Ad edictum praetoris libri
Ex libro XIV
Ulp. lib. XIV. ad Edict. Wenn man zwar einen Bürgen für tüchtig anerkennt, aber doch von ihm beibringt, dass er die Ausflucht der Incompetenz des Gerichts habe, und der Kläger fürchtet, er möchte sein Recht in Bezug auf den Gerichtsstand brauchen, so ist zu sehen, was Rechtens sei. Und der höchstselige Pius hat nach Angabe des Pomponius im Buche der Briefe, und des Marvellus im 3. Buche der Digesten, und des Papinian im 3. Buche der Quaestionen, an Cornelius Proculus rescribirt, dass der Kläger mit Recht sich weigere, einen solchen Bürgen anzunehmen; indess, wenn auf andere Wiese keine Sicherheit geleistet werden könne, so müsse er im Voraus erklären, er werde, im Fall er verklagt werde, von seinem Rechte keinen Gebrauch machen. 1Wenn die Stellung der Sicherheit eine nothwendige ist, und der Beklagte sie nicht leicht da leisten kann, wo er verklagt wird, so kann er gehört werden, wenn er bereit sein sollte, in einer andern Stadt derselben Provinz Sicherheit zu Stellen; ist aber die Stellung der Sicherheit eine freiwillige, so wird er nicht an einen andern Ort gewiesen; denn er verdient das nicht, weil er sich selbst in diese Nothwendigkeit versetzt hat. 2Ist für eine bewegliche Sache keine Sicherheit gestellt, und die Person, von der sie verlangt wird, verdächtig, so muss der Gegenstand beim niedern Gerichtspersonale niedergelegt werden, wenn dies der Richter will, bis entweder Sicherheit gestellt oder der Process beendigt ist.
Ulp. lib. XIV. ad Edict. Ad Dig. 4,9,1 pr.ROHGE, Bd. 25 (1880), Nr. 79, S. 333: Haftpflicht des Gastwirths für das Receptum.Es sagt der Prätor: Wenn Schiffsrheder, Gastwirthe, Stallwirthe dasjenige, was sie nur irgend von Jemandem [unter dem Versprechen], dass es gesichert sein werde, aufgenommen haben sollten, nicht zurückgeben werden, so werde ich gegen sie eine Klage gestatten. 1Ad Dig. 4,9,1,1ROHGE, Bd. 17 (1875), Nr. 12, S. 40: Haftung des Gastwirths für die Sachen eines Reisenden ohne Rücksicht auf die Dauer und Bezahlung der Beherbergung.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 384, Note 5.Sehr gross ist der Nutzen dieses Edicts, weil es nothwendig ist, meistens [nur dem in sie gesetzten] Vertrauen zu folgen und Sachen ihrer Verwahrung anzuvertrauen. Halte Niemand dafür, es sei dies auf [zu] strenge Weise gegen sie angeordnet worden, denn es steht in ihrer Willkühr, Jemanden nicht aufzunehmen; und wenn dies nicht verordnet worden wäre, so würde ihnen Veranlassung gegeben werden, sich mit Dieben gegen diejenigen, welche sie bei sich aufnehmen, zu vereinigen, zumal da sie nicht einmal jetzt sich solcher Betrügereien enthalten. 2Welche nun es sind, die [nach diesem Edicte] gehalten werden, ist zu betrachten. Der Prätor sagt: nautae (Schiffsrheder). Unter nauta müssen wir [hier] den verstehen, welcher ein Schiff zum Gewerbe hält (navem exercet), obschon [sonst] alle diejenigen nautae heissen, welche, um das Schiff zu leiten, auf dem Schiffe sich befinden. Aber der Prätor hat blos den Schiffsrheder (exercitorem11Cf. Fr. 1. §. 15. de exercitor. act. 14. 1.) im Sinne, denn es soll ja [einem solchen nauta, wie ihn der Prätor sich denkt], sagt Pomponius, nicht durch den Ruderknecht oder Signalgeber (mesonautam22Nach der Erklärung des Dion. Gothofredus nämlich ist mesonauta ein in der Mitte der Schiffsleute sich befindender Schiffer, der den Ruderknechten das Signal zum Rudern gibt. Cf. auch Anton Faber l. l. p. 819.) eine Verpflichtung auferlegt werden, sondern [nur] durch sich selbst oder den Schiffsmeister (navis magistrum), obgleich er, wenn er etwa selbst, dass einem von den Schiffern [die Verwahrung fremder Sachen] überlassen werde, befohlen hat, unstreitig für verpflichtet angesehen werden muss. 3Es gibt nun Einige auf den Schiffen, welche zur Verwahrung [fremder Sachen] den Schiffen vorgesetzt werden, z. B. die Schiffswächter (ναυφύλακες) und Kajütenaufseher (diaetarii). Wenn also einer von diesen [fremde Sachen] aufgenommen haben sollte, so glaube ich, dass gegen den Schiffsrheder eine Klage zu gestatten sei, weil derjenige, welcher dergleichen [Leute] einem solchen Geschäftskreise vorsetzt, [dadurch zugleich] die Erlaubniss gibt, dass ihnen etwas anvertraut werde, wenn auch der Schiffspatron (navicularius) selbst oder der Schiffsmeister das vornähme, was [die Griechen] χειρέμβολον33χειρέμβολον, manus immissionem nach der gewöhnlichen Uebersetzung; Anton Faber aber meint (l. l. p. 820.), dass unter diesem Ausdrucke dasjenige Zeichen zu verstehen sei, womit dem Eigenthümern angedeutet wird, dass ihre Sachen in das Schiff aufgenommen werden sollen. nennen. Wenn dies aber auch nicht geschehen wäre, so wird doch der Schiffspatron aus der Aufnahme [der fremden Sachen] gehalten sein. 4Ueber diejenigen, welche mit Flössen ein Gewerbe treiben (exercitores ratium), desgleichen über Kahnführer (lintrarii) wird [im Edicte] nichts verordnet, aber Labeo schreibt, es müsse bei ihnen dasselbe zur Anwendung kommen, und dies ist bei uns Rechtens. 5Unter [den Ausdrücken] caupones (Gastwirthe) aber, und stabularii (Stallwirthe), werden wir auf ähnliche Weise diejenigen verstehen, welche mit einem Gasthofe oder einem Stalle ihr Gewerbe treiben, wie auch ihre Untergebenen (institores). Wer jedoch den Dienst eines blossen Aufwärters (mediastini), wie z. B. Thürhüter (atriarii) und Heerdbesorger (focari) und ähnliche Leute, verrichtet, ist darunter nicht mit begriffen. 6Es sagt der Prätor: was sie nur irgend von Jemandem [unter dem Versprechen], dass es gesichert sein werde, aufgenommen haben sollten, das heisst, was für irgend eine Sache oder Waare nur sie aufgenommen haben sollten. Daher findet man denn beim Vivianus angeführt, dass auch auf solche Sachen dieses Edict gehe, welche den Waaren etwa ähnlich sind44Oder soll vielleicht der Sinn folgender sein (?): als Accessionen der eigentlichen Waaren betrachtet werden können., z. B. Kleidungsstücke, deren man sich auf dem Schiffe bedient, und andere [Gegenstände], die wir zum täglichen Gebrauche haben. 7Desgleichen schreibt Pomponius im 34. Buche, es mache wenig Unterschied, ob wir unsere Sachen oder fremde hineingeschafft haben, wenn uns nur daran gelegen sei, dass sie unbeschädigt bleiben; denn sie müssen ja vielmehr uns, als denen, welchen sie angehören, ausgehändigt werden. Und demnach wird, wenn ich Waaren als Pfand für eine zu Schiffe zu versendende Geldsumme (ob pecuniam nauticam) empfangen haben sollte, der Schiffsrheder, wenn er sie von mir in Empfang genommen hat, mir mehr, als dem Schuldner, verpflichtet sein. 8Ad Dig. 4,9,1,8ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 108, S. 344: Haftpflicht des Gasthofbesitzers für die vom Gaste eingebrachten Effecten. Uebergabe von Sachen an den Portier zur Beförderung mit dem Gasthofomnibus zur Post.ROHGE, Bd. 25 (1880), Nr. 79, S. 333: Haftpflicht des Gastwirths für das Receptum.Es nimmt aber [der Schiffsrheder fremde Sachen mit dem Versprechen], dass sie unbeschädigt bleiben werden, auf, werden nun die auf das Schiff geschickten Sachen [erst], wenn sie ihm namentlich angegeben (ei assignatae sunt) worden sind, oder, obschon sie nicht namentlich angegeben worden sind, blos des Umstandes wegen, dass sie in das Schiff geschickt worden sind, als aufgenommen angesehen? Und ich bin der Meinung, dass er die Verwahrung aller Sachen übernehme, welche in das Schiff gebracht worden sind, und dass er nicht blos für die Handlungsweise der Schiffsleute, sondern auch der Mitfahrenden stehen müsse,
Ad Dig. 4,9,3ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 108, S. 344: Haftpflicht des Gasthofbesitzers für die vom Gaste eingebrachten Effecten. Uebergabe von Sachen an den Portier zur Beförderung mit dem Gasthofomnibus zur Post.Ulp. lib. XIV. ad Ed. und so schreibt von der Handlungsweise der Mitfahrenden auch Pomponius im 34. Buche. Derselbe sagt, dass, wenn die Sachen, deren Aufnahme er einmal zugesagt hat, auch noch nicht in das Schiff aufgenommen worden, sondern am Gestade zu Grunde gegangen wären, doch die Gefahr ihn treffe. 1Es sagt der Prätor: nicht zurückgeben werden, so werde ich gegen sie eine Klage gestatten. Aus diesem [Theile] des Edicts geht eine Klage in factum hervor. Ob sie aber nothwendig sei, ist in Erwägung zu ziehen, weil in diesem Falle eine Klage des Civilrechts wird angestellt werden können. Wenn nämlich ein Lohn ausbedungen worden ist, [wird] sowohl ex locato, wie ex conducto55Deutsche Ausdrücke für diese Klagen lassen sich in diesem Zusammenhange ohne grosse Umschreibung nicht gut anwenden, es sei mir daher die Beibehaltung der ohnehin sehr bekannten lateinischen hier und im Folgenden vergönnt., [geklagt werden können]; wenn aber das ganze Schiff verdungen worden wäre, so kann derjenige, welcher es gedungen hat, auch rücksichtlich der Sachen, die ihm fehlen, ex conducto klagen; wenn aber der Schiffsrheder Sachen, um sie an einen bestimmten Ort zu bringen, miethweise übernommen hat, so wird er auch ex locato belangt werden; sollten aber die Sachen von ihm ohne Vergütung aufgenommen worden sein, so hätte gegen ihn, sagt Pomponius, die Klage aus dem Verwahrungsvertrage angestellt werden können. Er äussert daher seine Verwunderung, warum [hier noch] eine Klage aus obrigkeitlichen Edicten (actio honoraria) eingeführt worden sei, da doch civilrechtliche Klagen vorhanden seien; es müsste denn etwa, sagt er, deshalb [dies geschehen sein], damit bekannt werden möchte, dass der Prätor für die Unterdrückung der Unredlichkeit dieser Art von Menschen Sorge trage, und weil beim Pacht und Miethcontracte [nur] für Fahrlässigkeit, beim Verwahrungscontracte nur für bösen Vorsatz gehaftet wird. Allein diesem Edicte zu Folge ist derjenige, welcher aufgenommen hat, auf jede Weise gehalten, wenn auch ohne seine Fahrlässigkeit die Sache zu Grunde gegangen oder der Schaden zugefügt worden ist, es müsste denn der Schaden durch reinen Zufall veranlasst werden. Weshalb Labeo schreibt, es sei, wenn etwas durch Schiffbruch oder Gewaltthätigkeit der Seeräuber zu Grunde gegangen wäre, nicht unbillig, dass ihm eine Ausflucht gestattet werde. Dasselbe auch wird zu behaupten sein, wenn im Stalle oder im Gasthofe eine grössere [unabwendbare] Gewalt66Oder: ein von menschlicher Willkühr unabhängiger Zufall [denn bekanntlich ist vis major das, was sonst casus oder casus fortuitus oder damnum fatale genannt wird]. (vis major) eingetreten sein sollte. 2Auf die selbe Weise sind Gastwirthe und Stallwirthe gehalten, wenn sie bei der Ausübung ihres Gewerbes [Sachen] aufnehmen. Im Gegentheile aber werden sie, wenn sie etwa, abgesehen von ihrem Gewerbe, Sachen aufnehmen, nicht gehalten sein. 3Wenn ein Haussohn oder ein Sclav aufgenommen haben sollte, und die Einwilligung des Vaters, des Herrn, ist dazu gekommen, so wird derselbe auf das Ganze zu belangen sein. Desgleichen wird, wenn ein Sclav des Schiffsrheders etwas weggenommen oder einen Schaden verursacht hat, die Noxalklage nicht Statt finden, weil wegen der Aufnahme der Herr in seinem eigenen Namen belangt wird. Wenn dagegen [der Haussohn oder der Sclav] etwa ohne Einwilligung [des Vaters oder des Herrn] ihr Gewerbe treiben, so wird gegen sie die Klage de peculio gestattet werden. 4Diese geht aber auf Wiedererlangung der Sache, wie Pomponius sagt; und aus diesem Grunde wird sie nicht nur gegen den Erben [des Beklagten], sondern auch als unverjährbar bewilligt werden. 5Endlich ist zu sehen, ob Jemand in Beziehung auf dieselbe Sache sowohl die Klage aus den obrigkeitlichen Edicten in Beziehung auf die geschehene Aufnahme, als auch die Diebstahlsklage, anstellen könne. Und Pomponius steht hierüber in Zweifel; aber es ist mehr dafür, dass er, entweder vermöge einer Verordnung des Richters oder in Folge der [gegen ihn gebrauchten] Einrede des bösen Vorsatzes, mit einer von beiden Klagen sich begnügen müsse.
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Es ist zu bemerken, dass die Klagen über Lieblosigkeit sehr häufig sind, denn allen Eltern und Kindern steht es frei, über Lieblosigkeit Streit zu erheben; die eigentlichen Verwandten hingegen, welche nach dem Bruder kommen, thäten besser, sie machten sich keine vergebliche Kosten, indem sie doch keine Hoffnung haben, obzusiegen.
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Ein Nachkömmling kann das Testament derjenigen als lieblos anfechten, deren Notherbe oder gesetzmässiger Erbe er hätte werden können, wenn er zur Zeit ihres Todes noch im Mutterleibe gewesen ist; aber auch das von Verwandten, weil er auch den Besitz deren Nachlasses testamentslos erhalten konnte. Warum wird ihnen also ein Vorwurf gemacht, [etwa] weil sie nicht ohne Testament gestorben seien? Das kann Niemand vom Richter verlangen, denn die Testamentserrichtung ist nicht verboten. Nur das kann er ihm zum Vorwurf machen, warum er ihn nicht zum Erben eingesetzt habe. Denn als eingesetzter Erbe konnte er nach der Clausel: über die Setzung der Leibesfrucht in den Besitz, in den Besitz gesetzt werden, und ebenso würde er, wenn er schon geboren wäre, den: dem Testamentsinhalt gemäss erlangen. Auf ähnliche Weise, behaupte ich, kann auch derjenige klagen, wer nach der Testamentserrichtung seiner Mutter mittelst des Kaiserschnitts das Licht erblickt hat. 1Wenn eine von denjenigen Personen, die zur testamentslosen Erbfolge nicht gelassen werden, wegen Lieblosigkeit geklagt, denn es hindert sie Niemand, und zufälliger Weise Recht erhalten hat, so nützt der Sieg nicht ihm, sondern denen, welche die testamentslose Erbfolge haben; denn er versetzt den Familienvater in die Lage, als wenn er testamentslos gestorben wäre. 2Ueberträgt derjenige, welcher nach angestellter Klage wegen Lieblosigkeit stirbt, die Klage auf seine Erben? Papinian antwortet, wie auch in einigen Rescripten angedeutet wird, es finde, wenn er nach Empfang des Nachlassbesitzes gestorben, Nachfolge in die Klage Statt. Auch wenn der Nachlassbesitz noch nicht gefordert, jedoch schon Streit entstanden oder Vorbereitungen dazu getroffen worden sind, oder wenn Jemand [wo] angekommen, um die Klage wegen Lieblosigkeit zu erheben, und dann gestorben ist, glaube ich, geht sie auf die Erben über.
Ulp. lib. XIII. ad Ed. Papinian schreibt im fünften Buche seiner Quästionen ganz richtig, dass der Vater im Namen seines Sohnes die Klage wegen Lieblosigkeit wider dessen Willen nicht anstellen könne; denn das geschehene Unrecht trifft diesen selbst. Derselbe schreibt nachher, die Klage wegen Lieblosigkeit, welche im Namen des Sohnes, und nicht dem des Vaters ertheilt ward, erlösche, wenn der Sohn nach dem Empfang des zur Anordnung des Rechtsstreits ertheilten Nachlassbesitzes gestorben sei. 1Wenn Jemand nach Anordnung der Sache wegen Lieblosigkeit den Process hat fallen lassen, so wird er nachher nicht weiter gehört werden. 2[Auch] wenn der Kaiser als Erbe eingesetzt ist, kann das Testament, wie oft rescribirt worden ist, als lieblos angefochten werden. 3Papinian sagt im zweiten Buche seiner Gutachten, gegen das Testament eines Familienvaters, der Veteran gewesen, finde auch die Klage wegen Lieblosigkeit Statt, selbst wenn er nichts, als im Felde erworbenes Gut, besessen hat. 4Wenn Jemand während seines Kriegsdienstes ein Testament gemacht hat, und binnen einem Jahre nach dessen [Beendigung] gestorben ist, so könnte es zweifelhaft scheinen, ob nicht, weil sein Testament bis zu dieser Zeit nach militärischem Rechte gilt, die Lieblosigkeitsklage wegfalle. Man kann sagen, sie falle weg. 5Eines unmündigen Sohnes Testament kann die Mutter nicht als lieblos anfechten, weil es ihm der Vater errichtet hat; dies sagt Papinian; auch nicht der Bruder des Vaters, weil es ein Testament des Sohnes ist, mithin auch nicht der Bruder des Unmündigen, wenn er es nicht als ein solches des Vaters angegriffen hat. Hat er aber gegen das des Vaters obgesiegt, so gilt das [des Unmündigen] auch nicht, es wäre denn das des Vaters nur zum Theil umgestossen; dann gilt das des Unmündigen. 6Hat ein Familienvater seinem Sohn das Viertheil davon auf den Todesfall geschenkt, was an ihn, wenn ersterer ohne Testament gestorben wäre, gelangt sein würde, so kann er meines Dafürhaltens sicher testiren. 7Hat Jemand bei Errichtung eines zweiten Testaments seinem unmündigen Sohn [Jemanden] substituirt, so lassen wir den Unmündigen selbst deshalb nicht zur Lieblosigkeitsklage. 8Da aber das Viertheil77Nach der Berechnung des Zeitalters Ulpians, also ⅛ des Ganzen im ersten und 1/24 im folgenden Fall auf die Person. der schuldigen Portion zur Abwendung der Klage hinreicht, so wollen wir sehen, ob die Enterbten mitzurechnen sind, welche nicht klagen; z. B. wir sind unserer zwei enterbte Söhne; allerdings wird hier [der andere enterbte Bruder] mitgerechnet, wie Papinian erachtet hat, und wenn ich das Testament als lieblos anfechte, so darf ich nur die Hälfte, nicht die ganze Erbschaft fordern. Sind daher Enkel von zwei Söhnen vorhanden, von dem einen mehrere, etwa drei, vom andern nur einer, so behindert den einen der Empfang des Viertheils von der Hälfte7, jeden von jenen aber der des Viertheils vom Sechstheil an Anstellung der Klage. 9Das Viertheil aber wird nach Abzug der Schulden und Leichenkosten verstanden. Ob aber Freiheitsertheilungen das Viertheil vermindern und um wieviel sie es vermindern, das ist die Frage. Wenn nun aber Jemand, der zum Universalerben eingesetzt ist, [ein Testament] deshalb nicht als lieblos anfechten kann, weil er das Falcidische Viertheil [unverkürzt] erhält, dieses aber die Freiheitsertheilungen nicht vermindert, so kann man sagen, das Viertheil sei nach Abzug der Freiheitsertheilungen zu berechnen. Da also feststeht, dass das Viertheil durch Freiheitsertheilungen vermindert werde, so kann der Fall eintreten, dass derjenige, dessen Vermögen nur in Sclaven besteht, dadurch, dass er ihnen die Freiheit ertheilt, die Lieblosigkeitsklage ausschliesst, wenn nicht etwa dann ein Sohn, der ohne sich in [des Vaters] Gewalt zu befinden, vom Vater zum Erben eingesetzt ist, mit Recht die Erbschaft unberücksichtigt und während er sie auf den Substituten übergehen lässt, die Lieblosigkeitsklage anstellt, oder ohne die Strafe des Edicts, die Erbschaft testamentslos erhält. 10Ad Dig. 5,2,8,10Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 581, Note 7.Wenn ein Testator seinem Erben befohlen hat, sich in Betreff der Person seines Sohnes oder eines Andern, der diese Klage erheben kann, einer Bedingung zu unterziehn, und dieser wissentlich es angenommen hat, so ist die Frage, ob er dadurch nicht an Anstellung der Lieblosigkeitsklage behindert werde; denn er hat den Willen [des Testators] anerkannt. Derselbe Fall ist, wenn ihm ein Vermächtnissinhaber oder ein Bedingtfreier [das Ausgesetzte] gegeben hat. Man kann hier allerdings sagen, dass er daran behindert werde, besonders wenn [der Testator] dem Erben die Leistung anbefohlen hatte; wenn aber einem Vermächtnissinhaber, vereitelt da das Anerbieten des Vermächtnissinhabers die schon eingeleitete Lieblosigkeitsklage nicht? Warum bejahen wir es also beim Erben unbedingt? Weil die Klage vor dem Erbantritt nicht entsteht. Ich glaube, man muss hierbei auf den Erfolg Rücksicht nehmen, so dass, wenn das Anerbieten des Hinterlassenen vor Anstellung der Klage geschieht, dem [Betheiligten] gleichsam nach dem Willen des Testators dadurch Befriedigung geworden zu sein, angenommen wird. 11Ist daher88Dies ist im Zusammenhang mit §§. 8. 9. zu verstehen. z. B. Jemand, der nur ein Sechstheil vom Nachlass hätte verlangen können, zur Hälfte eingesetzt und gebeten worden, nach Verlauf einer bestimmten Zeit die Erbschaft einem Andern auszuantworten, so kann man mit Recht sagen, dass keine Klage Statt finde, indem er die ihm gebührende Portion und deren Nutzungen haben kann; denn dass die Nutzungen zum Falcidischen Viertheil gerechnet werden, ist bekannt. Ist er daher von Anfang an zur Hälfte als Erbe eingesetzt und gebeten worden, nach Verlauf von zehn Jahren die Erbschaft auszuantworten, so hat er keinen Grund zum Klagen; indem er die ihm gebührende Portion sammt den Nutzungen in der dazwischenliegenden Zeit leicht erwerben kann. 12Wenn Jemand ein Testament sowohl als ungültig oder umgestossen, wie als lieblos anfechtet, so muss ihm freistehen, als welches er es zuerst angreifen will. 13Befindet sich ein enterbter Sohn im Besitz der Erbschaft, so kann der eingesetzte Erbe zwar die Erbschaftsklage anstellen, der Sohn aber widerspruchsweise sich auf die Lieblosigkeitsklage berufen, gleichwie er sein Recht verfolgen würde, wenn er nicht in Besitz wäre, sondern selbst klagend aufträte. 14Man vergesse aber nicht, dass derjenige, welcher ein Testament mit Unrecht als lieblos angefochten und nicht obgesiegt hat, dasjenige, was er laut des Testaments empfing, verliere, und dasselbe, als einem Unwürdigen entzogen, dem Fiscus anheimfalle. Es wird ihm jedoch nur dann das im Testament Bestimmte entzogen, wenn er bis zum richterlichen Spruch bei seinem unrechtlichen Streit beharrt hat; wenn er vor dem Spruche davon abgelassen hat oder gestorben ist, so wird ihn das Gegebene nicht genommen; ist daher auch, wenn er ausgeblieben, für den erschienenen [Beklagten] entschieden worden, so kann man [doch] behaupten, es müsse ihm das, was er empfangen, gelassen werden. Es darf ihn jedoch nur der Verlust dessen treffen, wovon ihm der Vortheil gebührt hätte; ist er um dessen Herausgabe gebeten worden, so darf [in dieser Hinsicht] kein Unrecht geschehen99Nämlich dem Fideicommissinhaber.. Daher schreibt Papinian im zweiten Buche seiner Gutachten ganz richtig, dass der Erbe, wenn er gebeten worden, die Erbschaft herauszugeben, und nachher mit der Lieblosigkeitsklage nicht obgesiegt hat, nur das verliere, was er nach den Rechtsgrundsätzen der Falcidie haben konnte. 15Ad Dig. 5,2,8,15Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 593, Note 5.Ist ein Unmündiger adrogirt worden, der zu denjenigen Personen gehört, welche [, ihrer verwandschaftlichen Stellung zum Adrogirenden gemäss, ] auch ohne die geschehene Annahme an Kindes Statt und die [erfolgte] Entlassung aus der Gewalt, wegen Lieblosigkeit klagen können, so glaube ich, dass derselbe nicht zu dieser Klage zu lassen sei, da er das Viertheil nach der Constitution des Kaisers Pius erhält. Wie aber, wenn er geklagt und nicht obgesiegt hat, verliert er da das Viertheil? Nach meiner Ansicht darf ihm die Lieblosigkeitsklage entweder gar nicht verstattet, oder es muss ihm, wenn dies doch geschehen, und er auch nicht Recht erhalten hat, das Viertheil als eine Schuldforderung bewilligt1010Unser Text hat hier einen Druckfehler. werden. 16Hat ein Richter in einer Rechtssache über Lieblosigkeit erkannt und gegen das Testament gesprochen, ohne dass appellirt worden ist, so ist dasselbe dem Rechte selbst unmittelbar zu Folge vernichtet, und es wird derjenige, für den erkannt worden ist, sowohl Notherbe, als auch, wenn er als solcher auftrat, Nachlassbesitzer; auch die Freiheitsertheilungen sind dann dem Rechte selbst zu Folge ungültig, und es findet zu keinem Vermächtniss eine Verpflichtung Statt, sondern es kann sie, wenn sie schon gezahlt sind, entweder derjenige, welcher sie entrichtet, oder derjenige, welcher obgesiegt hat, zurückfordern; man fordert sie mit einer analogen Klage wieder. Sind sie aber vor Erhebung des Streites gezahlt worden, so fordert sie der Obsiegende zurück; dies haben die Kaiser Hadrian und Pius verordnet. 17Ist aber ein Testament aus einer gewichtigen und rechtmässigen Ursache erst nach fünf Jahren als lieblos angefochten worden, so sollen die aus demselben Statt findenden oder schon geschehenen Freiheitsertheilungen nicht widerrufen, aber von jedem einzelnen [Sclaven] dem Sieger zwanzig Goldstücke entrichtet werden,
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Der Kaiser Pius hat verordnet, der Besitzer einer Erbschaft, worüber Streit ist, dürfe ehe der Process begonnen, davon nichts veräussern, er müsse denn für die Gesammtheit der Erbschaft, oder Herausgabe deren Inbegriffs von Sachen Bürgschaft bestellen wollen. Nach Untersuchung der Sache aber, hat der Prätor ausgesprochen, werde er, wenn auch keine solche Bürgschaft, sondern eine gewöhnliche Sicherheit bestellt worden, auch nach Anfang des Processes eine Veräusserung gestatten, damit dieselbe nicht, wenn sie ganz und gar verboten bleibt, auch möglicher Weise Vortheil verhindere; z. B. wenn etwas zum Begräbniss nöthig wird; denn des Begräbnisses wegen erlaubt er eine Veräusserung. Nicht minder in dem Fall, wenn, dafern bis zu einem gewissen Tage keine Zahlung geschieht, der Verkauf eines Pfandes bevorsteht, auch wegen der Ernährung des Hausgesindes kann Veräusserung nöthig werden; endlich muss der Prätor den Verkauf von Sachen, die mit der Zeit verderben würden, gestatten. 1Der Kaiser Hadrian verfügte an den Trebius Sergianus, dass Aelius Asiaticus wegen einer Erbschaft, die von ihm gefordert werde, Bürgschaft leisten, und dann die Frage, ob [das Testament] falsch sei, erörtert werden solle. Dies darum, weil das Verfahren über die Erbschaftsklage Anstand hat, so lange die Frage über die Verfälschung [des Testaments] verhandelt wird. 2Die über Erbschaftsklagen anhängigen Rechtssachen haben das Vorrecht, dass ihnen in der Entscheidung nicht vorgegriffen werden darf.
Idem lib. XIV. ad Ed. Behauptet Jemand, dass ihm aus einem Testament die Freiheit zukomme, so darf der Richter über die Freiheitsertheilung kein Urtheil fällen, damit er demjenigen, welchem die Erörterung über das Testament zusteht, im Urtheil nicht vorgreife; dies hat der Senat beschlossen. Es hat aber auch der Kaiser Trajan verordnet, der Rechtshandel über die Freilassung sei so lange zu verschieben, bis der über die Lieblosigkeit aufgehoben1111Inducitur, s. Brisson. h. v., oder beendet worden sei. 1Ad Dig. 5,3,7,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 584, Note 16.Die Rechtshändel über Freiheitsangelegenheiten werden aber nur dann aufgeschoben, wenn das Verfahren über die Lieblosigkeit schon eingeleitet worden ist; wenn dies aber nicht geschehen ist, so erleiden dieselben keinen Anstand; dies hat der Kaiser Pius verordnet. Denn da ein gewisser Licinianus über sein Standesrecht Anfechtung erlitt, und, damit über sein Verhältniss nicht zeitiger entschieden werden möchte, sich vor dem Freiheitsgericht nicht stellen wollte, indem er sagte, dass er sich auf die Lieblosigkeitsklage einlassen und dem, der die Erbschaft fordern werde, [stellen] wolle, weil er die Freiheit und die Erbschaft aus dem Testament in Anspruch nahm, so sprach sich der Kaiser Pius dahin aus, dass, wenn Licinianus sich im Besitz der Erbschaft befände, er zwar um so eher gehört werden müsse, weil er im Namen der Erbschaft auf einen Process einzugehen bereit wäre, und es im Belieben dessen, der Herr zu sein behauptet, stand, die Lieblosigkeitsklage gegen das Testament zu erheben; jetzt aber dürfe, unter dem Vorwande der Klage wegen lieblosen Testaments, auf welche Licinianus selbst innerhalb des fünfjährigen Zeitraums nicht eingegangen war, der [Erörterung der Frage über die] Sclaverei kein weiteres Hinderniss in den Weg gelegt werden1212Dieses Gesetz ist ohne Erklärung schwer zu verstehen; ich kenne keine andere als die Glosse, und die in den Randnoten zur Simon v. Leeuwenschen C. J.-Ausgabe enthaltene, welche aber nur ein Halbdunkel hervorzubringen vermögen. Ich will daher hier meine eigene Erklärung geben.Ein Sclav, Licinianus, war freigelassen und zum Erben eingesetzt worden. Gegen denselben erhob ein zur Lieblosigkeitsklage berechtigter Notherbe quaestionem status. Dieser, sagt der Kaiser, würde sich Licinianus für den Augenblick entziehen können, wenn er erklärt, dass er sich gegen die Lieblosigkeitsklage stellen wolle, wozu also erforderlich ist, dass er die Erbschaft selbst besitzt, indem es demjenigen, der ihn als Herr in servitutem vindicirt, freistehe, jene zu erheben (petiturum hered. verstehe ich hier als von suscepturum abhängig, und nicht auf den Licinianus bezüglich, sondern auf den Intestaterben). Da aber (Nunc vero) der Intestaterbe sich im Besitz befinde, und also der Fall von der Art sei, dass Licinian Erbschaftsklage aus dem Testament erheben müsse, wo dann der Intestaterbe die querela nur contradictionis modo vorschützen könne, Licinianus aber das quinquennium dazu habe verfliessen lassen, so könne hier der Vorwand, dass er sich auf dieses Indicium einzulassen bereit sei, obige Wirkung nicht mehr haben, sondern die quaestio status dürfe nun nicht weiter verschoben werden.. Er bewilligte überhaupt dem Richter zu erwägen, ob auch die Klage im guten Glauben in Anspruch genommen werde, und wenn er dies einsähe, eine mässige Zeit zu bestimmen, wo, wenn binnen derselben keine Einlassung erfolgt sei, er dem Richter über die Freiheit heissen solle, sein Amt zu verrichten. 2So oft aber, verordnete der Kaiser Pius, Jemand eine Anfechtung seiner Freiheit und einer Erbschaft erleidet, und seine Freiheit nicht aus dem Testament, sondern auf andere Weise, und schon bei Lebzeiten des Testators von diesem freigelassen worden zu sein behauptet, solle die [Erörterung der] Frage wegen der Freiheit nicht aufgeschoben werden, wenn auch Hoffnung vorhanden ist, dass über das Testament Klage erhoben werden werde; er fügte aber dem Rescripte hinzu, wenn nur dem Richter über die Freiheitssache bemerklich gemacht worden, dass er keinen Unterstützungsgrund der Freiheit aus dem Testament zulasse.
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Ob Jemand in Gegenwart oder in Abwesenheit des Schuldners constituirt, verschlägt wenig. Noch mehr, selbst wider Willen [desselben] könne er constituiren, schreibt Pomponius im vierunddreissigsten Buch. Daher hält er die Meinung des Labeo für falsch, der da glaubt, wenn, nachdem Jemand für einen Andern constituirt hat, der Herr1313D. h. der alte Schuldner, wie die Basiliken ausdrücklich sagen. ihm anzeigen sollte, dass er nicht zahlen solle, sei [ihm] eine Einrede auf das Geschehene zu geben; und nicht mit Unrecht [glaubt dies] Pomponius, denn da der einmal verbindlich ist, welcher constituirt hat, so darf ihn die Handlung des Schuldners nicht entschuldigen.
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Papinianus sagt im dritten Buche der Quästionen, der Auftragsgeber des Schuldners befreie diesen, durch Zahlung für ihn, nicht von selbst; denn er bezahlt wegen seines Auftrags und für sich selbst; daher glaubt Papinianus, es müssen ihm die Klagen gegen den Schuldner abgetreten werden.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Wenn Einige von Denen, welche eine fideicommissarische Freiheit gewähren müssen, gegenwärtig, Andere aus einem rechtmässigen Grunde abwesend sind, noch Andere sich verborgen halten, so wird Der, welchem die fideicommissarische Freiheit hinterlassen worden ist, ebenso frei sein, als wenn blos Die, welche zugegen, und Die, welche aus einem rechtmässigen Grunde abwesend waren, gebeten worden wären; der Theil Desjenigen, welcher sich verborgen hält, nützt also diesen1414D. h. der Antheil desselben am Patronatsrecht accrescirt den Anwesenden oder aus einem rechtmässigen Grunde Abwesenden..
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Wenn ein Sclave [unter der Bedingung,] wenn der Sohn [des Testators] das vierzehnte Jahr erfüllt habe, für frei erklärt, und demselben ein Vermächtniss gegeben worden, und der Sohn vorher verstorben ist, so wird Begünstigungsweise die Freiheit, wenn der Termin kommt, zustehen, die Bedingung des Vermächtnisses aber geht nicht in Erfüllung.
Ulp. lib. XIV. ad Ed. Die Stipulation, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, enthält eine bestimmte Summe1515Expeditam habet quantitatem, nemlich nach dem Urtheil, also kein Widerspruch mit l. 2. §. 2. D. de stip. praet. 46. 5.; denn sie verfällt auf so viel, als der Richter durch das Urtheil ausgesprochen haben wird.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.