Ad Sabinum libri
Ex libro VI
Paul. lib. VI. ad Sabin. Eine Röhre, welche entweder aus einem öffentlichen Brunnen oder vom Himmel das Wasser auffängt, darf man, wie Proculus sagt, dem Rechte nach nicht an einer gemeinschaftlichen Wand anbringen; ein Bad an der gemeinschaftlichen Wand anzulegen, kann aber der Nachbar nicht verhindert werden, wenn die Wand auch Feuchtigkeit einzieht; denn es ist ebenso, wie wenn Jemand in seinem Schlafzimmer oder Gemach Wasser ausgiesst. Neratius sagt aber, dass wenn von dem Bade ein so häufiger Gebrauch gemacht würde; dass eine fortwährende Feuchtigkeit herrschte, und dies dem Nachbar Schaden brächte, jener daran gehindert werden könne. 1Ein aus Töpferfliesen erbauetes Gemach an einer gemeinschaftlichen Wand, welches so erhaltbar ist, dass es, auch wenn die Wand weggenommen ist, stehen bleiben kann, darf man dem Rechte nach behalten, sobald es der Wiederherstellung der gemeinschaftlichen Wand nicht im Wege ist. 2Stiegen darf man, wie Sabinus richtig bemerkt, an einer gemeinschaftlichen Wand haben, weil diese wieder weggenommen werden können.
Paul. lib. VI. ad Sabin. Wenn einer von mehrern Miteigenthümern sich einen Fusssteig zu einem gemeinschaftlichen Landgute stipulirt, so ist die Stipulation ungültig, weil ihm derselbe nicht gegeben werden kann; wenn aber alle stipuliren oder ein gemeinsamer Sclav, so können auch einzelne Miteigenthümer auf desselben Verstattung Klage erheben, weil er ihnen auf diese Weise gegeben werden kann, damit nicht, wenn derjenige, welcher den Weg sich stipulirt hat, mehrere Erben hinterlässt, die Stipulation unnütz werde.
Paul. lib. VI. ad Sabin. Unter Miterben kann auch die Gemeingutstheilungsklage Statt finden, so dass nur Sachen, welche ihnen gemeinschaftlich gehören, und davon abhängige Angelegenheiten bei derselben in Betracht kommen, wegen der übrigen aber die Erbtheilungsklage unverrückt bleibt. 1Wenn die Erbtheilungs- oder Gemeingutstheilungsklage durchgeführt worden ist, so schützt der Prätor die geschehenen Zuerkennungen durch Ertheilung von Einreden oder Klagen. 2Wer Wenn Miterben in Abwesenheit eines Miterben eine Sache verkauft, und dabei arglistig gehandelt haben, um sich zu bereichern, so müssen sie dem Abwesenden entweder mittelst der Erbtheilungs- oder der Erbschaftsklage Ersatz leisten. 3Die Früchte, welche ein Erbe vor dem Erbschaftsantritt von einem Erbschaftsgrundstück gewonnen hat, muss er, sagt Julian, nur dann mittelst der Erbtheilungsklage ersetzen, wenn er, als er sie gewann, wusste, dass es ein Erbschaftsgrundstück sei. 4Wer die Erbtheilungs-, Gemeingutstheilungs- und Grenzberichtigungsklage erhebt, ist sowohl Kläger als Beklagter; deshalb muss er schwören, dass er so wenig aus Chicane den Process erhebe, als aus Chicane sich auf’s Leugnen lege. 5Was ein Miterbe in Folge seiner eigenen Handlung auf den Grund einer erbschaftlichen Stipulation entrichtet, kann er vom Miterben nicht zurückfordern; z. B. wenn der Erblasser angelobt hat, dass von ihm und seinem Erben Arglist fern sein solle, oder dass weder er noch sein Erbe dem Gehen und Fahren ein Hinderniss in den Weg legen wolle. Ja es haben sogar die übrigen, wenn für sie wegen der That eines einzigen eine Verbindlichkeit in Wirkung tritt, wie wenn die Bedingung einer erbschaftlichen Stipulation eingetreten ist, die Erbtheilungsklage wider den, dessen wegen die Stipulation eingegangen worden. 6Wenn Jemand stipulirt hat, dass Titius und dessen Erbe ihre Genehmigung ertheilen würden, und Titius mit Hinterlassung mehrerer Erben gestorben ist, so haftet derjenige allein, der die Genehmigung versagt hat, und von des Stipulirenden Erben kann derjenige allein klagen, von dem es verlangt worden ist. 7Wenn einer Ehefrau der Niessbrauch auf so lange vermacht worden ist, bis ihr das Einbringen zurückgezahlt worden, so, sagt Cassius, könne durch den Schiedsrichter der Erbtheilung sowohl dasjenige, was Namens des Miterben von der Mitgift entrichtet worden, [vom andern Miterben] zurückgefordert, als der Miterbe zur Zahlung angehalten werden; und dies ist richtig. 8Wenn zweien Miterben das Setzen einer Statue auferlegt worden ist, und der eine sich diesem unterzogen, während es der andere unterlassen hat, so, schreibt Julian, sei es nicht unbillig, die Erbtheilungsklage zu gestatten, damit der Kostenantheil nach dem Ermessen eines guten Wirths ersetzt werde.
Ad Dig. 10,3,19Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 142, Note 4.Paul. lib. VI. ad Sabin. Ein auf der Grenze [zweier Landgüter] gewachsener Baum, so wie ein Stein, der sich über beide erstreckt, gehören, solange sie mit dem Landgute zusammenhängen, nach der Lage und Richtung der Grenzen beiden, und sind kein Gegenstand der Gemeingutstheilungsklage; wenn aber der Stein herausgenommen, oder der Baum herausgerissen oder gefällt worden ist, so wird er gemeinschaftlich und zwar ungetheilt, und daher auch Gegenstand der Gemeingutstheilungsklage; denn was zuvor bestimmte Grenzen hatte, hat diese wiederum verloren. Wenn daher zwei Massen zweier Eigenthümer zusammengeschmolzen worden, so ist die ganze Masse ihnen gemeinschaftlich gehörig, wenn auch etwas von der frühern Art getrennt fortbestehend bleibt; so vereinigt auch der vom Grundstück getrennte Stein und Baum wieder das Eigenthumsrecht. 1Ueber [die Theilung] der gemeinschaftlichen Vorhalle zweier Gebäude darf ohne beider [Interessenten] Einwilligung kein Gemeingutstheilungsrichter bestellt werden, weil derjenige, der auf eine Vorhalle zu bieten genöthigt ist, oft gezwungen wird, soviel wie für das ganze Haus zu geben, wenn er sonst keinen Eingang hat. 2Wenn wir zu einem Wege über dieselbe Stelle berechtigt sind, und [einer von uns] Kosten darauf verwendet hat, so behauptet Pomponius fälschlich, dass die Gemeingutstheilungs- oder Gesellschaftsklage Statt finde; denn wie soll man die Gemeinschaft eines Rechts getrennt [vom Körper für sich] verstehen? Die Geschäftsführungsklage kann aber erhoben werden. 3Der Gemeingutstheilungs-, so wie der Erbtheilungsrichter muss auch auf einen flüchtig gewordenen Sclaven von denen bieten lassen, für die er als Richter bestellt worden, und ihn dann dem zuerkennen, der das letzte Gebot behalten; auch ist nicht zu fürchten, dass dem Senatsbeschluss zufolge die Strafe des Favischen Gesetzes11Welches diejenigen bestraft, die wissentlich über einen freien Menschen wie über einen Sclaven verfügen. S. Brisson. v. Fabia. verwirkt werde. 4Wasserleitungen, sagt Labeo, werden nicht Gegenstand der Gemeingutstheilungsklage; denn entweder gehören sie zum Landgute selbst, und dann werden sie nicht Gegenstand der Theilung, oder sie sind von demselben getrennt, und dann nach Maass und Zeit getheilt. Es können jedoch zuweilen auch Rechte von einem Landgute getrennt bestehen, und ohne nach Maass und Zeit getheilt zu sein, z. B. wenn der, dem sie gehörten, mit Hinterlassung mehrerer Erben [gestorben ist]. Wenn dies der Fall ist, so ist es auch folgerichtig, dass sie Gegenstand der Erbtheilung werden; Pomponius sagt dabei, er sehe nicht ein, weshalb sie, wenn sie Gegenstand der Erbtheilungsklage werden, nicht auch Gegenstand der Gemeingutstheilungsklage sollen werden können. In Fällen dieser Art werden sie daher auch wirklich zur Gemeingutstheilung gezogen, dergestalt dass die vorgenannten Rechte nach dem Maasse oder der Zeit getheilt werden.
Paul. lib. VI. ad Sabin. Was im Namen eines Ehemannes, der zahlungsunfähig ist, ein Anderer etwa der [Ehe-]Frau gezahlt hatte, kann er nicht zurückfordern, so sehr22Adeo debitum esset mulieri. An dem adeo hat man viel Anstoss genommen. Wenn aber, wie aus der folgenden Stelle hervorgeht, hier von der der Frau zurückzugebenden Mitgift die Rede ist, also von einer wirklichen Schuld, so ergibt sich der natürliche Sinn: so sehr würde das von einem Andern im Namen des Ehemanns Gezahlte geschuldet sein, dass es, obgleich es letzterer nicht selbst gezahlt hat, doch nicht zurückgefordert werden könnte. Diesen Sinn des adeo bestätigt auch die L. 10. desselben Paulus: In diem debitor adeo debitor est, ut etc. würde es der Frauensperson geschuldet sein;
Paul. lib. XXXII. ad Sabin. Dagegen kommen auch keine Schulden, ausser die vom Erwerb veranlasst werden, in die Rechnung der Gesellschaft.
Paul. lib. VI. ad Sabin. Aber auch der Genosse, der veräussert hat, und [den Kaufpreis] dem Vertrag zuwider empfängt, bricht den Vertrag (committit), und ist mit der Genossenklage oder mit der Gemeinschaftstheilungsklage zu belangen. 1Ad Dig. 17,2,17,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 306, Note 10; Bd. II, § 307, Note 3.Wenn einem Abwesenden die Genossenschaft gekündigt worden, so muss so lange, bis derselbe es erfährt, das, was der Aufkündigende erworben hat, in die Gemeinschaft eingebracht werden, der Schade aber trifft allein den, welcher aufgekündigt hat; was hingegen der Abwesende erworben hat, gehört ihm allein; ein Schade, den er gelitten, ist Beiden gemeinsam. 2Bei Eingehung der Genossenschaft liegt aber nichts daran, dass derselbe wegen der Aufkündigung sich reversire33Caveat kann hier nicht heissen: Sicherheit leiste; denn daran könnte, der bestehenden Verbindlichkeit ungeachtet, gar wohl etwas gelegen sein. Es muss also erklärt werden, wie so häufig, z. B. Fr. 25. §. 4. D. de probationibus (22, 3.), Fr. 27. D. depositi (16, 3.) const. ult. C. de pactis conventis (5, 14.) und hier unten Fr. 63. §. 4. das entsprechende Substantiv cautio erklärt wird und werden muss.; weil die unzeitige Kündigung der Genossenschaft schon an sich (ipso jure) in Anschlag kommt.
Paul. lib. VI. ad Sabin. Alle Schulden, die während bestehender Genossenschaft gemacht worden sind, müssen auf gemeinschaftliche Rechnung bezahlt werden, wenn die Zahlung auch erst nach Auflösung der Gesellschaft erfolgt. Wenn also auch ein Genosse ein bedingtes Versprechen gegeben hat, und nach Trennung der Genossenschaft die Bedingung eintritt, muss die Zahlung auf gemeinschaftliche Rechnung geschehen; daher ist, wenn mittlerweile die Gesellschaft getrennt wird, [deshalb] gegenseitige Gewähr zu leisten55Cautiones interponendae sunt. S. oben Not. 112. und meine Lehre von der Erwerbsgesellschaft, S. 139 ff..
Paul. lib. VI. ad Sabin. Mucius schreibt im vierzehnten Buche, es könne eine Genossenschaft nicht so geschlossen werden, dass ein Genosse einen andern Theil am Gewinn, einen andern am Verlust habe. Servius sagt in den Bemerkungen des Mucius auch, es könne eine solche Gesellschaft nicht eingegangen werden; denn Gewinn ist erst nach Abzug alles Verlustes und Verlust erst nach Abzug alles Gewinns als vorhanden anzusehen. Aber dahin kann eine Genossenschaft geschlossen werden, dass von demjenigen Gewinn, welcher nach Abzug des sämmtlichen Verlustes der Genossenschaft übrig bleibe, ein verschiedener Antheil [dem Einen] zufalle, und ein verschiedener von dem gleicher Weise übrig bleibenden Verlust [denselben] treffe66Vgl. §. 2. Inst. de societate (3. 25.) und meine angeführte Schrift, S. 61. Note..
Paul. lib. VI. ad Sabin. und zwar auch die Verbindlichkeit aus vergangener Verschuldung, welche der, dem er gefolgt ist, zu leisten hätte; obwohl er77Der Erbe. (Vgl. unten Fr. 63. §. 8. h. t.) Will man non für eingeschoben und unecht halten, so würde hingegen der Erblasser zu verstehen und dieses der Sinn sein: der Erbe leistet nur ebensoviel, als der Erblasser leisten müsste, obgleich er (der Erblasser) Genosse war, d. h. obgleich er das beneficium competentiae hatte; also: der Erbe hat auch dieses beneficium. Dies erscheint aber nicht nur nach dem ganzen Zusammenhange als gezwungen und unpassend, sondern widerspricht auch dem Fr. 63. §. 2. h. t. Vgl. Weber v. d. natürl. Verbindlichkeit, §. 115. Note 3. S. 445. nicht Genosse ist.
Paul. lib. VI. ad Sabin. Ad Dig. 17,2,38 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 89, Note 13.Der Richter in einem Process über eine Genossenschaft (pro socio arbiter) muss für Gewährleistungen wegen zukünftigen von dieser Genossenschaft herrührenden Verlustes oder Gewinnes Sorge tragen. Dies war Sabinus Meinung in Hinsicht aller Klagen guten Glaubens, sie seien nun allgemeine, wie die Genossenschaftsklage, die Geschäftsführungsklage, die Vormundschaftsklage, oder auf Einzelnes gehend, wie die Auftrags-, Leih-, Hinterlegungsklage. 1Wenn ich mit dir in Genossenschaft stehe, und gemeinschaftliche Sachen habe, so kann ich, sagt Proculus, was ich auf dieselben wende, oder was du an Nutzungen daraus gezogen hast, entweder durch die Genossenschaftsklage oder durch die Gemeinschaftstheilungsklage erlangen, und die eine Klage schliesst die andere aus88D. h. sie können nicht zugleich angestellt werden. S. aber unter Fr. 43..
Paul. lib. VI. ad Sabin. und es kommt nichts darauf an, ob er während der Dauer der Genossenschaft, oder nach deren Auflösung hat wegen des Diebstahls zahlen müssen. Dasselbe gilt von allen ehrenrührigen Klagen, wie der Injurienklage, der Raubklage, der wegen verführten Sclaven und dergleichen und von allen Geldstrafen, welche in Folge öffentlicher Anklagen [einen Genossen] treffen.
Ad Dig. 26,7,16Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 439, Note 7.Idem lib. VI. ad Ed. Wenn bei der Vormundschaftsklage die Frage entsteht, welche Schuldverhältnisse, vom Vormund begründet, der Mündel anerkennen muss, so sollen, nach der Meinung des Marcellus, wenn der Vormund in seinem Namen das Darlehn gab und in seinem Namen stipulirte, diese Forderungen, wenn sie gut stehen, dem Mündel unvermindert, die verlorenen aber und die zweifelhaften dem Vormunde gehören; aber die Meinung möchte wohl richtiger sein99Die Florentina liest verius se putare, Haloander—Beck: verius esse putarim. Nach der Florentina hätte Marcellus nachmals seine frühere Ansicht geändert; nach der Haloandrina stimmt blos Paulus nicht mit dem Marcellus überein., dass der Vormund dem Mündel die Bedingung machen könne (vorschlagen könne), die Handlungen, die er als Vormund rücksichtlich der Begründung obligatorischer Verhältnisse vornahm, entweder im Ganzen anzuerkennen, oder im Ganzen zu verwerfen, so dass es ebenso ist, als ob der Vormund das Geschäft für sich geführt hätte. Ebenso ist es, wenn der Vormund im Namen des Mündels Geld borgte.
Paul. lib. VI. ad Sabin. Einem Mündel kann ohne Ermächtigung des Vormundes nicht gezahlt werden. Aber er kann auch nicht delegiren, weil er auch keine Sache veräussern kann. Wenn jedoch ein Schuldner einem solchen gezahlt hat, und die Gelder unberührt sind, so wird der Schuldner den Mündel, wenn er klagt, mit der Einrede der bösen Absicht zurückweisen.