Disputationum libri
Ex libro IX
Tryphonin. lib. IX. Disput. Der gute Glaube, welcher bei den Contracten erfordert wird, verlangt die höchste Billigkeit. Aber ob wir dieselbe nach dem blossen Völkerrecht schätzen, oder aber [in Uebereinstimmung] mit bürgerrechtlichen und prätorischen Vorschriften? Z. B. ein in einem Capital-Process Angeklagter hat bei dir Hundert niedergelegt, derselbe ist [zur Strafe auf eine Insel] gebracht worden, das Vermögen desselben ist von dem öffentlichen Schatze eingezogen worden, sind diese [Hundert] wohl ihm selbst zurückzugeben, oder in den öffentlichen Schatz abzuliefern? Wenn wir nur das natürliche und Völkerrecht ins Auge fassen, so sind sie dem, welcher sie gegeben hat, zurückzuerstatten, wenn [wir] das bürgerliche Recht und die gesetzliche Ordnung [ins Auge fassen], so sind sie vielmehr in den öffentlichen Schatz abzuliefern; denn wer sich in Bezug auf das öffentliche Wesen schlecht benommen hat, muss, damit er Andern als Beispiel zur Abschreckung von Missethaten diene, auch an Dürftigkeit leiden. 1Es greift hier auch eine andere Betrachtung ein, ob wir [nämlich] den guten Glauben nur in Bezug auf diejenigen, zwischen welchen contrahirt worden ist, so dass Niemand von Aussen her hinzugenommen wird, beurtheilen müssen, oder auch mit Rücksicht auf andere Personen, welche das [Geschäft,] welches geführt wird, angeht? Zum Beispiel ein Strassenräuber hat die geraubten Sachen, welche er mir weggenommen hat, bei dem Sejus, der nichts von der Schlechtigkeit des Niederlegenden wusste, [nieder]gelegt, muss Sejus sie wohl dem Strassenräuber, oder mir zurückerstatten? Wenn wir den Geber und Empfänger an sich ins Auge fassen, so besteht der gute Glaube darin, dass der die anvertraute Sache zurückerhalte, welcher sie gegeben hat; wenn [wir] die Billigkeit der ganzen Sache [ins Auge fassen], welche aus allen Personen, die durch jenes Geschäft berührt werden, besteht, so sind sie mir zurückzugeben, dem sie durch eine ganz verruchte That entzogen worden sind; und ich bin der Meinung, dass dies [die wahre] Gerechtigkeit sei, welche einem Jeden das Seine so zutheilt, dass es [ihm] nicht durch die gerechtere Zurückforderung irgend einer Person entzogen wird. Wenn ich aber nicht kommen sollte, um jene [Sachen] zu fordern, so sind sie nichts desto weniger dem zurückzuerstatten, welcher sie niedergelegt hat, obwohl er schlecht erworbene [Sachen] niedergelegt hat; und dies schreibt auch Marcellus in Bezug auf den widerrechtlichen Besitzer und den Dieb. Wenn jedoch der Strassenräuber, der nicht wusste, wessen Sohn oder Sclaven er die Sache weggenommen hätte, sie bei dem Vater oder dem Herrn desselben, welcher nichts davon wusste, niedergelegt hat, so wird die Niederlegung nicht einmal nach dem Völkerrechte bestehen, dessen Bestimmung dahin geht, dass einem Andern [eine fremde Sache], nicht dem Eigenthümer seine eigene Sache als eine fremde, zum Aufbewahren gegeben werde. Und wenn ein Dieb meine Sache, welche er, da ich nichts davon wusste, weggenommen hat, bei mir, da ich auch jetzt noch von seinem Verbrechen nichts wusste, niedergelegt haben sollte, so wird man richtig sagen, dass keine Niederlegung contrahirt werde, weil es nicht dem guten Glauben gemäss ist, dass der Eigenthümer angetrieben werde, seine Sache einem widerrechtlichen Besitzer zurückzuerstatten; aber auch, wenn sie von dem Eigenthümer, welcher auch jetzt noch nichts [von jenem Verbrechen] wusste, als aus dem Grunde der Niederlegung übergeben sein sollte, so wird gleichwohl die Condiction des ungeschuldet Gegebenen zustehen.
Ad Dig. 19,2,8ROHGE, Bd. 15 (1875), Nr. 19, S. 48: Interesse, der Betrag, der dem Dritten hat bezahlt werden müssen.Tryphoninus lib. IX. Disput. Doch müssen wir bemerken, dass weder [blos] die sechzig[tausend] noch die funfzig [tausend] zu vertreten sind, sondern vielmehr soviel, als das Interesse am Genuss der Pachtung austrägt, und mithin wird der Mittlere ebensoviel erhalten, als er selbst demjenigen vertreten muss, der wiederum von ihm gepachtet hat, weil der zur Erwerbung eines grösseren Pachtzinses berechnete Ertrag der Pachtung eine Vergrösserung der Verurtheilung bewirkt. Der erste Verpächter hingegen kann die funfzig[tausend] wieder in Gegenrechnung bringen, die er von jenem ziehen würde, wenn der Eigenthümer des Gehöftes nicht dem letzten Pächter das Bewohnen gewehrt hätte; dies ist Rechtens.
Tryphonin. lib. IX. Disp. Nicht blos bei Lebzeiten des Vormundes, sondern auch nach dem Tode desselben wird der Sohn des Vormundes abgehalten, die zur Frau zu nehmen, über deren Vormundschaft sein Vater Rechnung abzulegen verpflichtet ist. Auch glaube ich, dass es keinen Unterschied mache, ob der Sohn Erbe desselben geworden sei, oder sich von der väterlichen Erbschaft losgesagt habe, oder ob er nicht einmal Erbe gewesen ist, [sondern] etwa enterbt, oder, da er aus der väterlichen Gewalt entlassen worden war, übergangen worden ist; denn es ist auch möglich, dass das Vermögen des Vaters ihm betrügerischer Weise zugewendet worden ist, und wegen der Vormundschaft ihm abgefordert werden muss. 1Ueber einen Fall kann man zweifeln, ob nämlich ein Grossvater, wenn er die Vormundschaft über eine von seinem aus der väterlichen Gewalt entlassenen Sohn erzeugte Enkelin geführt hat, sie an einen Enkel von einem anderen Sohn, möge [der Enkel] aus der väterlichen Gewalt entlassen sein, oder in der Gewalt bleiben, verheirathen könne, weil [in diesem Fall] der gleiche Grund zur Zuneigung den Verdacht eines Betrugs entfernt. Aber wenn auch der Senatsschluss nach dem strengen Recht gegen alle Vormünder gerichtet ist, so ist doch eine Ehe der Art aus Rücksicht auf die höchste grossväterliche Zuneigung zu gestatten. 2Aber auch wenn ein Haussohn Vormund oder Curator eines Mädchens gewesen ist, so glaube ich, dass sie ebenso wenig den Vater desselben heirathen dürfe; etwa auch den Bruder des Vormundes nicht, welcher sich [mit diesem] in der Gewalt desselben [Vaters] befindet? 3Aber wir wollen sehen, ob, wenn der Sohn des Titius die zur Frau genommen haben wird, welche deine Mündel gewesen ist, sodann du den Titius oder den Sohn desselben adoptirt haben wirst, die Ehe aufgehoben wird, wie bei dem adoptirten Schwiegersohn gesagt worden ist, oder ob die Adoption verhindert wird? Und das letztere ist mehr zu sagen, wenn11Im Text steht et si, doch scheint das et, welches in mehreren älteren Ausgaben fehlt, zu streichen zu sein, indem der ganzen Fassung der Stelle gemäss der folgende Satz von nam an, nicht einen gleichen Fall, sondern einen Gegensatz enthält, so dass während der Vormundschaft oder Curatel der Ehemann der Mündel vom Vormund nicht adoptirt werden kann, wohl aber nach beendigter Vormundschaft und nach Ablegung der Rechnung. Anderer Meinung ist v. Glück a. a. O. S. 74. ff., dessen Ideengang S. 80. etwas dunkel ist. Er stützt sich auf das Schol. Basil. T. IV. p. 273. sq., welches auch in dem letzteren Fall die Adoption für unzulässig erklärt. ein Curator, während er die Curatel führt, den Ehemann des Mädchens, deren Curator er ist, adoptirt haben wird; denn wenn die Vormundschaft schon beendigt und das Mädchen an einen Anderen verheirathet ist, so fürchte ich, dass es unnütz sein möchte, die Adoption des Ehemannes des [Mädchens] zu verhindern, gleich als ob sie darum geschehe, um die Ablegung der Vormundschaftsrechnung zu hintertreiben, welchen Grund zum Verbot der Eingehung der Ehe die Rede des höchstseligen Marcus enthält. 4Und wenn Jemand zum Curator für eine Leibesfrucht und das Vermögen [des Verstorbenen] bestellt worden sein sollte, so ist er dem Verbot desselben Senatsschlusses unterworfen, denn auch ein solcher muss Rechnung ablegen; auch darf uns die Dauer der Verwaltung nicht auf andere Meinung bringen, weil weder bei dem Vormund, noch bei dem Curator ein Unterschied zwischen einer längeren oder kürzeren Zeit, während welcher Jemand in einem Amt der Art gewesen sein wird, gemacht worden ist. 5Als man fragte, ob, wenn Titius die Vormundschaft einer Frauensperson verwaltet, oder als Curator die Geschäfte [derselben] geführt hat, und sie, nachdem sie die Rechnung noch nicht angenommen hatte, gestorben ist und eine Tochter zur Erbin hinterlassen hat, Titius dieselbe seinem Sohne zur Ehe geben könnte, so habe ich gesagt, dass er es könnte, weil eine Erbschaftsrechnung und also eine einfache Schuld Statt fände22D. h. weil die Tochter der Verstorbenen die Ablegung der Rechnung über die geführte Vormundschaft oder Curatel nicht als Pflegebefohlene, sondern als Erbin fordert.; sonst müsste jeder Schuldner abgehalten werden, die, welcher er aus irgend einer Ursache verbindlich wäre, mit sich oder seinem Sohn zu verbinden. 6Aber auch der, welcher eine Mündel von dem [hinterlassenen] Vermögen ihres Vaters lossagt, muss Rechnung über diese Angelegenheit ablegen und es ist möglich, dass er33Im Text heisst es: ut etsi inconsultis hoc fecerit; doch verdirbt das etsi den Sinn der Stelle und ist wohl entweder ganz zu streichen oder in si zu verwandeln. dies unüberlegt gethan hat und deswegen verurtheilt werden muss; aber auch wenn er in der besten Absicht sich der Hülfe der prätorischen Gerichtsbarkeit bedient hat, weil der Vater der [Mündel] zahlungsunfähig gestorben war, so wird doch nichts desto weniger die Ehe verhindert, weil er dies im Gericht beweisen muss; denn auch wer gut und treu die Vormundschaft verwaltet hat, wird nichts desto weniger [von der Ehe mit der Mündel] abgehalten.
Idem lib. IX. Disputat. Wenn der Vater der Frau auf den Fall seines Todes [dem Manne] ein Heirathsgut versprochen haben wird, so gilt das Versprechen; denn auch wenn er es auf die Zeit, wo er sterben würde44Die Schenkung Todes halber kann nämlich bekanntlich bald im Allgemeinen auf den Tod überhaupt, bald auf eine bestimmte Todesgefahr, z. B. Krankheit, gestellt werden., versprochen hätte, so würde er verbindlich werden. Aber wenn er wieder gesund geworden sein sollte, warum soll ihm denn die Verbindlichkeit nicht durch die Condiction erlassen werden55Der Vater hatte auf den Fall seines Todes ein Heirathsgut versprochen, er wurde wieder gesund, und forderte also, weil jene Bedingung der Bestellung nicht eingetreten war, die Befreiung von der Verbindlichkeit mit der condictio causa data, causa non secuta. S. D. h. t. 12. 4., ebenso als wenn irgend ein Anderer oder für irgend eine [andere Frau] ein Heirathsgut dem sich dies stipulirenden Manne versprochen hätte? Denn sowie die Condiction wegen einer auf den Todesfall übertragenen körperlichen Sache oder wegen [übertragenen] Geldes Statt findet, so auch wegen einer [auf den Todesfall begründeten] Verbindlichkeit. Dasselbe ist nicht in Bezug auf die Person der Frau zu sagen, wenn die Frau auf den Fall ihres Todes ein Heirathsgut versprochen haben sollte, weil, wenn das Heirathsgut nicht für die Lasten der Ehe dient, es kein Heirathsgut ist,
Tryphon. lib. IX. Disputat. Wer dem Sohne Desjenigen, welchem er aus einem Bürgschaftsgrund verbindlich war, zum Vormund bestellt worden ist, muss die Schuld von sich selbst einfodern, und, obwohl er durch die Zeit [von seiner Schuld] befreit sein wird66Weil er sich nur auf eine gewisse Zeit verbürgt hatte. Accursius. Vielleicht war auch hier ursprünglich von einem sponsor oder fideprommissor die Rede. S. Anm. 18., so wird er doch deshalb auf die Vormundschaftsklage gehalten sein; ebenso sein Erbe, weil gegen denselben wegen der Vormundschaft, nicht in Folge der Bürgschaft geklagt wird. Und ich habe gesagt, dass er, wenngleich er nicht als Bürge, sondern als Vormund gezahlt habe, auch wenn er durch die Zeit befreit ist, die Auftragsklage gegen den Schuldner habe. Es bleibt nemlich in beiden Fällen noch die Forderung jener Schuld; denn durch die Bezahlung derselben hat er den Schuldner von der Verbindlichkeit befreit, bei welcher er sich für ihn verbürgt hatte, und es ist nicht auf den Namen der Klage, sondern auf den Grund der Schuld zu sehen. Denn wenngleich ein solcher Vormund, welcher als Bürge dem Mündel für den Schuldner77Pro reo, so lesen die Vulg. u. And. statt der Flor. pro eo. verbindlich ist, unter seiner eigenen Ermächtligung dem Mündel gezahlt hat, so wird er, weil, wenn der Schuldner befreit ist, auch der Vormund selbst, welcher zugleich Bürge ist, befreit werden wird, was er [eigentlich] durch seine Ermächtigung nicht bewirken kann, doch die Auftragsklage gegen den [Schuldner] haben, wenn er es nicht in der Absicht, für sich zu zahlen, sondern für den Titius [Schuldner] gethan hat, um denselben [nemlich] ganz zu befreien.
Übersetzung nicht erfasst.