Disputationum libri
Ex libro VII
Ad Dig. 7,1,62Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 184, Note 5.Tryphonin. lib. VII. Disp. Der Niessbraucher kann in den Bergen und Wäldern der Besitzung mit allem Recht jagen, und Wildschweine und Hirsche, die er erlegt, fängt er nicht als dem Eigenthümer eigen, sondern er erwirbt sie als Nutzungen11Mir sind die Erklärungen dieses Fragments von Noodt (de Usufr. I. 7, 354 sq. Ed. Col. und Observ. I. 10. p. 268. Tom. 1.) und Glück (Commentar IX. p. 203. n. 84.) gegen die Glossatoren und Alteserra ad hunc locum nicht unbekannt, allein ich halte sie zum Theil für falsch, und bin daher davon abgegangen. Fürs erste will Noodt im principio die fructus als foetus, Jungen des Wildes, verstehen; allein man lese nur den Satz: nec aprum aut cervum, quem ceperit, proprium domini capit, sed fructus aut jure civili aut gentium suos facit, und nun die obige Uebersetzung, und es wird gewiss neben derselben keine andere Erklärung bestehen können; dass fructus zuweilen für foetus und partus stehe, kann dabei recht gut zugegeben werden, allein wenn es hier so heissen sollte, so würde der completeste Unsinn vorhanden sein, denn was sollen denn dann die fructus für einen Gegensatz (sed?) bilden, wenn beides, das alte und das junge Wild, dem Niessbraucher gehören? Ferner erklärt Noodt und Glück: exercere feras (in vivariis inclusas) für benutzen, das soll heissen: ad quaestum et reditum habere, und utilitatem ex iis capere, welcher Nutzen in deren Jungen bestehen soll. Um dem Worte exercere diese Bedeutung zuzueignen, werden eine grosse Menge Stellen von Noodt citirt; allein alle in diesen sowohl enthaltene Beispiele, als der bekannte Sinn des Wortes überhaupt geben deutlich zu verstehen, dass wenn unter exercere das Ziehen eines Vortheils oder einer Benutzung verstanden wird, es stets eine solche ist, die mittelst körperlicher Kräfte sowohl von Seiten des Benutzenden, als in Anwendung auf den den Nutzen ergebenden Gegenstand hervorgebracht wird. Hiervon kann doch nun aber in Beziehung auf Wild und dessen Setzen gar nicht die Rede sein, dahingegen es sich nach den allgemeinen und auch besondern Grundsätzen vom Niessbrauch an Thieren aller Art, wie sie dieser Titel enthält, ganz von selbst versteht, dass die Jungen derselben dem Niessbraucher zufallen, und er nur den Bestand zu erhalten braucht, und in dieser Beziehung steht ein Thiergarten dem Viehstand auf einem Landgute ganz gleich. Es kann daher unter exercere des Wildes im Thiergarten nur etwas dergleichen verstanden werden, was Varro de R. R. Lib. III. cap. 13. erzählt: Nam silva erat, ut dicebat, supra 50 jugerum maceria septa, quod — θηριοτροφεῖον appellabat: ibi erat locus excelsus, ubi triclinio posito coenabamus. Quintus Orphea vocari jussit, qui cum eo venisset cum stola et cithara et canere esset jussus, buccinam inflavit, ubi tanta circumfluxit nos cervorum, aprorum et, ceterarum quadrupedum multitudo, ut non minus formosum mihi visum sit spectaculum, quam in Circo Maximo Aedilium sine Africanis bestiis cum fiunt venationes. So liessen ja auch die Römer die Thiere in den Thiergärten mit einander kämpfen, s. Varro l. l. und praef. ad lib. II. und hatten dazu darin eigene palaestras. Nur hierauf kann exercere in dem obigen Zusammenhang gehen und diesen Gebrauch eines Thiergartens bedeuten. Die Jungen (s. o.) gehören ohnedies dem Niessbraucher, und eine andere Benutzung und Gebrauch von Wild, das man nicht tödten darf, ist völlig undenkbar. Uebrigens ist dies eine von den Stellen, wo die Antwort schon implicite in der Frage liegt. nach dem (bürgerlichen) Rechte oder dem Völkerrechte. 1Wenn Wild in Thiergärten eingeschlossen auf der Besitzung gehalten wurde, als der Niessbrauch anfing, darf es der Niessbraucher dann zu seiner Belustigung benutzen, und darf er es nicht tödten? Und wenn er selbst anderes Wild von Anfang an hineingethan hat, oder nachher solches selbst hineingerathen und gekommen ist, gehört dies dem Niesbraucher? Um hier die Berechtigung des Niessbrauchers durch die schwierige Unterscheidung der einzelnen Thiere nicht in Ungewissheit zu erhalten, so genügt es, dieselbe Anzahl nach den einzelnen Gattungen des Wildes nach Beendigung des Niessbrauchs dem Eigenheitsherrn zu überweisen, welche zur Zeit des Anfangs des Niessbrauchs vorhanden war.
Ad Dig. 12,6,64Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 289, Note 26.Tryphonin. lib. VII. Disputat. Wenn ein Herr das, was er [seinem] Sclaven geschuldet hat, demselben, nachdem er freigelassen worden ist, gezahlt hat, so wird er, obwohl er glaubte, dass er demselben auf irgend eine Klage gehalten sei, gleichwohl nicht zurückfordern können, weil er die naturrechtliche Schuld anerkannt hat; sowie nämlich die Freiheit in dem Naturrecht begründet ist, und die Herrschaft [über Sclaven] durch das Völkerrecht eingeführt worden ist, so ist das Verhältniss einer Schuld oder einer Nichtschuld bei der Condiction nach dem Naturrecht zu verstehen.
Tryphonin. lib. VII. Disp. Ein Ehemann hat [Etwas als] Heirathsgut, da er doch keins erhalten hat, nach der Scheidung aus Irrthum gezahlt; er wird es zurückfordern können, weil er ein [ihm] nicht gezahltes [Heirathsgut] versprochen hatte, denn man hätte es von ihm nicht einklagen können.
Tryphonin. lib. VII. Disp. Wenn Jemand, der in eines Andern Gewalt steht, einen Schatz gefunden hat, so gilt in Ansehung der Person Dessen, für den er erwirbt, dass, wenn er ihn auf fremdem Grund und Boden gefunden, er ihm die Hälfte erwirbt, hat er ihn aber auf dem Grund und Boden seines Vaters oder Herrn gefunden, so gehört er diesem ganz. 1Wenn ein Mehreren gehöriger Sclave auf fremdem Grund und Boden einen solchen gefunden hat, wird er denselben für sie dann nach Maassgabe ihrer Antheile am Eigenthum [über ihn] oder stets zu gleichen Theilen erwerben? — Es ist ebenso, wie bei einer Erbschaft, oder einem Vermächtniss, oder einem dem Sclaven von einem Andern gemachten Geschenk, weil der Schatz ebenfalls für eine Glücksgabe gerechnet wird, so dass also die dem Finder folgende Hälfte den Miteigenthümern je nach dem Antheile gebührt, wie jeder Herr des Sclaven ist. 2Wenn ihn ein Mehreren gehöriger Sclave auf dem einem seiner Herren allein gehörigen Grund und Boden findet, so ist in Ansehung der Hälfte, die dem Eigenthümer des Bodens stets allein gebührt, zwar kein Zweifel, dass sie [auch hier] dem Herrn des Grundstücks allein gehört; allein es ist die Frage, ob der andere Miteigenthümer etwas von der andern Hälfte erhalte, und ob es ebenso zu halten sei, wie wenn der Sclave auf Befehl des einen Herrn stipulirt, oder durch Uebergabe etwas empfängt, oder wenn namentlich für einen von beiden? — Es lässt sich dies allerdings mit mehrerm Rechte behaupten. 3Wenn aber der Sclave, an dem der Niessbrauch einem Andern gehört, [den Schatz] auf dem Grund und Boden Dessen gefunden, dem der Sclave eigen gehört, ist er da diesem ganz gehörig? und wenn auf fremdem Boden, erwirbt er dann die Hälfte für ihn, oder für den Niessbraucher? — Es kommt hierbei darauf an, ob er durch die Dienste des Sclaven erworben wird. Nimmt man den Fall, dass er in der Erde nachgrabend ihn gefunden, so wird, könnte es scheinen22Finge — ut hoc dicatur; der folgende Satz zeigt, dass dies so zu verstehen sei., der Niessbraucher Theilnehmer; was er aber unversehens an einem verborgenen Orte versteckt, ohne dazu zu thun, sondern blos umhergehend, gefunden, gehört dem Eigenheitsherrn. Allein ich glaube, dass auch im ersten Fall dem Niessbraucher die Hälfte nicht gehöre, denn Niemand sucht durch den Dienst seiner Sclaven einen Schatz, und es war dies auch nicht der Grund, weshalb er damals in der Erde grub, sondern er verwendete seine Dienste auf etwas Anderes, während ihm das Glück etwas Anderes in die Hände gab. Hat er ihn daher auf des Niessbrauchers Acker selbst gefunden, so gehört diesem, meiner Ansicht nach, blos die Hälfte als Grundeigenthümer, die andere Hälfte aber dem Eigenheitsherrn des Sclaven. 4Hat ihn ein Gläubiger [auf verpfändetem Acker] gefunden, so wird angenommen, er habe ihn auf fremdem Grund und Boden gefunden, er wird daher die Hälfte für sich behalten, und die andere Hälfte dem Schuldner herausgeben müssen; er wird auch die Herausgabe nicht erst nach Abzug seiner Foderung bewirken [dürfen], weil er [das Geld] aus dem Schatze in seinen Händen als Finder und nicht als Gläubiger behält. Unter diesen Umständen findet dies, auch wenn der Gläubiger, zufolge der kaiserlichen Verordnungen darüber, den Acker wie eigenen, vermöge des Eigenthumsrechts zu besitzen angefangen, noch binnen des festgesetzten [zweijährigen] Zeitraums zur Wiedereinlösung des Pfandes statt; nach Ablauf dieser Zeit wird er den darauf gefundenen Schatz vor der Zahlung der Schuld ganz behalten; wird die Schuld aber noch innerhalb der festgesetzten Frist angeboten, so muss die Herausgabe geschehen, weil Erfüllung der vollen Verbindlichkeit erfolgt, und Alles wie bei einer ganz einfachen Verpfändung zurückgeht, jedoch nur zur Hälfte, weil die Hälfte ohne alle Ausnahme stets dem Finder gehört.
Tryphonin. lib. VII. Disputat. Wenn Titius, welcher mir ein Geschenk machen wollte, von mir delegirt, meinem Gläubiger Das, was dieser sich stipulirt, gelobt hat, so wird er gegen denselben nicht jene Einrede haben, dass er nur auf so viel, als er leisten kann, verurtheilt werde; denn gegen mich konnte er zwar mit Recht eine solche Vertheidigung gebrauchen, weil ich ein Geschenk von ihm forderte, der Gläubiger aber verfolgt die Schuld.