Quaestionum libri
Ex libro II
Paul. lib. II. Quaest. Wer in der Absicht, die Erbschaft zu verschmähen, die Lieblosigkeitsklage gegen ein Testament nicht angestellt hat, der nimmt mit denen, welche dieselbe anstellen wollen, nicht zugleich Theil. Klagt daher eins von zwei enterbten Kindern wegen lieblosen Testaments des Vaters, so kann dasselbe, wenn es gewonnen hat, weil11Quia für quamvis mit Pothier Pand. h. l. Nr. 34. p. 194. n. g. zu nehmen, sehe ich keinen Grund, denn mir scheint hier weniger, wie Glück Pand. §. 557. n. 7. will ein Zweifelsgrund vorhanden, als vielmehr auf den eventuellen Fall der Erbtheilungsklage des andern, nicht klagenden Kindes Rücksicht genommen zu sein, für welchen eben hier ein Hülfsmittel durch die angegebene Fiction dargeboten wird. Einen Zweifelsgrund kann man darum in den Worten quia — vocatur nicht annehmen, weil die Sache selbst im Allgemeinen ausser Zweifel liegt, und hier für den besondern Fall nur die Fiction hilft., wenn das Testament für nichtig erklärt wird, das andere [in der Regel] auch testamentslos zur Erbschaft gerufen wird, und jenes also hiernach die ganze Erbschaft nicht hätte fordern können, sich des Schutzes der rechtlich entschiedenen Sache bedienen, als wenn nämlich die Hundertmänner in dem Augenblick, wo sie das Testament aufhoben, angenommen hätten, dass nur ein Kind am Leben sei. 1Ist gegen ein Testament als lieblos gesprochen worden, so wird angenommen, der Verstorbene habe keine Testamentsfähigkeit gehabt. Wenn aber, dafern der Erbe sich nicht stellt, für den erschienenen [Kläger] gesprochen worden ist, so geschieht diese Annahme nicht; denn in diesem Fall wird nicht angenommen, als entstehe aus dem Ausspruch des Richters eine verbindliche Norm, and daher finden die Freiheitsertheilungen und Forderungen, von Vermächtnissen Statt.
Ad Dig. 5,2,19Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 584, Noten 24, 27.Idem lib. II. Quaest. Eine sterbende Mutter hat einen Fremden zu drei Viertheilen, eine ihrer Töchter auf ein Viertheil zu Erben eingesetzt und eine andere Tochter übergangen; die letztere hat die Lieblosigkeitsklage erhoben und gewonnen; ich frage, wie der eingesetzten Tochter zu helfen sei? Ich habe geantwortet: die übergangene Tochter darf nur soviel verlangen, als sie erhalten haben würde, wenn die Mutter gar kein Testament gemacht hätte. Also, kann man sagen, würde die übergangene Schwester, wenn sie die ganze Erbschaft testamentslos gefordert und gewonnen hat, allein die Gesammterbfolge überkommen, wie wenn die andere sich der gesetzmässigen Erbschaft begeben hätte; allein es ist unzulässig, die Klage wegen Lieblosigkeit gegen die Schwester wirken zu lassen. Ueberdies kann man auch hinzufügen, dass, wenn sie aus dem Testament antritt, sie nicht der gleichzustellen sei, welche die Erbschaft übergeht; daher kann von dem [zum Erben eingesetzten] Dritten [nur] die Hälfte vom Ganzen verlangt werden, und dass diese ihm ganz genommen werde, steht fest, indem die volle Hälfte der [klagenden] Tochter zukommt. Hiernach wird das Testament nicht ganz umgestossen, sondern die Mutter wird nur zum Theil testamentslos, wenn gleich ihr letzter Wille als der einer Wahnsinnigen behandelt wird. Wenn übrigens Jemand glauben sollte, dass, wenn die Tochter obsiege, das Testament ganz vernichtet werde, so kann man entgegnen, dass auch die eingesetzte [Tochter] nun die Erbschaft testamentslos antreten könne; denn wenn sie aus dem Testament angetreten hat, von dem sie glaubt, es sei gültig, so kann man nicht annehmen, sie verschmähe die gesetzmässige Erbschaft, von der sie noch nicht weiss, dass ihr dieselbe anfallen werde, indem selbst derjenige, welcher es kennt, sein Recht dadurch, dass er etwas [Anderes] erwählt, von dem er glaubt, dass es ihm zustehe, nicht verliert. Dieser Fall tritt z. B. beim Freilasser ein, der den letzten Willen eines verstorbenen [Freigelassenen] durch eine falsche Meinung veranlasst, anerkennt, denn von ihm kann man nicht annehmen, dass er den Nachlassbesitz wider den Testamentsinhalt verschmäht habe. Hieraus erhellt, dass die übergangene [Tochter] die ganze Erbschaft mit Recht nicht verlangen könne, indem, wenn das Testament umgestossen worden, auch der eingesetzten [Tochter] das Recht des [testamentslosen] Erbschaftsantritts vorbehalten bleibt.
Paul. lib. II. Quaest. Deshalb, dass die Möglichkeit vorhanden ist, es werde uns das Eigenthum an einem Gegenstande entgehen, wenn die Bedingung eines Vermächtnisses oder der Freiheitsertheilung in Erfüllung gegangen sein wird, können wir denselben nicht weniger mit allem Rechte als unser eigenthümlich verlangen.
Ad Dig. 10,2,36Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 414, Note 4.Paul. lib. II. Quaest. In dem Glauben, du seiest mein Miterbe, obgleich dies nicht der Fall ist, habe ich Erbtheilungsklage wider dich erhoben, und der Richter hat bereits gegenseitige Zuerkennungen und Verurtheilungen ausgesprochen; ich frage, ob, wenn das wahre Sachverhältniss an den Tag gekommen, gegenseitig die Condiction [wegen entrichteter Nichtschuld] oder die Eigenthumsklage Statt habe, und ob ein Unterschied in dieser Rücksicht zwischen dem, der Erbe, und dem, der nicht Erbe ist, vorwalte? Ich habe geantwortet: wenn derjenige, der Universalerbe war, in dem Glauben, dass Titius sein Miterbe sei, sich mit demselben auf die Erbtheilungsklage eingelassen, und nach geschehener Verurtheilung Geld herausgezahlt habe, so könne er es, weil es in Folge eines Erkenntnisses gezahlt worden sei, nicht zurückfordern. Du scheinst dich nun zwar darauf zu stützen, dass die Erbtheilungsklage nur zwischen wirklichen Miterben Statt finde; allein, wenn diese Klage auch nicht als vorhanden zu betrachten ist, so genügt dennoch zur Verhinderung der Zurückforderung der Umstand, dass Jemand in dem Glauben gestanden hat, er sei verurtheilt. Ist keiner von beiden Erben gewesen, sondern haben dieselben das Erbtheilungsverfahren eingegangen, als wenn sie Erben wären, so gilt in Betreff der Zurückforderung von beiden ganz dasselbe, was wir von dem einen gesagt haben. Haben sie aber Sachen ohne Einschreiten des Richters getheilt, so steht dem wirklichen Erben auch die Condiction wegen der demjenigen abgetretenen Sachen zu, den er für den Miterben gehalten hat. Denn ein Vergleich wird zwischen ihnen nicht als eingegangen angesehen, weil der Eine nur in dem Glauben gestanden hat, der Andere sei Miterbe22Wegen der richtigen Würdigung dieses Gesetzes muss ich, zur Vermeidung von Missverständnissen auf Glück XI. p. 86 ff. verweisen..
Paul. lib. II. Quaest. Wenn Jemand in dem Glauben, es gehöre ihm mit dem Mävius ein Landgut gemeinschaftlich, was ihm mit dem Titius zusammengehörte, auf dasselbe Kosten verwendet hat, so genügt die Gemeingutstheilungsklage ohne Zweifel; denn es ist hier der Fall vorhanden, dass ich weiss, die Sache gehöre mir und noch Jemandem, aber meinen Mitgenossen nicht kenne; denn ich führe hier nicht für meinen Mitgenossen ein Geschäft, sondern verwahre meine eigene Sache, und die Klage entspringt mehr aus der Sache, worauf ich Kosten wende, als aus der Person meines Mitgenossen. Es haftet mittelst dieser Klage auch der Minderjährige, so dass ihn der Richter zum Kostenersatz anhält. Anders ist es aber mit dem, der in dem Glauben steht, er verwende Kosten auf eine ihm allein gehörige Sache, während sie ihm mit einem Andern gemeinschaftlich gehört; diesem steht weder die [directe] Gemeingutstheilungsklage zu, noch wird ihm die analoge ertheilt. Denn derjenige, welcher eine Sache als eine ihm mit einem Andern gemeinschaftliche, oder ein Geschäft als einem Andern angehend kennt, der handelt in der Absicht, sich Jemanden verbindlich zu machen, und irrt nur in der Person. 1Pomponius hat gelehrt, es könne von jedem der Mitgenossen ein Richter gefordert, auch könne wider einen stummen Mitgenossen die Gemeingutstheilungsklage erhoben werden.
Paul. lib. II. Quaest. Wenn Jemand, der antwortend einen fremden Sclaven für den seinigen ausgegeben hat, mit einer Noxalklage belangt worden ist, so befreiet er dadurch den Herrn; das Gegentheil findet Statt, wenn Jemand bekannt hat, einen fremden Sclaven getödtet zu haben, den ein Anderer getödtet, oder wenn er sich für [Jemandes] Erben ausgegeben hat, denn in diesen Fällen wird der Thäter oder der Erbe nicht befreiet. Dies steht auch mit einander in keinem Widerstreit; denn im ersten Fall haften zwei Personen Namens des Sclaven, sowie wir dies vom Mehreren gemeinschaftlich gehörigen Sclaven sagen, wo wenn der Eine belangt worden, der Andere auch befreit wird; derjenige aber, der der Tödtung oder Verwundung geständig ist, haftet im eigenen Namen, und [auf der andern Seite] darf das Verbrechen des wahren Thäters nicht wegen des Antworters ungestraft bleiben, er müsste denn etwa als Vertreter des Thäters oder dessen Erben sich auf die Klage in dieser Art33In hoc genere = hoc modo, s. Glück XI. p. 279. n. 86. eingelassen haben; alsdann muss der Kläger mit einer Einrede auf das Geschehene abgewiesen werden, weil jener das, was er [für den letztern] geleistet hat, durch die Geschäftsführungs- oder Auftragsklage wieder erlangen kann. Derselbe Fall findet rücksichtlich dessen Statt, der in Auftrag des Erben selbst Erbe zu sein angegeben, oder ihn sonst hat vertheidigen wollen. 1Kann Jemand, der vor Gericht befragt worden ist, ob er ein Landgut besitze, zur Antwort genöthigt werden, und zum wievielsten Theile er es besitze? Ich habe geantwortet: Javolen schreibt: der Besitzer des Landguts müsse zur Antwort genöthigt werden, zum wievielsten Theile er das Landgut besitze, damit der Kläger, wenn jener aussage, dass er einen geringern Antheil besitze, in den Besitz des andern Theils, der nicht vertheidigt wird, eingesetzt werde. 2Desgleichen, wenn wir Sicherheitsstellung wegen drohenden Schadens verlangen44Caveamus = caveri postulemus. Glosse.; auch hier muss [der Befragte] Antwort geben, zum wievielsten Theile ihm das [betreffende] Grundstück gehört, um dem Antheile gemäss die Stipulation einzurichten. Die Strafe dessen, der das Versprechen nicht leistet, ist die, dass wir in den Besitz eingesetzt werden, und darum gehört es dazu, zu wissen, ob er besitze.
Paul. lib. II. Quaest. Wenn der Verkäufer zweier Landgüter den Flächeninhalt eines jeden im Besondern angegeben, und dergestalt beide um einen Preis übergeben hat, und an dem einen etwas fehlt, so wird es ihm, wenn auch bei dem andern ein Ueberschuss vorhanden ist, z. B. er gesagt hat, das eine enthalte hundert Morgen und das andere zweihundert, nichts nützen, wenn das letztere von zweihundert und zehn Morgen befunden wird, dafern dem erstern zehn fehlen; hierüber findet sich dies bei Labeo berichtet. Ob aber dem Verkäufer nicht die Einrede der Arglist von Nutzen sein werde, darüber lässt sich noch streiten. Wenn z. B. an Waldung sich ein geringer Flächeninhalt weniger ergibt, und man an Weinbergen mehr hat, als versprochen worden ist, handelt derjenige da nicht arglistig, wer sich der immerdauernden Klage bedient? Denn was hier an Flächeninhalt mehr vorgefunden wird, als angegeben worden, gereicht nicht dem Verkäufer zum Vortheil, sondern dem Käufer, und der Verkäufer muss haften, wenn der Flächeninhalt geringer befunden wird. Es dürfte jedoch55S. Note 14) Seite 17 dieses Bandes. dem Käufer in Betreff des Landgutes wohl keine Klage zustehen, wenn er an Weinbergen [z. B.] mehr vorfindet, als an Wiesen [, je nachdem von beidem mehr oder weniger angegeben worden], während der Gesammtflächeninhalt richtig ist. Mit der Frage, die in Ansehung zweier Landgüter erhoben worden, kann auch die zusammenfallen, wenn Jemand zwei Bedingtfreie für einen Preis verkauft und angibt, dem einen sei aufgegeben, zehn[tausend Sestertien] zu zahlen, da er doch funfzehn[tausend] zu zahlen hatte; denn auch hier haftet er mittelst der Klage aus dem Kaufe, wenn auch der Käufer von beiden zusammen zwanzig[tausend] erhalten sollte. Allein es ist richtiger, in allen obgedachten Fällen den Schaden mit dem Vortheil gegenseitig aufzuheben, und wenn dem Käufer entweder am Flächeninhalt oder an der Güte des Bodens etwas abgeht, ihm dies zu ersetzen.
Paul. lib. II. Quaest. Der Besitzer [einer Sclavin] muss das nach eingeleitetem Streit [von derselben] geborene Kind ausantworten; er würde es aber nicht ausantworten müssen, wenn es damals, als die Mutter gefordert wurde, schon geboren gewesen wäre, wenn nicht [der Kläger] ins Besondere auch hierauf geklagt hätte66S. die Anm. 3..
Paul. lib. II. Quaest. Wenn Jemand einen77Durch Decret des Prätors in den Besitz eingewiesenen. S. fr. 1. pr. ne vis fiat ei. (43. 4.) Gläubiger hindert, sich des Vermögens des Schuldners zu bemächtigen, so wird gegen ihn auf soviel, als der Anspruch betrug (quanti ea res sit), eine Klage gestattet. 1Aber auch wenn Jemand, dem wegen Erhaltung von Vermächtnissen die Besitznahme verstattet ist, nicht zum Besitz zugelassen wird, während der Eintritt der Vermächtnissbedingung noch ungewiss ist, so wird, der Möglichkeit des Nichteintritts ungeachtet, der Gegenstand des Vermächtnisses gewürdert; weil daran gelegen ist, dafür Sicherheit zu haben88Ein wegen eines bedingten Vermächtnisses zum Besitz zugelassener Legatar kann also von dem Verhinderer actione in factum nur Caution, nicht Ersatz fordern.. 2Ein Gläubiger unter Bedingung hingegen wird nicht zum Besitz gelassen; denn [nur] ein solcher gelangt dazu, der nach dem Edicte die Gant bewirken kann99S. o. fr. 7. §. 14. h. t..