Ad Sabinum libri
Ex libro XIII
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Der Präsident der Provinz hat blos über die Einwohner seiner Provinz Gewalt, und zwar nur, so lange er in der Provinz ist; denn wenn er sich ausserhalb derselben befindet, ist er Privatperson. Zuweilen hat er auch über Ausländer Gewalt, [nämlich] wenn sie sich thätig vergangen haben; denn in den, von den Kaisern erlassenen, Bestallungen ist auch gesagt, dass derjenige, welcher einer Provinz vorsteht, dafür sorgen soll, die Provinz von Gesindel zu reinigen, und es ist einerlei woher es ist.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Der Römischen Gewohnheit zufolge fängt der Tag von Mitternacht an, und endigt sich mit der Mitte der folgenden Nacht, und was daher nur in diesen 24 Stunden, d. h. zwei halben Nächten und dem dazwischenliegenden Tage verhandelt wurde, ist ebenso, als ob es zu jeder Tagesstunde verhandelt worden sei.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Ein Verfahren kann auf Befehl dessen, welcher es angeordnet, oder dessen, der in derselben Gerichtsbarkeit eine grössere Gewalt hat, oder auch wenn der Richter selbst dieselbe Gewalt erhält, wie derjenige, der das Verfahren angeordnet hat, aufgelöst werden.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Wer sich des Besitzes arglistiger Weise entledigt hat, wird auch dadurch gestraft, dass ihm der Kläger keine Sicherheit wegen Abtretung der Klagen, welche er in Betreff der [fraglichen] Sache hat, zu stellen braucht,
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Wenn der Besitzer arglistig gehandelt hat, der Kläger aber den Würderungs[-Eid] nicht leisten will, sondern wünscht, dass der Gegner zu soviel als die Sache werth ist, verurtheilt werde, so ist ihm zu willfahren.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. mögen wir etwas uns Gehöriges fordern, oder mag auf Auslieferung geklagt werden. Zuweilen wird blos das Interesse des Klagenden geschätzt, wie wenn ein Verschulden11D. h. ein geringes (culpa levis); denn dass culpa hier diese Bedeutung habe, geht theils daraus hervor, dass im folgenden Satze die böse Absicht (dolus) entgegengesetzt wird, indem bekanntlich unter dolus die culpa lata mitbegriffen wird, theils aus der ausdrücklichen Angabe des dolus und der culpa lata, als Gründen zum Würderungseide in der L. 2. C. h. t. 5. 53. Also wenn durch geringes Verschulden des Beklagten dem Kläger Schaden zugefügt worden ist, kann er denselben nur auf die gewöhnliche Art, nicht durch den Würderungseid schätzen. dessen, der nicht zurückerstattete oder nicht auslieferte, bestraft wird; wenn aber die böse Absicht oder der Ungehorsam dessen, der nicht zurückerstattete oder nicht auslieferte, [bestraft wird, so wird die Sache so hoch geschätzt werden,] als der Kläger eidlich gewürdert haben wird.
Idem lib. XIII. ad Sabin. Wenn in Folge des Einspruches wegen eines Neubaues Sicherheit geleistet wird22Nemlich vom Nunciaten, und zwar dafür, dass im Falle des künftigen Unterliegens der Neubau niedergerissen und der alte Zustand wiederhergestellt werden solle., so verfällt die Stipulation auf so viel, als zuerkannt worden.
Idem lib. XIII. ad Sabin. Noxalinterdicte sind diejenigen, welche wegen Verbrechen Derer, die wir in unserer Gewalt haben, ertheilt werden, z. B. wenn sie etwas gewaltsam heruntergeworfen, oder gewaltsamer oder heimlicher Weise ein Werk errichtet haben. Es liegt aber hierbei im Kreise der richterlichen Amtspflicht, den das Werk auf seine Kosten wieder hinwegräumenden Herrn loszusprechen, wenn er hingegen die Hinwegnahme des Werkes ruhig geschehn lässt, ihm die Auslieferung an Schädensstatt anzubefehlen und dann loszusprechen, wenn er aber zur Auslieferung nicht schreitet, ihn zum Ersatz der auf die Hinwegnahme des Werkes verwendeten Kosten zu verurtheilen, und wenn er endlich weder die Hinwegnahme geschehen lässt, noch selbst dazu schreitet, obwohl er es könnte, zu soviel zu verurtheilen, als der Richter abschätzt, wie wenn er selbst der Thäter gewesen wäre.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Wenn du mich gewaltsamerweise aus dem Besitz gesetzt hast, oder gewaltsam oder heimlich gehandelt hast33Athanas. Oteyza et Olano Paralipom. etc. jur. l. 1. c. 10. §. 26. nimmt hier zwei verschiedene Fälle an (T. M. I. 411)., so musst du, wenn du auch den Besitz selbst ohne Arglist und Verschuldung verloren hast, mir dennoch auf das Interesse verurtheilt werden, weil der in deine Schuld vorhergegangen ist, dass du mich überhaupt gewaltsamerweise vertrieben, oder gewaltsam oder heimlich gehandelt hast.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Gewaltsam handelt sowohl Derjenige, wer verhindert worden ist [, Etwas zu thun], als Derjenige, der es dahin gebracht hat, dass er nicht verhindert werde, etwa durch Anzeige einer Gefahr an den Gegner, oder durch Verschliessen der Thür. 1Die Verhinderung wird durch jede Handlung des Verhindernden als geschehen angesehen; d. h. entweder durch mündliches Verbot, oder durch thätliche Widersetzung, oder durch einen Steinwurf als Zeichen des Verbots. 2Der Verhinderte handelt aber so lange gewaltsam, als die Sache im unveränderten Zustande bleibt; findet nachher ein Uebereinkommen mit dem Gegner statt, so hört er auf gewaltsam zu handeln. 3Ingleichen wenn der Erbe des Verhinderten, oder Derjenige, der von ihm gekauft hat, ohne von dem Vorhergegangenen unterrichtet zu sein, Etwas gethan hat, sagt Pomponius, verfalle er nicht dem Interdicte. 4Was an einem Schiffe geschieht, oder an irgend einer andern beweglichen, wenn auch noch so grossen Sache, ist in dieses Interdict nicht begriffen. 5Dieses Interdict findet statt, es mag ein Werk an einem öffentlichen, oder einem Privatmanne gehörigen, oder einem heiligen oder religiösen Orte errichtet werden.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. Das Interdict wegen bittweisen Verhältnisses ist mit allem Rechte eingeführt worden, weil deshalb keine bürgerlichrechtliche Klage stattfand, denn das bittweise Verhältniss hat viel mehr Aehnlichkeit mit den Schenkungen und Wohlthaten, als mit Contractsgeschäften.
Paul. lib. XIII. ad Sabin. In der Stipulation, durch welche der Procurator Sicherheit leistet, dass der Geschäftsherr die Sache genehmigen werde, ist das enthalten, was das Interesse des Stipulators beträgt. Und dasselbe ist bei allen Clauseln wegen böser Absicht Rechtens.