Disputationum libri
Ex libro VII
Ulp. lib. VII. Disputat. Ein Vergleich wird auch nach Fällung des Urtehils gültig geschlossen, wenn entweder eine Appellation eingewendet worden ist, oder man sie wenigstens hätte einwenden können. 1Ist ein Bürge verklagt und verurtheilt worden, und hat der Hauptschuldner nachher mit dem sich verglichen, zu dessen Gunsten der Bürge verurtheilt worden, so entsteht die Frage, ob der Vergleich gilt? Und ich glaube, ja, als ob nämlich jedes Recht gegen Bürgen und Hauptschuldner dadurch aufgehoben worden sei. Wenn indess der verurtheilte Bürge den Vergleich geschlossen, so stösst er dadurch das Urtheil nicht um; jedoch muss die Quantität, zu deren Leistung er in demselben verurtheilt ist, um so viel, als des Vergleichs halber gegeben worden, verringert werden. 2Das, was deshalb gegeben worden ist, verringert doch die Quantität des Urtheils, ob es gleich zum Vergleiche nichts hilft, in soweit, dass man deshalb in Bezug auf einen über Alimente ohne des Prätors Einwilligung abgeschlossenen Vergleich gesagt und rescribirt hat, es gehöre das Gegebene zu den Alimenten, und zwar so, dass annoch bezahlt werde, wenn mehr aus der Verbindlichkeit, die Alimente zu verabreichen, geschuldet werden könne; das Gegebene jedoch dahin eingerechnet werde.
Idem lib. VII. Disputat. Ad Dig. 12,1,18 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 365, Note 5.Wenn ich dir Geld, gleich als wollte ich es schenken, gegeben haben werde, du aber es als ein Darlehn annehmen solltest, so, schreibt Julianus, finde keine Schenkung Statt; aber ob es ein Darlehn sei, ist zu untersuchen. Und ich glaube, dass es auch kein Darlehn sei, und vielmehr die Gelder nicht [zum Eigenthum] des Empfängers werden, da er sie in einer andern Meinung erhalten hat. Darum wird er, wenn er sie verbraucht haben sollte, wenn er gleich auf die Condiction gehalten ist, doch die Einrede der bösen Absicht gebrauchen können, weil die Gelder, dem Willen des Gebers gemäss, verbraucht worden sind. 1Wenn ich dir [Geld,] gleich als ob ich es niederlegte, werde gegeben haben, du aber es als ein Darlehn annehmen solltest, so ist es weder ein Niederlegungs-, noch ein Darlehns-Contract. Dasselbe findet Statt, auch wenn du als ein Darlehn Geld gegeben haben solltest, ich es aber als zum Sehenlassen geliehen, angenommen habe; aber in beiden Fällen wird, wenn die Gelder verbraucht sind, die Condiction ohne die Einrede der bösen Absicht Statt finden.
Idem lib. VII. Disput. Ad Dig. 17,1,29 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 101, Note 10.Wenn ein Bürge auf erhobene Klage seiner Bürgschaft wegen bezahlt, da er nicht wusste, dass dem Schuldner das Geld nicht ausgezahlt worden war, so ist die Frage, ob er das Gezahlte mit der Auftragsklage einklagen könne. Und zwar erscheint, wenn er die Ausflucht des Betrugs oder des nicht gezahlten Geldes wissentlich hat fallen lassen, seine Handlungsweise als unredlich; denn die höchste Nachlässigkeit (dissoluta negligentia) kommt der Unredlichkeit (dolus) nahe; hat er es hingegen nicht gewusst, so kann ihm nichts zur Last gelegt werden. Desgleichen, wenn irgend eine [andere] Ausflucht dem Schuldner zustand, etwa aus einem Vertrage, oder einem andern Grunde, und er aus Unwissenheit diese Ausflucht nicht anwendet, ist ihm die Auftragsklage zuzugestehen; denn der Schuldner konnte und musste seinen Bürgen, unterrichten, damit er nicht etwa aus Unwissenheit die Schuld bezahlen möchte. 1Nicht mit Unrecht kann gefragt werden, ob ein Bürge, dem nicht bekannt war, dass seine Verbindlichkeit ungültig sei, und bezahlt hat, die Auftragsklage habe? Und zwar kann, wenn er Thatsachen nicht wusste, seine Unwissenheit [als Ausrede oder Replik] angenommen werden; wusste er aber das Recht nicht, so ist es ein Anderes. 2Wenn der Bürge, nachdem der Schuldner schon bezahlt hat, ohne dies zu wissen, bezahlt, so hat er, glaube ich, die Auftragsklage; denn es muss ihm zu Gute gehalten werden, wenn er nicht errathen hat, dass der Schuldner bezahlt habe, und dieser muss dem Bürgen bekannt machen, dass er schon bezahlt habe, damit nicht der Gläubiger mit Falschheit zu Werke gehen, seine Unwissenheit missbrauchen und die verbürgte Summe von ihm erpressen möge. 3Ad Dig. 17,1,29,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 101, Note 10.Eben dasselbe kann auch in Betreff des Bürgen gefragt werden, wenn er, nachdem er bezahlt hatte, dem Schuldner es nicht gemeldet, und nun dieser bezahlt hat, was er nicht hätte bezahlen müssen; und ich halte dafür, wenn der Bürge die Anzeige, da er sie machen konnte, unterlassen hat, muss er mit der Auftragsklage abgewiesen werden; denn es kommt einer Unredlichkeit (dolus) sehr nahe, wenn er nach der Zahlung dem Schuldner keine Nachricht davon gibt; der Schuldner muss jedoch die Nichtschuldklage dem Bürgen abtreten, damit nicht der Gläubiger das Doppelte bekomme. 4Manches kann der Bürge jedoch, obschon er es weiss, unerwähnt lassen, ohne eine Unredlichkeit zu begehen, z. B. wenn er, wissentlich oder unwissentlich, eine die Legitimation zum Processe angehende Einrede11Exceptio procuratoria. Vgl. Fr. 62. D. de procur. et def. nicht vorgeschützt hat; denn es ist hier von gutem Glauben die Rede, welchem es nicht gemäss ist, über Rechtsspitzfindigkeiten zu streiten, sondern nur darüber, ob Jener Schuldner sei oder nicht. 5In allen den jetzt aufgestellten Fällen aber, wo der Gläubiger entweder nicht gezahltes Geld oder gezahltes zweimal empfangen hat, findet die Zurückforderung gegen ihn Statt, es müsste denn die Zahlung in Folge einer Verurtheilung geschehen sein; denn alsdann fällt, wegen des Ansehens rechtskräftiger Entscheidung, die Zurückforderung zwar weg, er aber wird seiner Hinterlist wegen als Betrüger bestraft. 6Wenn ein Bürge, der durch Ablauf der Frist für seine Person befreit ist, dennoch den Gläubiger bezahlt hat, so wird er gegen den Schuldner die Auftragsklage mit Recht anstellen können; denn ob er gleich als schon anspruchsfrei bezahlt hat, so hat er doch sein Wort gehalten und den Schuldner befreit. Dafern er also den Schuldner gegen den Gläubiger zu vertreten sich erbietet, so ist es höchst billig, dass er durch die Auftragsklage das Bezahlte wieder erlange, und dafür ist auch Julianus.
Idem lib. VII. Disp. Wenn Jemand Schenkungshalber um einen geringern Preis verkauft, so ist der Verkauf gültig; denn wir sagen nur dann, der Verkauf sei ganz und gar ungültig, wenn der ganze Verkauf Schenkungs halber geschehen ist; sobald aber die Sache Schenkungs halber um einen niedrigern Preis veräussert wird, ist die Gültigkeit des Verkaufs keinem Zweifel unterworfen. So bei allen übrigen Personen; wenn hingegen zwischen Mann und Frau Schenkungs halber ein Verkauf zu einem niedrigern Preise abgeschlossen wurde, so ist solcher kraftlos.
Idem lib. VII. Disputat. Bei Einreden muss man sagen, dass der Beklagte die Rolle des Klägers habe und selbst die Einrede, wie eine Klage (intentionem), beweisen müsse; z. B. wenn er sich der Einrede eines abgeschlossenen Pactums bedienen sollte, so muss er darthun, dass das Pactum wirklich abgeschlossen sei. 1Wenn Jemand versprochen hatte, dass er sich vor Gericht stellen wolle, und behauptet, er sei um des Staats willen abwesend gewesen und habe sich darum nicht gestellt, oder es sei durch böse Absicht des Gegners bewirkt worden, dass er sich nicht stellte, oder eine Krankheit, oder die Witterung sei ihm ein Hinderniss gewesen, so muss er das beweisen. 2Aber auch wenn Jemand sich der Geschäftsbesorgereinrede insofern bedienen sollte, dass [er behauptet,] der Gegner hätte keine Geschäftsbesorger bestellen, oder kein Geschäftsbesorger werden dürfen, so muss dies der, welcher die Einrede entgegensetzt, beweisen. 3Dasselbe wird man sagen müssen, wenn Geld gefordert werden sollte, und [von dem Beklagten] behauptet wird, es sei aufgerechnet. 4Ferner, wenn [die Einrede] der rechtskräftig entschiedenen Sache [vorgeschützt], oder [von dem Beklagten] behauptet werden sollte, es sei ihm der Eid über das, was jetzt gefordert wird, angetragen worden, oder wenn [von dem Beklagten] behauptet werden sollte, es sei [das fragliche Geschäft] in Bezug auf ein Spiel geführt worden, so muss er die Beweise vollführen.
Ad Dig. 39,5,13Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 155, Note 7.Idem lib. VII. Disput. Jemand, der mir eine Schenkung machen wollte, übergab die Sache einem Sclaven, der mir und dem Titius gemeinschaftlich gehörte: der Sclave nahm sie entweder in der Absicht in Empfang, um sie für meinen Theilhaber, oder in jener, um sie für mich und meinen Theilhaber zu erwerben. Es wurde angefragt, was Rechtens sei? Und man nahm an, wenngleich der Sclave in der Absicht die Sache in Empfang nahm, um sie für meinen Theilhaber, oder für mich und meinen Theilhaber zu erwerben, so werde sie dennoch für mich erworben: denn auch [in dem Falle], wenn er meinem Geschäftsbesorger die Sache in der Absicht übergeben, um sie für mich zu erwerben, und jener, um sie für sich zu erwerben, dieselbe in Empfang nahm; so macht derselbe für seine Person keine Erwerbung, sondern erwirbt für mich.
Idem lib. VII. Disputat. Wenn mein Geschäftsbesorger, oder der Vormund eines Unmündigen eine ihm gehörige Sache, wie wenn es die meinige, oder die des Unmündigen wäre, einem Andern übergeben hat, so entgeht jenem dadurch nicht das Eigenthum, und es ist keine Veräusserung vorhanden, weil Niemand aus Irrthum eine ihm gehörige Sache verliert.
Ulp. lib. VII. Disput. Ad Dig. 41,2,34 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 76a, Noten 4, 5.Wenn du mich in den ausschliesslichen Besitz des Cornelianischen Landgutes eingewiesen hast, ich aber in der Meinung stehe, in das Sempronianische eingewiesen zu sein, allein in das Cornelianische gegangen bin, so erlange ich den Besitz nur dann, wenn wir blos über den Namen geirrt haben, rücksichtlich des Gegenstandes aber einig gewesen sind. Ob aber, sobald wir über den Gegenstand nicht einig gewesen sind, der Besitz dir darum abgehen wird, weil Celsus und Marcellus sagen, wir können den Besitz durch den Willen aufgeben und verändern, daran kann gezweifelt werden; und wenn der Besitz durch den Willen erworben werden kann, ist er hier auch erworben? Meiner Ansicht zufolge erwirbt der Irrende nicht; mithin wird auch Der den Besitz nicht verlieren, der gewissermaassen unter einer Bedingung daraus gewichen ist. 1Ad Dig. 41,2,34,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 73, Note 21; Bd. I, § 155, Note 10.Wenn du aber nicht mir, sondern meinem Geschäftsbesorger den Besitz übergiebst, so ist es die Frage, ob, wenn ich irre, mein Geschäftsbesorger aber nicht irrt, der Besitz für mich erworben werde? — Da man aber angenommen, dass für Den erworben werden könne, der nichts davon wisse, so kann dies auch für den Irrenden statthaben. Wenn aber mein Geschäftsbesorger irrt, und nicht ich, so spricht mehr dafür, dass ich den Besitz erwerbe. 2Auch mein Sclave wird für mich, ohne dass ich darum weiss, den Besitz erwerben. Denn auch ein fremder Sclave, schreibt Celsus, kann mir den Besitz erwerben, er mag von mir, oder von Niemandem besessen werden, wenn er denselben in meinem Namen erlangt; und das ist völlig zulässig.
Ad Dig. 44,7,14Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 289, Note 26.Idem lib. VII. Disput. Sclaven sind zwar aus Verbrechen verbindlich und bleiben es auch, wenn sie freigelassen werden, aus Contracten werden sie aber bürgerlichrechtlich nicht verpflichtet, sondern sie werden verpflichtet und verpflichten nur naturrechtlich. Auch erlange ich Befreiung, wenn ich einem Sclaven, der mir ein Darlehn vorgeschossen hat und freigeworden ist, Zahlung leiste.
Idem lib. VII. Disput. Bei vertragsmässigen Stipulationen gestalten die Contrahenten den Contract, dahingegen die prätorischen Stipulationen ihr Gesetz von dem Willen des Prätors, welcher sie vorgeschrieben hat, erhalten. Wenigstens darf an der Stipulation des Prätors nichts verändert, weder hinzugefügt noch abgenommen werden. 1Hat Jemand den ausschliesslichen Besitz zu übergeben22S. Anm. zu l. 75. versprochen, so wird diese Stipulation nicht die blosse Thatsache umfassen, sondern das Eigenthum der Sache selbst33Nach der Ansicht des Brissonius, welcher das causa hier blos für eine elegante Redeweise für bona selbst hält. [Joh. Matth. Magnus Different. j. c. l. II. c. 11 in f. (T. M. III. 313) sagt: nego traditionem quae a venditore requiritur, esse meri facti, darauf führt er obige Stelle an, und fährt fort: ex qua (causa) jus sive dominium si dominus venditor fuit, vel usucapiendi conditio transferetur, si dominus non fuit. Charond. l. l. (p. 827) sagt: haec clausula continet effectum et utilitatem possessionis bonorum, sc. ut possit fructus capere stipulator. Zus. d. R.].
Ulp. lib. VII. Disputat. Wenn der Gläubiger zweifeln sollte, ob die Bürgen zahlungsfähig seien, und Einer, welcher von ihm ausgewählt ist, bereit sein sollte, Sicherheit zu leisten, damit die Mitbürgen auf seine Gefahr auf Theile belangt würden, so behaupte ich, dass er zu hören sei, jedoch [nur] dann, wenn er sowohl Bürgschaft leistet, als auch alle Mitbürgen, von denen er behauptet, dass sie sicher seien, zur Hand sind; denn es ist der Kauf einer Schuldfoderung nicht immer leicht, wenn die Zahlung der ganzen Schulden nicht bei der Hand ist. 1Nur dann wird die Klage unter den Bürgen getheilt, wenn sie nicht leugnen; denn denen, welche leugnen, ist die Wohlthat der Theilung nicht zu ertheilen. 2Ein Haussohn wird sich für seinen Vater verbürgen können, und es wird diese Bürgschaft nicht ohne Wirkung sein, erstlich, weil er, wenn er eigenen Rechtens geworden sein wird, auf so viel, als er leisten kann, wird in Anspruch genommen werden können, sodann weil er auch so lange er in der Gewalt bleibt, verurtheilt werden kann. Aber wir wollen sehen, ob der Vater aus diesem Grund [auf die Klage] aus Befehl gehalten sei. Und ich glaube, dass auch [die Klage] aus Befehl sich auf alle Contracte beziehe. Aber, wenn er ohne Wissen des Vaters sich für denselben verbürgt haben wird, so fällt jene Klage weg; es kann jedoch, gleich als ob es in den Nutzen des Vaters verwendet wäre, gegen den Vater geklagt werden. Freilich wenn [der Haussohn,] nachdem er aus der väterlichen Gewalt entlassen war, gezahlt haben wird, so wird ihm eine analoge Klage [gegen den Vater] zustehen müssen; [aber] auch wenn er in der [väterlichen] Gewalt bleibt, steht ihm dieselbe Klage zu, wenn er von dem beim Kriegsdienst erworbenen Sondergut für den Vater gezahlt haben wird.
Idem lib. VII. Disput. So oft Das, was unbedingt geschuldet wird, in der Absicht zu noviren, unter einer Bedingung versprochen wird, findet nicht sogleich eine Novation statt, sondern erst dann, wenn die Bedingung eingetreten sein wird. Und darum wird auch dann, wenn etwa Stichus Gegenstand der Verbindlichkeit gewesen, und während die Bedingung schwebt, gestorben sein wird, keine Novation stattfinden, weil die Sache zu der Zeit, wo die Bedingung erfüllt wird, nicht vorhanden ist. Deshalb glaubt Marcellus, dass auch, wenn Stichus nach einem Verzug in eine bedingte Verbindlichkeit gebracht sei, der Verzug wieder gut gemacht und nicht in die zweite Verbindlichkeit gebracht werde. 1Ad Dig. 46,2,14,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 355, Note 3.Aber wenn Jemand Das, was unter einer Bedingung geschuldet wird, unbedingt, um zu noviren, stipulirt, so novirt er nicht ein Mal jetzt sogleich, wenn gleich die unbedingte Stipulation Etwas bewirkt zu haben scheint, sondern dann wird er noviren, wenn die Bedingung eingetreten sein wird; denn die eintretende Bedingung bewirkt den Verfall der ersten Stipulation, und überträgt die verfallene [Stipulation] in die zweite. Und darum schreibt Marcellus, dass, wenn etwa die Person des Versprechers, während die Bedingung schwebt, deportirt sei, nicht ein Mal beim Eintritt der Bedingung irgend eine Novation stattfinde, weil jetzt, wo die Bedingung eingetreten ist, keine Person vorhanden ist, welche verbindlich werden könnte.
Idem lib. VII. Disputat. Unter den Künstlern ist ein grosser Unterschied, sowohl rücksichtlich der Anlage, als der Natur, und der Kenntniss, und der Bildung. Darum wird, wenn Jemand versprochen haben wird, dass ein Schiff von ihm gezimmert, oder ein einzeln stehendes Haus gebaut, oder ein Graben gemacht werden solle, und dies besonders beabsichtigt worden ist, dass er es durch seine eigene Arbeit zu Stande bringe, der Bürge den Schuldner nicht befreien, wenn er baut, oder den Graben gräbt, ohne dass der Stipulator einwilligt. Deshalb verursacht auch dann, wenn zu dergleichen Stipulationen: dass es durch dich nicht bewirkt werden solle, dass ich nicht gehen [oder] fahren dürfe, ein Bürge hinzugekommen sein wird, der Bürge dadurch, dass er das Gehen verhindert, den Verfall der Stipulation nicht; und wenn [der Bürge] es dulden sollte, so wird er [dadurch] nicht bewirken, dass die Stipulation nicht verfalle.
Ulp. lib. VII. Disputat. Wenn einem von mehreren Verpflichteten (Correalschuldnern) durch Acceptilation [die Verbindlichkeit] erlassen wird, so wird nicht bloss er selbst befreit, sondern auch Die, welche mit ihm verbindlich sind. Denn wenn Einem von Zwei oder Mehreren, welche an derselben Verbindlichkeit Theil haben, dieselbe durch Acceptilation erlassen wird, so werden auch die übrigen befreit, nicht weil ihnen selbst erlassen ist, sondern weil Der, welcher durch die Acceptilation befreit worden ist, gleichsam gezahlt zu haben scheint. 1Wenn ein Bürge für einen Verurtheilten bestellt und angenommen, und demselben durch Acceptilation erlassen sein sollte, so wird auch der Verurtheilte befreit werden.
Ulp. lib. VII. Disputat. Als gefragt wurde: ob, wenn nach eingegangener Stipulation, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, der [Versprecher] die Sache nicht vertheidigte, nachher in Folge der Versäumniss44Eremodicio. Ueber den Begriff dieses Wortes s. v. Glück III. S. 493. ff. u. Zimmern a. a. O. §. 136. das Urtheil gegen ihn gesprochen wäre, die Clausel wegen der durch das Urtheil entschiedenen Sache verfalle? so sagte ich: In der Stipulation, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, enthalte eine einzige Clausel sowohl [den Fall] wegen nicht vertheidigter Sache, als auch [den] wegen der entschiedenen Sache in sich. Da also die Stipulation, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, in einer einzigen Clausel abgefasst wird, so fragt es sich, — mag nun die Sache durch das Urtheil entschieden, oder mag die Sache nicht vertheidigt werden, — mit Recht, ob die Stipulation, wenn sie aus dem einen Grund verfalle, noch aus dem anderen verfallen könne? So z. B. wenn Jemand stipuliren sollte: Wenn das Schiff aus Asien gekommen sein wird, oder wenn Titius Consul gewesen sein wird, so ist gewiss, dass, möge das Schiff zuerst gekommen, oder Titius zuvor Consul geworden sein, die Stipulation verfalle; aber wenn sie aus dem ersten Grund verfallen ist, so verfällt sie aus dem zweiten nicht mehr, wenngleich die Bedingung eintritt; denn einer von beiden Gründen, nicht beide waren in der Stipulation enthalten. Nun ist zu untersuchen, ob die Stipulation wegen nicht vertheidigter Sache [sogleich] verfallen ist, wenn die Sache nicht vertheidigt worden ist, oder nicht eher für verfallen gehalten wird, als bis die Litiscontestation in Folge der Stipulation erfolgt ist? Und dafür spricht mehr, und darum scheint auch für die Bürgen der Termin nicht sogleich zu laufen anzufangen, sobald die Sache nicht vertheidigt wurde. Deshalb hat man folgerichtig angenommen, dass, wenn etwa der Rechtsstreit beendigt sei, zu welchem die Vertheidigung nothwendig war, entweder durch Zahlung, oder durch Vergleich, oder durch Acceptilation, oder auf irgend eine andere Weise, die Clausel wegen nicht vertheidigter Sache erlösche55Hierin liegt die Antwort auf die in dem Anfang der Stelle aufgeworfene Frage. Denn wenn das Urtheil gegen den Versprecher gefällt wurde, als er sich schon auf die Klage aus der Clausel ob rem non defensam eingelassen hatte, so kann die Clausel ob rem judicatam nicht mehr verfallen, da dies schon mit jener der Fall gewesen ist. Umgekehrt kann die Clausel ob rem non defensam nicht mehr verfallen, wenn, bevor aus derselben geklagt wurde, das Urtheil gesprochen wird, denn nun verfällt die ob rem judicatam. S. Pothier l. l. h. t. num. 24.. 1Wenn ich vom Bürgen des Procurators stipulirt haben werde, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, gleich als wollte ich eine dingliche Klage anstellen, und nachher mit einer persönlichen Klage geklagt haben werde, oder als wollte ich eine gewisse Klage anstellen, nachher aber eine andere Klage erhoben haben werde, so verfällt die Stipulation nicht, weil wegen einer anderen Sache geklagt zu sein scheint, als wegen der, in Bezug auf welche die Stipulation eingegangen worden ist.