Ad edictum praetoris libri
Ex libro LXIII
Paul. lib. LXIII. ad Ed. Wenn ich dir in Folge einer Stipulation den Stichus zu entrichten habe, und nicht übergebe, du aber den Besitz erlangt hast, so bist du ein Räuber. Ingleichen besitzest du, wenn ich einen Gegenstand verkauft und nicht übergeben habe, und du den Besitz ohne meinen Willen erlangt hast, nicht als Käufer, sondern bist ein Räuber.
Paul. lib. LXIII. ad Ed. Einige Interdicte sind zweiseitige, andere einseitige. Zweiseitige heissen z. B. das: Wie ihr besitzet; zu den einseitigen gehören z. B. die die Auslieferung und die Herausgabe verfügenden, und die verbietenden über das Baumfällen und die Privatwege. 1Die Interdicte sind entweder der Menschen, des göttlichen Rechts oder der Religion wegen zuständig; z. B. das: dass an einem heiligen Orte Etwas nicht geschehe, oder: das Geschehene wieder in den vorigen Stand gesetzt werde; über die Leichenbeisetzung, oder die Erbauung eines Begräbnisses. Der Menschen wegen sind die Interdicte begründet, welche entweder das öffentliche Beste angehen, oder die Gerechtsame [an Personen], die Pflichten11Officium ist hier als allgemeine Menschenpflicht zu betrachten, quod homo debet homini, Glosse, cum (hoc Interdict.) tantum libertatis causa introductum sit, Voct. ad h. t., oder das Vermögen beschützen. Des öffentlichen Besten wegen ist z. B. zuständig das Interdict: dass es gestattet sei, von einer öffentlichen Strasse Gebrauch zu machen, und von einem öffentlichen Flusse, und: dass auf einer öffentlichen Strasse Etwas nicht geschehe. Um ihre Gerechtsame [an Personen] zu beschützen z. B. das: über die Auslieferung der Kinder, sowie über die Auslieferung der Freigelassenen. Der Pflicht halber das, über Auslieferung eines freien Menschen. Die übrigen Interdicte werden des Vermögens wegen ertheilt. 2Einige Interdicte begreifen die rechtliche Verfolgung einer Sache, z. B. das: über Privatwege, denn dieses Interdict begreift das Interesse des Eigenthums. Doch begreifen auch die in Betreff von heiligen und religiösen Orten begründeten Interdicte gleichsam ein solches Interesse. Ingleichen diejenigen über die Auslieferung der Kinder, die, wie wir gesagt haben, zur Beschüzzung der Gerechtsame [an Personen] zuständig sind, sodass es sehr erklärlich ist, wenn die auf das Vermögen bezüglichen Interdicte ein Interesse des Eigenthums und nicht [blos] des Besitzes an sich tragen. 3Diese auf das Vermögen bezüglichen Interdicte bezwecken entweder die Erlangung, die Wiedererlangung, oder die Erhaltung des Besitzes. Ersterer Art sind die Interdicte, welche Denen zuständig sind, die den Besitz vorher noch nicht gehabt haben; hierher gehört das Interdict Welchen Nachlasses. Auch das Salvianische Interdict über die Pfänder gehört zu diesen Classe, sowie das: wider den Gebrauch des Fusssteiges von Seiten des Käufers, dessen sich der Verkäufer bedient hat, verbiete ich alle Gewaltthätigkeit. Zur Wiedererlangung des Besitzes gehören die Interdicte unter der Rubrik Von wo mit Gewalt; denn unter diesem Titel sind mehrere Interdicte begriffen. Zur Erhaltung des Besitzes dienen die Interdicte Wie ihr besitzet. Die Interdicte zur Wiederlangung und Erlangung des Besitzes sind, wie gesagt, auch zweiseitige.
Paul. lib. LXIII. ad Ed. Anders ist der Fall dann, wenn einem Vermächtniss nachher ein Theil angewachsen ist. 1Die Worte des Prätors: wenn es nicht in des Nachlassbesitzers Gewalt steht, Bürgschaft zu bestellen, verstehen wir so, dass er dazu bereitwillig sei. Er braucht also die Bürgschaft nicht anzubieten, sondern nur dem sie Fordernden keinen Verzug in den Weg zu legen. 2Wer die Herausgabe nicht bewirkt, der muss nach diesem Interdicte zu dem Interesse verurtheilt werden. 3Wenn ein Vermächtnissinhaber mit einem blossen Versprechen zufrieden ist, so kann das Interdict ertheilt werden. Dasselbe gilt, wenn derselbe mit Sicherheitsbestellung durch Pfand sich begnügt hat. 4Hat das Unterbleiben der Bürgschaftsbestellung an dem Vermächtnissinhaber gelegen, so haftet er, auch ohne dass Sicherheit bestellt worden, durch das Interdict. Hat das Unterbleiben der Bürgschaftsbestellung aber zwar am Vermächtnissinhaber gelegen, es ist jedoch derselbe zur Zeit der Vorzeigung des Interdicts dazu bereit, so steht das Interdict nur gegen vorherige Bürgschaftsbestellung zu. Ingleichen kommt das Interdict zur Anwendung, wenn das Unterbleiben der Bürgschaftsbestellung zuvor am Nachlassbesitzer gelegen, derselbe aber nun dazu bereit ist. Denn es wird auf die Zeit Rücksicht genommen, wo das Interdict vorgezeigt wird.