Vertrags Gebrauch macht, so wird es billig sein, dass er die Stipulation erlasse. 2Gemeiniglich pflegen wir zu sagen, die Einrede des bösen Vorsatzes sei in Bezug auf die Einrede des Vertrags subsidiarisch; wenigstens schreibt Julian, und viele Andere stimmen damit überein, dass Einige, welche die Einrede des Vertrags nicht gebrauchen können, von der des bösen Vorsatzes Gebrauch machen würden, z. B. wenn mein Anwalt den Vertrag abschliesst, wird die Einrede des bösen Vorsatzes mir nützlich sein, wie Trebatius will, welcher glaubt, dass so wie mir ein Vertrag meines Anwalts schade, er mir auch nütze,
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Denn es ist gewiss, dass es mir schade, ich mag ihm nun aufgetragen haben, abzuschliessen, oder er mag ein für alle meine Angelegenheiten bestellter Anwalt gewesen sein; sowie auch Puteolanus im 1. Buche von Assessurgeschäften schreibt, weil man angenommen hat, dass er auch einen Process gültig führen könne.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Ein vom Vorsteher einer Gesellschaft geschlossener Vertrag nützt und schadet dieser gleichfalls.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Ad Dig. 2,14,16 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 331, Note 8.Wenn der Vertrag mit dem Käufer der Erbschaft geschlossen ist, und der Verkäufer der Erbschaft klagt, so schadet diesem die Einrede des bösen Vorsatzes. Denn seitdem vom hochseligen Pius rescribirt worden, man solle dem Käufer der Erbschaft analoge Klagen gestatten, kann der erbliche Schuldner mit Recht gegen den Verkäufer der Erbschaft die Einrede des bösen Vorsatzes anwenden. 1Wenn der Herr der verkauften Sache und der Käufer dahin übereingekommen, dass der gekaufte Sclave dem wiedergegeben werde, welcher ihn anstatt des Herrn verkauft hat, so wird auch diesem, wenn er auf den Kaufpreis klagt, die Einrede des bösen Vorsatzes schaden.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. es müsste denn die Absicht nur darauf gegangen sein, die Summe nur vom Beklagten nicht einzutreiben, wohl aber vom Bürgen: denn in diesem Falle wird der Bürge die Einrede nicht gebrauchen können.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. nämlich wenn die Absicht darauf gegangen, dass der Hauptschuldner nicht verklagt werde. Dasselbe findet auch bei Mitbürgen statt.
Ulp. lib. IV. ad Edictum. Wenn er aber Geld seines Hernn verborgt hat, so sagt Celsus, es gelte das, was er zur Zeit des Verborgens ausgemacht habe.
Idem lib. IV. ad Edict. Nach Fällung des Endurtheils kann, auch wenn keine Appellation eingewendet worden, dennoch, im Fall man läugnet, es sei das Endurtheil schon da, oder wenigstens nicht wissen kann, ob es schon gefällt ist, ein Vergleich abgeschlossen werden, weil leicht noch Streit obwalten könnte.
Ulp. lib. IV. ad Ed. Pomponius sagt, der Ehemann könne nicht pacisciren, dass er in Bezug auf das Heirathsgut nur für böse Absicht stehen solle, nämlich zum Besten der sich verheirathenden [Frauensperson], obwohl er pacisciren könne, dass die Forderung an einen Schuldner, welcher ihm ein Heirathsgut versprochen hat, nicht auf seine Gefahr stehen solle; denn er billigt es auch, dass der [Ehemann] pacisciren könne, dass das Heirathsgut auf die Gefahr der Frau stehen solle und umgekehrt, dass das Heirathsgut, welches auf Gefahr der Frau steht, auf die Gefahr des Ehemannes stehen solle.
Ulp. lib. IV. ad Ed. Dem Kläger gleichstehend wird auch Derjenige betrachtet, wer sich einer Einrede bedient; denn in der Einrede ist der Beklagte Kläger22Dies ist von der Gleichheit der Parteien im Process zu verstehen, insofern sie einseitige Behauptungen aufstellen, und von den Befugnissen und Obliegenheiten, welche für sie daher entspringen, besonders der Beweis, s. meine Lehre von den Einreden in Zu-Rhein’s Jahrbüchern Bd. I. S. 242 ff..
Idem lib. IV. ad Ed. praet. Unter Actio (Klage) versteht man, wie Pomponius sagt, dingliche, persönliche, directe, analoge und das Standesrecht betreffende Klagen; auch die prätorischen Stipulationen, weil sie die Stelle von Klagen versehen, z. B. die wegen drohenden Schadens, wegen Vermächtnissen und ähnliche. Unter dem Worte Klage sind auch die Interdicte begriffen. 1Vermischte Klagen sind diejenigen, in denen Jeder Kläger ist, z. B. wegen Grenzberichtigung, Erbtheilung, Gemeingutstheilung, das Interdict Wie ihr besitzet und Wo immer.