Ad edictum praetoris libri
Ex libro XLIX
Idem lib. XLIX. ad Ed. Labeo sagt, es könne eine Dienstbarkeit in der Art bestellt werden, dass man [derselben gemäss] Wasser suchen und wenn man es gefunden, fortleiten dürfe; denn wenn man einem noch nicht erbaueten Gebäude eine Dienstbarkeit bestellen dürfe, warum soll man nicht ebensowohl an einem noch nicht aufgefundenen Wasser eine solche bestellen dürfen? Und wenn man Jemandem die Erlaubniss zum Suchen zugestehen kann, so kann man ihm auch [das Recht] zugestehen, das aufgefundene Wasser zu leiten.
Paul. lib. XLIX. ad Ed. Ueberhaupt ist es dreierlei, wodurch ein niedriger liegender Ort dem höher liegenden dienstbar ist: ausdrückliche Festsetzung, natürliche Lage des Orts, Alter, welches immer als Bestimmung gilt, zur Verminderung der Rechtstreite. 1Bei Labeo kommt der Fall vor, es sei ein alter Graben zur Austrocknung der Aecker vorhanden, und es wisse sich Niemand mehr zu erinnern, wann derselbe gemacht worden sei: der niedriger liegende Nachbar reinigte solchen nicht; auf diese Weise geschah es, dass durch dessen Austreten das Wasser unserem Landgute Schaden zufügte. Labeo sagt deshalb, man könne gegen den niedriger liegenden Nachbar die Klage auf Abhaltung des Regenwassers anstellen: dass er entweder selbst [den Graben] reinige, oder Dir gestatte, solchen in den vorigen Zustand wiederherzustellen. 2Ferner wenn ein Graben an der Grenzscheide liegt, und der Nachbar Dir nicht gestattet denjenigen Theil zu reinigen, welcher zu Deinem Eigenthum gehört, so könnest Du, sagt Labeo, mit um so mehr Grund die Klage auf Abhaltung des Regenwassers anstellen. 3Cassius aber schreibt, wenn auf öffentliche Anordnung Werke gemacht werden, um uns das Wasser zuzusenden, so gehöre das nicht zu der Klage auf Abhaltung des Regenwassers. Dasselbe gelte auch hinsichtlich jener Werke, deren Alter über Menschengedenken hinausreiche. 4Bei Atejus hingegen wird gesagt, einen solchen Graben, aus welchem das Wasser auf das niedrigere Grundstück abfliesst, könne der Nachbar zu reinigen gezwungen werden, dessen Entstehung mag über Menschengedenken hinausreichen, oder nicht: dem glaube ich mich selbst anschliessen zu müssen. 5Varus erzählt, einen Damm, der sich auf dem Grundstücke des Nachbars befand, riss die Gewalt des Wassers nieder: dies hatte zur Folge, dass das Regenwasser mir Schaden zufügte: Varus behauptet, wenn es ein natürlicher Damm gewesen, so könne ich den Nachbar nicht durch die Klage auf Abhaltung des Regenwassers zwingen, denselben wiederherzustellen, oder [von mir] herstellen zu lassen. Das ist auch seine Meinung, wenn er durch Menschenhände errichtet gewesen, dessen Entstehung aber über Menschengedenken hinausreicht; reiche die Entstehung nicht über Menschengedenken hinaus, so glaubt er, der Nachbar könne mit der Klage auf Abhaltung des Regenwassers belangt werden. Labeo hingegen behauptet, wenn der Damm durch Menschenhand errichtet worden, so könne auf seine Wiederherstellung geklagt werden, obgleich seine Entstehung über Menschengedenken hinausreiche: denn mittels dieser Klage könne Niemand angehalten werden, dem Nachbar Vortheil zu bringen, wohl aber demselben keinen Schaden zuzufügen, oder ihn nicht zu stören in dem, was er mit Recht thun kann. Aber wenn auch die Klage auf Abhaltung des Regenwassers nicht Statt findet, so meine ich demohngeachtet, dass mir eine analoge Klage oder ein Interdict gegen den Nachbar zustehe, wenn ich einen Damm auf seinem Acker wiederherstellen will, dessen Errichtung mir Nutzen, ihm aber keinen Schaden bringen wird: dies erheischt die Billigkeit, wenn es gleich an einer Gesetzesvorschrift [darüber] mangelt. 6Bei Namusa wird angegeben, wenn ein fliessendes Wasser sein Bett durch Unrath verstopft habe, und durch seine Ueberströmung dem höher liegenden Acker Schaden bringe, so könne gegen den niedriger liegenden Nachbar geklagt werden, dass er dessen Reinigung gestatte: denn diese Klage sei nicht nur hinsichtlich der durch Menschenhand errichteten Werke anwendbar, sondern auch bei allen, ohne Willen [des Nachbars] entstandenen. Labeo ist entgegengesetzter Meinung mit Namusa: denn er sagt, die natürliche Lage eines Ackers könne sich von selbst ändern, und wenn sich die natürliche Lage des Ackers von selbst geändert, so müsse es jeder mit Gleichmuth ertragen, sein Zustand möge sich verbessert oder verschlechtert haben; deshalb könne auch, wenn durch ein Erdbeben, oder einen Wolkenbruch die Beschaffenheit des Ackers eine Veränderung erlitten habe, Niemand gezwungen werden, die Wiederherstellung des Platzes in seinen früheren Zustand zu gestatten: wir aber haben auch für diesen Fall der Billigkeit Raum gegeben. 7Derselbe Labeo sagt, wenn das Zusammenströmen der Gewässer auf Deinem Acker einen Platz ausgehöhlt hat, so könne die Klage auf Abhaltung des Regenwassers nicht von Deinen Nachbarn wider Dich angestellt werden. Wenn aber ein Graben rechtlich errichtet worden, oder ein solcher, dessen Ursprung über Menschengedenken hinausreiche, vorhanden sei, so könne allerdings wider Dich mit der Klage auf Abhaltung des Regenwassers geklagt werden, dass Du ihn ausbesserst. 8Derselbe Labeo sagt, bei der Untersuchung, ob die Errichtung eines Werks über Menschengedenken hinausreiche, müsse nicht gerade Tag- und Jahreszahl bis zur völligen Gewissheit ausgemittelt werden, sondern es genüge, wenn Jemand von dessen Errichtung wisse, d. h. wenn über dessen Errichtung kein Zweifel obwalte: es sei auch nicht einmal durchaus nothwendig, dass noch Leute am Leben seien, die sich derselben erinnern, sondern es reiche schon hin, wenn sie es von Leuten gehört, die noch Erinnerung davon gehabt. 9Derselbe Labeo sagt, wenn der Nachbar einen Fluss, oder Giessbach weggeleitet habe, damit das Wasser nicht zu ihm gelange, und auf solche Weise bewirkt worden sei, dass dem andern Nachbar ein Schaden zugehe, so könne die Klage auf Abhaltung des Regenwassers nicht wider ihn angestellt werden: denn das Wasser abhalten, heisse dessen Einströmung verhindern. Diese Meinung ist auch die richtigere, wenn es derselbe nur nicht in der Absicht gethan hat, Dir zu schaden, sondern von sich Schaden abzuwenden. 10Ad Dig. 39,3,2,10Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 211a, Note 11.Auch das halte ich für richtig, was Ofilius schreibt: wenn Dein Landgut dem Nachbar dienstbar sei und deshalb das Wasser aufnehme, so finde die Klage auf Abhaltung des Regenwassers nicht Statt: jedoch nur insofern, wenn es keinen übermässigen Schaden zufügt. Dem entspricht auch, was Labeo meint: wenn Jemand seinem Nachbar das Recht eingeräumt habe, das Wasser [auf sein Grundstück] abfliessen zu lassen, so könne er die Klage auf Abhaltung des Regenwassers nicht anstellen.
Paul. lib. XLIX. ad Ed. Wenn der Pächter, ohne Wissen des Eigenthümers, ein Werk errichtet hat, wodurch das Wasser den Nachbar Schaden droht, so sei, begutachtete Labeo, der Pächter mit dem Interdicte Was mit Gewalt oder heimlich zu belangen: der Eigenthümer des Landguts aber mit der Klage auf Abhaltung des Regenwassers, weil er allein das Werk wieder niederreissen kann; jedoch brauche er nur dann die Wiederherstellung des vorigen Zustandes zu gestatten, wenn ihm durch Stipulation Sicherheit wegen drohenden Schadens geleistet werde; und wenn er einen Kostenaufwand bei Wiederherstellung des vorigen Zustandes bestritten habe, so könne er dessen Ersatz mit der Klage aus dem Verpacht vom Pächter erhalten: man müsse denn aus dem Grunde das Gegentheil annehmen wollen, weil er ja zur Wiederherherstellung nicht verbunden gewesen. Hat aber [der Pächter] auf Geheiss des Eigenthümers gehandelt, so könne auch der Eigenthümer mit dem Interdicte belangt werden.
Paul. lib. XLIX. ad Ed. Ist ein Grundstück mit dem Vorbehalt des bessern Gebots verkauft worden, so ist die Einwilligung des Käufers sowohl, als des Verkäufers erforderlich; damit, es mag nun das Gut dem Käufer verbleiben, oder nicht, [auf jeden Fall] Gewissheit darüber vorhanden ist, dass die Zugestehung der Wasserleitung mit Einwilligung des Eigenthümers erfolgt sei. 1Es wird aber deshalb die Zustimmung erfordert, damit der Eigenthümer nicht ohne sein Wissen eine Ungerechtigkeit erleide: denn Derjenige, welcher einmal eingewilligt hat, kann nicht angesehen werden, als ob er eine Ungerechtigkeit erleide. 2Bei der Ueberlassung der Wasserleitung wird aber nicht allein die Zustimmung Desjenigen verlangt, welchem das Recht der Wasserleitung zusteht, sondern auch die des Eigenthümers des Platzes, wenngleich der Eigenthümer das Wasser nicht benutzen kann, weil das volle Recht auf ihn zurückfallen kann.
Paul. lib. XLIX. ad Ed. Ueber den Fusssteig eines Andern ist man nicht berechtigt, einen Bogen zu einer Wasserleitung zu errichten. Auch Derjenige, welchem das Recht des Fahrweges zusteht, ist nicht befugt, [einen Bogen über die Wasserleitung eines Andern] zu errichten; aber eine Brücke, um darüber zu fahren, wird er mit Recht bauen. Wenn Jemand11Dem das Recht der Wasserleitung zusteht. aber einen offenen, keinen bedeckten Wassergang22Specus = canalis apertus, cuniculus = canalis opertus. unter einem Canal hinführt, so wird das Wasser verdorben werden, weil durch diese Austiefung das Wasser abfliesst und der Bach austrocknet. 1Cassius sagt, wenn das Wasser aus einem gemeinschaftlichen Landgute, oder einem gemeinschaftlichen Landgute Schaden bringe, so könne entweder Einer gegen Einen, oder Einer besonders wider die Einzelnen, oder die Einzelnen besonders gegen Einen, oder die Einzelnen gegen die Einzelnen klagen. Wenn Einer geklagt habe, und die Niederreissung des Werks, und Streitwürderung erfolgt sei, so falle die Klage der Uebrigen weg. Ebenso erlösche die Verbindlichkeit der Uebrigen, wenn gegen Einen geklagt worden und derselbe Ersatz geleistet habe; und was Namens der Theilhaber gegeben worden, könne durch die Gemeingutstheilungsklage vermöge schiedsrichterlichen Ermessens zurückerstattet verlangt werden; und man müsse nicht gerade Denjenigen von den Theilhabern belangen, der das Werk errichtet, [sondern] ebenso auch Derjenige den Schaden ersetzen, welcher das Werk veranlasst habe. 2Proculus sagt bei Ferox, wenn gegen Einen der Eigenthümer geklagt worden, der das Werk nicht errichtet habe, so müsse derselbe das Werk auf seine Kosten niederreissen lassen: weil ihm die Gemeingutstheilungsklage zusteht; er [Ferox] aber sei eher der Meinung, es müsse derselbe lediglich die Niederreissung des Werks gestatten: weil der Kläger, der nicht wider Denjenigen klagt, von welchem das Werk errichtet worden, durch sein eigenes Verschulden diesen Nachtheil erleide; es ist auch unbillig, dass Derjenige, welcher das Werk nicht errichtet hat, solches deshalb niederreissen müsse, weil er die Gemeingutstheilungsklage anstellen könne; denn wie, wenn sein Theilhaber nicht zahlungsfähig sein sollte? 3Was aber [bei dieser Klage] die Pflicht eines zwischen Zweien bestellten Richters sein werde, darüber, sagt Julianus, sei er im Zweifel: wenn [nemlich] das Landgut, welchem das Wasser Schaden bringe, oder dasjenige, auf welchem das Werk errichtet worden, Mehreren gehört, und wider Einen Klage angestellt wird, wird alsdann sowohl im Betreff des nach der Einleitung des Verfahrens erfolgten Schadens, als auch wegen unterbliebener Niederreissung des Werks, die Verurtheilung auf das Ganze erfolgen müssen? — wie bei der Noxalklage, wenn sie wegen eines gemeinschaftlichen Sclaven gegen Einen angestellt wird, die Verurtheilung auf das Ganze erfolgt, weil derselbe von seinem Theilhaber Ersatz seiner Leistung erlangen kann, — oder muss Derjenige, wider welchen geklagt wird, nach seinem Antheil sowohl wegen des erfolgten Schadens, als wegen unterbliebener Niederreissung des Werks verurtheilt werden? — wie solches bei der Klage wegen drohenden Schadens geschieht, wenn dasjenige Grundstück, von welchem der Schaden befürchtet wird, mehrere Eigenthümer hat, und wider Einen geklagt wird, und wobei, obgleich das Werk, von welchem der Schaden droht, untheilbar ist, und das Haus selbst, so wie der Grund und Boden nicht theilweise Schaden verursachen können, demohngeachtet Derjenige, wider welchen geklagt wird, auf seinen Antheil verurtheilt wird —? [Julianus] ist eher der Meinung, es sei bei der Klage auf Abhaltung des Regenwassers dasselbe, wie bei der Klage wegen drohenden Schadens zu beobachten: weil es sich auf beiden Seiten nicht un bereits erfolgten, sondern um künftigen Schaden handelt. 4Gehört das Landgut aber, welchem das Regenwasser Schaden droht, Mehreren, so könne zwar auch jeder Einzelne klagen: jedoch von demjenigen Schaden, der nach der Einleitung des Verfahrens erfolgt ist, werde jeder Einzelne nicht mehr als seinen Antheil ersetzt erhalten: ebenso dürfe, wenn das Werk nicht wieder niedergerissen worden, die Verurtheilung auf nicht mehr, als das theilweise Interesse eines jeden Einzelnen dabei geschehen. 5Wenn das Wasser aus dem, Einem [der Theilhaber] gehörigen, Acker in deren gemeinschaftlichen abgelassen werde, so könne, sagt Ofilius, der [andere] Theilhaber wider denselben klagen. 6Trebatius hält dafür, wenn wegen eines solchen Werks geklagt werde, das durch Menschenhand errichtet worden, so müsse es allerdings von Demjenigen, wider welchen geklagt wird, wieder niedergerissen werden: wenn aber der Acker durch die Gewalt des Stromes verwüstet, oder Kies eingeschwemmt, oder ein Graben mit Schlamm angefüllt worden sei, alsdann müsse [dem Kläger] blos [die Wiederherstellung des früheren Zustandes] gestattet werden.
Paul. lib. XLIX. ad Ed. Atejus sagt, wenn Derjenige, welcher das Werk errichtet hat, das Grundstück an einen Mächtigern verkauft habe, so müsse wider denselben, weil er aufgehört habe, Eigenthümer zu sein, das Interdict Was mit Gewalt oder heimlich angestellt werden: sei [bereits] ein Jahr verflossen, so finde die Klage wegen Arglist Statt. 1Bei der Klage auf Abhaltung des Regenwassers wird eine Handlung, welche Schaden verursacht, erfordert. Hat sich daher durch Schadhaftigkeit des Platzes ein Theil des Grund und Bodens gesenkt, so steht diese Klage nicht zu, wenngleich durch diese Veranlassung das Regenwasser dem niedriger Liegenden Schaden droht. Dasselbe ist vielleicht zu behaupten, wenn auf einem Acker ein durch Menschenhand errichtetes Werk sich gesenkt hat. 2Bei dieser Klage, sowie bei der Klage wegen drohenden Schadens, kommt der künftige Schaden in Betracht, während bei fast allen übrigen Klagen der geschehene Schaden ersetzt wird. 3Wegen des früher geschehenen Schadens muss man das Interdict Was mit Gewalt oder heimlich anstellen; wegen jenes Schadens, der sich nach dem Ausspruche des Richters ereignen wird, muss Sicherheit wegen drohenden Schadens geleistet, oder das Werk so wieder niedergerissen werden, dass keine Gefahr des Schadens mehr vorhanden ist. 4Wegen eines solchen Werks, das nach der Einleitung des Verfahrens errichtet worden, muss eine neue Klage gestellt werden.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.