Ad Sabinum libri
Ex libro XXXIII
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn Jemand sein einziges Gebäude oder ein Grundstück [einem Andern] übergibt, so kann er sich daran persönliche, aber keine dingliche Dienstbarkeiten vorbehalten, wie z. B. Gebrauch and Niessbrauch. Auch gilt der Vorbehalt der Weide und Bewohnung, indem aus vielen Ländereien durch die Weide Nutzung gezogen wird. Durch den Vorbehalt der Bewohnung, mag auf bestimmte Zeit oder bis zum Tode des Vorbehaltenden, wird der Gebrauch als vorbehalten angesehen.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Sobald eine Dienstbarkeit weder [zum Vortheil] eines Menschen noch eines Grundstückes bestellt worden ist, so gilt sie nicht, weil dann dem Nachbar nichts daran gelegen sein kann; z. B. dass du nicht über dein eigenes Landgut gehen oder darauf verweilen wollest; wenn du mir daher zugestehen wolltest, dass du kein Recht mehr haben wollest, dein eigenes Grundstück zu brauchen und zu benutzen, so ist dies ungültig; etwas Anderes ist es aber, wenn du mir zugestehen wolltest, dass du, um mein Wasser nicht zu vermindern, kein Recht habest, auf deinem Grundstück Wasser zu schöpfen. 1Das Wesen der Dienstbarkeiten besteht nicht darin, dass Jemand etwas thue, z. B. Grasgärten abschaffe, oder für eine angenehmere Aussicht sorge, oder dass er auf seinem eigenen Boden Gemälde ausstelle11Pingat, s. Brisson. h. v., sondern darin, dass Jemand etwas leide, oder nicht thue.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn dein Haus meinen Gebäuden zu der zweifachen Dienstbarkeit verpflichtet ist, dass es nicht erhöhet werden darf und die Traufe meiner Gebäude aufnehmen muss, und ich dir das Recht, wider meinen Willen deine Gebäude höher aufzuführen, zugestanden habe, so muss es in Betreff der Traufe so gehalten werden, dass, wenn durch die Erhöhung deiner Gebäude meine Traufe nicht mehr auf dieselben fallen kann, du aus diesem Grunde nicht höher bauen dürfest, wohl aber, wenn meine Traufe nicht behindert wird.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn die Dienstbarkeit auferlegt worden ist, dass das Licht so, wie es ist, bleiben solle, so wird damit für künftig anzulegende Fenster keine Sicherheit als bestellt angesehen; ist aber das Versprechen so gestellt worden, dass das Licht nicht geschmälert werden solle, so ist es zweideutig, ob damit nur die bereits vorhandenen Fenster gemeint sind, oder auch die künftigen. Es ist aber billiger, unter jenem allgemeinen Ausdruck alles Licht zu begreifen, es mag schon gegenwärtig oder erst nach der Zeit der Uebereinkunft in Betracht fallen. 1Auch einem künftigen, noch nicht vorhandenen Gebäude kann eine Dienstbarkeit auferlegt oder erworben werden.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Was von der Balkeneinlegung gesagt worden ist, hat [nur] in Bezug von einem Gebäude auf das andere Statt; denn auf andere Weise kann Niemand etwas auf einem fremden Gebäude Ruhendes haben. 1Wenn von dreien an einem unebenen Orte erbaueten Gebäuden das mittlere dem oberen dienstbar ist, das untere aber keinem, und eine zwischen dem unteren und mittleren Gebäude befindliche gemeinschaftliche Wand vom Eigenthümer des unteren erhöhet worden ist, so sagt Sabinus, könne er dies mit vollem Rechte thun.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn mir und dir die Titianischen Gebäude gemeinschaftlich gehören, und aus diesen etwas widerrechtlich in andere mir allein gehörige Gebäude eingelegt worden ist, so kann ich gegen dich Klage erheben oder auch das mir Aufgebürdete zerstören22Glück X. p. 76. n. 73.. Dasselbe ist der Fall, wenn aus deinen eigenen Gebäuden in die mir und dir gemeinschaftlich gehörigen etwas auf ähnliche Weise vorgebauet sein sollte; hier habe ich allein wider dich eine Klage. 1Wenn du auf einem [dir mit einem Andern] gemeinschaftlich gehörigen Hofraum bauen willst, so hat der Miteigenthümer das Recht, es zu verhindern, wenn dir auch das Recht zu bauen vom Nachbar zugestanden worden ist, weil du wider den Willen des Miteigenthümers auf einem gemeinschaftlichen Platz33jure; Hal. und die Vulgate haben red: der Sinn ist unzweifelhaft der oben angegebene. zu bauen kein Recht hast.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn du mir zu gleicher Zeit über ein dir gehöriges Stück Land zu gehen und zu fahren, und das Recht des Niessbrauchs daran zugestanden, ich aber nachher zu deinen Gunsten auf den Niessbrauch Verzicht geleistet habe, so kannst du an diesem Orte den Niessbrauch nur dergestalt üben, das mir das Recht zu gehen und zu fahren vollkommen zuständig bleibt. Ingleichen musst du, wenn ich rechtlicher Maassen sowohl Wasser über dein Landgut leiten kann, als du wider meinen Willen auf demselben nicht bauen darfst, und ich dir die Erlaubniss zum letztern zugestanden habe, nichts desto weniger die Dienstbarkeit gegen mich insofern beobachten, dass du nur so bauest, dass meine Wasserleitung [unversehrt] bleibt; und des muss [überhaupt] die ganze Sache in dem Verhältniss bleiben, wie sie gewesen sein würde, wenn ursprünglich nur ein Zugeständniss erfolgt wäre. 1Eine Dienstbarkeit kann ein Landgut auf natürliche Weise, nicht aber durch ein Werk menschlicher Hände beschädigen, z. B. wenn das Wasser im Bach durch Regen anwächst, oder von den Aeckern dahin zusammenfliesst, oder ein Wasserquell längs dem Bach oder in demselben erst späterhin entstanden ist. 2Wenn an der Grenze des Sejanischen Landgutes ein Quell entspringt, aus dem ich rechtlicher Maassen über dasselbe Wasser leitete, so bleibt, wenn jenes Landgut mein geworden ist, die Dienstbarkeit fortbestehend. 3Das Recht des Wasserschöpfens ist ein dingliches und kein persönliches.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Nur diejenigen Stellen eines Landgutes, welche zu der Zeit, da das Zugeständniss [einer Dienstbarkeit] erfolgte, mit Gebäuden, Bäumen und Weinpflanzungen nicht besetzt sind, werden jedoch deshalb als dienstbar angesehen.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Aus meiner Wasserleitung, schreibt Labeo, kann ich jeden meiner Nachbarn aus Gefälligkeit [Wasser] schöpfen lassen44So dürfte commodare hier zu verstehen sein.; Proculus hingegen sagt, ich dürfe die Dienstbarkeit nicht einmal für einen andern Theil meines Landgutes, als für welchen sie erworben worden sei, benutzen. Die Meinung des Proculus ist richtiger.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Denjenigen, welche ein Recht auf eine Dienstbarkeit haben, steht die Erlaubniss zu, der Ausbesserung wegen auch solche Stellen zu betreten, welche nicht dienstbar sind, wenn sie nothwendiger Weise dieselben betreten müssen, es wäre denn bei der Bestellung der Dienstbarkeit ausdrücklich vorgeschrieben worden, wo man [in diesem Fall] herzugehen solle; darum kann auch der Eigenthümer des [dienstbaren] Grundstücks weder längs eines [zur Wasserleitung bestimmten] Baches, noch über demselben, wenn etwa das Wasser unter der Erde entlang geleitet wird, einen Begräbnissplatz anlegen, damit die Dienstbarkeit nicht verloren gehe. Dies ist richtig; man kann aber auch den Bach, durch welchen man das Recht hat, Wasser zu leiten, aushöhen oder vertiefen, es müsste denn Sicherheit bestellt worden sein, dass dies nicht geschehen solle. 1Wenn ich das Recht habe, Wasser über55Prope. Ich halte das per der Vulg. für richtiger. dein Grundstück in einem Bache zu leiten, so folgt hieraus stillschweigend das Recht, dass ich und meine Arbeiter, um den Bach ausbessern zu können, zu diesem Ende auf dem nächsten Wege hinzugehen dürfe, sowie, dass mir der Eigenthümer des Landgutes Raum lassen müsse, zur Rechten und zur Linken an den Bach gehen zu können, und [um etwas zu haben], wo man Erde, Schlamm, Steine, Sand und Kalk hinwerfen kann.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn ich dir gestattet habe, in meine Wand Balken einzulegen, wie du sie bisher gehabt hast, so kann ich dir, wenn du mehrere Balken [als du zu Anfang hattest66S. Glück X. 74.] einlegen willst, dir dies verbieten; ja ich kann selbst Klage wider dich erheben, die neueingelegten wieder herauszunehmen. 1Wenn eine [mir und dir] gemeinschaftlich gehörige Wand durch einen von dir unternommenen Bau sich gegen mein Gebäude zu senkt, so kann ich wider dich klagen, dass du kein Recht habest, dass die Wand in solchem Zustande bleibe.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn ich in meinem und meines Nachbars Namen eine Wand gebauet habe, gleichviel ob in der Voraussetzung, die Kosten von seinem Antheile zurückzufordern, oder ihm ein Geschenk damit zu machen, so wird die Wand gemeinschaftlich.
Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn es im Kaufcontract so heisst: Abfluss und Traufe sollen in ihrem dermaligen Zustande verbleiben, und nicht beigesetzt ist, welcher Abfluss oder Traufe, so muss man vorerst darauf sehen, was die Parteien beabsichtigt haben: ist dies nicht zu ermitteln, so wird die dem Verkäufer nachtheiligere Auslegung angenommen; denn der Ausdruck ist zweideutig.
Idem lib. XXXIII. ad Sabin. Zum Beweis eines Vorfalls hält man auch einen nicht [zur Ablegung eines Zeugnisses] berufenen Zeugen [für zulässig].
Pompon. lib. XXXIII. ad Sab. Die unentgeltliche Wohnung in einem fremden Hause gilt als Schenkung; denn der Erwerb des [unentgeltlich] Wohnenden scheint eben in dem ihm erlassenen Miethgelde für die Wohnung zu bestehen. Denn eine Schenkung kann auch ohne Verschenkung einer körperlichen Sache gültig sein: wie wenn ich Schenkungs halber mit meinem Schuldner den Vertrag eingehe, vor einer gewissen Zeit an ihn keine Forderung zu machen. 1Die von den geschenkten Sachen gezogenen Nutzungen werden in die Schenkung nicht mit eingerechnet. Wenn ich Dir aber nicht Grund und Boden, sondern den Genuss der Früchte schenke, so werden die bezogenen Früchte in die Schenkung miteinzurechnen sein. 2Was der Haussohn auf Geheiss, oder mit Zustimmung seines Vaters verschenkt hat, ist eben so anzusehen, als ob der Vater es selbst verschenkt habe: oder wenn Du meine Sache, mit meinem Willen, dem Titius in Deinem Namen schenkst. 3Verschenkt kann nur werden, was Eigenthum des Beschenkten wird.
Idem lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn dein Nachbar auf deiner Wand gebaut hat, so, sagen Labeo und Sabinus, werde das Gebaute sein eigen; Proculus im Gegentheil lehrt, es werde dein, gleichwie Dasjenige dein werden würde, was ein Anderer auf deinem Grund und Boden gebaut habe; dies ist richtiger.