Ad edictum praetoris libri
Ex libro XXXV
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Wenn Jemand als Enkel, wie wenn er vom Sohne erzeugt worden wäre, an Kindes Statt angenommen wird, so wird die Einwilligung des Sohnes erfordert. Dies schreibt aus Julian.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Wer an Kindes Statt angenommen wird, wird mit denen, welchen er angeboren wird, verwandt; wem er aber nicht angeboren wird, dessen Verwandter wird er auch nicht; denn die Annahme an Kindes Statt überträgt kein Recht des Blutes, sondern blos ein Recht der Angeburt. Wenn ich daher einen Sohn an Kindes Statt annehme, so vertritt meine Gattin demselben nicht Mutter Stelle, denn er wird ihr nicht angeboren, und darum wird, sie auch nicht seine Verwandte. Daher ist auch meine Mutter ihm nicht an Stelle der Grossmutter, weil er denjenigen, welche nicht zu meiner Familie gehören, nicht angeboren wird; allein meiner Tocher wird der, welchen ich an Kindes Statt angenommen habe, Bruder, weil meine Tochter zu meiner Familie gehört, und darum ist auch die Ehe zwischen ihnen verboten.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Bei dem Verlöbniss macht es keinen Unterschied, ob eine [schriftliche] Erklärung vorkommt, oder Jemand ohne einen schriftlichen Aufsatz gelobt. 1Bei einem Verlöbniss ist auch die Einwilligung derer zu fordern, deren [Einwilligung] bei der Ehe verlangt wird; Julianus schreibt jedoch, dass man immer annehme, dass der Vater einer [sich verlobenden] Tochter einwillige, wenn er nicht deutlich widerspricht.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Eine Ehe kann nicht bestehen, wenn nicht Alle einwilligen, das heisst, die, welche sich vereinigen, und die, in deren Gewalt sie sich befinden.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Man zweifelt mit Recht, was dann zu thun ist, wenn ein Vater so abwesend sein sollte, dass man nicht weiss, wo er ist, und ob er noch lebe. Und wenn drei Jahre verflossen sein werden, seitdem es ganz offenbar unbekannt gewesen ist, wo der Vater lebt und ob er noch am Leben sei, so werden seine Kinder beiderlei Geschlechts nicht abgehalten, eine gesetzmässige Ehe einzugehen11Im Text heisst es: matrimonium vel nuptias legitimas contrahere. Zur Zeit der Pandectenjuristen war zwar noch ein Unterschied zwischen matrimonium und nuptiae, indem mit jenem Ausdruck die civilrechtliche, die Römische Ehe, diesem die Ehe nach jus gentium bezeichnet wurde, doch ist dieser Unterschied im justin. Recht weggefallen und es kann die Uebersetzung durch Ehe darum genügen, weil dieser Ausdruck jene beiden Arten der Ehe umfasst. S. v. Glück a. a. O. XXIII. S. 119 ff..
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Wenn ein Adoptivsohn aus der Gewalt [des Adoptivvaters] entlassen wird, so kann er die, welche die Ehefrau seines Adoptivvaters gewesen ist, nicht heirathen, weil sie als seine Stiefmutter gilt. 1Ingleichen wenn Jemand einen Sohn adoptirt haben wird, so wird er die Ehefrau desselben, welche als seine Schwiegertochter gilt, nicht einmal nach der Entlassung des Sohnes aus der Gewalt heirathen können, weil sie ehemals seine Schwiegertochter gewesen ist. 2Auch die Sclavenverwandschaften sind bei diesem Recht zu beachten; daher wird ein Sclav, wenn er freigelassen worden ist, seine Mutter nicht zur Frau nehmen können, dasselbe ist auch in Betreff der Schwester und der Schwestertochter Rechtens. Dasselbe ist im umgekehrten Falle zu sagen, so dass ein Vater seine Tochter nicht heirathen kann, wenn [Beide] aus der Sclaverei freigelassen worden sind, wenngleich man zweifelt, ob er ihr Vater sei. Deshalb kann ein natürlicher Vater auch nicht seine uneheliche Tochter zur Frau nehmen, weil bei der Eingehung einer Ehe auf das natürliche Recht und das Schamgefühl zu sehen ist, es aber gegen das Schamgefühl sein würde, wenn man seine Tochter zur Frau nehmen wollte. 3Dasselbe aber, was in Betreff der Sclavenverwandschaften festgesetzt worden ist, muss auch in Betreff der Sclavenschwägerschaften beobachtet werden, z. B. dass ich die, welche mit meinem Vater in einer Sclavenehe sich befunden haben wird, gleich als ob sie meine Stiefmutter wäre, nicht heirathen kann, und dass umgekehrt der Vater die, welche mit seinem Sohn in einer Sclavenehe sich befunden haben wird, gleich als ob sie seine Schwiegertochter wäre, nicht heirathen kann, ebenso wie auch Niemand die Mutter derjenigen, welche er in der Sclaverei zur Frau gehabt hat, gleich als ob sie seine Schwiegermutter wäre, [nicht heirathen kann;] denn wenn man eine Sclavenverwandschaft annimmt, warum soll man nicht auch eine Sclavenschwägerschaft annehmen? Aber in einem zweifelhaften Falle ist es sicherer und der Sittsamkeit gemässer, sich einer Ehe der Art zu enthalten. 4Nun wollen wir sehen, wie man [die Ausdrücke]: Stiefmutter, Stieftochter, Schwiegermutter und Schwiegertochter versteht, damit wir wissen, welche [Personen] man nicht heirathen dürfe. Einige verstehen unter Stiefmutter an und für sich die Ehefrau des Vaters, und unter Schwiegertochter die Ehefrau des Sohnes, und unter Stieftochter die von einem anderen Ehemann [gezeugte] Tochter der Ehefrau. Aber was dieses Verhältniss22Von welchem wir hier sprechen, nämlich die Eheverbote. betrifft, so ist es wahrer, dass man weder die Ehefrau des Grossvaters, noch die des Urgrossvaters heirathen kann. Also zwei oder mehrere Stiefmütter33D. h. wenn Jemand zwei oder mehrere Stiefmütter in der angegebenen weiteren Bedeutung hat, so darf er keine von allen heirathen. wird man nicht heirathen können; [und das ist] nicht wunderbar, denn auch der, welcher ein Adoptivsohn ist, kann weder des natürlichen, noch des Adoptivvaters Ehefrau heirathen; aber auch wenn mein Vater mehrere Ehefrauen gehabt haben wird, so kann ich keine von ihnen heirathen. Daher versteht man unter der Benennung Schwiegermutter nicht nur die Mutter, sondern auch die Grossmutter und die Urgrossmutter meiner Ehefrau, so dass ich keine von ihnen heirathen kann. Auch in der Benennung Schwiegertochter ist nicht nur des Sohns, sondern auch des Enkels und des Urenkels Ehefrau begriffen, wenngleich Einige diese Grossschwiegertöchter nennen. Auch für meine Stieftochter hält man nicht blos die, welche die Tochter, sondern auch [die, welche] die Enkelin oder die Urenkelin meiner Ehefrau ist, so dass ich keine von ihnen heirathen kann. Desgleichen hat Augustus erklärt, dass ich die Mutter derjenigen, welche ich zur Verlobten gehabt habe, nicht heirathen könne, sie sei nämlich meine Schwiegermutter gewesen.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Durch eine Rede44S. die Bem. zu L. 16. D. de sponsalib. des höchstseligen Marcus wird bestimmt, dass, wenn die Tochter eines Senators einen Freigelassenen geheirathet hätte, keine [wahre] Ehe vorhanden wäre, und auf diese [Rede] ist auch ein Senatsschluss erfolgt. 1Wenn der Enkel eine Frau nimmt, so muss auch der Sohn einwilligen, wenn aber eine Enkelin heirathen sollte, so wird der Wille und die Ermächtigung des Grossvaters genügen. 2Raserei lässt die Eingehung einer Ehe nicht zu, weil die Einwilligung nöthig ist; aber [das Fortbestehen] einer gehörig eingegangenen [Ehe] verhindert sie nicht.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Durch das Versprechen eines Heirathsguts werden Alle verbindlich gemacht, von welchem Geschlecht und in welchem Verhältniss sie auch sein mögen. 1Aber wenn die Ehe nicht erfolgt sein wird, so kann nicht aus der Stipulation geklagt werden; denn man muss mehr auf die Sache, als auf die Worte sehen. 2Auch durch Acceptilation wird ein Heirathsgut bestellt, wenn dem Ehemann, der Schuldner [der Frau] ist, [die Schuld] erlassen wird, um so ein Heirathsgut zu bestellen. 3Ad Dig. 23,3,41,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 500, Note 9.Wenn von dem Schuldner einer Frau ein Heirathsgut unter einer Bedingung versprochen werden sollte, und nachher, aber ehe der Ehemann [das Heirathsgut] fordern konnte, der Schuldner aufgehört haben sollte, zahlungsfähig zu sein, so nimmt man an, dass die Gefahr mehr die Frau treffe; denn es scheine ja der Ehemann die Schuldforderung nicht zu der Zeit übernommen zu haben, wo er [die Schuld] nicht wird einfordern können. Wenn aber der Schuldner schon damals, als er [das Heirathsgut] unter einer Bedingung versprach, zahlungsunfähig gewesen sei, so stehe der Mann für die Gefahr, weil er wissentlich die Schuldforderung in der Beschaffenheit übernommen zu haben scheine, in welcher es beim Anfang der Verbindlichkeit gewesen sei. 4Labeo sagt, wenn der Schuldner einer Frau ein Heirathsgut versprochen, und die Frau zur Erbin hinterlassen habe, so sei es ebenso anzusehen, als wenn die Frau selbst das Heirathsgut versprochen hätte; und die Meinung desselben billigt auch Julianus, denn er sagt, es sei ja nicht billig, dass [der Ehemann] ihr wegen des Geldes verurtheilt werde, welches sie selbst schulde, und es genüge, wenn sie durch Acceptilation [von ihrer Verbindlichkeit] befreit werde.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Wenn ein Vater ein Heirathsgut gegeben und paciscirt haben sollte, dass, wenn die Tochter während der Ehe gestorben sei, das Heirathsgut bei dem Manne verbleiben sollte, so glaube ich, dass das Pactum zu halten sei, wenn auch keine Kinder vorhanden sein sollten. 1Unter den Pacten, welche vor [Eingehung] der Ehe, oder nach [Eingehung] der Ehe geschlossen zu werden pflegen, beziehen sich einige auf das, was in dem Willen [der Paciscenten] steht, [z. B.] dass die Frau mit dem versprochenen Heirathsgut sich ernähren und nicht eher, als bis sie verheirathet sei, das Heirathsgut von ihr gefordert werden solle, oder dass sie dem Manne eine bestimmte Summe leiste, und von ihm ernährt werde, und dergleichen andere beziehen sich auf das, was durch das Recht bestimmt ist, z. B. wenn das Heirathsgut gefordert werden solle, auf welche Weise55D. h. ob mit oder ohne Abzug. es zurückgegeben werden solle, und bei diesen Pacten wird nicht immer der Wille der Contrahirenden beobachtet66Nämlich nur in soweit, als er mit den Gesetzen übereinstimmt.. Sonst, wenn man übereingekommen sein würde, dass das Heirathsgut überhaupt nicht gefordert werden solle, so würde die Frau ohne Heirathsgut sein77D. h. wohl: wenn nicht das Gesetz, sondern der Wille der Contrahirenden beobachtet würde, so könnten sie auch ausmachen, dass das Heirathsgut gar nicht während der Ehe dem Manne gegeben werden solle, und das würde doch der Bestimmung des Heirathsguts ganz widerstreiten. S. L. 11. h. t. u. v. Glück a. a. O. S. 366 ff.. 2Mela sagt, wenn eine Frau paciscirt habe, dass nicht mehr als die Hälfte des Heirathsguts von ihr gefordert werden solle, und sich [auf den entgegengesetzten Fall] eine Strafe stipulirt haben sollte, so müsse sie mit dem Einen von Beiden zufrieden sein, entweder mit der Einrede des Pactums und [dann] müsse die Verbindlichkeit [zur Leistung] der Strafe erlassen, oder, wenn sie aus der Stipulation klage, so sei ihr die Einrede zu versagen. 3Mela sagt, wenn eine Frau ein geschätztes Grundstück zum Heirathsgut gegeben und paciscirt habe, dass [auch] das, um wie viel mehr es, [als der durch Schätzung bestimmte Werth beträgt,] verkauft sei, Gegenstand des Heirathsguts sein solle, so sei dies zu halten, da man umgekehrt auch darüber übereinkommen könne, dass sie selbst das, um wie viel weniger es verkauft sei, leisten solle. 4Wenn eine Frau paciscirt haben sollte, dass, möchte das geschätzte Grundstück um mehr oder um weniger verkauft sein, der Preis, um welchen die Sache verkauft sei, Gegenstand des Heirathsguts sein solle, so muss man bei diesem Pactum stehen bleiben; aber wenn es durch Verschulden des Ehemanns um weniger verkauft sei, so muss die Frau auch das [Fehlende] erlangen.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. In Betreff des Termins der Rückgabe des Heirathsguts ist dies Rechtens, dass man pacisciren darf, an welchem Termin es zurückgegeben werden solle, wenn nur die Lage der Frau dadurch nicht verschlimmert werden wird,
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Darüber aber, dass das Heirathsgut an einem späteren Termin [zurück]gezahlt werden solle, kann man nicht übereinkommen, ebenso wenig wie darüber, dass es überhaupt nicht zurückgegeben werden solle.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Auch eine dann, das heisst, nach der Scheidung wegen geschenkter oder entwendeter Sachen oder wegen der aufgewendeten Kosten getroffene Verabredung wird gelten. 1Wenn ein Fremder von dem Seinigen ein Heirathsgut geben will, so kann er Alles, was er nur will, auch ohne Wissen der Frau pacisciren, ebenso wie auch sich stipuliren; denn er schreibt für seine eigene Sache eine Bedingung vor; nachdem er aber [das Heirathsgut] gegeben haben wird, so muss er mit Zustimmung der Frau pacisciren. 2Wenn man übereingekommen sein wird, dass man von der Frau oder ihrem Vater das Heirathsgut nicht fordern solle, so wird der Erbe keine Einrede haben, aber wenn man übereingekommen sein wird, dass es nicht während der Ehe und beim Leben des Vaters gefordert werden solle, so kann es nach dem Tode des Vaters sogleich eingefordert werden und wenn der Ehemann es nicht gefordert haben wird, so wird er wegen dieses Verschuldens gehalten sein, wenn das Heirathsgut hätte gefordert werden können, wenn nicht etwa die Ehe früher getrennt sein sollte, als ihm die Möglichkeit zu fordern gegeben war.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Die Ehe wird getrennt durch Scheidung, Tod, Gefangenschaft, oder wenn eine andere Sclaverei einen von beiden [Ehegatten] betrifft.
Paul. lib. XXXV. ad Ed. Eine [wahre] Scheidung ist nicht vorhanden, wenn sie nicht eine ernstliche ist, welche mit der Absicht, eine immerwährende Trennung zu begründen, geschieht. Was daher in der Hitze des Zorns entweder geschieht, oder gesagt wird, ist nicht eher gültig, als bis aus der Beharrlichkeit erhellt hat, dass es der Ausspruch der Gesinnung gewesen sei; und darum scheint eine Ehefrau, wenn sie, nachdem in der Hitze eine Kündigung ergangen war, kurz darauf zurückgekehrt ist, sich nicht geschieden zu haben.
Übersetzung nicht erfasst.
Übersetzung nicht erfasst.