Ad edictum praetoris libri
Ex libro XXVIII
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Dig. 12,1,2Paulus libro vicensimo octavo ad edictum. Mutuum damus recepturi non eandem speciem quam dedimus (alioquin commodatum erit aut depositum), sed idem genus: nam si aliud genus, veluti ut pro tritico vinum recipiamus, non erit mutuum. 1Mutui datio consistit in his rebus, quae pondere numero mensura consistunt, quoniam eorum datione possumus in creditum ire, quia in genere suo functionem recipiunt per solutionem quam specie: nam in ceteris rebus ideo in creditum ire non possumus, quia aliud pro alio invito creditori solvi non potest. 2Appellata est autem mutui datio ab eo, quod de meo tuum fit: et ideo, si non faciat tuum, non nascitur obligatio. 3Creditum ergo a mutuo differt qua genus a specie: nam creditum consistit extra eas res, quae pondere numero mensura continentur sic, ut, si eandem rem recepturi sumus, creditum est. item mutuum non potest esse, nisi proficiscatur pecunia, creditum autem interdum etiam si nihil proficiscatur, veluti si post nuptias dos promittatur. 4In mutui datione oportet dominum esse dantem, nec obest, quod filius familias et servus dantes peculiares nummos obligant: id enim tale est, quale si voluntate mea tu des pecuniam: nam mihi actio adquiritur, licet mei nummi non fuerint. 5Verbis quoque credimus quodam actu ad obligationem comparandam interposito, veluti stipulatione.
Paul. lib. XXVIII. ad Ed. Ein Darlehn geben wir, nicht um künftig dasselbe Individuum11Eandem speciem. Unter species in diesem Sinne versteht man im Röm. Recht eine einzelne körperliche Sache, welche ihrem Individuum nach bestimmt ist., welches wir gegeben haben, zurückzubekommen, sonst wird es ein Leihcontract oder Niederlegungscontract sein, sondern eine Sache derselben Gattung22Idem genus. Genus. der species entgegengesetzt, bedeutet in diesem Sinne eine nur ihrer Gattung nach bestimmten Sache.; denn wenn eine Sache anderer Gattung, wie dass wir für Weizen Wein zurückbekommen, so wird es kein Darlehn sein. 1Das Geben eines Darlehns besteht in solchen Sachen, welche nach Gewicht, Zahl, Maass berechnet werden (consistunt); da wir doch durch das Geben von dergleichen ein Darlehn begründen33In creditum ire. Hier ist creditum in der engeren Bedeutung für Darlehn gebraucht, und so kommt es und credere für darleihen in diesem Titel öfters vor. S. auch v. Glück a. a. O. S. 461 u. 468. Anm. 20. können, weil sie mehr in ihrer Gattung zur Zahlung des Schuldigen dienen, als im Individuum44D. h. weil bei der Wiederbezahlung derselben nicht dieselben einzelnen körperlichen Sachen, welche der Schuldner zum Darlehn bekam, zurückgegeben zu werden brauchen, sondern Sachen von derselben Gattung und Güte genügen. Aus den lateinischen Worten: quia in genere suo functionem recipiunt per solutionem magis, quam specie hat man den barbarischen Namen res fungibiles gebildet. S. auch v. Glück a. a. O. S. 468 f.; denn bei den übrigen Sachen können wir deshalb kein Darlehn begründen, weil Eins für das Andere dem Gläubiger wider seinen Willen nicht geleistet werden kann. 2Es ist aber [dieser Contract] daher mutui datio benannt worden, weil de meo tuum (aus dem Meinigen das Deinige) wird; und darum entsteht, wenn es nicht das Deinige werden sollte, die Verbindlichkeit [des Darlehns] nicht. 3Das Anvertrauen unterscheidet sich also vom Darlehn, wie die Gattung von der Art; denn das Anvertrauen besteht auch55Es ist nothwendig, mit Haloander hier etiam einzuschieben, sonst würde der unrichtige Sinn entstehen, als ob ein creditum nicht in sog. fungibilen Sachen bestehen könnte. in andern, als in den Sachen, welche nach Gewicht, Zahl, Maass zusammengefasst werden; wie, wenn wir dieselbe Sache zurückbekommen werden, es ein Anvertrauen ist. Ingleichen kann ein Darlehn nicht bestehen, wenn nicht Geld dabei gegeben wird (proficiscatur), ein Anvertrauen aber zuweilen, auch wenn nichts gegeben wird, wie wenn nach Eingehung der Ehe eine Mitgift versprochen werden sollte. 4Beim Geben eines Darlehns muss der Geber Eigenthümer sein, auch steht [dem] nichts entgegen, dass ein Haussohn oder Sclave, wenn sie zum Sondergut gehörige Gelder geben, verbindlich machen; das ist nämlich eben so, als wenn du mit meinem Willen [Jemandem] Geld geben solltest, denn mir wird eine Klage erworben, obgleich es nicht meine Gelder gewesen sind. 5Auch durch Worte begründen wir ein Darlehn (credimus), wenn eine zur Hervorbringung einer Verbindlichkeit [geeignete] Handlung dabei vorgekommen ist, wie eine Stipulation.
Dig. 12,1,6Paulus libro vicensimo octavo ad edictum. Certum est, cuius species vel quantitas, quae in obligatione versatur, aut nomine suo aut ea demonstratione quae nominis vice fungitur qualis quantaque sit ostenditur. nam et Pedius libro primo de stipulationibus nihil referre ait, proprio nomine res appelletur an digito ostendatur an vocabulis quibusdam demonstretur: quatenus mutua vice fungantur, quae tantundem praestent.
Paul. lib. XXVIII. ad Ed. Ein Bestimmtes ist [dann] vorhanden, wenn (cujus) das Individuum, oder die Quantität66Quantitas ist eine nach Zahl, Maass oder Gewicht bestimmte Gattung., welche sich in der Verbindlichkeit befindet, entweder nach seinem [oder ihrem] Namen, oder unter einer solchen Beschreibung, welche die Stelle des Namens vertritt, rücksichtlich der Beschaffenheit und des Umfangs (qualis quantaque sit) bezeichnet wird. Denn auch Pedius schreibt im ersten Buche von den Stipulationen, es mache nichts aus, ob eine Sache mit dem eigenthümlichen Namen benannt, oder mit dem Finger bezeichnet, oder durch gewisse Worte beschrieben werde, in sofern [diejenigen Sachen] sich gegenseitig vertreten, welche [eine für die andere gegeben] eben so viel leisten.
Dig. 12,2,24Paulus libro vicensimo octavo ad edictum. Multo magis proderit patri religio filii, cum quo etiam iudicium consistere potest. ipsi autem referentes condicionem eorum, quibus subiecti sunt, non faciunt deteriorem.
Paul. lib. XXVIII. ad Ed. Um viel mehr wird dem Vater der Eid (religio) des Sohnes nützen, gegen welchen auch eine Klage bestehen kann; sie selbst aber machen, wenn sie [den Eid] zurückschieben, die Lage derjenigen, welchen sie unterworfen sind, nicht schlechter.
Dig. 12,2,35Paulus libro vicensimo octavo ad edictum. Tutor pupilli omnibus probationibus aliis deficientibus iusiurandum deferens audiendus est: quandoque enim pupillo denegabitur actio. 1Prodigus si deferat iusiurandum, audiendus non est: idemque in ceteris similibus ei dicendum est. nam sive pro pacto convento sive pro solutione sive pro iudicio hoc iusiurandum cedit, non ab aliis delatum probari debet, quam qui ad haec habiles sunt. 2Qui non compelluntur Romae iudicium accipere, nec iurare compellendi sunt, ut legati provinciales.
Paul. lib. XXVIII. ad Ed. Der Vormund eines Mündels ist, wenn er, da alle andern Beweismittel fehlen, den Eid anträgt, zu hören; so oft77D. h. so oft als der Vormund den Eid angetragen und der Gegner in Folge desselben geschworen hat, so oft wird dem Mündel, wenn er aus der abgeschworenen Verbindlichkeit klagen will, die Klage versagt werden. Dies Uebersetzung des quandoque durch so oft, und diesen Sinn der ganzen Stelle rechtfertigen die Basilica XXII. 5. 35. T. III. p. 129, wo es heisst: τότε γὰρ ἀποκλείει τῷ ἀνήσῳ. nämlich wird dem Mündel die Klage versagt werden. 1Ein Verschwender ist, wenn er den Eid antragen sollte, nicht zu hören. Und dasselbe ist bei den übrigen ihm ähnlichen zu sagen, denn mag dieser Eid anstatt eines Pactum, über welches man übereingekommen ist, oder anstatt der Zahlung, oder anstatt eines Urtheils gelten, so darf er, wenn er von Andern, als [denen,] welche dazu fähig sind, angetragen worden ist, nicht gebilligt werden. 2[Diejenigen,] welche nicht genöthigt werden, sich zu Rom auf die Klage einzulassen, sind auch nicht zu nöthigen, zu schwören, wie die Provincialgesandten88Diese nämlich hatten das jus revocandi domum, d. h. das Recht, an einem andern Orte, als in ihrer Heimath, gegen sie angestellte Klagen abzuweisen, und zu verlangen, dass dieselben in ihrer Heimath gegen sie angestellt werden sollten..
Dig. 12,6,27Paulus libro vicensimo octavo ad edictum. Qui loco certo debere existimans indebitum solvit, quolibet loco repetet: non enim existimationem solventis eadem species repetitionis sequitur.
Paul. lib. XXVIII. ad Ed. Wer in dem Glauben, dass er an einem bestimmten Orte schulde, eine Nichtschuld gezahlt hat, wird an jedem beliebigen Orte zurückfordern, denn es richtet sich nach dem Glauben des Zahlenden nicht dieselbe Art der Zurückforderung.
Dig. 13,4,5Paulus libro vicensimo octavo ad edictum. Si heres a testatore iussus sit certo loco quid dare, arbitraria actio competit:
Paulus lib. XXVIII. ad Ed. Wenn dem Erben vom Testator aufgetragen sein sollte, Etwas an einem bestimmten Orte zu geben, so steht die in das Ermessend es Richters gestellte Klage zu,
Dig. 13,4,7Paulus libro vicensimo octavo ad edictum. In bonae fidei iudiciis, etiamsi in contrahendo convenit, ut certo loco quid praestetur, ex empto vel vendito vel depositi actio competit, non arbitraria actio. 1Si tamen certo loco traditurum se quis stipulatus sit, hac actione utendum erit.
Paul. lib. XXVIII. ad Ed. Bei Klagen guten Glaubens steht, wenn man auch beim Schliessen des Vertrags übereinkam, dass an einem bestimmten Orte Etwas geleistet werde, die Klage aus dem Kaufe oder Verkaufe, oder die Niederlegung[sklage], nicht die in das Ermessen des Richters gestellte Klage zu. 1Wenn jedoch Jemand stipulirt hat99Das Wort stipulari ist hier auf den Verpflichteten zu beziehen. S. Anm. 74 zum 12ten Buche., dass er an einem bestimmten Orte übergeben werde, so wird man sich dieser Klage bedienen müssen.