Ad Sabinum libri
Ex libro X
Paul. lib. X. ad Sabin. Wenn ich mit dir gemeinschaftliche Gebäude haben sollte, und für deinen Antheil dem Nachbar Sicherheit wegen eines zu befürchtenden Schadens werde gegeben haben, so muss man sagen, dass ich das, was ich geleistet haben werde, vielmehr durch die Geschäftsführungsklage, als durch die Klage auf Theilung des Gemeinschaftlichen fordern könne; weil ich meinen Antheil so vertheidigen konnte, dass ich nicht gezwungen würde, den Antheil [meines] Mitgenossen zu vertheidigen.
Paul. lib. X. ad Sab. Für den Besitzer wird nicht nur zur Berichtigung von Erbschaftsschulden eine Veräusserung zur Nothwendigkeit, sondern auch wenn von demselben nothwendige Kosten auf eine Erbschaftssache verwendet worden sind, oder wenn [Sachen] durch Aufschub verloren gehen, oder schlechter werden würden.
Paul. lib. X. ad Sabin. Das Eigenthum an derjenigen Sache, worauf eine dingliche Klage erhoben, und die so hoch geschätzt worden ist, als der Kläger sie eidlich gewürdert hat, geht sofort auf den Besitzer über, denn es wird angenommen, als sei [der Kläger] mit ihm vergleichsweise um den Preis einig geworden, den er selbst bestimmt hat.
Paul. lib. X. ad Sabin. Wenn Jemand in der Absicht, dem Niessbraucher ein Geschenk zu machen, einem Sclaven, an dem derselbe den Niessbrauch hat, auf dessen vorherige Stipulation, etwas versprochen hat, so wird er dem Niessbraucher selbst verbindlich, weil es gebräuchlich ist, dass ihm ein solcher Sclav stipuliren kann.
Paul. lib. X. ad Sabin. Auch wenn der Eigenheitsherr einen Sclaven, an dem der Niessbrauch mein ist, verwundet oder getödtet hat, steht mir, nach Art der aus dem Aquilischen Gesetz, wider ihn eine Klage nach Maassgabe des Niessbrauchs11Glück erklärt pro portione ususfructus, mit Pothier ad h. l., p. p. quam in pretio servi ususfructus in eo alienus minuet; der Griechische Scholiast bei demselben erklärt: ut si solidum ususfr. quis habeat in solid., si semiss. in semissim habeat actionem. Die Glosse des Accursius stimmt mit Pothier überein. Man kann jede dieser Erklärungen als richtig bezeichnen; allein am deutlichsten wird es, wenn man sagt, p. p. ususfr. heisse der Capitalwerth, welcher dem Niessbraucher, als solchem (nach Abzug des bildlichen Eigenheitswerths des Sclaven), an dem Sclaven zusteht; ea pars anni etc. (nämlich in Bezug auf den höchsten Werth in diesem Zeitraum) erklärt Glück so, dass es nicht darauf ankomme, ob der Niessbraucher schon in diesem Jahre den Niessbrauch gehabt habe, weil dasselbe rückwärts gerechnet werde; dies scheint mir unrichtig; ich verstehe die Sache so, dass auch das Jahr rückwärts voll gerechnet werden soll, wenn ich den Niessbrauch auch noch kein ganzes Jahr gehabt habe; denn sonst würde ja der Umstand, ob ich den Niessbrauch gehabt habe, oder nicht, gar nicht in Betracht gezogen zu werden brauchen, indem das Recht ohnehin, wenn es mir bereits über ein Jahr zuständig gewesen ist, auch mein war, es mag mir etwas eingetragen haben oder nicht. zu, so dass auch derjenige Theil des Jahres mit in Anschlag kommt, wo der Niessbrauch noch nicht mein1 war.
Paul. lib. X. ad Sabin. Wer Gruben um Bären oder Hirsche zu fangen macht, der haftet, wenn er dies auf einem Wege gethan, und etwas [Anderes] hineingefallen ist und Schaden gelitten hat, durch das Aquilische Gesetz; war es aber an andern Orten, wo dies gewöhnlich geschieht, so haftet er für nichts. 1Diese Klage findet aber nur unter Umständen Statt, d. h. wenn es weder angezeigt worden ist, noch [der, welcher Schaden gelitten hat,] es gewusst, oder hat voraussehen können; und so gibt es viele Beispiele dieser Art, in denen der Kläger abgewiesen wird, wenn er die Gefahr hätte vermeiden können;
Idem lib. X. ad Sabin. Wenn ein Baumverschneider dadurch, dass er einen Ast vom Baume herabwirft, oder ein Handlanger einen Vorübergehenden getödtet hat, so haftet er nur dann, wenn der Ast auf die öffentliche Strasse herabgefallen ist, und er nicht zugerufen hat, dass das Unglück hätte vermieden werden können. Mucius sagt aber, es könne, auch wenn es sich auf Privatgrund und Boden ereignet hätte, wegen Verschuldung geklagt werden; denn Verschuldung bestehe darin, wenn eine Vorsicht nicht getroffen worden ist, die ein Aufmerksamer hätte treffen können, oder wenn dann erst Anzeige gemacht worden ist, als die Gefahr unvermeidlich geworden war. Aus diesem Grunde ist es einerlei, ob der Weg [, auf den der Ast herabfiel,] über öffentlichen oder über Privatgrund und Boden geht, indem die Wege meistentheils durch Privatbesitzungen gehen. Ist aber gar kein Weg daselbst vorhanden, so braucht blos böse Absicht vertreten zu werden, so dass [der Baumverschneider die Aeste] nicht auf diejenigen, welche er vorübergehen sieht, werfen darf; Verschuldung trifft ihn nicht, indem er nicht wissen konnte, ob Jemand gerade über die Stelle gehen würde.
Paul. lib. X. ad Sabin. Wissenschaft heisst hier das Geschehenlassen, so dass derjenige haftet, wer etwas verhindern konnte und es nicht gethan hat. 1Die Klage aus dem Aquilischen Gesetz kann auch erst, wenn der verwundete Sclav wiederhergestellt worden ist, erhoben werden. 2Wer meinen Sclaven, in dem Glauben, er sei ein Freier, getödtet hat, der haftet nach dem Aquilischen Gesetz. 3Wenn zwei [Sclaven] über brennendes Stroh springen, zusammenstossen, und beide niederfallen, und einer verbrennt, so kann aus diesem Grunde keine Klage erhoben werden, sobald nicht zu ermitteln ist, welcher den Andern niedergestossen hat. 4Wer Schaden durch Verschuldung angerichtet hat, weil er sich auf keine andere Weise retten konnte, ist ausser Verantwortung; denn Gewalt mit Gewalt abzuwehren, erlauben alle Gesetze und alle Rechte. Habe ich aber, um mich zu vertheidigen, einen Stein nach meinem Gegner geworfen, und nicht ihn, sondern einen Vorübergehenden getroffen, so hafte ich nach dem Aquilischen Gesetz; denn nur gegen den, der Gewaltthätigkeiten anfängt, darf wieder Gewalt ausgeübt werden, und auch dies nur, wenn es zum Schutz, und nicht der Rache wegen geschehen ist. 5Wer eine noch in gutem Zustande befindliche Wand eingenommen hat, haftet deren Eigenthümer wegen widerrechtlichen Schadens.
Paul. lib. X. ad Sabin. Wenn der Sclav etwas besitzt, so haftet sein Herr seinetwegen auf Auslieferung; hat sich aber der Sclav wider Wissen des Herrn arglistiger Weise des Besitzes entledigt, so muss wegen des Sclaven entweder die Diebstahlsklage, oder die Noxalklage wegen Arglist ertheilt werden; eine analoge Klage auf Auslieferung ist nicht zulässig.
Paul. lib. X. ad Sabin. Alles, was gegeben wird, wird entweder wegen einer Sache oder wegen eines Grundes22Aut ob rem..., aut ob causam In diesem Gegensatze ist „causa dasjenige, was in Hinsicht einer schon geschehenen Leistung, res aber, was in Beziehung auf eine künftige Gegenleistung gegeben worden ist.“ So v. Glück a. a. O. Th. 13. S. 50 ff.; und [zwar] entweder wegen einer schändlichen oder ehrbaren Sache; wegen einer schändlichen aber entweder so, dass eine Schändlichkeit des Gebers, nicht des Empfängers, oder so, dass [eine Schändlichkeit] nur des Empfängers, nicht auch des Gebers, oder [so dass eine Schändlichkeit] Beider vorhanden ist. 1Was also wegen einer ehrbaren Sache gegeben worden ist, kann dann zurückgefordert werden, wenn die Sache, wegen welcher es gegeben worden ist, nicht erfolgt ist. 2Wenn aber der Grund des Empfängers ein schändlicher gewesen sein sollte, so kann man, auch wenn die Sache nicht erfolgt ist, zurückfordern.
Idem lib. X. ad Sabin. Nach natürlichem Rechte (naturaliter) wird auch ein Sclav verbindlich gemacht, und darum wird, wenn Jemand im Namen desselben zahlen sollte, oder er selbst, nachdem er freigelassen, wie Pomponius schreibt, aus einem Sondergut, dessen freie Verwaltung er hat, es nicht zurückgefordert werden könne; und deswegen ist auch ein für den Sclaven angenommener Bürge gehalten und wird ein für ihn gegebenes Pfand gehalten sein; und wenn ein Sclav, welcher die Verwaltung des Sonderguts hat, eine Sache zum Pfand für das, was er etwa schuldet, gegeben haben sollte, so ist eine analoge Pfandklage zu ertheilen. 1Ingleichen wenn ein Mündel ohne Ermächtigung des Vormunds ein Darlehn erhalten hat und [dadurch] reicher geworden ist, so fordert er nicht zurück, wenn er, mündig geworden, es bezahlen sollte;
Paul. lib. X. ad Sabin. Die Condiction des nichtschuldet Gezahlten ist naturrechtlich33In den Fällen nämlich, wo die Condiction aus einem Haben ohne Grund des Empfängers entsteht, beruht sie ihrem Grunde nach auf dem jus naturale, insofern es dem bono et aequo zuwider ist, Etwas zu behalten, was eigentlich einem Andern gehört, ihrem positiven Charakter nach aber gehört sie dem strengen Rechte an, ist also eine actio stricti juris. S. Gans a. a. O. S. 36—40. Zimmern a. a. O. Bd. 3. §. 61. nr. 3.; und darum kommt auch das, was der gezahlten Sache angewachsen ist, in [den Bereich] der Condiction, z. B. eine Leibesfrucht, die von einer Sclavin geboren worden ist, oder was durch Anspülung hinzugekommen ist; ja auch die Früchte, welche der, dem gezahlt worden ist, im guten Glauben gezogen hat, werden in den Bereich der Condiction kommen. 1Ad Dig. 12,6,15,1ROHGE, Bd. 22 (1878), Nr. 66, S. 299: Cond. possessionis gegen den aus Irrthum Besitzenden. Besitz ein Vermögensobject.Aber auch, wenn fremde Gelder gegeben sein sollten, wird die Condiction zustehen, damit wenigstens der Besitz derselben zurückgegeben werde, auf dieselbe Weise, auf welche ich condiciren würde, wenn ich, fälschlich glaubend, dass ich dir den Besitz irgend einer Sache schulde, [sie dir] übergeben hätte. Aber auch wenn ich den Besitz zu dem deinigen gemacht hätte44Fecisses statt fecissem ist eine auch durch die Basilica bestätigte, sehr wahrscheinliche Conjectur, welche namentlich van de Water vertheidigt hat. S. v. Glück a. a. O. S. 153. Anm. 16., so dass er dir wegen der Ersitzung während langer Zeit nicht entzogen werden (avocari) kann, so würde ich auch dann richtig gegen dich vermittelst der Nichtschuldscondiction klagen. 2Aber auch wenn der Niessbrauch an der geleisteten Sache einem Andern gehören (alienus) sollte, so werde ich [sie], mit Abzug des Niessbrauchs, von dir condiciren.
Idem lib. X. ad Sabin. Obwohl man bei dem Verkauf eines Sclaven das Sondergut immer als [von dem Verkauf] ausgenommen versteht, so hatte [doch] ein solcher Mensch aus dem Sondergut eine gewisse Summe mit sich fortgenommen; wenn wegen dieser Sache mit der Diebstahlsklage gegen den Käufer geklagt worden ist, so kann der Käufer nicht gegen den Verkäufer in Folge der Stipulation des Doppelten den Regress nehmen, weil [der Verkäufer] nur dafür zu stehen braucht, dass [der Sclav] zur Zeit des Verkaufs von Diebstahl[sklagen und Schädenansprüchen] befreit sei, diese Klage aber nachher erst begründet worden ist.
Übersetzung nicht erfasst.
Paul. lib. X. ad Sab. vorausgesetzt, dass er das verfallene Miethgeld zu zahlen bereit war; sonst würde der Eigenthümer mit Recht ein Unterpfand zurückbehalten. Hat derselbe aber auch ein Unterpfand zurückbehalten, und es ist durch den Einsturz des benachbarten Hauses zu Grunde gegangen, so kann man sagen, dass der Vermiether auch mit der Pfandklage belangt werden könne, wenn er jene Gegenstände an einen sicherern Ort hinschaffen konnte.
Paul. lib. X. ad Sab. Obschon der Käufer eines Hauses vor erfolgter Besitzübergabe darum nicht mit Wirksamkeit stipuliren kann, weil ihm der Verkäufer für volle Fleiss- [Anwendung] zu haften hat, so stipulirt er doch alsdann mit Wirksamkeit, wenn dem Verkäufer kein Verschulden zur Last fällt: wie wenn derselbe dem Käufer bittweise die Wohnung im Hause gestattet, und ihm die Aufsicht übertragen hat, weil er verreisen will. 1Wenn für einen Acker die Sicherheitsbestellung verweigert wird, so muss die Besitzeinsetzung in jenen Theil geschehen, von welchem Gefahr droht: der Grund hiefür ist dieser, dass bei Gebäuden auch die übrigen Theile mit eingerissen werden: bei Aeckern ist dies nicht der Fall. Aber noch ist zu bemerken, dass bei grösseren Häusern der Prätor zuweilen, nach Untersuchung der Sache, bestimmen muss, hinsichtlich welchen Theils Derjenige, dem die Sicherheitsbestellung verweigert wird, in den Besitz eingesetzt werden soll. 2Ist, nach Abzug des Werths der alten Wand, ein Mehreres [auf die neue Wand] verwendet worden, so muss es in Anschlag gebracht werden, und wenn von der alten Wand [Baumaterialien] zu der neuen gebraucht wurden, so ist deren Schätzung abzurechnen.
Paul. lib. X. ad Sabin. Wenn du, nachdem du Zehn vom Titius stipulirt, vom Sejus soviel stipulirst, als du weniger von jenem erlangt habest, so wird, auch wenn du gegen den Titius geklagt hast, Sejus doch nicht befreit. Denn wie, wenn Titius, nachdem er verurtheilt worden, Nichts leisten kann? Aber auch wenn du zuerst gegen den Sejus geklagt hast, wird Titius in keiner Hinsicht befreit, da es ja ungewiss ist, ob Sejus überhaupt Etwas schulden wird; sonach wird auch, wenn Titius das Ganze gezahlt haben wird, Sejus gar nicht scheinen, Schuldner gewesen zu sein, weil die Bedingung desselben nicht in Erfüllung geht.
Paul. lib. X. ad Sabin. Wenn ich dir, da ich dir Gold versprochen hatte, ohne dein Wissen Erz geleistet haben sollte, so werde ich nicht befreit werden; aber ich werde auch das [Erz] nicht als Nichtschuld zurückfordern können, da ich das wissentlich gethan habe; wenn du aber das Gold forderst, so werde ich dich mit einer Einrede zurückweisen, wenn du nicht das Erz zurückgiebst, welches du erhalten hast.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.