Membranarum libri
Ex libro III
Neratius lib. III. Membranarum. Es ist unzweifelhaft, dass man von Kauf, Verkauf, Vermiethung, Miethe und den übrigen ähnlichen Contracten unter Beibehaltung der nämlichen Umstände, wenn die verbindlich gemachten Parteien darin übereinstimmen, abgehen kann. Aristo ging noch weiter, indem er behauptete: wenn ich dir alles geleistet, was ich aus dem Kaufcontract dir habe leisten sollen, und mit dir, welcher den Kaufpreis schuldig geblieben, dahin übereingekommen, dass du mir in Bezug auf die verkaufte Sache alles geleistet, was ich dir geleistet hätte, und so mir den Kaufpreis nicht bezahlen solltest; du mir auch das geleistet hättest, so hörtest du auf, mir den Kaufpreis schuldig zu sein, weil die Auslegung des guten Glaubens, nach welchem hier Alles bestimmt wird, auch diesen Vertrag zulässt. Und es ist gar kein Unterschied, ob der Vertrag, von diesem Geschäfte abzugehen, unter Beibehaltung alles dessen, wozu wir verbindlich geworden, geschlossen worden ist, oder ob wir nach Zurückgabe alles dessen, was ich dir geleistet habe, dahin übereingekommen, dass du in diesem Bezuge mir nichts leisten sollst. In einem Vertrage, welcher auf Auflösung eines geschlossenen Geschäftes sich bezieht, kann man keineswegs durchsetzen, dass du gezwungen werdest, mir das zu leisten, was ich dir schon geleistet habe: weil man auf diese Weise nicht sowohl darüber verhandelt, vom alten Geschäfte abzugehen, als neue Verbindlichkeiten gegenseitig einzugehen.
Neratius lib. III. Membran. Die Publiciane ist nicht dazu eingeführt worden, um die Sache dem Eigenthümer zu entziehen; denn der Beweis davon ist zuvörderst die Billigkeit, und sodann die Einrede: wenn die Sache dem Besitzer nicht gehört; sondern dass der Käufer im guten Glauben, der aus diesem Grunde den Besitz erlangt hat, auch die Sache vielmehr erhalte, [als derjenige, welcher keinen Rechtsgrund für sich hat].
Neratius. lib. III. Membranar. Der Niessbraucher darf die rohen Wände [eines Hauses] nicht mit Marmor oder Gyps11S. Glück IX. p. 246. n. 91. bekleiden lassen, weil, wenn er auch durch die Auszierung des Gebäudes dem Eigenthümer einen Vortheil bereitet, er es dennoch nicht aus eigenem Rechte thun kann; denn etwas anders ist es, etwas Empfangenes erhalten, und etwas Neues machen.
Neratius. lib. III. Membran. Ich habe meinen Antheil an einem Landgute aus dem mir mit dir gemeinschaftlich zugefallenen Nachlass des Lucius Titius verkauft; nachher ward zwischen uns die Erbtheilungsklage eingeleitet; hier kommt weder der mir gehörig gewesene Theil in Betracht, weil er als veräussert aus der Erbschaft geschieden ist, noch der deinige, weil, wenn er auch in dem vorigen Rechtsverhältniss und Erbschaftsstück bleibt, er dennoch durch die Veräusserung meines Antheils aus der Gemeinschaft tritt. Ob aber ein Erbe seinen Antheil nicht veräussert hat, oder mehrere, ist ganz gleich, sobald nur ein von einem der Erben veräusserten Antheil aufgehört hat, zur Erbschaft zu gehören.
Neratius lib. III. Membran. Wenn mir diejenige Sache, die ich in Folge eines Kaufs gewähren musste, mit Gewalt genommen worden ist, so ist es, obwohl mir deren Verwahrung oblag, dennoch angemessener, dass ich dem Käufer nichts weiter als die Klagen zur Verfolgung derselben abzutreten brauche, weil Verwahrung wider Gewalt wenig nützt; diese Klagen brauche ich dir aber nicht blos nach deinem Ermessen, sondern auch auf deine Gefahr abzutreten, so dass aller Gewinn und aller Verlust auf dich fallt. 1[Wenn ich einen Sclaven verkauft und ihn nicht zur rechten Zeit übergeben habe22Diesen Zusatz erfordert der Zusammenhang. Die Vulgate und Haloander haben ihn im Text.], so muss ich nicht nur dasjenige gewähren, was ich durch denselben [während der Verzögerung] erworben habe, sondern auch dasjenige, was der Käufer, wenn ihm derselbe bereits damals übergeben worden wäre, erworben haben würde. 2Ad Dig. 19,1,31,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 199, Note 13.Wir haben beide dieselbe Sache vom Nichteigenthümer erkauft, und sie ist, während der Kaufabschluss ohne Arglist erfolgte, übergeben worden; wir mögen sie nun beide von demselben, oder jeder von einem Andern erkauft haben, es ist derjenige von uns [im Besitz] zu schützen, der zuerst denselben ergriffen hat, d. h. wem sie zuerst übergeben worden ist; hat sie aber der eine von uns vom Eigenthümer gekauft, so ist dieser jeden Falls zu schützen.
Nerat. lib. III. Membran. Ein Mann hat, als er seiner Ehefrau Etwas schenken wollte, sich von einem Schuldner der Frau, welcher nicht zahlungsfähig war, ein Heirathsgut versprechen lassen; diese Sache steht nur insoweit, als jener zahlungsfähig gewesen ist, auf Gefahr des Mannes; und wenn sich die Zahlungsfähigkeit des Schuldners in Etwas vermehrt haben wird, so wird die Gefahr bis zu der Summe, welche hinzugekommen sein wird, wachsen, und wird [so] bleiben, auch wenn der Schuldner wiederum ärmer geworden sein wird, weil weder damals, als die Mitgift versprochen wurde, eine Schenkung geschehen ist, ausser mit dem Geld, welches man von dem Schuldner nicht erhalten konnte, noch auch, als dieser angefangen hat, zahlungsfähig zu sein, das Schenkungsverhältniss bleibt, da [dann] die Sache sich in der Lage befindet, in welcher sie sich befinden würde, wenn er auch damals, als die Mitgift versprochen wurde, reich gewesen wäre.
Nerat. lib. III. Membran. Ein Sclave ist für frei erklärt worden, wenn er dem Erben Zehn gegeben hätte; er hat Zehn und schuldet seinem Herrn ebensoviel. Dadurch, dass er diese Zehn giebt, wird er nicht befreit werden; denn wenn es dem Bedingtfreien gestattet ist, von seinem Sondergute Etwas um der Erfüllung der Bedingung willen zu geben, so müssen wir das so erklären, dass er es nicht auch von dem geben kann, was sich ausserhalb des Sonderguts befindet. Auch ist es mir nicht unbekannt, dass diese Gelder Sondergutsgelder genannt werden können, obwohl, wenn der Sclave ausserdem Nichts hat, kein Sondergut vorhanden ist; aber es darf nicht bezweifelt werden, dass die Absicht Derer, welche dies festsetzten, die gewesen ist, dass der Sclave deshalb die Erlaubniss haben sollte, gleichsam aus seinen Vermögen zu geben, weil das vorzüglich ohne Unrecht gegen seine Herren gestattet zu werden schien. Wollte man noch weiter gehen, so müsste man am Ende auch glauben, dass der Bedingtfreie auch dadurch, dass er die Gelder, welche er seinem Herrn etwa entwendet hat, gäbe, der Bedingung Genüge leisten werde.
Neratius lib. III. Membran. Als wir über das Interdict wegen des Sommerwassers und des täglichen Wassers Untersuchung anstellten, so hielten wir dafür, zuvörderst feststellen zu müssen, was Sommerwasser sei, in Bezug auf welches ein eigenthümliches auf die Zeit des vorigen Sommers bezügliches Interdict ertheilt zu werden pflegt; d. h. ob Sommerwasser blos in Folge des Rechts, nur im Sommer davon Gebrauch zu machen, so genannt werde, oder in Folge der Meinung und des Vorsatzes Dessen, der den Gebrauch macht, dass er die Absicht gehabt, es im Sommer zu leiten, oder aus der Natur des Wassers selbst, weil es nur im Sommer geleitet werden kann, oder aus dem Nutzen für die Oerter, wohin es geleitet wird? — Man entschied sich nun dahin, dass das Wasser in Folge der beiden Umstände, seiner Natur und des Nutzens für die Oerter, wohin es geleitet werde, eigentlich seine Benennung erhalte, sodass dasselbe, es sei nun seine Natur von der Art, dass es nur im Sommer geleitet werden könne, anch wenn im Winter dergleichen [für den Berechtigten] von Nöthen sei33Desiderare, s. l. 25. D. de serv. praed. rust., oder es möge seine Natur zu jeder Jahreszeit die Leitung verstatten, wenn der Nutzen der Orte, wohin es geleitet wird, den Gebrauch nur im Sommer erfodere, richtig Sommerwasser genannt werde.
Ad Dig. 46,7,16Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 479, Note 10.Nerat. lib. III. Membran. Ich will aus der Stipulation, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, wegen nicht vertheidigter Sachen gegen einen von den Bürgen klagen; dieser ist bereit, mir zu zahlen, was auf seinen Theil komme. Es darf mir gegen diesen keine Klage gegeben werden; denn es ist ja nicht billig, dass Derjenige mit einer Klage in Anspruch genommen, oder zum Leugnen genöthigt werde, welcher ohne Dazwischenkunft des Richters so viel zu geben bereit ist, als sein Gegner durch den Richter von ihm würde erlangen können.
Übersetzung nicht erfasst.