Quaestionum libri
Ex libro X
Papinian. lib. X. Quaest. Es verschlägt wenig, um die Condiction aufzuheben, ob der gestohlene Sclav angeboten oder in eine andere Schuldforderung und in einen andern Zustand der Verbindlichkeit übertragen werde. Auch kümmert es mich nicht, ob der Mensch gegenwärtig war oder nicht, da der Verzug, welcher aus dem Diebstahl entstand, wie durch eine Art von Ueberweisung (delegatio) beendigt wird.
Papinian. lib. X. Quaest. Auch wenn Bäume vom Sturm umgeworfen oder durch Feuer verzehrt worden sind, wird der Kauf des Landgutes als nicht abgeschlossen betrachtet, wenn das Landgut aus Rücksicht auf jene Bäume, z. B. einen Oelgarten, erkauft ward, gleichviel ob es der Verkäufer wusste oder nicht. Ob11Dieser Zusatz wird für interpolirt erachtet, s. Glück XVI. 39. n. 14. der Käufer es aber gewusst habe oder nicht, oder er so wenig wie der Verkäufer, darüber gilt ganz dasselbe, was in den obigen Fällen hinsichtlich der Häuser gesagt worden ist.
Papin. lib. X. Quaest. Ein vertragsmässiges Uebereinkommen, welches später errichtet, etwas von dem Kaufe abzieht, gilt als Theil des Contracts, nicht aber ein solches, das etwas hinzusetzt; dies hat Statt bei den Bestärkungsmitteln des Kaufes, z. B. dass die Sicherheit des Doppelten nicht geleistet, oder durch einen Bürgen geleistet werden solle. Im Fall aber ein Vertrag ungültig ist, wenn der Käufer daraus klagt, so kann er als Einrede geltend gemacht werden, wenn der Verkäufer klagt. Ob sich Gleiches behaupten lasse, wenn der Kaufpreis später erhöht, oder vermindert worden, ist nicht mit Unrecht gefragt worden, weil der Kaufpreis zu den Hauptbestandtheilen des Kaufs gehört. Paulus bemerkt: wenn man vor Vollziehung des Kaufes22Glück IV. p. 262. n. 90. über die Vergrösserung oder Verminderung des Preises wieder eine neue Uebereinkunft getroffen habe, so scheinen die Parteien vom vorigen Contract abgegangen zu sein, und ein neuer Kauf in Mitte zu liegen. 1Papinianus sagt: Wenn im Kaufcontract [über ein Landgut] die Verabredung getroffen worden, falls ein Theil den Göttern geweiht, oder zum Begräbniss bestimmt, oder öffentliches Eigenthum ist, soll solcher nicht mitverkauft sein, und [das verkaufte Landgut] nicht öffentliches, sondern Eigenthum des Fiscus ist, so ist der Verkauf desselben gültig, und der Verkäufer kann sich nicht auf die bedungene Ausnahme berufen, weil solche hier nicht Platz greift.
Papinian. lib. X. Quaest. Wem durch eine Vertragsbestimmung des Verkäufers der Aufenthalt auf dem leeren Raume33Pomoerium. Liv. I. 44. Pomoerium verbi vim solam intuentes, postmoerium interpretantur esse. Est autem magis circa murum locus, quem in condendis urbibus quondam Etrusci, quo murum ducturi erant, certis circa terminis inaugurato consecrabant, ut neque interiora parte aedificia moenibus continuarentur, quae nunc vulgo etiam conjungunt, et extrinsecus puri aliquid ab humano cultu pateret soli. Hoc spatium, quod neque habitari, neque arari fas erat. non magis quod post murum esset, quam quod murus post id, pomoerium Romani appellarunt, et in urbis incremento semper, quantum moenia processura erant, tantum termini hi consecrati proferebantur. ausserhalb und innerhalb der Ringnauer einer Stadt untersagt ist, dem gilt auch der Aufenthalt in der Stadt selbst als untersagt. Dies hat, nebstdem, dass es durch Verordnungen der Kaiser ausgesprochen ist, auch einen in der Natur der Sache liegenden Grund für sich, damit nämlich demjenigen nicht das Grössere gestattet sei, der das Geringere entbehren muss.
Idem lib. X. Quaest. Ein Sclave wurde unter der Bedingung verkauft, dass er sich nicht in Italien aufhalten sollte; auf den Fall des Zuwiderhandelns wurde ohne Stipulation verabredet, dass der Käufer eine Geldstrafe zu entrichten habe: hier lässt sich nicht behaupten, dass der Verkäufer deshalb mit einer Strafklage auftreten könne; wohl aber steht ihm eine analoge Klage zu, wenn er durch die Nichteinhaltung der Bedingung in die einem Andern versprochene Conventionalstrafe verfallen ist. Eine Folge hiervon ist es, dass ihm nur insoweit eine Klage zusteht, als er einem Dritten sich zu einer Leistung verpflichtet hat; denn was darüber hinausgeht, ist Strafe, nicht Schadensersatz. Wenn verabredet worden ist, der Sclav solle nicht zur Strafe fortgeschafft werden, so kann mit Recht auch aus blosser Vorliebe für denselben geklagt werden. Hierin liegt noch kein Widerspruch, da jeder Mensch, als solcher, ein Interesse dabei hat, dass seinem Mitmenschen eine Wohlthat angedeihe; aber der Unwille über Nichtverhängung einer Strafe ist nichts als unempfindliche Härte.
Papinian. lib. X. Quaest. Das Versprechen eines Heirathsguts wird darum nicht weniger gelten, weil, da der Vater Anfangs von der Ehe nichts wusste, diese nicht gültig gewesen ist, wenn er nur nachher eingewilligt haben wird, weil jedes Versprechen eines Heirathsguts die stillschweigende Bedingung einer künftigen Ehe enthält (accipiat). Denn auch wenn eine [Frauensperson], die jünger als zwölf Jahre ist, gleich als wäre sie älter [als zwölf Jahre, als Ehefrau] heimgeführt worden ist, so wird [das Heirathsgut] dann erst gefordert werden, wenn sie älter als [zwölf] Jahre bei demselben [Manne] geworden ist44S. L. 4. D. de ritu nupt. 23. 2. u. L. 3. h. t.; denn was man gewöhnlich sagt, dass das Versprechen eines Heirathsguts nur für die erste Ehe bestimmt werde, und die Verbindlichkeit nicht fortdauere, wenn sie nach der Ehe mit einem Anderen den heirathet, dem sie das Heirathsgut versprochen hatte, findet dann Statt, wenn eine andere Ehe dazwischen gekommen ist.
Pompon. lib. X. Quaest. Wenn ein Mann [seiner] Ehefrau in der Absicht einer Schenkung eine Sache um weniger vermiethet haben wird, so ist die Vermiethung nichtig; wenn aber etwas Niedergelegtes unter diesen Personen in der Absicht einer Schenkung geringer geschätzt wird, so findet eine Niederlegung Statt. Dies [wird] darum so verschiedenartig [bestimmt,] weil zwar eine Vermiethung nicht ohne einen bestimmten Miethzins contrahirt werden kann, [als] Niedergelegtes aber [Etwas] auch ohne Schätzung gegeben werden kann. 1Eine Ehefrau hat angeordnet, dass [ihrem] Manne die Frucht eines Grundstücks von ihrem Erben gegeben werden, und, wenn sie nicht gegeben worden wäre, eine bestimmte Geldsumme auf den Todesfall versprochen werden solle; wenn der Mann beim Leben der Frau gestorben ist, so wird die Stipulation aufgelöst, wie die Uebergabe, welche im Auftrag der Ehefrau auf den Todesfall geschehen ist; denn in dem Falle, in welchem unter Fremden die Condiction entsteht, wird unter Ehegatten nichts ausgerichtet55Quo casu inter exteros, (d. h. nicht mit einander Verheiratheten) condictio nascitur, inter maritos (s. v. Glück a. a. O. S. 67. f. Anm. 52.) nihil agitur. Denn wenn unter solchen Personen, welche nicht mit einandeinander verheirathet sind, eine Schenkung mit Rücksicht auf eine Todesgefahr des Schenkers vorfällt, so dass der Beschenkte die Sache zwar sogleich haben, aber zurückgeben solle, wenn die Todesgefahr nicht eintritt, so kann, wenn der Beschenkte vor dem Schenker stirbt, die Sache von dem Schenker nicht vindicirt werden, weil das Eigenthum auf den Beschenkten übergegangen war, sondern muss condicirt werden. Bei Ehegatten ist aber in einem solchen Falle die Schenkung ganz und gar nichtig, es kann also, weil kein Uebergang des Eigenthums Statt fand, die geschenkte Sache vindicirt werden. S. v. Glück a. a. O. S. 68..
Idem lib. X. Quaest. Servius hat das Gutachten ertheilt, wenn ein Mitherr in seinem Testamente die Freiheit so ertheilt habe: Pamphilus soll frei sein, wenn ihn der Mitherr freigelassen haben wird, so werde der Sclave, wenn ihn der Mitherr freilasse, der gemeinschaftliche Freigelassene der Familie [des Verstorbenen] und des Freilassers. Auch ist es ja nichts Neues oder Unbekanntes, dass einem gemeinschaftlichen Sclaven die Freiheit nach verschiedenem Recht zu Theil werde.
Ad Dig. 46,1,48ROHGE, Bd. 4 (1872), S. 325: Rechtsverhältniß mehrerer Bürgen dem Gläubiger gegenüber. Regreß eines Mitbürgen an den andern zur Hälfte, ungeachtet letzterer nur zur letzten Stelle hat haften wollen. Beneficium cedendarum actionum, divisionis, excussionis.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 479, Note 7.Idem lib. X. Quaest. Wenn Titius und Seja sich für den Maevius verbürgt haben, so werden wir, nachdem die Frauensperson davongenommen ist66Wegen des SC. Vellejanum, s. tit. D. ad SC. Vellej. 16. 3. u. l. 8. C. eod. 4. 29., eine Klage aufs Ganze gegen den Titius geben, da er hätte wissen können, oder es ihm nicht unbekannt sein durfte, dass eine Frau unwirksam intercedire. 1Dieser Erörterung kann auch jene Frage ähnlich zu sein scheinen: ob, wenn der eine Bürge wegen seines Alters in den vorigen Stand wiedereingesetzt wird, der andere die ganze Last der Verbindlichkeit ganz auf sich nehmen müsse? Es ist aber nur dann dem anderen das Ganze aufzubürden, wenn der Minderjährige nachher77Nachdem der Andere sich schon verbürgt hatte. intercedirt hat, [nämlich] wegen der Ungewissheit des Alters88Dieser Satz enthält den Grund, weshalb der grossjährige Mitbürge, ausser in dem kurz vorher angegebenen Falle, das Ganze nicht zu bezahlen brauche, nämlich weil ihm das Alter des Minderjährigen unbekannt sein konnte, oder, wenn er es auch wusste, es doch noch ungewiss war, ob der minor werde restituirt werden. S. Cujac. Observatt. X. c. 23. u. ad Papin. Quaest. X. ad h. l. (Opp. T. IV. p. 270.) u. Zimmern in d. Römischrechtl. Untersuchungen. S. 269. Anm. 34. und der Widereinsetzung. Wenn aber der Minderjährige durch die Arglist des Gläubigers verleitet worden ist, dass er sich verbürgte, so darf dem Gläubiger ebensowenig gegen den Mitbürgen geholfen werden99Es haftet also der grossjährige Mitbürge des Minderjährigen nicht für das Ganze., als wenn er, nachdem eine Novation geschehen und der Minderjährige hintergangen worden, verlangen würde, dass ihm gegen den alten Schuldner eine analoge Klage gegeben werden sollte.