Quaestionum libri
Ex libro IV
Paul. lib. IV. Quaest. Wenn ein freier Mensch, der mir in gutem Glauben diente, ein Gelddarlehn aufgenommen und dies in meinen Nutzen verwendet haben sollte, so ist zu sehen, auf welche Klage ich das, was er in meinem Nutzen verwendet hat, zurückgeben müsse; denn er hat das Geschäft nicht wie das eines Freundes, sondern wie das eines Herrn geführt. Aber es ist die Geschäftsführungsklage zu geben, welche aufhört zuzustehen, wenn seinem Gläubiger [das Geld] bezahlt sein sollte.
Ad Dig. 13,4,10ROHGE, Bd. 24 (1879), Nr. 16, S. 56: Anspruch auf Konventionalstrafe wegen Verspätung der Hauptleistung ungeachtet vorbehaltloser Annahme der Letzteren.Paul. lib. IV. Quaest. Wenn nach begangenem Verzuge, so dass nicht zu Capua bezahlt wurde, da [der Gläubiger nun] mit der in das Ermessen des Richters gestellten Klage klagen wollte, ein Bürge wegen dieser Klage angenommen sein sollte, so möchte wohl11Videamus, ne — non. Diese Worte enthalten eine verneinende Entscheidung des fraglichen Falles. S. A. 14 zum 12ten Buche und Haubold a. dem dort a. O. p. 263. — Die Erklärung der vorliegenden Stelle s. bei v. Glück a. a. O. S. 347. ff. Paulus spricht hier den Satz aus, dass der nach eingetretenem Verzuge dem Gläubiger deshalb, damit er die in das Ermessen des Richters gestellte actio de eo, quod certo loco etc. nicht anstelle, bestellte Bürge für das Interesse nicht hafte, welches der Schuldner, wenn er selbst belangt worden wäre, dem Gläubiger hätte leisten müssen. das Geld, welches in Folge des Urtheils des Richters [wegen des Interesses] hinzukommen kann, [von dem Bürgen] nicht geschuldet werden, auch nicht in der Verbindlichkeit [desselben] enthalten sein, so selbst, dass wenn auch jetzt das Capital gezahlt worden ist, oder wenn es zu Capua gefordert werden sollte, das Ermessen des Richters wegfällt; wenn nicht Jemand sagen sollte, dass, wenn der Richter in Hundert und zwanzig habe verurtheilen müssen, nachdem Hundert von dem Ganzen bezahlt worden, [dies] sowohl auf das Capital, als auf die Strafe22D. h. des wegen des Verzugs dem Gläubiger zukommende Interesse. gezahlt zu sein scheine, so dass die Forderung dessen übrig sei, was über das Capital hinausgehe, und die Strafe für eben die Quantität hinzukomme. Und dies glaube ich ist nicht zuzulassen, um so mehr, weil der Gläubiger dadurch, dass er das Geld annahm, die Strafe auch erlassen zu haben scheint.
Paul. lib. IV. Quaest. Woraus sich ergibt, dass wenn dem Stichus sein Sondergut als Vermächtniss hinterlassen worden, und derselbe aus dem Testamente klagt, die Ueberlassung dessen, was der Beisclav desselben dem Erblasser schuldig ist, nicht anders erzwungen werden kann, als wenn er, nämlich der Beisclav, ein Sondergut hat.
Paul. lib. IV. Quaest. Aus dem Vorfall, dass einer, der eine Vormundschaft nach Art eines Freien führte, für einen Sclaven erklärt worden ist, ist die Frage gezogen worden, ob [überhaupt] wenn der Herr desselben von dem Mündel belangt werde, dessen Interesse anbefohlnermaassen für vorzüglicher als das der übrigen Gläubiger des Sclaven geachtet werden solle, oder ob namentlich das von dem Sondergute abgezogen werde, was dem Herrn gebührt; und wenn du glaubtest, dass ein Abzug gemacht werden könne, ob es ein Unterschied sei, ob er, als er noch in Freiheit sich bewegte, der Schuldner des Herrn geworden ist oder später, und ob einem Unmündigen eine Sondergutsklage zustehe? Ich habe darauf erklärt, dem Vater oder dem Herrn kann kein Privilegium vorgehalten werden, wenn sie Namens eines Sohnes oder Sclaven auf das Sondergut belangt werden; allerdings bei anderen Gläubigern muss auf Privilegien Rücksicht genommen werden. Denn was, [gäbe das] wenn ein Sohn Eingebrachtes erhalten, eine Vormundschaft verwaltet hat? Mit Recht ist dies auch auf den Sclaven, welcher die Rolle eines Vormundes gespielt hat, gesetzlich angewendet worden; und weil die Lage dessen, der Besitz ergreift, gewöhnlich vortheilhafter ist, als die der Anderen, so wird die Klage unterdrückt. Wenn er aus dem Vermögen des Mündels Capitalien gemacht, oder das Geld in den Kasten gelegt hat, so wird demselben die Vindication des baaren Geldes gestattet, und gegen die Schuldner eine analogische Klage, nämlich wenn sie das Geld verbraucht haben, denn da konnte er es nicht an sich nehmen; was auch bei jedem Vormunde zu bemerken ist. Nicht jedoch, glaube ich, macht es einen Unterschied, wann er dem Herrn zu schulden angefangen, ob, da er noch in Besitz der Freiheit war, oder später; denn auch wenn ich den Sclaven des Titius creditirt und dessen Herr zu sein angefangen habe, so werde ich abziehen, was ich ihm früher creditirt habe, wenn ich merke, dass ich auf das Sondergut belangt werde. Der Grund davon? Weil die Sondergutsklage fehlt, so wird gegen den Herrn eine analogische Klage nach Art der Vormundschaftsklage Statt finden, damit man das, was Jener als freies Eigenthum besass, für Sondergut erkenne. 1Wenn einem Familiensohne Eingebrachtes zugestellt worden, oder er eine Vormundschaft geführt hat, so wird bei der Sondergutsklage Rücksicht auf die Privilegien genommen werden müssen, indem inzwischen die Klage der übrigen Gläubiger verschoben, oder, wenn die, die kein Privilegium haben, zuvörderst klagen, Sicherheit bestellt wird, dass wieder erstattet werden werde, was sie erhalten haben, wenn in der Folge gegen den Vater die Klage über das Privilegium zum Vorschein kommt.
Paul. lib. IV. Quaest. Ein Sohn hat eine Toga gekauft; als er gestorben, hat sie ihm der Vater, ununterrichtet und in der Meinung, dass sie sein sei, als Leichenkleid gegeben; Neratius sagt im Buche der Rechtsgutachten, es scheine [das] eine Verwendung in des Vaters Nutzen, im Falle der Klage aber auf das Sondergut, welches nicht mehr existire, dürfe es nur unter einer Voraussetzung in Anschlag kommen, wenn sich [dies] aus Arglist dessen, gegen den geklagt werde, zugetragen habe. Nun aber, da der Vater dem Sohne die Toga kaufen musste, so ist die Sache in den Nutzen des Vaters nicht jetzt verwendet, wo die Leiche bestattet werden soll, sondern zur Zeit, als er kaufte; denn die Leichenbestattung des Sohnes geht auf Unkosten des Vaters. Und dieses hat auch Neratius, welcher den Vater aus einer Verwendung in [seinen] Nutzen für verbindlich hielt, angedeutet, das Geschäft, das heisst, die Beerdigung und Bestattung des gestorbenen Sohnes gehe auf Unkosten des Vaters, nicht des Sohnes. Er ist also an das Sondergut etwas schuldig geworden, obwohl kein Sachbestand vorhanden ist, so dass er auf das Sondergut auch belangt werden könne; zu dieser Klage wird auch gezogen, was in [des Vaters] Nutzen verwendet worden ist, welche Verbindung jedoch nur dann nothwendig ist, wenn das Jahr nach des Sohnes Ableben verflossen ist.
Paul. lib. IV. Quaest. Wenn du in Folge Auftrags dem Titius als Sachwalter gedient hast, so steht, wie ich dafür halte, ob er gleich gestorben war, da du dies nicht wusstest, die Auftragsklage wider den Erben des Titius dir zu, weil durch den Tod der Auftrag, nicht aber auch die Auftragsklage erlischt. Hast du ohne Auftrag die Sachführung übernommen, so hattest du gewissermaassen die Absicht, die Geschäfte des Verstorbenen zu verwalten, und so wie dir, wenn du ihn anspruchsfrei gemacht hättest, die Geschäftsführungsklage zustehen würde, so lässt sich behaupten, dass auch der Erbe mit derselben Klage zu belangen sei. 1Lucius Titius hatte seinem Gläubiger einen Bürgen33Mandatorem. Wer den Gläubiger veranlasst, auf seine Gefahr dem Schuldner Nachsicht zu geben, heisst uns ebenso gut Bürge, als der anfängliche Mitübernehmer der Hauptschuld. Bei diesem schon ist ja der Begriff fidejussor, der allemal Stipulation voraussetzt, weit enger als der Sinn des deutschen Worts. gestellt; nach des Hauptschuldners Tode hat darauf der Prätor mit Einwilligung der Mehrheit der Gläubiger, aber in Abwesenheit desjenigen, dem der Bürge (mandator) gestellt war, verfügt, dass die Gläubiger von den Erben eine Dividende empfangen sollten; nun frage ich: wird der Bürge (mandator), wenn er belangt wird, dieselbe Einrede haben, wie der Erbe des Schuldners? Ich habe geantwortet: wenn er44Der klagende Gläubiger. vor dem Prätor erschienen, selbst auch eingewilligt hätte, so wäre anzunehmen, dass er aus gegründeter Ursache sich verglichen hätte, und die Einrede hieraus würde sowohl dem Fidejussor, als dem Mandator zu gestatten sein. Da du aber angibst, er sei nicht zugegen gewesen, so ist es ungerecht, ihm die Wahl zu entziehen, sowie ein Pfand oder Vorzugsrecht dem, der solches, wenn er gegenwärtig gewesen wäre, hätte geltend machen und das Decret des Prätors entbehren können; und wollte man sagen, der Gläubiger sei abzuweisen, so würde damit nicht dem Erben genutzt, sondern dem Bürgen (mandatori vel fidejussori), welchem Jener vermöge der Auftragsklage dieselbe Dividende gewähren muss. Wenn der Gläubiger einen Theil vom Erben angenommen hätte, ist gezweifelt worden, ob ihm die Klage auf das Uebrige gegen den Bürgen (fidejussorem) zu gestatten sei; er ist aber, weil er sich an den Erben gehalten, als in die Verfügung des Prätors einwilligend, anzusehen.
Ad Dig. 17,2,77ROHGE, Bd. 16 (1875), Nr. 109, S. 427, 430: Vervollständigung absichtlich unvollständiger Vereinbarung. Arbitrium boni viri. Taxation des Geschäftsantheils eines ausgetretenen Gesellschafters.Paul. lib. IV. Quaest. wie wenn im Gedingcontract ausgemacht ist, dass die Arbeit nach dem Ermessen des Verdingers gemacht werden soll55Vgl. Fr. 24. pr. D. locati (19. 2.).
Ad Dig. 17,2,79ROHGE, Bd. 3 (1872), S. 173: Unterschied zwischen Schiedsspruch und arbitrium boni viri bezüglich der Anfechtbarkeit.ROHGE, Bd. 4 (1872), S. 429: Unterschied zwischen Schiedsspruch und arbitrium boni viri bezüglich der Anfechtbarkeit.Paul. lib. V. Quaest. Wenn also der Ausspruch des Nerva so verkehrt ist, dass er offenbar als ungerecht erscheint, so kann er mittelst angestellter Klage, die guten Glaubens ist, verbessert werden.
Übersetzung nicht erfasst.
Paul. lib. IV. Quaest. Ad Dig. 46,1,71 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 295, Note 9.Granius Antoninus ist für den Julius Pollio und den Julius Rufus, welche Geld zum Darlehn so erhielten, dass sie Correalschuldner derselben Schuld wurden, beim Aurelius Palma als Creditauftraggeber aufgetreten; das Vermögen des Julius ist an den Fiscus gekommen, auf gleiche Weise war der Fiscus auch Nachfolger des Gläubigers geworden; der Creditauftraggeber führte an, dass er kraft der Vereinigung [des Forderungsrechts und der Schuld in einer Person] befreit worden sei, weil der Fiscus sowohl dem Gläubiger, als dem Schuldner nachgefolgt war. Nun würde ich zwar, wenn ein einziger Schuldner vorhanden gewesen wäre, nicht zweifeln, dass, wie ein Bürge, so auch der Creditauftraggeber befreit sei; denn obwohl der Creditauftraggeber nicht befreit wird, wenn der Hauptschuldner mit der Klage belangt worden ist, so wird doch dann, wenn der Gläubiger Nachfolger des Schuldners geworden ist, auch der Creditauftraggeber, gleich als wäre die Verbindlichkeit durch die Zahlung aufgehoben worden, befreit, schon darum, weil er nicht für Jemand und zugleich bei demselben Creditauftraggeber sein kann. Aber da zwei Correalschuldner vorhanden sind, und der Gläubiger Erbe des einen geworden ist, so ist es ein wohlbegründeter Zweifel, ob auch der andere befreit sei, gleich als wenn das [schuldige] Geld gezahlt gewesen wäre, oder ob nur eine Person weggenommen ist, indem die Verbindlichkeit [derselben] durch Vereinigung [mit dem Forderungsrecht in einer Person] erloschen ist. Und ich glaube, dass in Folge des Antritts der Erbschaft durch die Vereinigung der Verbindlichkeit [nur] eine Person weggenommen werde; dass aber auch die durch dieselbe nebenbei verpflichteten Personen aus dem Grunde befreit werden, weil sie nicht für Jemand und zugleich bei demselben verbindlich sein können, sodass sie ebenso, wie sie unter anderen Verhältnissen nicht anfangen konnten, verpflichtet zu sein, so es auch nicht bleiben; dass sonach der andere Correalschuldner desselben Geldes nicht befreit werde, und somit auch nicht der Bürge oder Creditauftraggeber desselben; dass freilich diesem, weil er selbst den Gläubiger mit der Auftragsklage belangen kann, die Einrede der bösen Absicht zustehen werde, wenn er belangt werde; dass aber der Gläubiger gegen den anderen Schuldner entweder aufs Ganze, wenn keine Gesellschaft stattgefunden habe, oder auf seinen Theil, wenn die Schuldner Gesellschafter gewesen sind, klagen könne. Wenn aber der Gläubiger Erbe des Bürgen, oder der Bürge Erbe des Gläubigers geworden sein sollte, so glaube ich, dass es angemessen sei, dass der Schuldner durch die Vereinigung der Verbindlichkeit nicht befreit werde. 1Wenn wir den Fall setzen, einer von den Schuldnern habe das Pactum geschlossen, dass von ihm Nichts gefodert werden sollte, sodann habe der Creditauftraggeber gezahlt, so kann dieser mit der Auftragsklage auch Den belangen, mit welchem [der Gläubiger] das Pactum geschlossen hat; denn es hebt ja ein Pactum des Gläubigers nicht eine fremde Klage auf. 2Man nimmt an, dass der Creditauftraggeber gehalten sei, auch wenn er einem Gläubiger, welcher Geld auf Zinsen ausleihen wollte66Foeneraturo creditori. Cujac. Observatt. XI. 37. versteht dies so, der mandator ist auch dann gehalten, wenn er einem Anderen schlechthin auftrug, Geld einem Dritten darzuleihen, und jener es nun mit Zinsen darlieh, weil ein Darlehn auf Zinsen doch immer ein Darlehn ist; doch soll der mandator nur für das Capital, nicht auch für die Zinsen haften. Die Basil. XXVI. 1. 71. (T. IV. p. 111.) aber geben die Stelle so wieder, dass der mandator auch dann gehalten sei, wenn er Einem auftrug, Geld darzuleihen, welcher dies schon von selbst thun wollte., auftrage, dass er Geld darleihen solle.