Ad Sabinum libri
Ex libro XIV
Paul. lib. XIV. ad Sabin. [Der Ausdruck] Recht wird in mehrfacher Bedeutung gebraucht; einmal, wenn das, was allezeit billig und Recht ist, Recht genannt wird, also das Naturrecht; sodann dasjenige, was Allen oder Mehrern in jedem Staate von Nutzen ist, also das bürgerliche Recht; eben so richtig wird in unserm Staate das Würdenrecht Recht genannt. Auch vom Prätor heisst es, er spreche Recht, selbst wenn er etwas unbilliger Weise verordnet, nämlich nicht in Betracht dessen, was er in der Art gethan hat, sondern dessen, was ihm zu tun obliegt. In einer andern Bedeutung heisst Recht derjenige Ort, wo Recht gesprochen wird, mit Uebertragung der Benennung von dem, was geschieht, auf den Ort, wo es geschieht; diesen Ort kann man auf diese Weise bezeichnen: jeder Ort, wo der Prätor mit Aufrechterhaltung der Würde seiner Gewalt und Beobachtung des Herkommens, Recht zu sprechen bestimmt, wird Recht genannt.
Paul. lib. XIV. ad Ed. Ein in einem Andern gehöriges Gold eingeschlossener Edelstein, oder an einen Armleuchter [angesetztes] Schild, kann nicht mit der Eigenthumsklage gefordert, sondern es muss zu deren Trennung auf Auslieferung geklagt werden. Anders ist es bei einem in ein [fremdes] Gebäude verbaueten Balken, wessen wegen nicht auf Auslieferung geklagt werden kann, weil das Zwölftafelgesetz die Absonderung verbietet; allein es kann aus demselben Gesetz die Klage wegen des verbaueten Balkens auf das Doppelte erhoben werden.
Ad Dig. 41,1,24Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 187, Note 2.Paul. lib. XIV. ad Sabin. In Betreff aller derjenigen Gegenstände, die in ihre vorige Gestalt zurückkehren können, gilt als Regel, dass, wenn der Stoff derselbe geblieben, und nur die Gestalt verändert worden ist, z. B. wenn du aus meinem Erze eine Statue, oder aus meinem Silber einen Becher gemacht hast, ich Eigenthümer davon bleibe;
Paul. lib. XIV. ad Sabin. Hast du aber aus meinen Brettern ein Schiff gemacht, so ist das Schiff dein, weil die Cypresse [z. B.] nicht [Cypresse] bleibt, noch die Wolle [Wolle], wenn ein Kleidungsstück daraus gemacht worden ist, sondern daraus ein cypressener, oder wollener Körper wird. Proculus sagt, es sei Rechtens, was Servius und Labeo gemeint hätten, dass, wenn Etwas, das noch keinen eigenthümlichen Character hat, zu etwas Anderm hinzugefügt worden sei, es dem Ganzen folge, wie ein Fuss an eine Statue, oder eine Hand, ein Boden an einen Becher, oder ein Henkel, die Unterstützung an ein Bett, ein Brett an ein Schiff, ein Backstein an ein Gebäude; denn das Ganze bleibt Dem gehörig, dessen es vorher war. 1Ein mit den Wurzeln ausgerissener und wo andershin verpflanzter Baum gehört dem frühern Eigenthümer, solange er noch nicht angewachsen ist; sobald dies geschehen, folgt er dem Grund und Boden, und wenn er wiederum ausgerissen worden ist, so kehrt er nicht an den vorigen Eigenthümer zurück; denn dadurch, dass er in einer andern Erde ernährt worden, ist anzunehmen, dass er ein andrer geworden sei. 2Wenn du meine Wolle purpurn gefärbt hast, so, sagt Labeo, bleibe sie nichtsdestoweniger mein, weil zwischen der Purpurwolle und derjenigen, die in den Koth oder Schmutz gefallen ist, und so ihre vorige Farbe verloren hat, kein Unterschied ist.