Quaestionum libri
Ex libro III
Paul. lib. III. Quaest. Denn wenn Jemand eine Leiche in der Absicht irgendwo hingesetzt hat, weil er gedenkt, sie von da nachher fortzuschaffen, und sie vielmehr blos einstweilen daselbst niederzulegen, nicht aber sie daselbst zu beerdigen und ihr gleichsam daselbst ihre ewige Ruhestätte anzuweisen, so bleibt der Ort profan.
Paul. lib. III. Quaest. Wenn eine Leiche an [zwei] verschiedenen Orten begraben ist, so werden zwar beide nicht religiös, weil ein Begräbniss nicht mehrere machen kann, mir scheint aber derjenige religiös zu sein, wo der vornehmste Theil begraben ist, d. h. der Kopf, welcher derjenige ist, woran man uns kennt. Wenn nachher die Hinwegschaffung der Ueberreste verlangt wird, so hört der Ort auf, religiös zu sein.
Paul. lib. III. Quaest. Im Auditorium11Das Auditorium principis war ein Collegium zur Entscheidung von Rechtssachen in höchster Instanz. In Abwesenheit des Kaisers führte in demselben der Praefectus praetorio den Vorsitz. Papinianus war unter Septimius Severus Praefectus praetorio und also Präses des Auditorium, in welchem sich auch Paulus befand, der hier sein Votum über einen fraglichen dort vorgekommenen Fall abgibt. S. Zimmern Gesch. des Röm. Priv. R. B. I. §. 98. u. 100. des Aemilius Papinianus, des Präfectus Prätorio [und] Rechtsgelehrten, ist eine Versicherungsschrift (cautio) des Inhalts vorgelesen worden: Ich Lucius Titius bekenne schriftlich, dass ich vom Publius Mävius Funfzehn als Darlehn, mir aus seinem Hause ausgezahlt, erhalten habe; und Mävius Publius hat sich stipulirt, dass diese Funfzehn in gutem Gelde richtig am Ersten des künftigen Monats gegeben werden sollen, ich Lucius Titius habe es gelobt. Wenn in dem obengeschriebenen Termine die Summe dem Publius Mävius, oder demjenigen, welchem diese Sache angehören wird, nicht gegeben, gezahlt, oder deswegen Genüge geschehen sein wird, dann hat sich Publius Mävius stipulirt, dass um soviel mehr, als ich später zahlen werde, als Strafe auf dreissig Tage und auf je hundert Denare, ein Denar gegeben werden solle, ich Lucius Titius habe es gelobt. Und wir sind unter uns übereingekommen, dass ich dem Publius Mävius von der oben geschriebenen Summe monatlich je dreihundert Denare wiedergeben solle [und zwar] von der ganzen Summe ihm oder dem Erben desselben; man hat wegen der Zinsverbindlichkeit gefragt, weil die Zahl der Monate, welche für die Zahlung zustand, abgelaufen war. Ich habe gesagt, dass, weil man annimmt, dass gleich auf der Stelle geschlossene Pacta22Es scheint gerathener, contractus sowohl, als pactum in der Uebersetzung beizubehalten, da man doch unmöglich in derselben die Begriffe, welche die Römer mit jenen Worten verbanden, ausdrücken kann. in der Stipulation enthalten seien, es ebenso sei, als wenn der, welcher jeden einzelnen Monat eine bestimmte Geldsumme stipulirt [hat,] insofern sie später gezahlt sein würde, Zinsen beigefügt hätte, dass daher nach Beendigung des ersten Monats die Zinsen des ersten Postens laufen und auf ähnliche Weise nach dem zweiten und dritten Zeitraum die Zinsen des nicht gezahlten Geldpostens wachsen; auch nicht eher die Zinsen des nicht gezahlten Capitals gefordert werden können, als bis das Capital selbst gefordert werden konnte. Das Pactum aber, welches dazu gefügt worden ist, sagten Einige, betreffe nur die Zahlung des Capitals, nicht auch der Zinsen, welche im frühern Theil [der Schrift] schlechthin in die Stipulation gekommen wären, und das Pactum nütze nur zu einer Einrede; und darum würden, wenn das Geld zu den bestimmten Posten nicht bezahlt worden wäre, vor dem Tage der Stipulation an Zinsen geschuldet, ebenso, als wenn das namentlich ausgedrückt worden wäre. Allein da die Forderung des Capitals aufgeschoben worden ist, so ist es folgerichtig, dass auch die Zinsen von der Zeit an, wo [der Schuldner] einen Verzug bewirkt hat, hinzukommen; und wenn, wie jener glaubte, das Pactum nur zu einer Einrede nützen sollte, obwohl die entgegengesetzte Meinung die Oberhand erhalten hat, so würde gleichwohl die Zinsverbindlichkeit von Rechtswegen nicht verfallen, denn es befindet sich derjenige nicht in Verzug, von welchem man [schuldiges] Geld wegen einer Einrede nicht fordern kann. Aber wenn wir eine Quantität, welche in ber Zwischenzeit zusammengebracht wird, stipuliren, wenn die Bedingung eingetreten sein sollte, wie es bei den Früchten der Fall ist, so kann dasselbe auch bei den Zinsen ausgedrückt werden, so dass, wenn zum Termin das Geld nicht gezahlt worden ist, das, was Namens der Zinsen zusteht, vom Tage der eingegangenen Stipulation an geleistet werde.
Paul. lib. III. Quaestion. Wenn du dem Titius [Etwas] wegen eines schändlichen Grundes versprochen haben solltest, so kannst du, obwohl du ihn, wenn er fordern sollte, durch die Einrede der bösen Absicht oder auf das Geschehene zurückweisen kannst, gleichwohl, wenn du bezahlt haben solltest, nicht zurückfordern, weil, nachdem der nächste Grund, [nämlich] die Stipulation, da sie wegen der Einrede wirkungslos war, aufgehoben worden ist, der frühere Grund, d. h. die Schändlichkeit, übrig geblieben war33D. h. der nächste Grund der Verbindlichkeit war die Stipulation; sie wurde wegen der Einrede wirkungslos, eigentlich konnte also das Gezahlte zurückgefordert werden; allein es blieb ein anderer Grund, aus welchem dies nicht geschehen konnte, nämlich, weil es turpiter datum war.. Ferner aber, wenn der Grund sowohl [auf Seiten] des Gebers, als des Empfängers schändlich sei, so sei der Besitzer der vorzüglichere, und darum falle die Zurückforderung weg, obgleich in Folge der Stipulation gezahlt worden ist.
Paul. lib. III. Quaestion. Freilich wenn du zwei Schuldner nicht desselben Geldes, sondern einer andern Verbindlichkeit bestellt haben solltest, z. B. des Stichus, oder des Pamphilus, und zugleich zwei gegeben sein sollten, oder ein Oberkleid, oder tausend Denare, so wird man nicht dasselbe bei der Zurückforderung sagen können, dass sie Theile zurückfordern, weil sie vom Anfang an auch nicht so haben zahlen können. Daher findet in diesem Falle die Wahl des Gläubigers Statt, wem er leisten will, so dass die Zurückforderung des Andern verhindert werde.
Paul. lib. III. Quaestion. Ad Dig. 12,6,60 pr.ROHGE, Bd. 22 (1878), Nr. 22, S. 99: Bedeutung eines den Debitor absolvierenden Erkenntnisses für die condictio der vorhergezahlten Schuld, wenn das absolvirende Erkenntnis auf Versehen des Gläubigers beruht.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 129, Note 7.Julianus leugnete, dass ein wirklicher Schuldner, der nach eingeleitetem Streit, während der Process noch fortdauert, zahlt, zurückfordern könne, weil er weder, wenn er freigesprochen, noch wenn er verurtheilt worden wäre, zurückfordern könnte; denn wenn er gleich freigesprochen sein sollte, so bleibt er doch Schuldner nach dem Naturrecht; und er sagt, dass er dem ähnlich sei, welcher so versprochen hat: mag das Schiff aus Asien gekommen sein, oder mag es nicht gekommen sein, weil aus einem [und demselben] Grunde der Ursprung der einen oder der andern44Alterius. Die Vulg. hat alterutrius, welches wohl aufzunehmen ist, wenn man nicht alter hier durch alteruter erklären will. Brisson. s. h. v. hat für diesen Sprachgebrauch ein Beispiel, die L. 34. §. 6. D. de jurejur. etc. Zahlung hervorgeht. 1Wenn aber Jemand das, was er unbedingt schuldet, unter einer Bedingung, in der Absicht zu erneuern, versprochen hat, so glauben die Meisten, dass er das, während die [Bedingung der] Erneuerung noch schwebt, Gezahlte zurückfordern könne, weil es noch ungewiss sei, in Folge welcher Verbindlichkeit er zahlen solle; und dasselbe finde Statt, auch wenn du [den Fall] setzen solltest, dass verschiedene Personen dasselbe Geld [die eine] unbedingt, und [die andere] unter einer Bedingung, in der Absicht zu erneuern, versprochen hätten; aber dieser Fall ist [dem ersten] nicht ähnlich, denn bei einer unbedingten und [nachher] bedingten Stipulation ist es gewiss, dass eben derselbe schulden werde.
Ad Dig. 13,7,41Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 26, Note 3; Bd. I, § 230, Note 9.Paul. lib. III. Quaest. Du hast eine fremde Sache zum Pfand gegeben, hernach angefangen, Eigenthümer dieser Sache zu sein; es wird dem Gläubiger eine analoge Pfandklage gegeben. Dasselbe ist nicht zu sagen, wenn ich Erbe des Titius, welcher meine Sache ohne meinen Willen [als Pfand] verbindlich gemacht hatte, geworden sein werde; denn auf diese Art ist dem Gläubiger die Verfolgung des Pfandes nicht zu gestatten, auch genügt es durchaus nicht, damit die analoge Pfandklage zustehe, dass eben derselbe Eigenthümer sei, der auch das Geld schuldet. Aber wenn eine Uebereinkunft wegen des Pfandes getroffen worden wäre, so dass er nun wegen seiner Lüge für schuldig erklärt würde55D. h. wenn ich als Erbe desjenigen, welcher meine Sache wider meinen Willen verpfändet hatte, mit dem Pfandgläubiger über das Pfand einen Vertrag geschlossen, und es also anerkannt habe, so kann ich mich nicht mehr darauf berufen, dass die Sache wider meinen Willen verpfändet sei; denn der Gegner wird mir erwiedern, dass ich das Pfand anerkannt habe und durch jene Einrede eine Lüge vorbringe., so widersetzt er sich unredlicher Weise, dass die analoge Klage angestellt werde.
Paul. lib. III. Quaest. Wenn der Vater für seinen Familiensohn wegen eines demselben bedingungsweise hinterlassenen Vermächtnisses vom Erben eine demselben gehörige Sache zum Pfande erhalten hat, und nachdem der Vater mit Tode abgegangen, oder der Sohn aus der Gewalt entlassen worden, die Bedingung des Vermächtnisses eingetreten ist, so hebt die Verpflichtung zu dem letztern gegen den Sohn an, und der Vater kann so wenig auf das Pfand Anspruch machen, wie der Sohn, der nun erst die Klage erhält, und aus der vergangenen Zeit her kein Recht am Pfande haben kann, sowie es in Betreff des Bürgen der Fall ist.
Ad Dig. 20,3,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 233b, Noten 4, 10.Paul. lib. III. Quaest. Aristo schrieb an den Neratius Priscus: Wenn auch [zwischen einem Schuldner und einem Andern] ein Contract in der Art abgeschlossen worden ist, dass ein voranstehender [Gläubiger mit dem von dem Andern vorzuschiessenden Gelde] befriedigt werden solle, so folgt ihm der letztere in das Pfandrecht doch nur dann nach, wenn man sich dahin geeinigt hat, dass ihm dieselbe Sache verpfändet sein solle; denn wer sich selbst das Pfand nicht ausbedungen hat, darf dem erstern in sein Recht nicht nachfolgen, in welchem Fall es besser sein würde, die Sache zu kaufen. Auch wenn der frühere Gläubiger mit dem Schuldner einen besondern Vertrag über den Verkauf des Pfandes eingegangen ist, der nachherige Gläubiger aber diesen Vertrag über den Verkauf nicht eingegangen war, und zwar nicht etwa, weil er es vergessen hatte, sondern weil es ausgemacht worden war, dass er nicht solle zum Verkauf schreiten können, ist es noch die Frage, ob sich behaupten lasse, dass das Recht des frühern [Gläubigers] auch insoweit auf ihn übergehe, dass ihm der Verkauf des Pfandes freistehe? — Ich glaube wohl, denn oftmals kann man das durch einen Dritten haben, was man durch sich selbst nicht hat.
Ad Dig. 20,4,16Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 247, Note 2.Paul. lib. III. Quaest. Claudius Felix verpfändete dasselbe Landgut Dreien, zuerst der Eutychiana, sodann dem Turbo, und endlich einem dritten Gläubiger; als nun Eutychiana ihr Recht in Anspruch nahm, verlor sie den Process wider den dritten Gläubiger und appellirte dagegen nicht; Turbo hingegen, der vor einem andern Richter auch in Process verwickelt worden war, hatte appellirt; nun entstand die Frage, ob der dritte Gläubiger, der die erste Gläubigerin verdrängt hatte, auch den Turbo überwinden müsse, oder ob Turbo, nachdem jene ihren Platz verloren, auch dem Dritten dadurch vorgehe? Wenn der dritte Gläubiger freilich den ersten mittelst Befriedigung seiner Forderung abgefunden hat, so tritt er mit derjenigen Summe an seine Stelle, welche er demselben berichtigt hat; nun behaupten Einige, dass der dritte Gläubiger auch hier bevorzugt sei; mir aber hat dies durchaus nicht einleuchten wollen. Denn man nehme den Fall an: die erste Gläubigerin erhebt Klage wider den dritten Gläubiger, und ist von demselben mit einer Einrede oder auf irgend eine andere Weise besiegt worden. Kann sich hier der dritte Gläubiger, der die erste überwunden hat, wider den Turbo, der als zweiter sein Darlehn vorgeschossen, der Einrede der rechtlich entschiedenen Sache bedienen, oder kann umgekehrt der zweite Gläubiger, wenn er nach der ersten Klage, worin die erste Gläubigerin gegen den dritten Gläubiger unterlegen hat, wider den dritten Recht erhalten hat, die Einrede der rechtlich entschiedenen Sache gegen die erste Gläubigerin aufstellen? Ich dächte, auf keinen Fall. Mithin tritt der dritte Gläubiger auch nicht an die Stelle dessen, den er ausgeschlossen hat, und es pflegt in der Regel eine zwischen dritten Personen erfolgte Entscheidung einem Andern so wenig zu schaden als zu nutzen; es bleibt vielmehr dem andern Gläubiger sein ganzes Recht, ohne den mindesten Einfluss des erstern Erkenntnisses unversehrt vorbehalten.
Paul. lib. III. Quaest. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob der Schuldner von Verbindlichkeit frei werde, wenn der Gläubiger vom Käufer des Pfandes den Kaufpreis nicht erlangen könne? Meine Ansicht ist die, dass, wenn dem Gläubiger keine Schuld aufgebürdet werden könne, der Schuldner verpflichtet bleibe, weil der nothwendiger Weise geschehene Verkauf den Schuldner nur dann befreiet, wenn das Geld dafür vereinnahmt worden ist. 1Pomponius schreibt im zweiten Buche seiner Lectionen folgendes: der gewöhnliche Zusatz bei geschehender Pfandübergabe, dass der Schuldner dem Gläubiger den Rest, um wieviel das Pfand unter dem Betrag der Forderung verkauft werde, nachzahlen solle, ist ganz überflüssig, weil dies dem Rechte selbst zufolge auch ohne diesen Zusatz Statt findet.
Paul. lib. III. Quaest. Der Schuldner hat das Pfand mit Einwilligung des Gläubigers verkauft, und darauf ist er mit dem Käufer dahin übereingekommen, den Kauf wieder aufzuheben; hier verbleibt dem Gläubiger sein Pfandrecht unverkürzt, denn ebensowohl als dem Schuldner wird auch dem Gläubiger sein voriges Recht wieder hergestellt; auch erlässt der Gläubiger das Pfand nicht ganz und gar, sondern blos auf den Fall, dass der Käufer die Sache behält, und sie dem Verkäufer nicht zurückgibt. Wenn auch mithin der Verkäufer [vom Käufer] belangt und freigesprochen, oder weil er die Uebergabe nicht geleistet, zum Interesse verurtheilt worden ist, so wird dem Gläubiger sein Pfandrecht dennoch aufrecht erhalten bleiben; denn dies hätte sich doch zutragen können, wenn er auch nicht mit Einwilligung des Gläubigers verkauft hätte. 1Auch wenn der Gläubiger das Pfand verkauft hat, und der Verkauf wieder rückgängig gemacht worden ist, oder ein Sclav wieder hat zurückgenommen werden müssen, kehrt das Eigenthum zum Schuldner zurück. Dasselbe findet in Ansehung aller derer Statt, denen der Verkauf einer ihnen nicht gehörigen Sache zusteht; denn sie erhalten das Recht des Käufers nicht darum von demselben zurück, weil sie das Eigenthum auf ihn übertragen, sondern die Sache tritt, wenn der Kauf aufgehoben worden ist, überhaupt in den vorigen Stand wieder ein.
Ad Dig. 22,3,25ROHGE, Bd. 21 (1877), Nr. 84, S. 261: Folgen leichtsinnigen Leugnens.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 426, Note 10-25.Paul. lib. III. Quaestion. Ad Dig. 22,3,25 pr.ROHGE, Bd. 23 (1878), Nr. 107, S. 319: Begründung der cond. indeb. Beweis des Irrthums und dessen Entschuldbarkeit.Wenn in Betreff einer Nichtschuld gefragt wird, wer beweisen muss, dass keine Schuld vorhanden gewesen sei, so ist die Sache so anzuordnen, dass, wenn der, welcher eine Sache oder Geld ungeschuldet empfangen haben soll, dies geleugnet, und der, welcher gegeben hat, durch gesetzliche Beweise die Zahlung bewiesen haben wird, ohne irgend einen Unterschied, der, welcher geleugnet hat, dass er das Geld empfangen habe; wenn er gehört sein will, anzutreiben ist, die Beweise dafür zu liefern, dass er das Geld geschuldet empfangen hat; denn es würde gar sehr ungereimt sein, wenn der, welcher von Anfang an geleugnet hat, dass er das Geld empfangen habe, nachdem er überführt worden ist, dass er es empfangen habe, vom Gegner den Beweis, dass es nicht geschuldet gewesen sei, fordern wollte. Wenn er aber von Anfang an zwar bekennen sollte, dass er Gelder empfangen habe, aber behaupten sollte, dass sie ihm nicht ungeschuldet gezahlt worden seien, so zweifelt Niemand, dass die Vermuthung für den ist, welcher [das Geld] empfangen hat; denn Einer, welcher zahlt, ist niemals so nachlässig, dass er seine Gelder leicht wegwirft und ungeschuldet verschleudert; und vorzüglich, wenn der, welcher ungeschuldete [Gelder] gegeben haben soll, ein fleisiger und achtsamer Hausvater ist, von dem es unglaublich ist, dass er sich in irgend Etwas leicht geirrt habe, und darum wird der, welcher behauptet, dass er [die Gelder] ungeschuldet gezahlt habe, zu den Beweisen genöthigt, dass in Folge der bösen Absicht des Empfängers oder [in Folge] irgend eines rechtmässigen Grundes der Unwissenheit eine Nichtschuld von ihm gezahlt worden sei, und, wenn er das nicht nachgewiesen haben wird, so hat er kein Zurückforderungsrecht. 1Wenn aber der, welcher sich über die [Zahlung einer] Nichtschuld beschwert, entweder ein Mündel, oder ein Minderjähriger, oder eine Frauensperson, oder vielleicht zwar ein volljähriger Mann, aber Soldat, oder Landmann, oder der Geschäfte des bürgerlichen Lebens (forensium rerum) unkundig, oder sonst einfältig, oder der Nachlässigkeit ergeben sein sollte, dann muss der, welcher die Gelder empfangen hat, nachweisen, dass er sie wohl empfangen habe, und sie ihm geschuldet gezahlt worden seien, und, wenn er das nicht nachgewiesen haben wird, sie zurückgeben. 2Aber dies findet [nur] dann Statt, wenn der, welcher [das Geld] gegeben hat, behaupten sollte, dass die ganze Summe ungeschuldet gezahlt worden sei; wenn er sich aber nur wegen eines Theiles beschwert, dass ein Theil des gezahlten Geldes nicht geschuldet ist, oder dass es Anfangs zwar eine Schuld gewesen ist, er aber, entweder nachdem die Schuld getilgt gewesen ist, nachher aus Unwissenheit sie nochmals gezahlt hat, oder [dass er], obwohl er durch eine Einrede gedeckt war, aus Irrthum über dieselbe die Gelder gezahlt hat, so muss er jeden Falls dies selbst beweisen, dass er entweder mehr als die Schuld gezahlt hat, oder eine schon bezahlte Geldschuld aus Irrthum durch wiederholte Zahlung bezahlt hat, oder, obwohl er durch eine Einrede gedeckt war, [dies] nicht wissend, sein Geld verschleudert hat, der allgemeinen Regel gemäss, welche verlangt, dass die, welche versichern, dass Einreden entgegenzustellen seien, oder behaupten, dass sie Schulden bezahlt haben, dies nachweisen. 3In allen Fällen aber, welche wir aufgestellt haben, ist dem, welchem die Beweislast obliegt, die Freiheit zu gestatten, seinem Gegner über die Wahrheit der Sache den Eid anzutragen, indem er selbst zuvor für Gefährde66S. die Bem. zu L. 16. D. de jurejur 12. 2. schwört, so dass der Richter, der Glaubwürdigkeit des Eides folgend, sein Urtheil darnach einrichten kann, indem er dem [Gegner] das Recht bewahrt, [jenem] den Eid zurückzuschieben. 4Ad Dig. 22,3,25,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 318, Note 4; Bd. II, § 412b, Note 2.Aber dies [gilt von dem Fall], wenn die Frage die Zahlung einer Nichtschuld betrifft. Wenn aber behauptet werden sollte, dass ein Schuldschein ungeschuldet ausgestellt sei, und [derselbe] unbestimmt abgefasst ist77Indiscrete loquitur, d. h. keinen bestimmten Grund der Schuld angibt. Dann muss der angebliche Gläubiger beweisen, dass wirklich eine Schuld vorhanden sei; ist aber ein Schuldgrund angegeben, so muss der Aussteller des Schuldscheins, der angebliche Schuldner, die Nichtschuld beweisen., dann wird der, welchem der Schuldschein ausgestellt ist, angetrieben, nachzuweisen, dass das, was [der Andere] in den Schuldschein gebracht hat, eine Schuld sei, wenn nicht der selbst, welcher den Schuldschein ausgestellt hat, [in demselben] besonders erklärt hat, wofür er denselben aufgesetzt hat; dann nämlich muss derselbe seinem Bekenntniss Folge leisten, wenn er nicht bereit ist, durch die augenscheinlichsten in Schriften enthaltenen Beweise nachzuweisen, dass er dies ungeschuldet versprochen habe.
Idem lib. III. Quaest. Wenn ich mir so stipulirt habe: Gelobst du, wenn Titius innerhalb dreier Jahre Consul geworden ist, alsdann von gegenwärtigem Tage an, Jahr für Jahr zehn zu geben? so werden, wenn nach drei Jahren die Bedingung eintritt, dreissig gefodert werden können. 1Dem Titius ist von dem Maevius ein Ackerstück nach Abzug des Niessbrauchs stipulirt worden, und von demselben der Niessbrauch dieses Grundstücks. Dies sind zwei Stipulationen, und es ist in dem Niessbrauche, welchen Jemand für sich allein versprochen hat, weniger enthalten, als in dem, welcher von der Eigenheit begleitet wird: so wird auch, wenn jener den Niessbrauch gegeben und der Stipulator ihn durch Nichtgebrauch verloren hätte, [der Versprecher] wenn er hernach das Ackerstück ohne Niessbrauch übergiebt, befreit. Nicht dasselbe findet bei Demjenigen statt, welcher das Ackerstück mit vollem Eigenthumsrechte versprochen und den Niessbrauch gegeben, nach dessen Verluste aber das Eigenthum ohne den Niessbrauch übergeben hat. Jener ist durch die Gewährung des Niessbrauchs befreit worden; dieser wird von keinem Theile seiner Verbindlichkeit entledigt, insofern er nicht dem Stipulator das Grundstück mit vollem Eigenthumsrechte gewährt. 2Chrysogonus, der als Verwalter bei dem Flavius Candidus dienende Sclave: Ich habe unter der Unterschrift und Untersiegelung meines Herrn schriftlich88Nemlich in einem Schuldinstrumente. erklärt: er habe vom Julius Zosas, dem Geschäftsführer des abwesenden Julius Quinctilianus, tausend Denarien als Darlehn empfangen. Der freigelassene Zosas und Geschäftsführer des Quinctilian hat aber stipulirt, dass sie dem Quinctilian oder dem Erben desselben, an welchen dieser Gegenstand gelangen würde, an den Kalenden des November, welche die nächstzukünftigen sind, gegeben werden sollten: und Candidus mein Herr hat dies angelobt, der Freigelassene Zosas hat hiernächst auch stipulirt, dass, wenn an dem obenbemerkten Termine die vollständige Zahlung dieser Schuld nicht erfolgt sein sollte, alsdann, wenn später gezahlt wird, an Zinsen acht Denarien gewährt werden sollten, und auch dies hat mein Herr Flavius Candidus angelobt, und es auch unterschrieben99Chrysogonus, der Sclave des Candidus, hatte in dem von seinem Herrn unterschriebenen und untersiegelten Schuldinstrumente, folglich der Herr selbst bekannt, dass der Freigelassene Zosas ihm ein Darlehn gegeben. Da der Zosas seinem abwesenden Patron Quinctilian ausdrücklich die Rückzahlung des Capitals, sich aber, ohne den Quinctilian zu benennen, Zinsen hatte versprechen lassen, so entstanden darüber Zweifel, ob Quinctilian aus diesen Stipulationen seines Freigelassenen die actio ex stipulatu gegen den Candidus erlangt habe. Paulus verneint diese Frage; die erste Stipulation ist nemlich ganz ungültig, weil dem abwesenden Quinctilian durch einen freien Menschen, wie der Freigelassene Zosas war, keine Verbindlichkeit erworben werden konnte. Die zweite Stipulation wegen der Zinsen war zwar an sich, jedoch nur für den Zosas gültig, und Quinctilian konnte daher nur die Abtretung derselben von dem Zosas verlangen, wenn dieser das Darlehn aus dem Vermögen seines Patrons gemacht hatte.. Er ertheilte zur Antwort: durch eine freie Person, welche weder unserer Gewalt unterworfen ist, noch uns im guten Glauben als Sclave dient, können wir keine Verbindlichkeit erwerben. Nur wenn ein freier Mensch in unserm Namen Geld darliehe, entweder das Seinige oder das Unsrige, dass es an uns zurückgezahlt werden solle, würde er uns eine Verbindlichkeit wegen des dargeliehenen Geldes allerdings erwerben. Was daher ein Freigelassener stipulirt, damit es dem Schutzherrn gegeben werden solle, ist ungültig, sodass die Hinzufügung des Abwesenden, dem eigentlich die Verbindlichkeit erworben werden sollte, auch nicht einmal zum Behufe der Zahlung von Nutzen ist. Hiernächst bleibt zu untersuchen übrig, ob Derjenige, welcher das Geschäft eingegangen ist, aus der Zahlung das geliehene Geld selbst zurückfodern kann. Denn sobald wir ein Darlehn geben und uns dasselbe durch Stipulation versichern lassen, entstehen nicht zwei Verbindlichkeiten, sondern nur eine aus den Worten. Mithin kann nur dann nicht gesagt werden, dass von der natürlichen Verbindlichkeit abgegangen worden, wenn die Zahlung vorangegangen1010Durch die Darleihung entsteht eine obligatio naturalis, die den Empfänger ohne weiteres zur Rückzahlung verpflichtet. Diese ging unter, wenn die Darleihung durch Stipulation geschah, indem dann die Verbindlichkeit aus der Stipulation eintrat. Sie blieb aber bestehen, wenn die Zahlung des Darlehns schon geschehen war und die Rückzahlung erst durch Stipulation versprochen wurde., die Stipulation aber darauf gefolgt ist. Die folgende Stipulation, in welcher er sich ohne Hinzufügung eines Namens Zinsen stipulirt hat, leidet nicht an demselben Fehler, und es kann daher nicht zu seinem Nachtheil angenommen werden, dass er Ebendemselben Zinsen stipulirt habe, dem er das Capital angewiesen hat. Daher gilt die Stipulation der Zinsen in der Person des Freigelassenen, und dieser ist gezwungen, sie dem Freilasser abzutreten1111Mit der Auftragsklage.. Denn meistentheils muss man bei Stipulationen auf die Worte Rücksicht nehmen, aus welchen die Verbindlichkeit entspringt: selten kann aus Dem, was etwa ausdrücklich verhandelt worden ist, geschlossen werden, dass eine Zeitbestimmung darin liege, oder eine Bedingung: niemals aber dass eine Person, wenn sie nicht ausgedrückt worden ist. 3Wenn ich so stipulirt habe: du sollst dich stellen, und wenn du dich nicht gestellt haben wirst, so soll Etwas gegeben werden, was dem Versprecher zu geben unmöglich ist, so bleibt, während die zweite Stipulation wegfällt, die frühere bei Kräften: und es gilt daher ebensoviel, als wenn ich mir blos, dass du dich stellen sollest, stipulirt hätte.
Paul. lib. III. Quaest. Wenn ein Gläubiger, welcher einen Bürgen für ein Darlehn angenommen hat, bei der Abschliessung des Pfandcontracts betrogen worden ist, so klagt er mit der Gegenpfandcontractsklage, und es wird das Interesse des Gläubigers Gegenstand dieser Klage sein. Aber diese Klage wird den Bürgen nicht belästigen können; denn er hat sich nicht für das Pfand, sondern für das dargeliehene Geld durch sein Versprechen anheischig gemacht.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.