Ad edictum praetoris libri
Ex libro XVI
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Was von Seiten des Procurators des Kaisers gethan und besorgt worden ist, genehmigt letzterer so, wie wenn er es selbst besorgt hätte. 1Wenn der Procurator des Kaisers eine diesem gehörige Sache als seine eigene übergiebt, so glaube ich nicht, dass er das Eigenthum daran übertrage; denn er überträgt sie blos dann, wenn er sie, eine Angelegenheit für den Kaiser besorgend, mit dessen Einwilligung übergiebt. Wenn er [ausserdem] etwas verkauft, verschenkt, oder sich vergleicht, so handelt er ungültig; denn es ist ihm nicht übertragen worden, Sachen des Kaisers zu veräussern, sondern fleissig die Geschäfte zu verwalten. 2Der Procurator des Kaisers hat das besondere Recht, dass auf seinen Befehl ein Sclav des Kaisers eine Erbschaft antreten kann, und wenn der Kaiser zum Erben eingesetzt worden ist, er selbst dadurch, dass er sich mit einer reichen Erbschaft befasst, den Kaiser zum Erben macht.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Der Ordnung nach folgt die Klage, welche denen gewährt wird, denen eine Erbschaft herausgegeben worden ist. Denn Jeder, wer eine herausgegebene Erbschaft nach dem Senatsbeschluss empfängt, wornach die Klagen übergehen, kann sich der fideicommissarischen Erbschaftsklage bedienen.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Es ist einerlei, ob Jemand gebeten worden ist, mir herauszugeben oder meinem Erb- lasser. Ich kann aber auch, wenn ich der Nachlassbesitzer dessen, dem eine fideicommissarische Erbschaft hinterlassen worden ist, oder auf andere Weise sein Erbfolger bin, diese Klage anstellen. 1Es ist zu merken, dass diese Klage gegen denjenigen, der die Erbschaft herausgegeben hat, nicht statthaft sei. 2Diejenigen Klagen aber, welche dem Erben und gegen den Erben zustehen, werden mir gegeben.
Ulp. lib. XVI. ad Edict. Nach denjenigen Klagen, welche wegen einer Gesammtheit begründet sind, folgt die Klage wegen Forderung einzelner Sachen. 1Diese besondere dingliche Klage hat bei allen beweglichen Sachen, sowohl lebenden als leblosen und solchen, die mit dem Boden zusammenhängen, Statt. 2Freie Personen, die unserm Rechte unterworfen sind, wie z. B. Kinder, die sich in unserer Gewalt befinden, können mit dieser Klage nicht gefordert werden. Sie werden vermittelst Untersuchungen über das Standesrecht, oder Interdicte, oder durch prätorische Untersuchung gefordert; so lehrt Pomponius im 37. Buche, wenn nicht etwa Jemand sie aus einem besondern hinzugefügten Grunde zurückfordert. Wenn Jemand nun seinen Sohn dergestalt zurückverlangt, oder [behauptet, dass er ihn] nach Römischem Rechte in seiner Gewalt [habe], so scheint mir auch Pomponius dahin einverstanden zu sein, dass er richtig gehandelt habe; denn er sagt, er könne ihn unter beigefügter Ursach aus dem Rechte der Quiriten zurückfordern. 3Ad Dig. 6,1,1,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 137, Note 6.Durch diese Klage können aber nicht allein einzelne Sachen zurückgefordert werden, sondern auch Heerden, wie Pomponius im 25. Buche seiner Lectionen schreibt. Da selbe ist auch vom Zugvieh, Pferden und andern Vieh, das heerdenweise geht, zu sagen. Es genügt aber, dass die Heerde selbst unser sei, wenn auch einzelne Stücke nicht unser sind; denn es wird die Heerde zurückverlangt, nicht die einzelnen Stücke.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Ad Dig. 6,1,3 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 137, Note 6.Marcell schreibt im vierten Buche seiner Digesten; wenn Jemand eine Heerde von dreihundert Stück hat, und nach Verlust von hundert davon ebenso viel fremde Stück Vieh von Jemanden wieder dazu kauft, dem sie eigenthümlich gehörten, oder der sie im guten Glauben besitzt, so werden auch diese in die Zurückforderung der Heerde inbegriffen. Man kann aber auch, wenn nur noch diejenigen Stücke, welche wieder dazu gekauft worden, vorhanden sind, dennoch die ganze Heerde [als solche] zurückfordern. 1Die einzelnen Ausrüstungsstücke eines Schiffes müssen einzeln zurückgefordert werden; ebenso das Boot. 2Pomponius schreibt: wenn etwas von demselben Stoff so zusammengegossen und zusammengemischt ist, dass es nicht getrennt und getheilt werden kann, so kann man es nicht ganz, sondern nur zu seinem Antheile zurückfordern; z. B. mein und dein Silber ist in eine Masse zusammengeschmolzen, so gehört es uns gemeinschaftlich, und wir können es jeder nach dem Antheile des Gewichts, den wir an der Masse haben, zurückfordern, wenn es auch ungewiss ist, wieviel jeder an dem Gewicht der Masse hat;
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Derselbe Pomponius schreibt: Wenn das Getraide zweier Personen ohne deren Willen zusammengeschüttet worden ist, so steht jedem Einzelnen eine dingliche Klage darauf zu, wieviel von jenem Haufen ihm zu gehören scheint; ist es mit ihrem Willen untereinander gemischt worden, so wird dasselbe als gemeinschaftlich geworden, angesehen, und der Gemeinguts-Theilungsklage Platz gegeben. 1Derselbe lehrt: wenn aus meinem Honig und deinem Weine Meth gemacht worden ist, so haben Einige geglaubt, dass auch dieser gemeinschaftlich werde; ich halte aber, wie er auch selbst bezeichnet, für richtiger, dass derselbe vielmehr dem gehöre, der ihn bereitet hat, weil die vorige Eigenthümlichkeit seiner [Bestandtheile] verloren geht. Wird aber Blei mit Silber vermischt, so wird es, weil Scheidung möglich ist, weder gemeinschaftlich, noch wird, weil Trennung geschehen kann, auf Gemeingutstheilung geklagt werden; es findet aber eine dingliche Klage Statt. Wenn hingegen, sagt er, keine Scheidung möglich ist, wie z. B. wenn Erz und Gold vermischt sind, so muss die Zurückforderung nach dem Antheile geschehen, und man kann hier das vom Meth Gesagte nicht anwenden, weil beide Stoffe, wenn auch zusammengemischt, dennoch fortdauern. 2Er sagt auch, wenn dein Hengst meine Stute bedeckt hat, so gehöre das Füllen nicht dir, sondern mir. 3Wegen des Baumes, der, in fremden Boden versetzt, angewachsen ist und Wurzel getrieben hat, gestatten Varus und Nerva eine analoge dingliche Klage; denn so lange er noch nicht angewachsen ist, hört er nicht auf, mein zu sein. 4Wenn eine dingliche Klage erhoben wird, und man über den [betreffenden] Körper einig ist, in der Benennung aber ein Irrthum Statt gefunden hat, so wird angenommen, es sei richtig geklagt. 5Sind mehrere Sclaven desselben Namens vorhanden, z. B. mehrere des Namens Eros, und keine Gewissheit zu ermitteln, wegen wessen geklagt worden, so sagt Pomponius, habe keine Verurtheilung Statt.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Die richterliche11A. Fab. Ration. ad h. l. will judex für magistratus nehmen. Ich halte dies nicht für unbedingt nötig. Pflicht bei dieser Klage besteht darin, dass der Richter darauf sehen muss, ob der Beklagte besitzt. Es thut nichts zur Sache, aus welchem Grunde er besitzt; denn habe ich bewiesen, dass mir die [fragliche] Sache gehöre, so muss sie der Besitzer herausgeben, wenn er keine Einrede vorgeschützt hat. Einige, wie Pegasus, glaubten jedoch, dass diese Klage blos denjenigen Besitz betreffe, der beim Interdict Wie ihr besitzet und Wo immer Statt findet. So22Denique s. Glück VIII. p. 194. n. 76. sagt er, es könne gegen denjenigen, bei dem eine Sache niedergelegt, oder dem sie geliehen, vermiethet, oder der zur Erhaltung von Vermächtnissen, oder wegen einer Mitgift, oder im Namen einer Leibesfrucht in deren Besitz gesetzt, oder dem wegen drohenden Schadens keine Sicherheit bestellt worden ist, die Eigenthumsklage nicht angestellt werden, weil alle diese nicht besitzen. Nach meiner Ansicht kann man aber von allen denjenigen, welche [eine Sache] inne haben, und die Fähigkeit zur Herausgabe besitzen, dieselbe fordern.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Es muss jedoch nicht nur die Sache selbst herausgegeben werden, sondern der Richter auch darauf Rücksicht nehmen, wenn sie schlechter geworden ist. Denn man nehme den Fall, dass ein Sclav geschwächt, geprügelt oder verwundet herausgegeben werde; hier muss der Richter allemal darauf Rücksicht nehmen, um wieviel derselbe verschlechtert worden ist, wenn gleich der Besitzer auch mit der Klage aus dem Aquilischen Gesetz belangt werden kann. Daher fragt es sich, ob der Richter den Schaden anders schätzen dürfe, als gegen Verzicht auf die Aquilische Klage? Und Labeo glaubt, der Kläger müsse Sicherheit leisten, die Aquilische Klage nicht erheben zu wollen; diese Meinung ist richtig.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Ist [ein Sclav] geprügelt zurückgegeben worden, so sagt Labeo, stehe dem Kläger auch die Injurienklage zu. 1Hat Jemand eine Sache aus Nothwendigkeit verkauft, so wird ihm hier die richterliche Pflicht füglich33Fortassis s. Huber Enom. Rom. ad k. t. p. 299—300. zu Hülfe kommen, so dass er nur den Erlös herauszugeben braucht. Denn er braucht auch, wenn er gewonnene Früchte, damit sie nicht verderben, verkauft hat, nichts weiter als den Erlös zu erstatten. 2Wenn Acker der Gegenstand der Klage, und dieser den Soldaten, während dem Besitzer Ehren halber eine Kleinigkeit dafür gegeben ward, angewiesen worden ist, muss derselbe dies wieder herausgeben? Ich glaube ja. 3Wenn ein Sclav oder ein Thier, worauf Klage erhoben worden, ohne Arglist und Schuld des Besitzers gestorben ist, so glauben die Meisten, brauche der Werth nicht erlegt zu werden. Es ist aber richtiger, dass, dafern der Kläger etwa im Begriff stand, dasselbe zu verkaufen, wenn es ihm [gleich] gegeben worden wäre, [der Werth] dem den Verzug Erleidenden erstattet werden müsse; denn hätte der [Besitzer] die Herausgabe gleich geleistet, so würde er verkauft und den Werth gelöst haben.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Ad Dig. 6,1,17 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 327, Note 12.Julian schreibt im 36. Buche, dass, wenn ich einen Sclaven, der dem Mävius gehörte, vom Titius gekauft, nachher aber, als Mävius ihn von mir forderte, verkauft habe, und der Käufer ihn getödtet hat, ich billiger Weise dem Mävius den Erlös erstatten müsse. 1Derselbe Julian schreibt in dem nämlichen Buche, dass, wenn der Besitzer die Herausgabe eines Sclaven verzögert hat, und derselbe gestorben ist, auf die Nutzungen bis zur Zeit der Rechtskraft Rücksicht genommen werden müsse. Er sagt ferner, es müssten nicht nur die Nutzungen, sondern auch der vollständige Zubehör erstattet werden, und daher kommen bei der Herausgabe auch die Kinder und deren Nutzungen in Betracht. Der Zubehör dehnt sich aber soweit aus, dass Julian im siebenten Buche schreibt, der Besitzer des Sclaven, welcher durch denselben eine Aquilische Klage erlangt habe, müsse auch zu deren Abtretung gezwungen werden. Hat der Besitzer arglistiger Weise selbst sich des Besitzes entledigt, und Jemand den Sclaven widerrechtlicher Weise getödtet, so muss er, je nachdem der Kläger eines von beiden wählt, entweder dessen Werth herausgeben, oder seine Klagen abtreten. Auch die Nutzungen, welche er von einem andern Besitzer eingenommen hat, muss er erstatten; denn von einem Sclaven, der bereits Gegenstand eines Processes geworden, darf er keinen Gewinn ziehen. Die Nutzungen aus der Zeit, wo sich derjenige, welcher ihn entwährt hat, im Besitz befand, braucht er aber nicht zu erstatten. Was er über die Klage aus dem Aquilischen Gesetze sagt, findet Statt, wenn der Besitzer nach der Einleitung des Verfahrens ersessen hat, weil er von da an ein vollkommenes Recht hat.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Auch dem Beklagten selbst, sagt Labeo, muss Sicherheit bestellt werden, dass ihn in diesen Fällen kein Schaden treffe44His rebus recte praestari; s. Ulp. eigene Erklärung in l. 71. in f. D. de V. S. wenn er z. B. wegen drohenden Schadens für ein Grundstück Sicherheit geleistet hat.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Wenn du vom Titius ein Grundstück des Sempronius gekauft hast, und dir dasselbe gegen Zahlung des Preises übergeben worden ist, nachher aber Titius des Sempronius Erbe wird, und dasselbe [Grundstück] an einen Andern verkauft und übergeben hat, so ist es billig, dass du vorgehest. Denn du würdest auch, wenn der Verkäufer selbst die Sache von dir zurückfordert, ihn mit einer Einrede abwehren können; du kannst dich aber auch, wenn er sich im Besitz befindet und du Klage erhebst, gegen die Einrede des Eigenthums der Replik bedienen.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Der Prätor sagt: Wenn Jemand dasjenige, was ihm aus einem rechtmässigen Grunde vom Nichteigenthümer übergeben, und noch nicht ersessen worden ist, fordert, so werde ich ein Verfahren ertheilen. 1Ganz richtig sagt der Prätor: noch nicht ersessen worden; denn ist es ersessen worden, so hat man die bürgerlichrechtliche Klage und bedarf der würdenrechtlichen nicht. 2Warum aber thut er blos der Uebergabe und der Ersitzung Erwähnung, da es doch so viele rechtliche Erwerbungsarten gibt, aus denen man das Eigenthum verlangen kann? wie z. B. Vermächtnisse, [auch bei diesen schliesst er die Publiciane nicht aus]55Dies muss nach Glück Pand. VIII. p. 328. und Noodt ad h. t. p. 203. (Ed. Col.) als Antwort auf die vorhergestellte Frage hinzugedacht werden.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. und so gibt es noch viele andere. 1Ad Dig. 6,2,3,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 179, Note 7.Der Prätor sagt: aus einem rechtmässigen Grunde fordert; wer also den rechtmässigen Grund der Uebergabe für sich hat, bedient sich der Publiciane. Dieselbe steht aber nicht blos dem Käufer im guten Glauben zu, sondern auch Andern, wie z. B. dem, welchem eine Sache, die noch nicht ersessen worden, an Mitgiftsstatt übergeben worden ist; denn hier ist der rechtmässigste Grund vorhanden, es mag die Sache nach geschehener Abschätzung oder ohne dieselbe zur Mitgift gegeben worden sein. Ebenso, wenn eine Sache auf den Grund einer Verurtheilung dazu übergeben worden ist,
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Auch wenn eine Sache richterlich zugesprochen worden ist, so findet deshalb die Publiciane Statt. 1Ist Abschätzung eines Streitgegenstandes geschehen, so ist Aehnlichkeit mit dem Verkauf vorhanden, und Julian sagt im 22. Buche seiner Digesten, dass dem Verklagten, wenn er die Abschätzung des Streitgegenstandes angeboten habe, die Publiciane zustehe. 2Ad Dig. 6,2,7,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 199, Note 5.Marcell schreibt im 17. Buche seiner Digesten, dass derjenige, wer von einem Wahnsinnigen, ohne zu wissen, dass derselbe wahnsinnig sei, etwas gekauft habe, ersitzen könne; er wird also auch die Publiciane haben. 3Auch wenn Jemand aus bereichernden Gründen eine Sache empfangen hat, hat er die Publiciane, welche selbst gegen den Schenker Statt findet; denn wer etwas geschenkt erhalten hat, ist rechtmässiger Besitzer und Kläger66D. h. er besitzt sowohl rechtmässig, als er kann auch rechtmässiger Weise Klage erheben.. 4Ad Dig. 6,2,7,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 199, Note 6.Wer von einem Minderjährigen kauft, ohne zu wissen, dass er minderjährig sei, hat die Publiciane. 5Auch wenn ein Tausch getroffen worden, findet dieselbe Klage Statt. 6Die Publicianische Klage nähert sich [der Klage auf] das Eigenthum und nicht [der] auf den Besitz77So glaube ich diese Worte am richtigsten übersetzt, siehe Glück Pand. VIII. p. 334 sq., der sich wegen dieser Erklärung auf Anton Faber Rational. ad h. l. bezieht; aber die Glosse hat schon dasselbe.. 7Wenn du mir, während ich eine Sache fordere, den Eid angetragen hast, und ich beschworen habe, dass die Sache mein sei, so steht mir die Publiciane zu, jedoch nur gegen dich, denn ein Eid darf nur dem Nachtheil bringen, der ihn [dem Andern] zugeschoben hat. Wenn aber dem Besitzer der Eid angetragen worden ist, und er geschworen hat, dass die Sache dem Kläger nicht gehöre, so kann er sich auch nur der Einrede gegen ihn allein, wenn er [nochmals] als Kläger auftritt, bedienen, nicht, dass er selbst eine Klage hätte. 8Von der Publicianischen Klage gilt ganz dasselbe, was wir von der Eigenthumsklage gesagt haben. 9Diese Klage steht auch dem Erben und den würdenrechtlichen Nachfolgern zu. 10Wenn nicht ich gekauft habe, sondern mein Sclav, so habe ich [dennoch] die Publiciane; derselbe Fall ist vorhanden, wenn mein Geschäftsbesorger, Vormund, Curator oder welcher Dritte sonst meine Geschäfte führt, gekauft hat. 11Der Prätor sagt: wer im guten Glauben gekauft hat; es hilft daher nicht jeder Kauf, sondern nur der, welcher im guten Glauben geschieht; es genügt aber, dass ich Käufer im guten Glauben gewesen bin, wenn ich auch vom Nichteigenthümer gekauft habe, und selbst wenn derselbe in listiger Absicht verkauft hat; denn die Arglist des Verkäufers thut mir keinen Eintrag. 12Bei dieser Klage schadet es mir nicht, wenn ich Nachfolger bin und arglistig gehandelt habe, sobald derjenige, an dessen Stelle ich nachgefolgt bin, im guten Glauben gekauft hatte, und es nützt mir nichts, wenn mich keine Arglist trifft, aber der Käufer, dem ich nachgefolgt bin, arglistig gehandelt hat. 13Denn wenn mein Sclav gekauft hat, so wird auf dessen Arglist Rücksicht genommen und nicht auf die meinige; oder umgekehrt88Nämlich wenn er im guten Glauben ist, und nicht ich.. 14Die Publiciane berücksichtigt die Zeit des Kaufes, und nach des Pomponius Ansicht kommt bei dieser Klage weder was vor dem Kauf, noch was nachher mit Arglist geschehen ist, in Betracht. 15Den guten Glauben begreift sie aber allein auf Seiten des Käufers. 16Zum Vorhandensein der Publiciane gehört [also] das Zusammentreffen [der beiden Umstände], dass Jemand im guten Glauben gekauft habe, und die gekaufte Sache ihm in dieser Rücksicht übergeben worden sei. Uebrigens kann man vor der Uebergabe, wenn man auch Käufer im guten Glauben ist, die Publiciane nicht anstellen. 17Julian schreibt im siebenten Buche der Digesten: Die Uebergabe der gekauften Sache, müsse im guten Glauben geschehen, und wer daher wissentlich fremden Besitz ergriffen habe, könne die Publiciane nicht anstellen, weil er nicht ersitzen könne. Auch bilde sich keiner ein, dass wir der Meinung seien, als genüge es, zu Anfang der Uebergabe nicht gewusst zu haben, dass die Sache einem Andern gehöre, um die Publiciane anstellen zu können, sondern er muss auch vorher99Tunc, d. h. beim Kaufabschluss, Accurs. s. auch Glück VIII. p. 337. Käufer im guten Glauben sein.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Die Publiciane findet Statt, die Sache mag dem Käufer [selbst] oder dessen Erben übergeben worden sein. 1Kauft Jemand eine bei ihm niedergelegte oder ihm geliehene, oder verpfändete Sache, so ist sie für übergeben anzusehen, wenn sie ihm nach dem Kauf verblieben ist. 2Auch wenn die Uebergabe dem Kauf vorangegangen ist, gilt dasselbe. 3Ferner, sagt Neratius, sei, wenn ich eine Erbschaft gekauft habe, und eine mir übergebene Erbschaftssache fordern will, die Publiciane zuständig. 4Ad Dig. 6,2,9,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 199, Note 13.Wenn Jemand zweien im guten Glauben getrennt [von einander] Kaufenden [dieselbe Sache] verkauft hat, so ist die Frage, wer von beiden die Publiciane1010Nämlich gegen den Andern, s. Glück P. VIII. p. 360 sq. anstellen könne, ob der, dem die Sache zuerst übergeben worden ist1111Nämlich wenn er sie dann wieder verloren hat., oder der, welcher sie blos gekauft1212Hier ist auch geschehen Uebergabe hinzuzudenken, aber spätere als die erste an den andern Käufer, s. Glück a. a. O. hat. Julian schreibt im siebenten Buche seiner Digesten, dass, wenn sie beide von demselben Nichteigenthümer gekauft haben, der vorgehe, dem die Sache zuerst übergeben worden ist; wenn aber von verschiedenen Nichteigenthümern, so sei der Besitzer besser daran, als der Kläger; diese Ansicht ist richtig. 5Diese Klage findet in Ansehung solcher [Sachen], die nicht ersessen werden können, z. B. gestohlener oder eines flüchtigen Sclaven, nicht Statt. 6Wenn ein Erbschaftssclav vor dem Erbantritt eine Sache gekauft, und den ihm übergebenen Besitz verloren hat, so kann sich der Erbe mit Recht der Publiciane bedienen, wie wenn er selbst besessen hätte. Auch Municipalstädter, deren Sclaven eine Sache übergeben worden, befinden sich in derselben Lage,
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Wenn ich gekauft habe, und die Sache mit meinem Willen einem Andern übergeben worden ist, so hat der Kaiser Severus verordnet, dass demselben die Publiciane zu verstatten sei. 1Ad Dig. 6,2,11,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 217, Note 9.Wird wegen übergebenen Niessbrauchs geklagt, so wird auch die Publiciane ertheilt; nicht minder, wenn Dienstbarkeiten an Gebäuden durch Uebergabe bestellt worden sind, oder durch sich Gefallenlassen, z. B. wenn Jemand gestattet hat, durch sein Haus eine Wasserleitung zu ziehen; ebenso bei [denen an] ländlichen Grundstücken; denn auch in Ansehung dieser muss Uebergabe und [geschehenes] sich Gefallenlassen geschützt werden. 2Das Kind einer gestohlenen Sclavin, welches bei einem Käufer im guten Glauben empfangen worden, muss [auch] durch diese Klage verlangt werden, wenn es auch vom Käufer noch nicht besessen worden ist; der Erbe des Diebes hat aber diese Klage nicht, weil er Nachfolger in die [Besitz-]Mängel des Erblassers ist. 3Zuweilen aber steht mir, wenn auch die gestohlene Mutter nicht verkauft, sondern mir, ohne dass ich [die Verhältnisse] kenne, geschenkt und bei mir geschwängert und entbunden worden ist, wegen des Kindes die Publiciane zu, wie Julian sagt, wenn ich nur zu der Zeit, wo ich Klage erhebe, nicht weiss, dass die Mutter [einem Andern] gestohlen ist. 4Derselbe Julian sagt im Allgemeinen, dass ich aus demselben Grunde, aus dem ich die Mutter ersitzen kann, wenn sie nicht gestohlen ist, auch deren Kind ersitze, wenn ich nicht wusste, dass jene gestohlen sei. In allen diesen Fällen habe ich daher die Publiciane. 5Dasselbe ist auch der Fall, wenn von einem Kinde wieder ein Kind vorhanden, auch wenn es nicht geboren, sondern nach dem Tode der Mutter mittelst des Kaiserschnitts aus deren Leibe genommen worden ist, wie auch Pomponius im vierzigsten Buche geschrieben hat. 6Derselbe sagt auch, dass, wenn Gebäude gekauft und niedergerissen worden sind, dasjenige, was zu einem Gebäude hinzukomme, mit einer Klage dieser Art gefordert werden könne. 7Was durch Anspülung an ein Grundstück sich ansetzt, wird dem ähnlich, wozu es kommt; wenn daher das Grundstück selbst mittelst der Publiciane nicht gefordert werden kann, so kann jenes auch nicht verlangt werden; kann dieses aber selbst gefordert werden, so kann es auch der Theil1313Unser Text hat ad partem, und in der Note Haloand. Variante et pars; dieselbe Lesart hat auch Ed. Fradin.; ich habe sie daher angenommen.; so lehrt Pomponius. 8Derselbe fügt hinzu, eine ähnliche Klage sei auch, wenn abgenommene Theile einer gekauften Statue gefordert worden, anwendbar. 9Er schreibt nicht minder, dass wenn ich einen freien Platz gekauft und ein Haus darauf gebauet habe, ich mit Recht mich der Publiciane bedienen könne. 10Auch sagt er: wenn ich das Haus gekauft habe, und dasselbe zum freien Platze kommt, so könne ich ebenfalls die Publiciane anstellen.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Papinian schreibt im sechsten Buche seiner Quaestionen: wenn Jemand verboten hat, eine Sache auf den Grund geschehenen Verkaufs zu übergeben oder [dem Käufer] davon Anzeige gemacht hat, welche mit seinem Willen von seinem Geschäftsbesorger verkauft worden war, und derselbe sie nichts desto weniger übergeben hat, so wird der Prätor dem Käufer Schutz angedeihen lassen, er mag die Sache besitzen oder sie fordern. Was aber der Geschäftsbesorger in Folge der Kaufklage dem Käufer1414Dem die Sache vom Auftragsertheiler wieder entwährt worden ist. Glosse. gewährt hat, kann ersterer durch die Auftragsgegenklage wieder erlangen; denn es kann der Fall eintreten, dass dem Käufer eine Sache von demjenigen, der zu ihrem Verkaufe Auftrag ertheilt hat, wieder entwunden wird, weil er sich aus Unwissenheit der Einrede, die er hätte vorschützen müssen, nicht bedient hat; z. B. der: wenn mein Gewährsmann nicht mit deinem Willen verkauft hat.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Julianus schreibt, dass die, denen vom Prätor die Vermögensverwaltung untersagt worden ist, auf Niemand Etwas übertragen können, weil sie Nichts im Vermögen haben, da ihnen eine Verminderung [desselben] untersagt worden ist. 1Ad Dig. 27,10,10,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 442, Note 4.Der Curator eines Rasenden wird zwar seine Sache, gleich als wäre sie die des Rasenden, übergeben und das Eigenthum übertragen können; wenn er aber eine Sache des Rasenden, gleich als ob sie die seinige wäre, übertragen sollte, so muss man sagen, dass er das Eigenthum nicht übertrage, weil er nicht das Geschäft des Rasenden führte, als er die Sache übergeben hat.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Ulp. lib. XVI. ad Ed. Wenn eine fremde Sache im guten Glauben gekauft worden ist, so frägt es sich, ob dazu, dass die Ersitzung anhebe, [blos] das Vorhandensein des guten Glaubens zu Anfang des Kaufes, oder [auch] der Uebergabe erforderlich sei? — Hier überwog des Sabinus und Cassius Ansicht, die auf den Zeitpunkt der Uebergabe [auch]1515S. Glück VIII. S. 338. Unterholzner S. 414. Anm. 413. Der Streit war nemlich darüber: ob ausserdem, d. h. ausser auf die Zeit des Kaufs, auch auf die des wirklichen Besitzanfangs durch Uebergabe zu sehen sei. Rücksicht genommen wissen wollten. 1Ad Dig. 41,3,10,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 213, Note 1.Es ist bei Uns Rechtens, dass Dienstbarkeiten für sich allein nirgends durch lange Zeit ersessen werden können; mit Gebäuden zusammen können sie es1616Das Beste über diese Stelle sagt wohl Unterholzner Thl. II. S. 148. ff. Ich lese nusquam.. 2Ad Dig. 41,3,10,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 144, Noten 2, 4; Bd. I, § 182, Note 6.Scaevola schreibt im elften Buche seiner Quaestionen, Marcellus sei der Ansicht gewesen, dass, wenn ein Rind bei dem Diebe tragend geworden, und bei dessen Erben geworfen habe, das vom Erben verkaufte Rind nicht ersessen werden könne, eben so wenig, sagt er, wie das Kind einer Sclavin. Scaevola schreibt aber, seiner Meinung nach könne er das Junge ersitzen; denn das Junge ist kein Theil des gestohlenen Gegenstandes. Wäre es ein solcher, so konnte es ja auch nicht, wenn es bei einem Besitzer guten Glaubens geboren worden, ersessen werden1717D. h. es würde einerlei sein, ob es bei einem Besitzer b. f. oder m. f. geboren worden, was man doch nicht zugeben kann. Unterholzner Thl. I. S. 224..
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.