Ad edictum praetoris libri
Ex libro LXXII
Paul. lib. LXXII. ad Ed. Verbindlich werden kann nur ein Hausvater, der mündig, eigenen Rechtens und verstandesmächtig ist. Ein Unmündiger wird ohne seines Vormundes Ermächtigung nach bürgerlichem Rechte nicht verbindlich. Ein Sclave wird aber aus Contracten gar nicht verbindlich.
Paul. lib. LXXII. ad Ed. Zwischen Dem, welcher stipulirt, und dem Versprechenden wird ein Rechtsgeschäft vollzogen. Daher wird Derjenige, welcher für einen Andern verspricht, dass dieser Etwas geben oder thun solle, nicht verpflichtet; denn nur für sich selbst darf ein Jeder versprechen: und wer angelobt, dass keine Arglist, weder jetzt noch künftig, eintreten solle, gelobt nicht eine einfache Verneinung, sondern, dass er für die Entfernung der Arglist Sorge tragen wolle. Ebendasselbe findet bei der Stipulation statt, den Besitz zu verstatten, desgleichen der — weder durch dich noch durch deinen Erben soll Etwas vorgenommen werden, dass es nicht geschehe. 1Wenn ich, indem ich mir den Stichus stipulire, einen Andern meine, und du einen Andern, so hat die Verhandlung keine Gültigkeit, was nach des Aristo Meinung auch bei gerichtlichen Verhandlungen stattfindet. Hier ist aber mehr Derjenige als der Gefoderte anzusehen, welchen der Kläger meint. Denn eine Stipulation gilt zwar nur, wenn beide Theile übereinstimmen; eine gerichtliche Verhandlung wird aber auch wider Willen vorgenommen, und deshalb ist hier dem Kläger mehr zu glauben, indem sonst der Verpflichtete immer leugnen würde, dass er eingewilligt habe. 2Wenn ich mir den Stichus oder Pamphilus stipulire, und du gelobst nur Einen zu geben, so bist du bekanntlich nicht gehalten, und hast auch auf die Frage nicht geantwortet. 3Bei Summen findet ein verschiedenes Verhältniss statt, z. B. gelobst du zehn oder zwanzig zu geben? Denn wenn du auch nur zehn angelobt hast, so ist dennoch richtig geantwortet worden11Es ist die gleichlautende Antwort hier vorausgesetzt. D. R., weil man annimmt, dass bei Summen immer das darinliegende mindere Verhältniss mitangelobt werde. 4Desgleichen, wenn ich mir mehrere Gegenstände stipulire, z. B. den Stichus und Pamphilus; solltest du auch nur Einen angeloben, so wirst du dennoch gehalten sein; denn man würde es alsdann so ansehen müssen, als habest du auf eine der beiden Stipulationen geantwortet. 5Eine heilige, oder geweihte, oder dem öffentlichen Gebrauche für ewige Zeiten gewidmete Sache, wie z. B. den Markt, den öffentlichen Säulengang, oder einen freien Menschen stipulirt man ungültig, obgleich eine heilige Sache zu einer profanen werden, eine zum öffentlichen Gebrauche hinterlassene Sache in den Privatgebrauch zurückkehren und aus einem freien Menschen ein Sclave werden kann. Denn hätte auch Jemand eine profane Sache oder den Sclaven Stichus zu geben versprochen, so wird er dennoch befreit, wenn ohne sein Zuthun die Sache eine heilige geworden, oder Stichus die Freiheit erlangt hat. Und sie können auch in das Verbindlichkeitsverhältniss nicht wieder zurückgeworfen werden, wenn durch ein Gesetz die heilige Sache wieder eine profane und Stichus aus einem freien Menschen wieder ein Sclave wird, weil alsdann ein und dieselbe Ursache befreiend oder verpflichtend dafür wirken würde, was man entweder nicht geben oder geben kann22Hiermit widerlegt Paul. den Grund der differirenden Ansicht des Celsus, den er in Bezug auf das folgende Beispiel vom Schiffe in l. 98. §. 8. de solution. anführt und widerlegt. Die Verbindung des ganzen §. ist, wie öfters in diesen Fällen, und namentlich bei Paul. sehr dunkel; zur Erläuterung muss man nach obiger Stelle eigentlich hinzudenken: Für die entgegengesetzte Meinung liesse sich nun zwar noch Folgendes anführen. Man sehe über diese Stelle ganz besonders den weitläufigen Commentar des Ramos del Manzano ad tit. de V. O. Recitat. Pars II. c. 2. §. 1—4. (T. M. VII. 190. 191.) D. R.. Nun würde zwar, wenn der Eigenthümer ein Schiff, was [ein Anderer] durch Stipulation Jemandem gelobt hat, auseinandergeschlagen, darnach aber aus denselben Planken wiederzusammengefügt hätte, weil es dasselbe Schiff wäre, seine Verpflichtung wiederanfangen. Und hierfür könnte, wie Pedius schreibt, auch noch folgendes Beispiel angeführt werden: Wenn ich mir aus einem Landgute hundert Krüge Wein stipulirt hätte, so würde ich abwarten müssen, bis er erzeugt wird, und wäre er zwar erzeugt, aber ohne Schuld des Versprechers wiederaufgezehrt worden, so würde ich wiederum abwarten müssen, bis er erzeugt ist und gegeben werden kann, und so wird also abwechselnd die Stipulation bald ausfallen, bald wieder eintreten. Allein diese Beispiele sind ganz verschieden. Denn wenn ein freier Mensch versprochen worden ist, darf auf eine Zeit der Sclaverei so durchaus gar nicht gewartet werden, dass nicht einmal eine solche Stipnlation über einen freien Menschen zugelassen werden darf: Gelobst du mir Jenen zu geben, wenn er Sclave geworden — oder jenen Platz, wenn er aus einem heiligen oder geweihten ein profaner geworden sein wird — weil für den Augenblick hier keine Verbindlichkeit eintreten, und nur Das, was seiner Natur nach möglich ist, Gegenstand einer Verbindlichkeit werden kann. Beim Weine aber nimmt man an, dass nicht ein bestimmter Gegenstand, sondern eine Gattung stipulirt werde, und es wird stillschweigend die Zeit miteinbegriffen [wo er erzeugt wird]. Ein freier Mensch dagegen ist ein bestimmter Gegenstand, und es auf einen Unglücksfall oder ein widriges Schicksal eines freien Menschen abzusehen, ist weder dem natürlichen noch dem bürgerlichen Rechte gemäss, denn nur über solche Gegenstände gehen wir rechtsbeständig Rechtsgeschäfte ein, welche unserm Gebrauche und Eigenthum sofort unterworfen werden können. Und ist das Schiff in der Absicht zerschlagen worden, um die Planken für einen andern Gebrauch zu bestimmen, und es würde nun auch nach geändertem Entschlusse wiederhergestellt, so ist doch das frühere Schiff zerstört worden, und dieses ein anderes Schiff zu benennen. Wären aber der Ausbesserung des Schiffes halber alle Planken abgerissen worden, so ist nicht anzunehmen, dass man das Schiff zerstört habe, und sobald die Planken wiederzusammengefügt worden, beginnt es wieder dasselbe zu sein; sowie die von Gebäuden in der Absicht, um wiederhineingelegt zu werden, aufbewahrten Balken zum Gebäude gehören. Sollte dies aber bis auf den Grund niedergerissen worden sein [sodass es wieder ein leerer Platz geworden], so würde es, wenn es auch aus denselben Materialien wiederaufgebaut würde, dennoch ein anderes Gebände sein. Diese Ausführung findet auch auf prätorische Stipulationen Anwendung, durch welche für die Rückgabe einer Sache Sicherheit bestellt worden, und nun über die Identität der Sache Zweifel entstehen. 6Wenn ich die Sache, welche ich mir unentgeltlich stipulirt, hernach unentgeltlich erlangt habe, so erlischt die Stipulation. Aber auch, wenn ich Erbe des Eigenthümers [der Sache] werde, wird die Stipulation aufgehoben. Wenn ich aber als Erbe des Eigenthümers die Sache als Vermächtniss herausgeben muss, so kann aus der Stipulation geklagt werden33Gegen den Versprecher, dessen Person nicht mit dem Eigenthümer zu verwechseln ist.. Dasselbe findet auch statt, wenn sie unter einer Bedingung vermacht worden ist, weil der Schuldner44D. h. der Versprecher. auch selbst, wenn er die unter einer Bedingung vermachte Sache [mir] verabfolgt hätte, nicht befreit werden würde. Verbleibt sie [mir] aber wegen Wegfalls der Bedingung, so findet aus der Stipulation keine Klage statt55Paulus ergänzt hier die Regel, dass, wenn die aus einer Stipulation mir verhaftete Sache aus irgend einer andern Ursache die meine würde, der Versprechende befreit werde, sobald nemlich noch dreierlei hinzutrete. Erstlich, wenn sie mir aus einem lucrativen Grunde versprochen worden ist, wie bei einer Schenkung. Zweitens, wenn sie aus einem solchen lucrativen Grunde die meine wird, z. B. wenn ich Erbe des Herrn der mir versprochenen Sache werde, oder sie mir von ihm vermacht wird, indem man lucrative Gründe diejenigen nennt, wo keine Gegenleistung stattfindet, wie bei einer Schenkung, Vermächtniss, Erbfolge u. s. w., nicht lucrative aber, wo dies der Fall ist, z. B. Kauf (das Allgemeine preuss. Landrecht bedient sich dafür der Bezeichnungen wohlthätig und lästig bei Verträgen). Drittens, dass die Sache auch wirklich aus einem lucrativen Grunde an mich gelangt, und zwar so, dass sie mir nicht abgefodert werden kann, sondern bei mir verbleibt. Ersteres ist z. B. der Fall, wenn der Erblasser die von mir ererbte Sache einem Andern weiter vermacht hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Sache pure oder unter einer Bedingung weiter vermacht worden; denn auch so lange die Bedingung noch schwebt, kann ich aus der Stipulation klagen, weil man annimmt, dass eine Sache, welche mir, sobald die Bedingung eintritt, abgefodert werden kann, nicht wirklich die meine geworden. Ist aber die Bedingung fortgefallen, so kann ich nicht aus der Stipulation klagen, weil dann die Sache die meine verbleibt.. 7Habe ich mir den Stichus, der gestorben ist, stipulirt, so habe ich, wie Sabinus sagt, ihn mir gültig stipulirt, insofern66Die Stipulation muss nemlich auf einen geschehenen Diebstahl bezüglich gedacht werden. D. R. der Verstorbene noch condicirt werden kann, wie z. B. vom Diebe. Habe ich ihn mir aber aus andern Ursachen stipulirt, so ist die Stipulation ungültig, weil der Versprecher, wenn er denselben auch schuldig war, dennoch durch den Tod befreit wird. Und ebenso wird die Sache zu beurtheilen sein, wenn ich mir nach eingetretenem Verzuge den Verstorbenen stipulirt hätte. 8Hätte Jemand sich anheischig gemacht, eine Magd an irgend einem Orte zu stellen, welche schwanger war, so nimmt man an, dass er sie dennoch unter unveränderten Umständen gestellt habe, wenn er sie auch ohne ihre Leibesfrucht stellt.
Paul. lib. LXXII. ad Ed. Wenn ein gemeinschaftlicher Sclave so stipulirt hat: Gelobst du zehn jenem meiner Herrn und eben dieselben zehn dem andern zu geben? so werden wir entscheiden, dass zwei Stipulationsberechtigte vorhanden seien.
Paul. lib. LXXII. ad Ed. Diejenigen, welche [Etwas] als Nebenverpflichtete versprechen, können in ein leichteres, nicht aber in ein schlimmeres Verhältniss angenommen werden. Daher glaubt Julianus, wenn ich Etwas vom Schuldner mir, vom Bürgen mir oder dem Titius stipulirt hätte, so sei das Verhältniss des Bürgen besser, weil er auch dem Titius Zahlung leisten könne. Wenn ich aber vom Schuldner mir oder dem Titius Etwas stipulirt hätte, an den Bürgen aber nur für mich die Frage stelle, so sagt Julianus, sei der Bürge in ein schlimmeres Verhältniss angenommen worden. Wie nun, wenn ich die Frage an den Schuldner wegen der Leistung des Stichus oder Pamphilus, an den Bürgen [nur] wegen der Leistung des Stichus richte? ist [der Bürge] dadurch, dass ihm die Wahl genommen worden ist, in ein schlimmeres, oder in ein besseres Verhältniss angenommen worden? Das Letztere ist das Richtige, weil er dadurch, dass der [Stichus] gestorben ist, befreit werden kann.
Paul. lib. LXXII. ad Ed. Wir können entweder selbst noviren, wenn wir eigenen Rechtens sind, oder durch Andere, welche mit unserem Willen stipuliren. 1Ein Mündel kann ohne Ermächtigung des Vormunds nicht noviren; der Vormund kann es, wenn es dem Mündel zuträglich ist, desgleichen ein für das ganze Vermögen bestellter Procurator.