Ad edictum praetoris libri
Ex libro LXXIV
Idem lib. LXXIV. ad Ed. Wenn Jemand für Einen gebürgt hat (sposponderit), der folgendermaassen11D. h. auf die folgende Frage. gelobte: Wenn du nicht den Stichus22Einen Sclaven. gibst, wirst du hunderttausend geben? und nun den Stichus wohlfeiler an sich gebracht und bezahlt hat, damit nicht die Stipulation der hunderttausend verwirkt würde, so ist gewiss, dass er die Auftragsklage habe. Daher ist bei Aufträgen sehr angemessen, dieses Verhältniss festzuhalten, dass so oft der Auftrag bestimmt ist, von dessen Worten nicht abgegangen werden dürfe; so oft er aber unbestimmt ist oder auf mehrere Dinge geht, hat die Auftragsklage Statt, wenn gleich die Auftragsverbindlichkeit durch andre Leistungen gelöst worden ist, als die im Auftrage selbst ausgedrückt waren, sobald jene nur zum Nutzen des Auftragsgebers gereichen.
Idem lib. LXXIV. ad Ed. Und darum ist, wenn so geschrieben sein sollte: Stichus soll auf zehn Jahre frei sein, der Zusatz der Zeit unnütz.
Idem lib. LXXIV. ad Ed. praet. Die Verbindlichkeiten sind ihrer Wirkung nach vierfach verschieden; denn entweder enthalten sie einen bestimmten Termin, eine Bedingung, eine Bestimmung, oder ein Hinzukommen. 1In Ansehung des Termins ist auf Zweierlei Rücksicht zu nehmen, denn entweder hebt die Verbindlichkeit erst mit dem Termine an, oder sie wird auf einen bestimmten Termin verschoben. Von einem bestimmten Termine an, z. B. gelobst du den ersten März zu geben? Die Natur derselben ist dann von der Art, dass vor dem Termine gar keine Foderung erhoben werden kann. Zu einem Termine aber: gelobst du bis zum Ersten nächsten Monats zu geben? — Auf eine gewisse Zeit lang kann eine Verbindlichkeit ebensowenig bestellt werden, wie ein Vermächtniss33Hierin liegt der Lehrsatz, dass die Zeit kein modus tollendae obligationis sei, wohl aber auf ein solches Uebereinkommen eine Einrede gebauet werden könne, s. die Gothofred. Noten, und Osii Aurelii de variant., Cujacii Interpr. Dispunct. 8. (T. O. III. 715.). Wegen des Legats will man eine Ausnahme beim leg. usufr. finden.. Denn was Jemandem einmal geschuldet zu werden angefangen hat, dies kann nur auf bestimmte Art und Weise aufhören; natürlich kann aber der Stipulirende nach der Zeit mit der Einrede des vertragsmässigen Uebereinkommens oder der Arglist abgewehrt werden. So hilft es auch bei der Uebergabe [eines Grundstücks] zu nichts, zu sagen, er übergebe den Grund und Boden ohne Das, was sich darauf befinde, sodass das darauf Befindliche nicht mit übergehe, wenn es seiner Natur nach mit dem Boden zusammenhängt. 2Eine Bedingung ist dann wirksam, wenn sie bei Bestellung der Verbindlichkeit ausgemacht wird, nicht erst, wenn sie, nachdem diese schon vollständig eingegangen ist, hinterher beigefügt wird, z. B. gelobst du hundert zu geben, wenn das Schiff nicht aus Asien angekommen sein wird? — In diesem Fall wird, wenn die Bedingung eingetreten ist, die Einrede des vertragsmässigen Uebereinkommens oder der Arglist statthaben44S. Voorda Elector. lib. sing. c. 5.. 3Eine Bestimmung der Bedingung ist es, wenn man zehn[tausend Sestertien] oder einen Sclaven stipulirt; denn die Leistung des Einen macht hier die ganze Verbindlichkeit erlöschen; und solange Beides vorhanden ist, kann blos das Eine nicht gefodert werden. 4Das Hinzukommen bei einer Verbindlichkeit betrifft entweder eine Sache oder eine Person; eine Person [z. B.], wenn ich mir oder dem Titius stipulire, eine Sache [z. B.], wenn ich mir zehn[tausend Sestertien] stipulire, oder dem Titius einen Sclaven; wobei es die Frage ist, ob durch Entrichtung des Sclaven an den Titius Befreiung von der Verbindlichkeit von selbst eintrete55Dies wird von den ICtis mit nein beantwortet, s. die Gothofred. Note; die Basil. drücken sich ebenso aus.. 5Wenn ich so stipulirt habe: wenn du das Landgut nicht gegeben haben wirst, gelobst du dann hundert[tausend Sestertien] zu geben? so sind blos die hundert[tausend] Gegenstand der Stipulation, allein das Landgut dient auch zu deren Tilgung. 6Habe ich aber stipulirt, es solle mir ein Schiff erbauet, und wenn du dies nicht gethan habest, hundert[tausend Sestertien gegeben werden], so ist die Frage, ob hier zwei Stipulationen vorhanden sind, eine unbedingte und eine bedingte, und ob der Eintritt der Bedingung der zweiten die erste nicht aufhebe, oder ob sie diese auf sich herüberziehe, und gleichsam eine Erneuerung der erstern geschehe? — Für das Letztere spricht mehr.
Paul. lib. LXXIV. ad Ed. Habe ich mir die Erbauung eines Gebäudes von dir stipulirt, und es ist die Zeit verstrichen, in welcher du es vollbringen könntest, so nimmt man an, dass, so lange ich noch kein Verfahren anhängig gemacht66Festus l. 3. Contestari dicuntur duo aut plures adversarii quod ordinato judicio utraque pars dicere solet, testes estote etc., eod. Contestari est, cum uterque reus dicit, testes estote, — et contestata lis videtur, cum judex per narrationem negotii causam adire coperit. Briss., du durch den Beginn des Baues befreit werden kannst, dass es aber, wenn ich das Verfahren bereits anhängig gemacht, dir nicht zum Vortheil gereicht, wenn du den Bau vornimmst.
Paul. lib. LXXIV. ad Ed. Wenn der Kläger nach der Bestellung der Bürgschaft vor der Einlassung auf die Klage Erbe des Beklagten geworden ist, so erlöscht die Stipulation.
Paul. lib. LXXIV. ad Ed. Einige glauben, dass, wenn ein Sclave, welcher durch eine dingliche Klage gefordert wurde, nach der Litiscontestation verstorben sei, sodann der Beklagte den Rechtsstreit habe liegen lassen, die für den Rechtsstreit77Pro lite. S. die Bem. zu l. 33. D. de fidej. 46. 1. u. vgl. mit dieser Stelle l. 16. D. de rei vind. 6. 1. u. l. 8. D. de re jud. 42. 1. bestellten Bürgen desselben nicht gehalten seien, weil, nachdem der Sclave gestorben, nun kein Gegenstand [der Verurtheilung] mehr vorhanden sei. Das ist aber falsch, weil es, um die Klage wegen der Entwährung zu erhalten, desgleichen wegen der Früchte von Nutzen ist, dass die Sache durch das Urtheil entschieden werde.