Ad edictum praetoris libri
Ex libro XII
Ulp. lib. XII. ad Ed. Es bezieht sich dieses Edict auf diejenigen Schmälerungen des bürgerlichen Zustandes, welche unbeschadet des Bürgerrechts eintreten; es mag übrigens die Schmälerung des bürgerlichen Zustandes in dem Verluste des Bürgerrechts oder in dem Verluste des Rechts der Freiheit sich äussern, so wird dieses Edict nicht in Anwendung kommen, und es können solche [denen dies widerfahren] gar nicht belangt werden; es wird jedoch eine Klage gegen diejenigen, an welche das Vermögen derselben gekommen ist, gestattet werden. 1Es sagt der Prätor: Wenn von männlichen oder weiblichen Personen11Im Deutschen ist hier wegen der in einem solchen Zusammenhange unübersetzbaren Pronomina qui quaeve eine Umschreibung nicht zu vermeiden, und deshalb mag der lateinische Text folgen: Qui quaeve, posteaquam quid cum his actum contractumve sit, capite deminuti deminutae [was auch im Deutschen sich nicht wörtlich wiedergeben lässt] esse dicentur, in eos easve perinde quasi id factum non sit, judicium dabo., nachdem mit ihnen etwas verhandelt oder contrahirt worden ist, ausgesagt werden wird, dass sie eine Schmälerung des bürgerlichen Zustandes erlitten haben22Es ist aber hier nur der geringste Grad der Schmälerung, oder die sogenannte capitis deminutio minima zu verstehen., so werde ich gegen solche männliche und weibliche Personen eben so, als ob ihnen dies nicht widerfahren sei, eine Klage bewilligen. 2Diejenigen, welche eine Schmälerung ihres bürgerlichen Zustandes erfahren, bleiben aus solchen Angelegenheiten, welche der Schmälerung des bürgerlichen Zustandes vorangingen, in natürlicher Verpflichtung (obligati naturaliter); übrigens wenn später [für Andere aus einem Contracte mit solchen Personen Nachtheil entstehen sollte], so wird sich Jeder selbst die Schuld davon zuschreiben müssen, dass er contrahirt hat, was nämlich die Worte dieses Edicts anlangt. Allein bisweilen ist doch, wenn etwa mit ihnen nach eingetretener Schmälerung des bürgerlichen Zustandes contrahirt wird, eine Klage gegen sie zu bewilligen. Und zwar [wenn die Schmälerung] durch Adrogation entstanden ist, so findet gar kein Bedenken Statt; denn [der Adrogirte] wird eben so verpflichtet bleiben, wie ein Haussohn33Anton Faber ist der Meinung, dass die ganze Stelle von caeterum si postea an vom Tribonianus herrühre.. 3Niemand wird, wenn er auch Schmälerung des bürgerlichen Zustandes erleidet, dadurch seiner Verbrechen entledigt. 4Demjenigen, welcher seinen Schuldner adrogirt hat, wird keineswegs gegen diesen, nachdem derselbe wieder selbstständig geworden ist, das Klagrecht zurückgegeben. 5Diese Klage44Die Restitutionsklage nämlich aus dem prätorischen Edicte (cf. oben im Texte §. 1.) gegen den, welchem Capitis Deminution widerfahren ist. ist unverjährbar und wird sowohl gegen die Erben des Beklagten als den Erben des Klägers bewilligt.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Die Veranlassung zu diesem Edicte wird Jedermann als eine sehr gerechte anerkennen; denn es wird [in dessen Folge] das während der Zeit, wo Jemand dem Staate Dienste leistete oder an einem Unglücksfalle litt, verletzte Recht [desselben] wieder hergestellt; aber auch gegen sie [die eine solche Abhaltung haben] Beistand gewährt, damit dasjenige, was [unterdessen] geschah, ihnen weder schade noch nütze. 1Die Worte aber des Edicts sind folgende: Wenn Etwas von Jemandes Gütern [verloren gegangen sein sollte55In manchen Ausgaben nämlich findet man den dem Sinne nach erforderlichen Zusatz: erit deminutum dem Texte begefügt.], als er aus Furcht oder ohne böse Absicht des Staates wegen abwesend war, oder in Fesseln, Sclaverei oder Gewalt der Feinde sich befand, oder hernach66Die Lesart posteave für sive ist unstreitig vorzuziehen, da ja in einer der folgenden Stellen dieses Titels, wo die Worte des Prätors einzeln wiederholt werden, der Ausdruck posteave sich findet, nämlich im Fr. 15. §. 3., dass der Termin [für den Gebrauch] seiner Klage abgelaufen sei, behauptet werden wird; desgleichen, wenn Jemand Etwas durch [fortgesetzten] Gebrauch zu dem Seinigen gemacht, oder, was durch Nichtgebrauch verloren worden ist, an sich gebracht haben sollte, oder durch eine Klage77[Vortheil erlangt haben sollte]., von welcher er deshalb freigesprochen worden ist, weil der Termin [für ihren Gebrauch] abgelaufen ist, indem [der Beklagte] als abwesend nicht vertheidigt wurde, oder in Fesseln sich befand, oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte, oder indem er nicht wider Willen vor Gericht geladen werden durfte, und auch nicht vertheidigt wurde, oder an den Magistratus deshalb eine Appellation gerichtet worden ist; oder wenn, dass Jemandem durch eine Handlung des Magistratus ohne seine böse Absicht die Klage entzogen worden sei, behauptet werden sollte: so werde ich rücksichtlich aller dieser Gegenstände innerhalb einer Jahresfrist von da an, wo mir zuerst die Macht (Möglichkeit), darüber Untersuchung anzustellen, sich darbieten wird, Klage gestatten; desgleichen wenn irgend eine andere Ursache mir als rechtmässig erscheinen wird, so werde ich [ebenfalls] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren, in soweit es nach den Gesetzen, Volksbeschlüssen, Senatsbeschlüssen, Edicten, Verordnungen der Kaiser erlaubt sein wird.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Als aus Furcht abwesend aber ist derjenige anzusehen, welcher, durch gegründete Furcht des Todes oder eine Qual des Körpers beängstigt, sich entfernt hat; und dies ist nach seiner Gemüthsbewegung zu beurtheilen. Aber es genügt nicht, dass er, durch irgend einen Schrecken erfasst, sich gefürchtet habe, sondern die Untersuchung dieses Umstandes liegt dem Richter ob.
Ulp. lib. XII. ad Ed. ferner wenn er mit vieler Mühe, obwohl ohne die Absicht eines Vortheils, den Vorsatz der Abwesenheit zu erreichen gestrebt hat, oder wenn er zeitiger abgereist ist, oder eines eignen Rechtsstreites wegen angefangen hat, [angeblich] für den Staat abwesend zu sein. Aber diese Erwähnung des bösen Vorsatzes bezieht sich blos auf des Staats wegen Abwesende, nicht auch auf den, welcher aus Furcht [abwesend ist], weil keine Furcht anzunehmen ist, wenn böser Vorsatz obwaltet. 1Aber diejenigen, welche in Rom dem Staate Dienste leisten, sind nicht des Staats wegen abwesend;
Ulp. lib. XII. ad Ed. In derselben Lage befinden sich auch diejenigen, welche von Soldaten und obrigkeitlichen Aufwärtern88Statores sind hier wohl Bediente obrigkeitlicher Personen in den Provinzen. oder von der Dienerschaft der Municipien (municipalibus ministeriis) bewacht werden, wenn dargethan ist, dass sie ihr Vermögen nicht selbst verwalten konnten. Als gefesselt sehen wir aber auch diejenigen an, welche so gebunden (alligati) sind, dass sie ohne Schande nicht öffentlich sich zeigen können.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Derjenige aber, welcher über seinen bürgerlichen Zustand einen Rechtsstreit führt, ist von da an, wo der Rechtsstreit begonnen hat, in diesem Edicte nicht mit begriffen; er ist daher auf so lange wie ein in der Sclaverei befindlicher Mensch anzusehen, als wie lange ein solcher Rechtsstreit noch nicht angefangen hat.
Ulp. lib. II. ad Ed. Denjenigen aber, die von den Feinden gefangen worden und vermöge des Rückkehrrechts (postliminio) wiedergekommen sind, wird rechtlicher Beistand geleistet, oder auch denen, welche [in der Gefangenschaft] gestorben sind, weil sie nicht einmal einen Stellvertreter haben können, da doch den andern oben erwähnten [Personen], ausser denjenigen, welche in der Sclaverei festgehalten werden, auch durch einen Stellvertreter zu Hülfe gekommen werden kann. Ich aber bin der Meinung, dass auch im Namen desjenigen, der in feindliche Gewalt gefallen ist, wenn, wie es meistens geschieht, ein Curator für sein Vermögen bestellt worden ist, Hülfe [aus dem Edicte] Statt finde. 1Nicht weniger aber dem, welcher von den Feinden gefangen, als dem, welcher unter ihnen geboren worden ist und das Rückkehrrecht hat, scheint Beistand [im Edicte] zugesagt zu sein. 2Wenn in das Wohngebäude eines Soldaten wegen drohenden Einsturzes desselben [der bedrohete Nachbar] eingewiesen worden ist und nun in Gegenwart des Soldaten der Prätor den Befehl gegeben hat, dass [der Nachbar das Gebäude] in Besitz nehmen solle, so wird [der Soldat] in den vorigen Stand nicht wieder eingesetzt; wenn aber in der Abwesenheit [des Soldaten dies geschehen ist], so ist zu behaupten, dass demselben zu Hülfe gekommen werden müsse. 3Aber was der Prätor einfach durch die Worte oder hernach ausgesprochen hat, ist so zu verstehen, dass, wenn das Innehaben der Sache (detentatio s. detentio) durch den in gutem Glauben befindlichen Besitzer vor seiner Entfernung begonnen, aber erst nach seiner Rückkehr aufgehört hat, das Hülfsmittel der Wiedereinsetzung nicht zu jeder Zeit Platz ergreife, sondern nur dann, wenn dieses [Aufhören des Besitzes] innerhalb einer mässigen Frist, nachdem er zurückkehrte, sich ereignet hat, d. h. während er eine Wohnung miethet, seine Habseligkeiten ordnet, einen Sachwalter sucht. Denn Neratius schreibt, dass derjenige, welcher die Wiedereinsetzung verzögert, nicht gehört werden dürfe;
Ulp. lib. XII. ad Ed. Ad Dig. 4,6,17 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 120, Note 3.Julianus schreibt im vierten Buche, dass nicht allein gegen den Besitzer der Erbschaft dem Soldaten Beistand zu leisten sei, sondern auch gegen diejenigen, welche vom Besitzer [zur Erbmasse gehörige Sachen] gekauft haben, so dass diese Sachen vindicirt werden können, wenn der Soldat die Erbschaft angenommen haben sollte; wenn er sie aber nicht angenommen haben sollte, so zeigt sich, dass später die Verjährung ihren Fortgang genommen habe99Anton Faber (l. l. p. 690.) meint, dass die Stelle von quodsi non agnoverit an wohl von einem späteren Ausleger ihre Entstehung ableite.. 1Dass auch derjenige, welchem etwas mit folgenden Worten vermacht worden ist: oder auf die einzelnen Jahre, welche er in Italien zubringen würde, so in den vorigen Stand einzusetzen sei, dass er [das Vermächtniss] bekomme, als ob er in Italien gewesen wäre, schreibt sowohl Labeo, als billigen es Julianus im vierten Buche und Pomponius im 31. Buche; es ist aber [in diesem Falle] nicht die Frist [für die Anstellung] der Klage abgelaufen, wobei die Hülfe des Prätors nöthig gewesen wäre, sondern hier gibt die Bedingung [des Erblassers] die Veranlassung [zur Wiedereinsetzung].
Ulp. lib. XII. ad Ed. Desgleichen sagt der Prätor: Wenn Jemand Etwas durch [fortgesetzten] Gebrauch zu dem Seinigen gemacht, oder, was durch Nichtgebrauch verloren worden ist, an sich gebracht haben sollte oder durch eine Klage [Vortheil erlangt haben sollte], von welcher er deshalb freigesprochen worden ist, weil der Termin [für ihren Gebrauch] abgelaufen ist, indem der Beklagte als abwesend nicht vertheidigt wurde. Welche Stelle der Prätor deshalb eingeschoben hat, damit er, wie er den oben genannten Personen zu Hülfe kommt, dass sie nicht hintergangen werden, so auch gegen sie Beistand leiste, auf dass sie nicht Andere hintergehen mögen. 1Auch wird zu beachten sein, dass der Prätor mehr [in seinen Worten] umfasst hat, indem er gegen sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, als indem er ihnen zu Hülfe kommt; denn hier hat er nicht bestimmte Personen aufgezählt, gegen welche er Beistand leistet, wie oben, sondern eine Clausel beigefügt, in welcher er alle, die als Abwesende nicht vertheidigt werden, umfasst hat. 2Diese Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber tritt ein, es mögen diejenigen, welche als Abwesende nicht vertheidigt wurden, entweder selbst oder durch ihnen unterworfene Personen etwas auf dem Wege der Verjährung erworben haben; und so verhält es sich, wenn Niemand als ihr Vertheidiger auftrat. Denn wenn ein Stellvertreter vorhanden war, so darf, da man nun Jemanden hat, den man belangen kann, [der Abwesende] nicht beunruhigt werden. Uebrigens, wenn kein Vertheidiger auftrat, so war es höchst billig, dass [dem Abwesenden] Hülfe verschafft wurde; dies um so mehr, weil, wenn etwa welche von denjenigen, die nicht vertheidigt werden, sich versteckt halten, der Prätor verspricht seinem Edicte gemäss Einweisung in ihre Güter zu ertheilen (in bona eorum mittere), so dass dieselben, wenn es die Umstände erfordern sollten, auch veräussert werden können; wenn sie aber sich nicht versteckt halten, wenn sie auch nicht vertheidigt würden, blos Einweisung in ihre Güter zu ertheilen [ohne Veräusserungsrecht]. 3Es scheint aber eine Vertheidigung nicht blos dann1010Nach der Lesart bei Beck: non is tantum. Statt zu finden, wenn Jemand sich für einen Anderen als Vertheidiger von selbst stellt, sondern auch dann, wenn der [zur Uebernahme der Vertheidigung] vom Kläger Aufgeforderte, [der Uebernahme] der Vertheidigung sich nicht entziehen zu wollen erklärt; und eine volle Vertheidigung wird anzunehmen sein, wenn [vom Vertheidiger] sowohl die Einlassung auf die Klage nicht verweigert, als auch das Versprechen der Leistung desjenigen, worein etwa der Beklagte verurtheilt werden möchte, geleistet wird.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Es sagt der Prätor: oder in Fesseln sich befand, oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte; eine solche Person ist mit Recht [im Edicte] erwähnt worden; denn es konnte ja geschehen, dass Jemand sich gegenwärtig befand, aber in Fesseln, und zwar abgeführt entweder in ein öffentliches oder in ein Privat-Gefängniss; dass aber auch derjenige, welcher in Fesseln liegt, wenn er nur nicht in Sclaverei sich befindet, durch Verjährung erwerben könne, ist bekannt. Wenn aber etwa derjenige, welcher in Fesseln ist, vertheidigt wird, so fällt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weg. 1Derjenige ferner, welcher bei den Feinden ist, kann sich durch Verjährung nichts erwerben, wird auch nicht, während er bei den Feinden ist, den angefangenen Besitz [zum Behufe der Verjährung] vollenden können; ja er wird nicht einmal, wenn er vermöge des Rückkehrrechts zurückgekommen ist, durch Verjährung die Erwerbung des Eigenthumsrechts wieder erlangen1111D. h. er wird nicht einmal vermöge der Fiction des postliminium dasjenige Eigenthumsrecht erlangen können, welches er, wäre er nicht gefangen worden, durch Verjährung erworben haben würde.. 2Desgleichen, sagt Papinian, müsse demjenigen, welcher durch Gefangenschaft den Besitz eines Grundstücks oder den Quasibesitz des Niessbrauchsrechts verloren hat, geholfen werden; und er hält für billig, dass auch die in der Zwischenzeit von einem Anderen vermöge des Niessbrauchsrechts bezogenen Früchte dem Kriegsgefangenen zurückgegeben werden. 3Diejenigen aber, welche bisher unter der Gewalt des Kriegsgefangenen gestanden haben, können durch Verjährung in Beziehung auf ihr Sondergut1212Anton Faber hält die Worte ex re peculiari für unächt. eine [fremde] Sache erwerben, und es wird der Billigkeit gemäss sein, dass in Folge dieser Stelle [des Edicts] den Anwesenden, das heisst, den nicht in Kriegsgefangenschaft befindlichen, Beistand geleistet werde, wenn, indem sie nicht vertheidigt wurden, etwas [gegen sie] verjährt worden wäre. Aber auch, wenn der Termin [für den Gebrauch] derjenigen Klage, welche gegen den Kriegsgefangenen zustand, abgelaufen sein sollte, wird gegen ihn Beistand geleistet werden. 4Hiernächst fügt der Prätor bei: oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte; so dass [diesen Worten zu Folge], wenn, indem er dies thut, durch Verjährung die Erwerbung [des Eigenthums] vollendet worden ist, oder etwas von dem oben Erwähnten sich ereignet hat, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird; und dies mit Recht. Denn es genügt ja nicht immer, in den Besitz der Güter [des Abwesenden] eingewiesen zu werden, weil die Lage der Sache bisweilen von der Art sein kann, dass eine Einweisung in die Güter des sich versteckt haltenden [Abwesenden] nicht Statt finden kann, oder dass er sich nicht versteckt hält; denn man nehme an, dass, indem er den Beistand von Sachwaltern sucht, der Termin verstrichen sei, oder indem eine andere Verzögerung der richterlichen Untersuchung vorfällt.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Aber auch wenn es am Prätor gelegen hat, [dass nicht zu rechter Zeit geklagt werden konnte,] wird Wiedereinsetzung bewilligt werden. 1Pomponius sagt, dass gegen einen Verwiesenen (relegatum) die Wiedereinsetzung aus der allgemeinen Clausel [des Edicts] zuzulassen, nicht aber auch ihm selbst zu gestatten sei, weil er einen Stellvertreter zurücklassen konnte; nach Maassgabe der Umstände jedoch glaube ich, dass auch ihm beizustehen sei. 2Es sagt der Prätor: oder indem er nicht wider Willen vor Gericht geladen, werden durfte und auch nicht vertheidigt wurde; diese Stelle bezieht sich auf diejenigen, welche man nach der Sitte der Vorfahren nicht ohne Strafe (sine fraude) vor Gericht rufen durfte, wie einen Consul, Prätor und Andere, welche ein Imperium oder eine obrigkeitliche Würde haben. Aber auch auf die geht dieses Edict nicht, welche der Prätor ohne seine besondere Erlaubniss vorzuladen verbietet, weil er, darum gebeten, es erlauben konnte; nämlich auf Freilasser und Eltern. 3Dann setzt er hinzu: und auch nicht vertheidigt wurde; was sich auf alle, die vorher genannt wurden, bezieht, den ausgenommen, welcher abwesend etwas verjährt hat, indem rücksichtlich eines solchen schon oben eine genügende Verordnung aufgestellt worden ist. 4Es sagt der Prätor; oder wenn, dass Jemandem durch eine Handlung des Magistratus ohne seine böse Absicht die Klage entzogen worden sei, behauptet werden sollte. [Hiermit nun deutet er an], dass, wenn es etwa durch Aufschubsgestattungen des Richters dahin gebracht worden sei, dass die Klage entzogen wurde, Wiedereinsetzung Statt finde. Aber auch wenn es keine Gelegenheit gab, sich an den Magistratus zu wenden, sagt Labeo, müsse Wiedereinsetzung zugelassen werden. [Die Worte] aber: durch eine Handlung [die Schuld] des Magistratus, sind davon zu verstehen, wenn er gar nicht Recht gesprochen hat, widrigenfalls nämlich, wenn er nach untersuchter Sachlage die Klage verweigert hat, fällt die Wiedereinsetzung weg, und dies ist auch die Ansicht des Servius. Desgleichen scheint auch dann durch eine Handlung des Magistratus [die Klage entzogen zu sein], wenn der Magistratus aus Gunst oder schändlichem Eigennutze (sordes) kein Recht gesprochen haben sollte; und dieser Theil [des Edicts], wird [hier] Anwendung finden, wie auch der vorhergehende [des Inhalts]: oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte; denn darauf ist der Streiter, indem er den Richter besticht, ausgegangen, dass nicht gegen ihn geklagt werde. 5Das Entziehen der Klage (actio exemta) wird davon zu verstehen sein, dass er aufgehört hat, klagen zu können. 6Noch wird beigefügt: ohne seine böse Absicht, nämlich deshalb, damit, wenn eine böse Absicht desselben dabei eingetreten ist, ihm kein Beistand geleistet werde; denn denen, welche selbst gefehlt haben, steht der Prätor nicht bei. Demnach wird ihm, wenn er, indem er [angeblich] bei dem Nachfolger des [jetzigen Prätors] Klage erheben will, die Zeit hingezogen hat, nicht geholfen werden. Aber auch wenn ihm, weil er der Verordnung des Prätors nicht Folge leistet, dieser die Handhabung des Rechts verweigert haben sollte, sei er nicht in den vorigen Stand wieder einzusetzen, schreibt Labeo, desgleichen auch, wenn er aus einer andern rechtmässigen Ursache von ihm nicht angehört worden wäre. 7Für den Fall, wenn etwa Feiertage ausser der Ordnung angesagt worden sind, z. B. wegen glücklicher Ereignisse, oder zu Ehren des Kaisers, und der Magistratus aus diesem Grunde nicht Recht gesprochen haben sollte, machte Cajus Cassius namentlich bekannt, dass er Wiedereinsetzung gewähren wolle, weil man annehmen könnte, dass hierbei eine Schuld des Prätors Statt finde; denn auf feierliche Ruhetage dürfe keine Rücksicht genommen werden, weil sie der Kläger hätte voraussehen können und müssen, um nicht [mit seiner Klage] in sie zu fallen; was die richtigere Ansicht ist, und so schreibt auch Celsus im zweiten Buche der Digesten. Aber wenn die Ruhetage Zeit [für die Klage] entziehen, so ist die Wiedereinsetzung nur auf die einzelnen Tage zu richten, nicht auf die ganze Zeit. Und so schreibt auch Julianus im vierten Buche der Digesten, denn er sagt, die Aufhebung der Verjährung sei dergestalt vorzunehmen, dass diejenigen Tage hergestellt werden, an welchen der Kläger Klage erheben wollte, durch die Dazwischenkunft der Ruhetage aber gehindert wurde. 8So oft als Jemand durch Abwesenheit einen Anderen nicht auf die volle Zeit ausgeschlossen hat, [so ist die Wiedereinsetzung auf die noch rückständige Zeit zu richten]; z. B. ich habe deine Sache so lange besessen, dass an dem Ablaufe der für die Verjährung festgesetzten Zeit nur ein Tag fehlt, und dann angefangen, des Staates wegen abwesend zu sein, so ist gegen mich Wiedereinsetzung rücksichtlich dieses einen Tages zuzulassen. 9Desgleichen, sagt der Prätor, wenn irgend eine andere Ursache mir als rechtmässig erscheinen wird, so werde ich [ebenfalls] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren. Diese Stelle ist dem Edicte nothwendiger Weise beigefügt worden, denn es konnten viele Fälle sich ereignen, welche das Hülfsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit sich führten und nicht einzeln aufgezählt werden konnten, wie denn, so oft als die Billigkeit eine Wiedereinsetzung rathsam macht, man zu dieser Stelle [des Edicts] sich wird wenden müssen; so z. B. ist es, wenn Jemand eine Gesandtschaft für eine Stadt übernommen hat, höchst billig, dass er in den vorigen Stand wieder eingesetzt werde, obwohl er nicht des Staates wegen abwesend ist, auch ist sehr oft verordnet worden, dass ihm Beistand geleistet werden müsse, er möge einen Stellvertreter gehabt haben oder nicht. Dasselbe glaube ich [ist auch anzunehmen], wenn Jemand zur Ablegung eines Zeugnisses aus irgend einer Provinz entweder in die Hauptstadt oder zum Kaiser gefordert worden ist, denn auch für diesen Fall ist sehr oft rescribirt worden, dass Hilfe zu gewähren sei. Aber auch denen, welche einer richterlichen Untersuchung oder Appellation halber eine Reise unternommen haben, ist auf gleiche Weise Beistand gewährt worden. Und überhaupt muss behauptet werden, dass so oft nur Jemand aus Nothwendigkeit, nicht aus freiem Willen, abwesend war, ihm Hülfe zu gewähren sei.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Auch dann, wenn Jemand aus einem [andern] löblichen Grunde abwesend sich befunden haben sollte, hat der Prätor in Erwägung zu ziehen, ob ihm Hülfe geleistet werden müsse; z. B. der wissenschaftlichen Ausbildung wegen, [und] vielleicht sein Stellvertreter gestorben ist, damit er nicht bei einer so ganz rechtmässigen Ursache seiner Abwesenheit doch Nachtheil erleide. 1Desgleichen wird auch, wenn Jemand weder durch Gefängniss, noch Fesseln, sondern durch das Gutsagen der Bürgen gehalten und, indem er deshalb nicht zurücktreten kann, in Nachtheil versetzt worden ist, derselbe in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden; auch wird gegen ihn Wiedereinsetzung bewilligt werden. 2In soweit es, sagt der Prätor, nach den Gesetzen, Volksbeschlüssen, Senatsbeschlüssen, Edicten, Verordnungen der Kaiser erlaubt sein wird; welche Stelle nicht das Versprechen in sich enthält, er werde wieder einsetzen, falls es die Gesetze gestatten, sondern, falls es die Gesetze nicht verbieten sollten. 3Wenn Jemand öfters des Staats wegen abwesend sich befunden hat, so sei, glaubt Labeo, die Zeit der Wiedereinsetzung nach seiner letzten Rückkehr zu berechnen. Wenn nun aber alle seine Abwesenheiten ein [ganzes] Jahr betragen, die einzelnen [aber] weniger als ein Jahr, so ist zu beachten, ob wir ein [volles] Jahr zur Wiedereinsetzung geben sollen, oder nur so viel Zeit, als seine letzte Abwesenheit erfordert hat; und ich meine, es sei ihm ein Jahr zu geben. 4Soll mir, wenn du, obwohl du deinen Wohnsitz in einer Provinz hast, doch in der Hauptstadt dich aufhieltest, ein Jahr angerechnet werden, als ob mir die Macht, mein Recht zu verfolgen, zustehe? Labeo nun sagt, das Jahr sei nicht anzurechnen. Ich aber halte dies nur dann für wahr, wenn der Gegner die Befugniss hatte, den Rechtsstreit vor das Forum seines Wohnsitzes zu ziehen (jus revocandi domum); wenn aber nicht, so kommt es mir vor, als ob die Macht, mein Recht zu verfolgen, vorhanden sei, weil ja in Rom selbst die förmliche Eröffnung des Rechtsstreites Statt finden konnte. 5Nach dem Beispiele der rescissorischen Klage steht auch demjenigen, welcher des Staats wegen abwesend war, eine Einrede zu, wie etwa dann, wenn ihm Sachen, zu deren Besitze er gelangt ist, abgefordert werden. 6Bei derjenigen rescissorischen Klage, welche gegen einen Soldaten zusteht, sei es, sagt Pomponius, der Billigkeit höchst angemessen, dass er auch die in jene Zeit, wo er als Abwesender nicht vertheidigt worden ist, fallenden Früchte ausliefere. Demnach werden auch [im umgekehrten Falle] dem Soldaten solche Früchte zurückgegeben werden müssen; in beiden Fällen wird eine Klage [aus dem Edicte] Statt finden;
Ulp. lib. XII. ad Ed. Ferner wird auch dann, wenn ich als Verpflichteter das bezahlt haben sollte, was du von mir einzutreiben im Begriffe standest, dieses Edict ohne Anwendung bleiben. 1Wenn die Veräusserung vom Vormunde des Unmündigen oder vom Agnaten des Wahnsinnigen [als dessen Curator] ausgegangen sein sollte, so findet, weil [unter einer solchen Obhut stehende Personen] nicht selbst den Plan zu einem solchen hinterlistigen Verfahren fassen können, [gegen sie] nur eine nachgebildete Klage (utilis actio) Statt.
Idem lib. XII. ad Edict. Dass gegen den, welcher einen selbstständigen Menschen in seine Familie förmlich aufgenommen hat, eine Klage aus dem Sondergute gegeben werden könne, glauben Einige mit Recht, obwohl Sabinus und Cassius der Meinung sind, dass aus einer vormaligen Sache eine Klage auf das Sondergut nicht zu geben sei.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Die Billigkeit dieses Edicts ist nicht zweifelhaft, damit nämlich die, welche [mit dem Mündel] contrahiren, nicht betrogen werden sollen, wenn ein falscher Vormund zugezogen wird. 1Die Worte des Edicts sind aber diese: Wenn [ein Geschäft] unter Ermächtigung eines solchen, sagt [der Prätor], welcher nicht Vormund sein wird, [geführt sein wird]. 2In den Worten des Edicts fehlt viel; denn wie, wenn er Vormund gewesen ist, jedoch ein solcher gewesen ist, welcher seine Ermächtigung nicht hat ertheilen können, z. B. ein Rasender, oder ein für einen anderen Bezirk Bestellter? 3Aber Pomponius schreibt im dreissigsten Buche, dass zuweilen, obwohl ein Geschäft von einem Nichtvormund geführt worden ist, es doch nicht zu diesem Theil des Edicts gehöre. Denn wie, wenn zwei Vormünder, der eine ein falscher, der andere ein wahrer, ihre Ermächtigung ertheilt haben sollten, wird das Geschäft, welches geführt worden ist, nicht gelten? 4Desgleichen schreibt Pomponius im dreissigsten Buche, dass dieses Edict, obwohl es in der Einzahl abgefasst sei, doch, wenn Mehrere eingetreten seien, welche nicht Vormünder waren, Statt haben müsse. 5Derselbe Pomponius schreibt, dass, wenn auch Einer, welcher als Protutor die Geschäfte führte, seine Ermächtigung ertheilt habe, nichts desto weniger dieses Edict Statt habe, wenn nicht etwa der Prätor entschieden hat, dass er das genehmigen werde, was unter der Ermächtigung solcher [falscher Vormünder] ausgeführt worden ist; dann nämlich wird es durch den Schutz des Prätors, nicht von Rechts wegen gelten. 6Der Prätor sagt: wenn der Kläger dies nicht gewusst hat, so werde ich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geben. Einem, der es wusste, kommt er nicht zu Hülfe; mit Recht, weil der sich selbst betrogen hat.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Freilich wenn er ein solcher sein sollte, welcher keiner Hülfe bedarf, so schadet ihm die Wissenschaft nicht, z. B. wenn ein Mündel mit einem Mündel [ein Geschäft] abgeschlossen hat; denn da [in einem solchen Fall] so gut wie nichts geschehen ist, so schadet die Wissenschaft nicht.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Zuletzt sagt der Prätor: Gegen den, der, da er nicht Vormund war, in böser Absicht seine Ermächtigung wird sollen gegeben haben, werde ich eine Klage geben, auf dass er in soviel Geld verurtheilt werde, als das volle Interesse betragen wird1313Quanti ea res erit. Ueber diese Bedeutung des quanti ea res est, wo es sich nicht blos auf die reine aestimatio corporis bezieht, sondern auch die Nebendinge mit einschliesst, s. Gans üb. Röm. Obligat. R. S. 70. Anm. 4. S. auch v. Glück a. a. O. S. 309. f. u. 352.. 1Nicht immer wird der Vormund belangt, und es genügt nicht, wenn er wissentlich die Ermächtigung gegeben hat, sondern nur dann, wenn er in böser Absicht seine Ermächtigung gegeben hat. Wie, wenn er genöthigt, oder in der Furcht, dass er genöthigt werden möchte, seine Ermächtigung ertheilt haben sollte, wird er nicht entschuldigt sein müssen? 2Wenn der Prätor sagt: soviel das volle Interesse betragen wird, so glaube ich mehr, dass keine Strafe, sondern der wahre Betrag in diesen Worten enthalten sei. 3Pomponius schreibt richtig im dreissigsten Buche, dass auch auf die Kosten bei dieser Klage Rücksicht genommen werde, welche der Kläger dadurch haben wird, dass er mit der Wiedereinsetzungsklage klagt. 4Wenn es Mehrere sein sollten, welche ihre Ermächtigung gegeben haben, so werden, wenn [der Kläger] von Einem den Gegenstand der Verurtheilung in Empfang genommen hat, auch die Uebrigen befreit, nicht aber, wenn seine Wahl auf Einen gefallen ist1414Perceptione ab uno facta et ceteri liberantur, non electione. Nicht dadurch werden die Uebrigen befreit, dass Einer belangt ist, sondern dadurch, dass Einer das Ganze geleistet hat..
Ulp. lib. XII. ad Sabin. Pomponius schreibt im einunddreissigsten Buche, dass nach dem Muster dieser Klage eine Klage gegen den zu geben sei, welcher es mit böser Absicht dahin gebracht hat, dass ein Anderer unwissentlich seine Ermächtigung ertheilte. 1Labeo schreibt, dass diese Klagen auf das Geschehene zwar den Erben und übrigen Nachfolgern zukommen, gegen dieselben aber nicht gegeben werden, auch nach einem Jahre nicht gegen den [falschen Vormund] selbst, weil sie sowohl die Handlung bestrafen, als auch gegen die böse Absicht gerichtet werden, und gegen die Personen, welche fremdem Rechte unterworfen sind, werden sie Schädenklagen sein.
Übersetzung nicht erfasst.
Ulp. lib. XII. ad Ed. Es giebt ungefähr drei Ursachen, aus welchen eine Einsetzung in den Besitz1515Des ganzen Vermögens eines Andern nemlich. verfügt zu werden pflegt: wegen Erhaltung einer Sache, wegen Erhaltung der Vermächtnisse, wegen schwangern Leibes; denn wenn wegen drohenden Schadens1616S. L. XXXIX. Tit. 2. nicht Sicherheit geleistet wird, so betrifft die Einsetzung nicht das Ganze, sondern nur die Sache, von welcher der Schaden gefürchtet wird.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.