Ad edictum praetoris libri
Ex libro LXXI
Paul. lib. LXXI. ad Ed. Ein Geschäftsbesorger, dem im Allgemeinen eine freie Verwaltung der Angelegenheiten anvertraut ist, kann fordern, das eine für das andere zu vertauschen.
Paul. lib. XXXII. ad Sabin. Wenn aber der Mann [seiner] Ehefrau, deren Haus von einer Feuersbrunst verzehrt worden ist, zur Wiederherstellung desselben Geld gegeben haben wird, so gilt die Schenkung insoweit, als die Erbauung des Gebäudes erfordert.
Idem lib. LXXI. ad Ed. Wenn der Vermächtnissinhaber den vermachten Gegenstand11ἐφ᾽ ᾧ δόλον ὁ διαθέμενος ἐποίησε, setzen die Basil. hinzu, s. l. 3. §. 29. de doli mali et met. except. fodert, so kann ihm die Einrede der Arglist des Testators entgegengesetzt werden; denn sowie der Erbe, der in das gesammte Rechtsverhältniss nachfolgt, durch diese Einrede abgewehrt werden kann, so muss auch der Vermächtnissinhaber abgewehrt werden dürfen, als22Quasi. Rudolph Forner. Rer. quotid. lib. IV. c. 6. (T. O. II. 233) will mit Bezug auf l. 3. §. 29. de doli mali et met. except. quamvis lesen. Rechtsnachfolger eines einzelnen Gegenstandes.
Paul. lib. LXXI. ad Ed. Zur bessern Einsicht dieser Einrede, wollen wir zuvörderst die Ursache betrachten, weshalb sie begründet worden, sodann, auf welche Weise Etwas mit Arglist geschieht; hieraus werden wir dann abnehmen, wann die Einrede entgegenstehe, und nachher wider welche Personen sie statthabe; endlich wollen wir untersuchen, binnen welcher Zeit sie zuständig ist. 1Der Prätor hat nun diese Einrede zu dem Ende begründet, damit nicht Jemandem seine Arglist bei Gelegenheit der strengen Beobachtung des bürgerlichen Rechts wider die natürliche Billigkeit von Vortheil sei. 2Ob aber Etwas mit Arglist geschehen sei, erhellt aus der Thatsache selbst. 3Mit Arglist kann Etwas sowohl in Ansehung von Contracten, als von Testamenten, als der Gesetze geschehen.
Paul. lib. LXXI. ad Ed. Ingleichen steht mir, wenn er deswegen, weil er vor der Uebertragung des Eigenthums auf mich dem Verkäufer die zehn gegeben hat, und ich aus dem Kauf klagen will, um diese zehn zurückzuerhalten, meiner Ansicht nach die Klage zu, sobald ich bereit bin, ihn von der Stipulation des Doppelten zu befreien.
Paul. lib. LXXI. ad Ed. Du bist mir unbedingt zehn[tausend Sestertien] schuldig, und ich habe sie dir unter einer Bedingung vermacht; wenn der Erbe diese Summe inzwischen in Anspruch nimmt, so kann er nicht durch die Einrede der Arglist abgewehrt werden, indem ja auch die Bedingung ausbleiben kann; er muss daher die Stipulation der Vermächtnisse eingehen. Leistet der Erbe aber keine Sicherheit, so wird er durch die Einrede der Arglist abgewehrt werden, denn es ist dem Vermächtnissinhaber vortheilhafter, die Summe selbst zu behalten, als in den Besitz der Erbschaftssachen gesetzt zu werden. 1Wenn Jemandem ein Weg vermacht worden ist, und dieser, da das Falcidische Gesetz zur Anwendung kam, denselben dennoch ganz und ohne das Viertheil der Schätzung anzubieten, in Anspruch nimmt, so, sagt Marcellus, werde er durch die Einrede der Arglist abgewehrt, weil der Erbe dadurch für seinen Vortheil bedacht ist. 2Wenn ich Jemandem eine [unbewegliche] Sache geschenkt habe, ohne sie ihm zu übergeben, und Der, dem ich sie geschenkt, ohne den Besitz übergeben erhalten zu haben mit meinem Vorwissen darauf angefangen hat, zu bauen, und nachdem er gebauet, ich den Besitz erlangt habe, und er nun die geschenkte Sache von mir fodert, ich aber dagegen einwende, dass dieselbe die gesetzmässige Summe [einer Schenkung] übersteige, so darf die Replik der Arglist vorgeschützt werden; denn ich habe arglistig gehandelt, wenn ich ihn habe bauen lassen und ihm die Kosten nicht wiedergebe. 3Dem Herrn schadet auch die spätere Arglist seines zur Einziehung seiner Gelder bestellten Verwaltersclaven. 4Ad Dig. 44,4,5,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 421, Note 2.Wenn ein Sclave von Demjenigen verkauft worden ist, dem dessen Herr dazu Erlaubniss ertheilt hat, und der Herr ihn hat wieder zurücknehmen müssen, so wird dem den Kaufpreis einklagenden Verkäufer die Einrede der Wandelung entgegengesetzt, wenn der Verkäufer auch dem Herrn das Kaufgeld33De suo, sagt die Glosse. gezahlt hat. Auch wird er mit der Einrede nicht geschehener Uebergabe der Waare44Merx für servus. abgewehrt, wenn er dem Herrn bereits das Geld gezahlt hat, und darum mag Derjenige, welcher verkauft hat, wider den Herrn klagen. Ebenso, sagt Pedius, ist es mit Dem, der, unser Geschäft führend, Etwas verkauft hat. 5Wenn ich Den, der mir über den gesetzmässigen Betrag ein Geschenk machen will, meinem Gläubiger unterstellt habe, so wird er wider dessen Klage keine Einrede aufstellen können, weil der Gläubiger nur seine Foderung einklagt. In demselben Verhältniss steht der Ehemann [in diesem Fall]55Dessen Frau Jemand hat ein Geschenkt machen wollen, das sie dem Mann als Mitgift bestellt., denn er kann ebensowenig durch eine Einrede abgewehrt werden, wenn er in seinem Namen Klage erhebt. Darf also nun auch wider den die Mitgift einklagenden Ehemann die Einrede der Arglist der Ehefrau nicht vorgeschützt werden, der die Frau nicht geehlicht haben würde, wenn er keine Mitgift [bestellt] erhalten hätte, ausser wenn66Ich lese mit der Flor. nisi jam divertit. schon Ehescheidung erfolgt ist? [Allerdings]; daher haftet der unterstellende Schuldner durch eine Condiction, oder die Frau dahin, entweder den Schuldner zu befreien, oder wenn er schon gezahlt hat, auf Rückzahlung des Geldes77D. h. des Ueberschusses über den legitimum modum.. 6Die Einrede der Arglist wird nicht blos, gleich der binnen einer bestimmten Frist erlöschenden Klage wegen Arglist, binnen derselben Zeit ertheilt werden müssen, denn sie ist immerwährend zuständig, indem der Kläger es zwar wohl in seiner Gewalt hat, wenn er von seinem Rechte Gebrauch machen will, der Beklagte es aber nicht in seiner Gewalt hat, sich verklagen zu lassen, wann er will.
Paul. lib. LXXI. ad Ed. Wenn einem Haussohne ein Eid angetragen worden ist, und er geschworen hat, dass sein Vater nicht zu geben verpflichtet sei, so muss dem Vater eine Einrede ertheilt werden. 1Ad Dig. 44,5,2,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 420, Note 7.Wenn ich eine Sache im Hasardspiele verkaufe, um zu spielen, und nachdem dieselbe entwährt worden, angegriffen werde, so wird der Käufer durch eine Einrede abgewiesen werden. 2Wenn ein Sclave seinem Herrn Geld verspricht, um freigelassen zu werden, da ihn der Herr nicht anders freigelassen haben würde, und derselbe ihm, freigeworden, deshalb angelobt, so steht dem Freilasser, wenn er darauf Klage erhebt, keine Einrede entgegen; denn dieses Geld ist nicht zur Belästigung der Freiheit versprochen worden; es wäre vielmehr unbillg, wenn der Herr um seinen Sclaven kommen sollte, und um dessen Preis dazu. Zur Belästigung der Freiheit scheint also vielmehr allemal dann Geld versprochen zu werden, wenn der Herr einen Sclaven freiwillig freigelassen hat, und verlangt, dass der Freigelassene deshalb eine Summe Geldes verspreche, nicht gerade um sie zu fodern, sondern damit der Freigelassene ihn fürchte und gehorche.
Idem lib. LXXI. ad Ed. Da nach untergegangenem Rechtsstreit88Lite mortua. Der Ausdruck lis moritur wird von Gaj. IV. 104. im technischen Sinne von der Processverjährung, welche die Lex Julias judicaria eingeführt hatte, gebraucht. Vgl. die Bem. zu l. 30. §. 1. D. ad L. Aq. 9. 2. u. zu l. 8. §. 1. D. rat. rem hab. 46. 8. Daher sind viele früher auf die Klagenverjährung bezogenen Stellen der justin. Rechtssammlung von jenem Institut zu verstehen. S. Dirksen Beiträge S. 271 ff. Dass aber auch in der vorliegenden Stelle lis mortua darauf zu beziehen sei, lässt sich nicht mit Bestimmtheit aus ihrem Inhalt erkennen, und es kann also auch von einem anderweitigen Untergang des judicium verstanden werden. S. Keller a. a. O. S. 154 u. 116. kein Gegenstand [der Verurtheilung] vorhanden ist, so sind deshalb die Bürgen bekanntlich nicht mehr aus der Stipulation, dass dem Urtheile Genüge geschehen solle, gehalten.